Anlässlich der aktuellen Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) haben wir mit dem Aktionsbündnis die
akademischen Oberhäupter erneut dazu aufgefordert: Kehren Sie
endlich X den Rücken! Nutzen Sie stattdessen Mastodon für die
öffentliche Kommunikation über Forschung und Wissen. Die HRK sollte
eine entsprechende Empfehlung an die Hochschulen aussprechen.
Bisher ist nur ein kleiner Teil der deutschen Hochschulen auf
Mastodon vertreten. Auch nach der jüngsten Sitzung am 19. November
konnte sich die HRK nicht zu einer Empfehlung durchringen.
Warum Mastodon?
Das Mastodon-Netzwerk ist eine dezentrale Struktur. Das heißt,
die Moderation von Inhalten dominiert nicht ein Unternehmen.
Vielmehr achten viele verschiedene Akteur*innen und Betreibende der
einzelnen Instanzen auf eine effektive Moderation. So kann die
Verbreitung von Hass und Hetze verhindert werden.
Hinzu kommt: Es gibt kein Tracking und keine Datensammelwut,
keine Werbung und auch keine Timeline, in die Algorithmen vor allem
solche Inhalte spülen, die Aufregungspotenzial haben und Nutzende
lange an die Plattform fesseln. Es gibt außerdem eine große Auswahl
an Instanzen, die sich mit bestimmten Themen oder Regionen
befassen.
Wikimedia Deutschland hat bereits Ende 2023 X den Rücken gekehrt,
weil die Plattform sich nicht mehr mit unseren Werten vereinbaren ließ. Seitdem nutzen wir
aktiv Mastodon und können sagen: Das Klima ist dort sachlicher und
offener. Die Menschen, die mit uns in den Austausch gehen, tun das,
weil sie an Themen und Argumenten interessiert sind. Und wir
konnten dort schnell eine große Anzahl Menschen für unsere Themen
interessieren.
Auch viele andere Organisationen und Unternehmen haben X aus
ähnlichen Gründen bereits verlassen. Dazu gehören das ZDF, die BVG,
der Bundesverband Deutscher Stiftungen oder auch die
Volkswagenstiftung.
Warum braucht es das
Aktionsbündnis?
Eine Wikidata-Abfrage weist 45
Hochschulen aus, die bei Mastodon vertreten sind. Die
Friedrich-Schiller-Universität Jena ist seit Januar 2020 dabei,
während etwa die Evangelische Hochschule Ludwigsburg im September
2024 beigetreten ist. Auch wenn de facto sicherlich ein paar mehr
Hochschulen bei Mastodon aktiv sind – Wikidata zählt nur die
Hochschulen, in deren Dateneintrag das auch vermerkt ist – sind es
viel zu wenige. Die HRK hat aktuell 271 Mitgliedshochschulen.
Hochschulen mit
Mastodon-Account, die dem Bündnis bisher bekannt sind.
Auch nach Gesprächen mit Mitgliedern des
Aktionsbündnisses war die HRK nicht bereit, ihren Mitgliedern zu
empfehlen, Mastodon statt X zu nutzen.
Um den Umstieg von X auf Mastodon zu erleichtern, haben wir im
Aktionsbündnis ein Tutorial erarbeitet. Von Schritt 1 „Server
auswählen – oder selber hosten“ bis hin zur Nutzung von Mastodon
und zum Ausstieg aus X erklären wir darin Schritt für Schritt, wie
Mastodon funktioniert.
Um den Rektor*innen zu verdeutlichen, dass unsere Forderung
Unterstützung findet, hat das Aktionsbündnis außerdem eine Petition
gestartet. Je mehr Menschen diese unterstützen, umso deutlicher
wird den Unis und Hochschulen, dass sie ihre Kommunikation ihren
Werten anpassen müssen.
Das Aktionsbündnis besteht zu einem großen Teil selbst aus
akademischem Personal. Zu den Erstunterzeichnenden gehören
unter anderem die Informatik-Professorin Claudia Müller-Birn, der
Professor für Biotechnologie Mario Birkholz, der Leiter des Open
Science Labs am Leibniz Informationszentrum für Technik und
Naturwissenschaften Lambert Heller oder der
Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch. Viele weitere
Forschenden und Mitarbeitende von Hochschulen haben die Petition mittlerweile
unterzeichnet.
Die Petition läuft noch bis zum 6. Januar 2025. Zeigen wir bis
dahin den Hochschulen, dass wir sie im Fediverse erwarten! Hier geht es zur Petition.
In der freien Mediensammlung Wikimedia Commons finden sich seit diesem Jahr
Fotos von einigen der imposantesten Werke des Malers Caspar David
Friedrich. „Das Eismeer“ zum Beispiel. Oder
die „Abtei im Eichwald“. Zu
verdanken ist das einem Themenschwerpunkt der GLAM-Veranstaltungen 2024, der dem berühmten
Romantiker gewidmet ist. Mit den GLAM-Formaten bringt Wikimedia
Deutschland die Ehrenamtlichen der Wikimedia-Projekte regelmäßig in
Kontakt mit Kulturinstitutionen – und verschafft ihnen auch
Einblicke hinter die Kulissen, die etwa andere
Ausstellungsbesucher*innen nicht bekommen.
Im Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich
begann die Veranstaltungsreihe mit einer Wikipedianischen KulTour in
Berlin, wo in der Alten Nationalgalerie die Ausstellung
„Unendliche Landschaften“ besucht wurde. Jetzt ging es für elf
Wikipedianer*innen für ein Wochenende nach Greifswald – in die
Geburtsstadt des Künstlers also, die ihn zu einer Vielzahl von
Gemälden inspirierte, wie zu erleben in der Sonderausstellung
„Heimatstadt“ des Pommerschen
Landesmuseums.
Während der zweitägigen Tour haben die Ehrenamtlichen
umfangreiches Wissen gesammelt und hunderte Fotos gemacht. All das
wird jetzt für Wikipedia-Artikel aufbereitet.
Engagement auf allen Seiten –
„Was wir schon immer mal wollten“
Eine Besonderheit dieser GLAM on Tour-Station: Nicht nur
das Museum, auch die Universität Greifswald und die Domgemeinde St.
Nikolai stellten sich dafür mit ihren jeweils eigenen
Kunstsammlungen als Kooperationspartner zur Verfügung. „Dieser
Dreiklang der Institutionen spiegelt die organisierte
Zivilgesellschaft in Greifswald bestens wider, die uns willkommen
geheißen hat“, findet Holger Plickert, der zusammen mit Christoph
Jackel die Veranstaltung für Wikimedia Deutschland organisierte und
begleitete.
„Die Anfrage, Mit-Gastgeber der GLAM on Tour zu sein, rannte
offene Türen bei Kustodie und Wissenschaftskommunikation der
Universität Greifswald ein“, beschreibt der Leiter der Kustodie,
Dr. Thilo Habel: „Das Angebot war eines aus der Rubrik ‚was wir
schon immer mal wollten‘.“
Ein Engagement, das auch die Ehrenamtlichen vor Ort wahrnahmen:
„Sowohl die Mitarbeiter des Museums, als auch die der Universität
und der Superintendent brennen für ihre Sache und haben es
geschafft, alle mitzureißen“, so die Wikipedianerin Artessa.
Besondere Momente im Museum für
Wikipedia-Aktive
Auch die Wikipedianerin Geolina163 lobt: „Die GLAM-Veranstaltung in
Greifswald war für mich wohl eine der inspirierendsten der
vergangenen Jahre. Das hochkarätige und vielseitige Programm hätte
gut für die doppelte Zeit ausgereicht.“
Am ersten Tag bekamen die Wikipedia-Ehrenamtlichen zwei
Exklusivführungen im Pommerschen Landesmuseum, sowohl durch die
Dauerausstellung der Institution, als auch durch die
Sonderausstellung „Heimatstadt“ mit Werken von Caspar David
Friedrich. „Den innigsten Moment des Wochenendes hatte ich am
Samstag kurz vor Schließung des Museums, ganz allein in den Räumen
mit den wunderbaren und vielschichtigen Bildern des Malers“,
schwärmt Geolina. „Erstaunlich, wie viele der Ansichten man heute
noch in Greifswald am Hafen und im Ortsteil Eldena entdecken
kann.“
Wikipedianer Wuselig erzählt: „Ich fand es auch
faszinierend, was das Landesmuseum neben der Sonderausstellung noch
alles zu bieten hatte“. Zum Beispiel historische Karten des
vormaligen Herzogtums Pommern, die er in Detailausschnitten
abfotografiert hat – die Bilder sind teilweise schon
auf Commons hochgeladen. „Ich versuche Ausstellungen stets vom
ersten bis zum letzten Bild zu dokumentieren, sofern sie gemeinfrei
sind“, beschreibt Wuselig seinen Anspruch. „In Greifswald habe ich
aufgrund der Fülle nur das Untergeschoss geschafft.“ Sein Wunsch:
„So eine GLAM-Veranstaltung sollte keine einmalige Sache sein. Das
schreit nach mehr!“.
Offene Türen und spektakuläre
Fenster
Überhaupt fanden viele der Entdeckungen, die abseits der Caspar
David Friedrich-Pfade zu machen waren, großen Anklang bei den
Teilnehmenden. Typisch für eine GLAM on Tour: Vor Ort öffnen sich
oft unerwartete Türen, ergeben sich überraschende
Fotogelegenheiten, lässt sich Wissen sammeln, mit dem auch
bestehende Wikipedia-Artikel erweitert werden können – in diesem
Fall etwa zur Greifswalder Universität,
dem Dom St. Nikolai oder generell zur
Pommerschen Landesgeschichte.
Am zweiten Tag wurde die Gruppe über den historischen Gebäude
der Universität geführt und konnte sowohl den noch gut erhaltenen
Karzer, als auch die historische Aula des Gebäudes besichtigen.
„Sogar die Sammlungsräume des Kustos, mit einer Auswahl von
Zeichnungen des Paläontologen Otto
Jaekel und wertvollen Fischerteppichen, durften besucht
werden“, erzählt Geolina. Ihr absolutes Highlight im Greifswalder
Dom wiederum: „Die neuen, spektakulären Ostfenster des
Künstlers Ólafur Elíasson, farblich angelehnt
an das Gemälde ‚Huttens Grab‘ von Caspar David Friedrich.“ Die
Wikipedianerin hofft, dass Elíasson die Genehmigung dafür erteilt,
dass auch diese Bilder Eingang in Wikimedia Commons finden
können.
Als „geradezu euphorisierend“ erlebte Dr. Thilo Habel „die große
Spannbreite an Interessensschwerpunkten der Teilnehmenden, mit
Gesprächen über Gipse, Gemälde, digitale Objekterschließung,
Provenienzen, Restitutionen, Pflanzensystematik und Kulturpolitik
der DDR… – jedenfalls genug, um neue Anknüpfungspunkte in der
Zukunft zu finden.“
Inspirierende Einblicke ins
Wikiversum
Umgekehrt ließen sich auch die Vertreter*innen der
Kulturinstitutionen in Greifswald von den Haupt- und Ehrenamtlichen
mit großem Interesse ins Wikiversum einführen. „Ich konnte viel
über die Wikimedia-Projekte lernen und freue mich darauf, dieses
neue Wissen anzuwenden“, so Pauline Kudell, Wissenschaftliche
Volontärin am Pommerschen Landesmuseum.
Auch Florian Krüger, Koordinator des Begleitprogramms und
freiberuflicher Guide, empfand die GLAM on Tour als bereichernd.
Zum einen, „weil ich ein paar der Menschen kennenlernen konnte, die
hinter Wikipedia stecken, die mit einiger Motivation und Interesse
in die Themen geblickt haben, für die ich mich auch begeistere, und
damit Wissen und Anregungen in den Rest der Welt weitertragen
können – was in unserer eher dünn besiedelten Region oft schwierig
ist. Zum anderen, weil ich Einsichten erhalten habe, die für meine
Betätigung in der Wikipedia oder für Wikipedia Commons grundlegend
sind und mir so einen eigenen Start ins Wikiversum ermöglicht
haben.“
„Wir freuen uns sehr über diese produktive Zusammenarbeit mit
Wikimedia, der Universität Greifswald und dem Dom St. Nikolai“,
zieht Pressesprecherin Julia Kruse Bilanz und blickt in die
Zukunft: „Beim gemeinsamen Abendessen entstanden schon viele neue
Ideen für mögliche weitere Kooperationen!“
Zurück mit 5 Kilo Büchern und
700 Fotos
Zuerst gilt es natürlich, die in Greifswald gewonnenen Eindrücke
in Wikipedia und Wikimedia Commons zu überführen. Keine leichte
Aufgabe, wie Geolina beschreibt: „Zurück mit fast 5 Kilogramm
Büchern stellt sich die Frage, wo mit der Artikelarbeit anfangen?
Bei den Biografien der Museumsdirektor*innen, dem Großfindling, der
KPM-Prunkvase aus der Dauerausstellung oder mit dem Friedrich-Bild
der Höhle aus dem Harz, die ich sehr gut kenne? Am umfangreichsten
wird aber sicherlich der Artikel über das Ostfenster im Dom. Oder
doch erst die fast 700 Fotos sortieren und bearbeiten? Es ist nur
bedauerlich, dass der Tag nur 24 Stunden hat und man nebenbei auch
noch die Brötchen verdienen muss.“
Lust, mehr zu
erfahren?
Auch das Pommersche Landesmuseum hat einen Bericht zum Besuch
der Wikipedianer*innen veröffentlicht. Diesen können Sie hier lesen.
Hier finden Sie eine Übersicht über vergangene und anstehende
GLAM on Tour-Veranstaltungen
sowie alle Informationen rund um das GLAM-Projekt von Wikimedia Deutschland in
Kooperation mit Galerien, Archiven, Bibliotheken und Museen,
die sich dem Freien Wissen öffnen. Inklusive Terminkalender!
Wer beim Fotowettbewerb Wiki Loves Monuments mitmacht, leistet einen wichtigen
Beitrag zum Denkmalschutz und zur Bewahrung des Kulturerbes. Die
eingereichten Fotos werden im Medienarchiv Wikimedia Commons
hochgeladen und stehen unter freier Lizenz. Alle können die Bilder
nutzen – vor allem helfen sie Wikipedia-Aktiven, Artikel in der
Online-Enzyklopädie zu bebildern. Organisiert wird WLM von
Ehrenamtlichen der Wikimedia-Communitys auf der ganzen Welt.
Jetzt stehen die Gewinnerfotos der deutschen WLM-Ausgabe 2024 fest.
Eine zehnköpfige Jury aus der Community und ein
externer Juror haben Anfang November in Fulda ihre Auswahl unter
mehr als 900 Fotos getroffen, die von der Vorjury am besten bewertet
wurden. Die 10 ersten Plätze nehmen am internationalen Wettbewerb
teil.
Platz 1 bis 3
Leonhard Lenz, CC0, via
Wikimedia Commons
Platz 1 geht an GPSLeo mit „Verladeturm Groß Neuendorf des
Oder-Hafens in Letschin–Groß Neuendorf im Landkreis Märkisch-Oderland“.
Zusammen mit der inzwischen touristisch genutzten Anlage
dokumentiert GPSLeo auch das Hochwasser an der Oder, das im
September 2024 weite Teile Mitteleuropas traf. „Durch den Zugang,
sowohl das Denkmal als auch die Naturgewalt technisch einwandfrei
und verantwortungsbewusst abzubilden, macht der Fotograf das Bild
zu einem wichtigen Zeitdokument“, so die Jury.
Jojoo64, CC BY-SA 4.0 , via
Wikimedia Commons
Den 2. Platz gewinnt Jojoo64 mit „Schloss Appelhof in Allersberg–Appelhof im Landkreis Roth“. Das Foto gibt in den Augen der
Jury sehr gut „sowohl den Bau-Charakter, die unmittelbare Umgebung
als auch den gegenwärtigen Erhaltungszustand“ des Schlosses wieder,
das ursprünglich für den Herzog von Bayern erbaut wurde – außerdem
strahle es trotz der unmittelbaren Nähe zur A9 und der
Schnellfahrstrecke Nürnberg-München eine große Ruhe aus.
Reinhold Möller Ermell, CC BY-SA
4.0 , via Wikimedia Commons
Auf Platz 3 wurde Ermell mit „Burg Rauheneck in Ebern–Vorbach im Landkreis Haßberge“ gewählt. Das
Bild zeigt die vielfach fotografierte Burg Rauheneck aus der
Vogelperspektive und ist mit einer Drohne aufgenommen. „Dieser
Einsatz einer Drohne zeigt wirkungsvoll, dass mit ihnen erstellte
Bilder insbesondere in solchen Fällen, in denen das Denkmal nur
noch in Fragmenten vorhanden ist, neue Blickwinkel beitragen
können“, so die Jury.
Platz 4 bis 15
Sonderpreis
Kinderwelten
Zum ersten Mal wurden 2024 auch drei Sonderpreise für Fotos von
Kulturdenkmalen und Bauwerken aus der Sicht von Kindern und für die
Zielgruppe Kinder vergeben. Anlass ist der 10. Geburtstags von
Klexikon.de, dem größten und beliebtesten
freien Kinderlexikon in deutscher Sprache. Das Klexikon hat eine
eigene Jury aufgestellt, in der Kinder bei der Auswahl der drei
Preisträger-Fotos mitentscheiden konnten.
Die Preisverleihung findet am 6.
Dezember in der Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland in Berlin
statt. Dort werden erstmals die Preise der Foto-Wettbewerbe Wiki
Loves Monuments, Wiki Loves Earth und Wiki Loves Folklore Deutschland
zusammen vergeben.
Mitmachen bei einer
Erfolgsgeschichte: So geht’s!
Gestartet ist Wiki Loves Monuments im Jahr 2010 in den
Niederlanden. Schon zwei Jahre später machten Fotobegeisterte aus
35 Ländern mit und reichten über 360.000 Fotos ein. Heute noch gilt
Wiki Loves Monuments als der größte Fotowettbewerb rund um Bau- und
Kulturdenkmäler weltweit.
Wie auch bei allen anderen Wiki-Wettbewerben ist das Schöne an
WLM: Alle können mitmachen – vom Hobbyfotografen bis hin zur
Foto-Expertin. In drei Schritten geht’s zum Ziel: Denkmal
auswählen, fotografieren, Foto auf Wikimedia Commons hochladen. Wer
sich an einer der kommenden Ausgaben beteiligen möchte, findet
hier weitere Infos zu den
Teilnahmebedingungen.
Durch die Reform sollen zentrale Herausforderungen in der
öffentlichen Beschaffung adressiert werden, darunter die
Komplexität des Vergaberechts, die Stärkung der Digitalisierung
sowie die Förderung einer nachhaltigen und sozial-ökologischen
Wirtschaft.
Wenn die öffentliche Hand Software entwickelt oder kauft, sollte
diese unter freien und offenen Lizenzen stehen. Die geplante Reform
des Vergaberechts der Bundesregierung bietet nun eine günstige
Gelegenheit, dies gesetzlich zu verankern. Bisher findet sich im
Entwurf jedoch kein klares Bekenntnis zu freier Open Source
Software. Das Wirtschaftsministerium muss an dieser Stelle dringen
nacharbeiten.
Das ist unser
Vorschlag
Bei der Beschaffung von IT- und von IT-gestützten Produkten
sollte dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, der
Einsatz von Freier/Open-Source-Software vorrangig erfolgen. Darüber
hinaus sollen auch die Aspekte Bedienbarkeit, Zukunftssicherheit,
Interoperabilität und IT-Sicherheit berücksichtigt werden.
Unter Freien/Open-Source-Produkten sind solche Produkte zu
verstehen, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und deren
Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung nicht
einschränkt. Das Prinzip Freier Software bedeutet darüber hinaus,
dass Weiterentwicklungen solcher Software ebenfalls unter einer
kompatiblen Lizenz veröffentlicht werden müssen
Die Vorteile freier und offener
Software in der Verwaltung
Bund, Länder und Kommunen sind häufig auf einzelne proprietäre
Softwareanbieter angewiesen. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass
Verwaltungen Bedingungen wie Preissteigerungen oder
Produktänderungen übernehmen müssen, ohne verhandeln zu können.
Allein 2021 überstiegen die Kosten für Microsoft-Lizenzen nur in
der Bundesverwaltung erstmals 200 Millionen Euro.Im April 2023
stiegen die Preise für Cloud-Angebote erneut.
Proprietäre Softwarelizenzen schränken die Nutzung,
Weiterentwicklung und den Austausch des Quellcodes stark ein. Diese
Abhängigkeit begrenzt die Kontrolle der Verwaltungen über ihre
eigene IT-Infrastruktur und die Möglichkeit, bei Bedarf den
Anbieter zu wechseln. Freie und Open-Source-Software (FOSS) bietet
hier eine Alternative: FOSS-Lizenzen erlauben es grundsätzlich
jedem, den Quellcode zu betrachten, zu verändern und weiterzugeben.
Dadurch ist eine größere Transparenz und Flexibilität möglich, was
das IT-Sicherheits- und Datenschutzniveau steigern kann.
Hürden für den Einsatz von FOSS
in der Verwaltung
Im Koalitionsvertrag bekennt sich die Bundesregierung klar zur
Förderung von FOSS in der Verwaltung: „Entwicklungsaufträge werden
in der Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software
wird grundsätzlich öffentlich gemacht.“ Diese Verpflichtung
entspricht dem Prinzip „Public Money, Public Code“: Software, die
aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, soll der Allgemeinheit
zugänglich sein.
Doch in der Praxis ist FOSS in öffentlichen Verwaltungen nach
wie vor selten. Oft fehlt den Behörden Wissen darüber, wie sie FOSS
rechtssicher beauftragen können. Das geltende Vergaberecht legt
fest, wie Produkte und Dienstleistungen eingekauft werden müssen
und erschwert durch seine Komplexität oft den Einsatz von FOSS. Die
Vorteile, die FOSS bietet – wie die allgemeine Verfügbarkeit und
die Möglichkeit zur Anpassung – werden derzeit meist nicht
ausreichend berücksichtigt, da die Bewertung nur auf den Preis und
den direkten Nutzen für die auftraggebende Stelle abzielt.
Ein Hoffnungsschimmer: Die
Vergaberechtsreform
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz plant, das
Vergaberecht zu reformieren, um die Verfahren zu vereinfachen, zu
digitalisieren und sozial sowie ökologisch nachhaltiger zu
gestalten. Über 400 Organisationen und Personen haben dazu Stellung
genommen, darunter Wikimedia Deutschland und die Open Source
Business Alliance. Diese Reform könnte eine wertvolle Gelegenheit
sein, um den rechtssicheren Vorzug von FOSS festzuschreiben.
Ein Gutachten der Open Source Business Alliance schlägt vor,
FOSS immer dann den Vorzug zu geben, wenn mehrere Lösungen gleich
gut geeignet sind. Prof. Andreas Wiebe empfiehlt, diesen Vorrang
für FOSS entweder im E-Government-Gesetz des Bundes oder in der
Vergabeverordnung festzuhalten. Thüringen und Schleswig-Holstein
sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen.
Kompetenzaufbau in der
Verwaltung
Die Bevorzugung von FOSS allein reicht jedoch nicht. Die
Mitarbeitenden in den Behörden müssen lernen, geeignete Software
auszuwählen und anzuwenden. Der Kompetenzaufbau ist entscheidend,
um die Potenziale von FOSS voll auszuschöpfen. In Sachsen umfasst
ein Strategiepapier zur Einführung von Open Source in der
Verwaltung unter anderem die Förderung der Umgewöhnung und
Akzeptanz der Mitarbeitenden. Es ist notwendig, dass
Behördenmitarbeitende die Möglichkeiten und Anforderungen neuer
Technologien verstehen, um informierte Entscheidungen treffen zu
können und FOSS sinnvoll in bestehende Strukturen zu
integrieren.
Hierzu gehört auch eine Reform der Einstellungsbedingungen in
den Verwaltungen. Attraktive Gehälter und moderne
Arbeitsbedingungen können qualifizierte IT-Fachkräfte anziehen, die
die digitale Transformation der Verwaltung aktiv mitgestalten. Die
Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag und ihrer
Digitalstrategie die Bedeutung von FOSS betont – jetzt ist es an
der Zeit, diese Ziele auch umzusetzen. Leider bleibt der aktuelle
Gesetzentwurf hinter den Plänen des Koalitionsvertrags zurück.
Die Schrankenbestimmung der sogenannten Panoramafreiheit im
deutschen Urheberrecht erlaubt es uns allen, von öffentlichem Grund
aus Fotos von urheberrechtlich geschützten Werken zu machen und sie
zu verbreiten. Die Voraussetzung: Die Werke müssen bleibend im
öffentlichen Raum zu sehen sein. Ein Werk muss nicht dauerhaft am
selben Ort sein. Aber es muss dauerhaft in der Öffentlichkeit
bleiben.
Panoramafreiheit für einen
reisenden Kussmund
Dass Panoramafreiheit auch für Werke gilt, die sich im
öffentlichen Raum bewegen, zeigt die sogenannte
AIDA-Kussmund-Entscheidung. Geklagt hatte die Firma AIDA Cruises.
Sie hatte von einem Künstler ein Kussmund-Bild anfertigen lassen
und auf seinen Kreuzfahrtschiffen angebracht. Die Rechte an diesem
Kunstwerk liegen beim Kreuzfahrtunternehmen.
Ein Kussmund-Schiff war auf einem Foto zu sehen, das ein
Veranstalter von Landausflügen in Ägypten in seiner Werbung nutzte.
Fotografiert war es vom Hafen aus. AIDA Cruises klagte gegen die
Verwendung des Bildes. Die Begründung: Der Ausflugsveranstalter
verstoße gegen das Urheberrecht. Das sah das Landgericht Köln nicht
so. Das Foto wurde von einem öffentlich zugänglichen Ort
aufgenommen – einem Hafen. Das fotografierte Kunstwerk befindet
sich zudem dauerhaft im öffentlichen Raum – wenn auch in
wechselnden Häfen. Somit war laut Gericht das Foto und dessen
Verwendung von der Panoramafreiheit gedeckt
AIDA wollte sich mit diesem Urteil nicht zufrieden geben, zog
vor den Bundesgerichtshof und der urteilte: Die Entscheidung
vom Landgericht Köln hat Bestand, das Foto darf verwendet werden.
Und ja, auch bewegliche Werke fallen unter die Panoramafreiheit, so
lange sie sich dauerhaft in der Öffentlichkeit befinden. Der
Bundesgerichtshof urteilte aber auch, dass es Grenzen für die
Panoramafreiheit gebe. Wer für eine Fotoaufnahme im öffentlichen
Raum auf eine Leiter steige, der könne sich nicht auf die
Panoramafreiheit berufen.
Was hat Panoramafreiheit mit
Wikimedia-Projekten zu tun?
Nun sind Leitern nicht das einzige Hilfsmittel, um eine andere
Perspektive auf eine Skulptur, ein Gebäude oder ein anderes
öffentliches Kunstwerk zu erhalten. Eine Gruppe von Wikipedianer*innen aus Köln etwa
nutzt eine Fotodrohne dazu, Bilder für das freie und offene
Medienarchiv Wikimedia Commons zu machen. Gerade bei
mehrdimensionalen Werken wie Gebäuden können Fotograf*innen durch
Aufnahmen aus der Luft die vielen Facetten eines solchen
historischen und kulturellen Denkmals abbilden. In den letzten
Jahren haben die Wikipedianer*innen Gebäude der Stiftung Preußische
Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg von oben
fotografiert, waren beim Museum Barberini, beim
Technikmuseum in Berlin und an anderen Orten zu Gast.
Entstanden sind dabei zahlreiche Aufnahmen von Denkmälern und
Gebäuden. Sie sind in Wikimedia Commons zu finden und können frei
nachgenutzt und vervielfältigt werden.
Zwei
Wikipedianer*innen vom Fotodrohnen-Projekt des Lokal K in Köln
planen vor dem Museum Barberini in Postdam, welche Route ihre
Fotodrohne nehmen soll und welche Gebäude sie aufnehmen wollen –
und dürfen. Wikimedia Deutschland unterstützt die Ehrenamtlichen
zum einen durch das Anschaffen von Fotodrohnen, aber auch bei der
Vorbereitung von Fototouren in und um Museen. Foto: Holger Plickert (WMDE), Drohnenflug in Potsdam 2023 001,
CC BY-SA 4.0
Vor diesen Foto-Exkursionen in Kooperationen mit
Kulturinstitutionen wurden natürlich Rechte geklärt. Wenn
notwendig, haben Wikimedia Deutschland oder die Freiwilligen die
Erlaubnis zum Ablichten von urheberrechtlich geschützten Gebäuden
eingeholt. Geriet bei einer luftigen Fototour doch einmal ein
Gebäude in den Fokus, für dessen Aufnahme die Foto-Flieger keine
Erlaubnis hatten, wurde die Aufnahme in der Regel wieder gelöscht.
Denn die vergangenen Entscheidungen des BGH legten auch schon vor
dem aktuellen Urteil nahe, dass Drohnenfotos in Deutschland nicht
von der Panoramafreiheit gedeckt sind. Lediglich Fotos von
Bauwerken, deren Erbauer schon mindestens 70 Jahre tot sind, können
die Ehrenamtlichen bedenkenlos unter freier Lizenz veröffentlichen.
Sie sind dann nicht mehr urheberrechtlich geschützt.
Was bedeutet das Urteil für
Wikimedia-Projekte?
Der urheberrechtliche Schutz eines Gebäudes endet in Deutschland
erst 70 Jahre nach dem Tod des oder der Architekt*in. Bis dahin
sind Aufnahmen von öffentlichen Straßen möglich. Das Urteil des BGH
bestätigt nun: Das gilt nicht für Aufnahmen aus der Luft. Das ist
bedauerlich, denn häufig erschließt sich ein Bauwerk aus der
Vogelperspektive auf eine ganz andere Weise – etwa im Kontext der
umgebenden Bebauung oder Natur.
Weil die Schutzdauer sich auf das Sterbedatum des oder der
Architekt*in bezieht, kann also auch ein vor rund 100 Jahren
fertiggestelltes Gebäude heute noch dem Urheberrecht unterliegen.
Bauten aus jüngerer Zeit werden noch für viele Jahrzehnte nur aus
dem Blickwinkel fotografiert werden dürfen, den wir jeden Tag
selber von der Straße aus sehen – oder aus Perspektiven, zu denen
die allgemeine Öffentlichkeit Zugang hat. Schade!
Für Wikimedia-Projekte bedeutet das aktuelle Urteil, dass vor
Aufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken, die mit einem
Flugmittel getätigt werden sollen, eine Einwilligung von den
Rechteinhabenden eingeholt werden muss. Es ist also im Einzelfall
zu klären, welche Objekte aus der Luft fotografiert werden und ob
diese urheberrechtlich geschützt sind.
Dass die großen Digitalkonzerne zu mächtig sind, ist inzwischen
ein Gemeinplatz: Ihr Börsenwert ist höher als das
Bruttoinlandsprodukt vieler Länder, sie haben Milliarden an
Nutzenden, machen jährlich Milliardengewinne und nutzen diese auch,
um politischenEinfluss zu nehmen.
Gesellschaftlich besteht breiter Konsens, dass ihre Macht und
schädlichen Auswirkungen begrenzt werden müssen. Die EU hat dazu
viele Regulierungen und Kontrollmechanismen eingeführt, vom Digital
Services Act und Digital Markets Act über strengere Fusionskontrolle bis
zu Klagen gegen Wettbewerbsverstöße und Steuervermeidung.
Doch die bisherigen Anstrengungen sind zu kleinteilig und zu
sehr von Lobbymacht verwässert. In den Bilanzen und Angeboten der
großen Konzerne ändert sich kaum etwas. Wie können wir also diese
mächtigen Infrastrukturen unseres täglichen Lebens bändigen und die
Plattformen gemeinwohlverträglicher machen?
Wir brauchen
Plattformräte
Ein wissenschaftliches Gutachten im
Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung empfiehlt den breiteren
Einsatz von Plattformräten und argumentiert: „Trotz verbleibender
Defizite [könne] die (auch minimale) iterative Verbesserung durch
stärkere gesellschaftliche Rückbindung privater
Unternehmensentscheidungen nur sinnvoll sein.“ Es braucht demnach
ein Mitspracherecht für Vertretungen, in denen etwa Nutzende
selbst, zivilgesellschaftliche oder wissenschaftliche
Organisationen vertreten sind.
Die Ampel-Regierung hatte sich den „Aufbau von Plattformräten“
sogar in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen. Bisher ist dazu
jedoch nichts passiert.
Gemeinschaftlich Verwalten ist ein wesentliches Merkmal gemeinwohlorientierter
Digitalpolitik. Das geht auch bei globalen Projekten, die
ähnlich hohe Nutzungszahlen wie Big-Tech-Angebote haben.
Das zeigen die Projekte freien Wissens, allen voran die
Wikipedia. Die Communitys, die sie ausmachen, gestalten die
Online-Enzyklopädie fortlaufend weiter und diskutieren dabei auch
Fragestellungen wie Wissensgerechtigkeit und den Umgang mit
künstlicher Intelligenz. Um das auszuhandeln, haben die Communitys
Regeln – wie eben auch in einer Demokratie. Ähnliche Prinzipien
können wir auch für Digitalkonzerne etablieren.
Was gibt es für
Vorbilder?
Über einen Plattformrat sind im digitalen Raum verschiedene
Formen von Mitbestimmung bis zur Selbstverwaltung möglich. Die Idee
ist nicht neu. Sie setzt auf etablierte Prinzipien einer
Demokratie, die in Form von Gewerkschaften und Betriebsräten
außerhalb des Digitalen lange erprobt sind.
Es gibt unterschiedliche Vorbilder dafür, digitale Plattformen
wie Instagram, Amazon, Google Maps und Co. durch Räte
demokratischer, offener und sicherer zu machen. Rundfunkräte etwa kontrollieren im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk die inhaltliche Ausgestaltung der
Programme – auch wenn sie repräsentativer und staatsferner
gestaltet sein könnten.
Das Oversight Board von Meta soll
besonders schwierige Fragen zu den Regeln für Inhaltemoderation bei
Facebook und Instagram klären. Allerdings beziehen sich die
Entscheidungen des Boards auf Einzelfälle. Allgemeinere
Empfehlungen kann Meta ignorieren und hat dies in der Vergangenheit
getan, zum Beispiel bei Empfehlungen, die das Board im Kontext von Konflikten in
Äthiopien formulierte.
In der noch jungen Debatte über Plattformräte stand bisher die
Inhaltemoderation in sozialen Medien im Mittelpunkt. Doch weil
Plattformen für das gesellschaftliche Miteinander so eine zentrale
Rolle einnehmen, spricht einiges dafür, auch umfassende
Steuerungsentscheidungen von Plattformen gemeinschaftlich zu
treffen. Die größte Herausforderung für eine solche
Selbstverwaltung von Plattformen besteht vermutlich darin, die
relevanten und betroffenen Gruppen zu involvieren – und
Interessenkonflikte demokratisch und nicht ausschließlich
unternehmerisch auszuhandeln.
Für jede Plattform den passenden
Rat
Da Plattformen unterschiedliche Funktionen erfüllen, wird es
kein einheitliches, für alle Plattformen passendes Ratsmodell
geben. In welchen Bereichen ein Plattformrat mitgestalten sollte,
ist je nach Plattform unterschiedlich. Was aber grundsätzlich für
die Zusammensetzung von Plattformräten gelten sollte: Die
Interessen von Nutzenden und Verbraucher*innen müssen vertreten
sein. Auch die Belange von Menschen und Gruppen, auf die sich
Plattformen auswirken, sollten repräsentiert sein. Das kann über
zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände geschehen. Zudem
sollten relevante wissenschaftliche Expert*innen Impulse geben, um
Entscheidungen empirisch zu untermauern.
Wie umfassend ein Plattformrat (mit)gestalten sollte, ist eine
politische Entscheidung darüber, wie viel Gewicht gesellschaftliche
Interessen neben oder statt der Gewinnerzielung bekommen sollen.
Ein Rat könnte eng begrenzten Einfluss bei Entscheidungen zu
Datenzugängen oder bei der Gestaltung von algorithmischen
Empfehlungen ausüben. Er könnte aber auch die unternehmerischen
Entscheidungen mitentwickeln.
Wie das aussehen kann, zeigt ein Blick auf zwei viel genutzte
Plattformen: Google Maps und die Verkaufsplattform von Amazon.
Wer eine Alternative zur
kommerziellen Navigation sucht, kann OpenStreet Map nutzen. Ebenso
wie Wikipedia handelt es sich dabei um ein freies und
communitybetriebenes Projekt. Foto: Infinite Bed, OpenStreetMap-on-Iphone15Plus,
CC BY-SA 4.0
Durch die Stadt mit
Plattformrat
Google Maps beeinflusst individuelle Mobilität und die
Mobilitätsplanung von Kommunen, Städten oder Sharing-Anbietern, die
Nutzung von Dienstleistungen und den Tourismus. Zunehmend spielen
Werbetreibende eine Rolle, die in der App hervorgehoben werden, wie
Gastronomie oder Einzelhandel. Indirekt wirkt die Plattform auch
auf Autohersteller und Tankstellen.
Bei Google Maps gibt es aktuell keine Transparenz darüber –
geschweige denn Einfluss darauf – warum die App den Nutzenden
bestimmte Wege, Mobilitätsmodi und Suchergebnisse anzeigt. Wir
können nur vermuten, dass die Interessen der Nutzenden gegen die
Werbeeinnahmen und Kommission abgewogen werden, die Google von
Mobilitätsanbietern einstreichen kann. Denn Google besitzt etwa Anteile des
Sharing-Anbieters Lime, dessen Angebote lange als bevorzugter
Mobilitätsmodus angezeigt wurden.
Eher eng umgrenzte Befugnisse hätte ein Plattformrat, der für
die Daten-Governance zuständig wäre. Er könnte darüber entscheiden,
wie und in welchem Umfang die Plattform Nutzungsdaten erhebt und
inwiefern Alphabet diese weitergeben darf. Ein solcher Rat könnte
auch entscheiden, dass andere Anbieter von Kartendiensten oder
Stadtplanungsreferate Zugang zu Echtzeitdaten erhalten, um ihre
Dienste wie etwa das Angebot von Busrouten zu verbessern. Ein
Plattformrat könnte bei solchen Entscheidungen auch abwägen, wie
detailliert solche Daten sein dürfen, um zu verhindern, dass
Bewegungsmuster von Einzelnen oder Gruppen nachvollziehbar
werden.
Weiter hineinreichen in das „Kerngeschäft“ von Google Maps würde
ein Plattformrat, der festlegt, nach welchen Parametern die
Suchergebnisse gestaltet und ausgewählt werden. Aktuell zeigt ein
grünes Blatt die besonders „umweltverträgliche“ Routenoption an.
Doch diese basiert rein auf dem guten Willen von Google und ist
zudem nicht extern nachvollziehbar.
Noch weiter reichende Befugnisse könnten die gesamte
Betriebsweise von Google Maps einschließen. Ein solcher
Plattformrat würde über Daten, Algorithmen und Verbindungen zu
anderen Produkten und Plattformen entscheiden. Das wäre gut
vereinbar mit einer Entflechtung von Google Maps aus dem Konzern
Alphabet. In diesem Fall könnte ein Plattformrat auch anstoßen,
dass Maps mit dem nicht-kommerziellen Projekt Open Street Maps
zusammengelegt wird.
Prime, jetzt aber mit
Plattformrat
Amazon bietet auf seiner Verkaufsplattform unzählige Produkte
an, vom Koalakostüm bis zum 3D-Drucker, teils aus eigener
Produktion, teils von Drittanbietern. Amazon verbindet diese auch
mit eigenen Warenhäusern und Logistik, dazu zunehmend geschalteter
Werbung. Die Plattformentscheidungen betreffen zudem Mitarbeitende
(von hochbezahlten technischen Expert*innen bis zu prekär
beschäftigten Logistik-Angestellten) sowie die Kund*innen (teils
mit, teils ohne Prime-Abonnement).
Aktuell kann Amazon die Plattform frei gestalten. In den letzten
Jahren sind über das Kartellrecht und über den Digital Markets Act
auf EU-Ebene einige Schranken hinzugekommen. Aber Amazon kann
umfassend Preise setzen (für eigene Produkte) oder Kommissionen
verlangen (für Drittprodukte und Logistik sowie weitere Dienste).
Und der Konzern kann Suchergebnisse und Vorschläge gestalten –
einschließlich der Werbeanzeigen. Dabei ist vollkommen
intransparent, wie Amazon die Interessen der Beteiligten abwägt.
Angesichts der großen Anziehungskraft, die die breite
Produktpalette auf Konsumierende hat, ist es naheliegend, dass
Amazon diese nutzt, um Drittanbieter und Werbende zur Kasse zu
bitten.
Ein Plattformrat könnte sich bei einem engen Zuschnitt auf die
Gestaltung von Empfehlungsalgorithmen konzentrieren. Er könnte
Parameter für einen solchen Algorithmus festlegen, wie Werbeanteil,
Gewichtung von Preis, Bewertung, Kommission. Oder er könnte
entscheiden, Algorithmen von externen Anbietern wie zum Beispiel
von Greenpeace oder Verbraucherzentralen zuzulassen.
Weiter reichende Befugnisse könnten darin bestehen, über die
Datennutzung zu entscheiden. Etwa darüber, ob weniger Daten für
Werbung genutzt und dafür mehr Daten extern zur Verfügung stehen
sollen – zum Beispiel für Marktanalysen. Ein Plattformrat könnte
ähnlich zu Gewerkschaften mitbestimmen, wie
Beschäftigungsverhältnisse ausgestaltet sind – von Themen wie
Überwachung am Arbeitsplatz über Lieferzeiten bis hin zu
Löhnen.
Wirklich fundamentale Fragen würde ein Rat mitbestimmen, der
darüber entscheidet, ob ein weiteres Wachstum im Vordergrund stehen
soll oder ob andere Kennzahlen mehr Gewicht erhalten – wie
verringerter Ressourcenverbrauch oder die Vermeidung von Müll.
Gemeinsam Big Tech zähmen und
Alternativen aufbauen!
Gemeinschaftliche Plattform-Verwaltung steht nicht allein. Die
Macht der großen Konzerne sollte weiterhin im politischen und
wirtschaftlichen Sinn begrenzt werden. Auch ist es wichtig,
gemeinwohlorientierte Alternativen aufzubauen.
Im besten Falle stehen zukünftig von Plattformräten verwaltete
Plattformen neben gemeinwohlorientierten Alternativen, damit
Menschen eine Bandbreite an guten Optionen haben. Bereits jetzt
wissen wir, dass gemeinschaftlich gesteuerte Plattformen nach
fundamental anderen Prinzipien funktionieren. Wir sehen das im
dezentral organisierten Fediverse mit dem sozialen Medium Mastodon.
Auch das Kartenprojekt OpenStreetMap und natürlich die Wikipedia
sind Beispiele für kollaborative Projekte.
Diese und weitere, aktuell kleine Plattformen könnten leichter
wachsen, wenn sie nicht im Wettbewerb mit großen,
gewinnorientierten Plattformen stünden. Dabei kommt hinzu, dass
diese immer wieder mögliche Alternativen aufkaufen oder durch
Exklusivitätsvereinbarungen oder andere Maßnahmen klein halten.
Es gibt viele Wege, über die wir Plattformen gemeinschaftlich
verwalten können. Es wird dabei viel zu lernen geben. Doch wir
kennen die Prinzipien der Aushandlung von unterschiedlichen
Interessen und sollten sie endlich auch für die so wichtigen
digitalen Infrastrukturen anwenden. Wir können mit weniger
gewichtigen Befugnissen beginnen und diese zunehmend ausweiten.
Mehr gesellschaftliche Kontrolle kann die Plattformen nur besser
machen. Es ist höchste Zeit, dass wir sie fordern – und dass
Politiker*innen die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.
Das Internet ermöglicht es uns, unendlich viele Informationen
über uns und die Welt, in der wir leben, auszutauschen. Dafür
brauchen wir Sprache. Allerdings sind die Sprachen der Welt im Netz
nicht gleich stark vertreten. Ein Beispiel: Tools für Übersetzungen
oder Rechtschreibprüfung sind in der Regel auf gängige Sprachen wie
Englisch, Französisch, Spanisch oder Chinesisch zugeschnitten. Bei
virtuellen Assistenten wie Siri oder Alexa ist es ähnlich. Für
viele andere Sprachen fehlt die grundlegende Basis, auf die neue
Sprachtechnologien aufbauen können. Dies führt dazu, dass viele
Menschen gezwungen sind, online auf eine andere Sprache
auszuweichen. Das bedeutet vor allem für viele Minderheitensprachen
oder vom Aussterben bedrohte Sprachen einen kritischen Verlust an
Sprachgebrauch.
Vor diesem Hintergrund arbeitet Wikimedia Deutschland seit 2022
an dem Projekt Software Collaboration for
Wikidata, ermöglicht durch den Arcadia Philanthropic Trust. Gemeinsam mit
internationalen Partnern aus dem Wikimedia Movement werden
inzwischen in vier Projekten Sprach-Communitys unterstützt, die
online kaum vertreten sind. Das Ziel: Diese Communitys sollen
künftig selbst die Entwicklung von Software übernehmen können, die
dem Erhalt und der Förderung ihrer Sprachen am besten dient.
Software Collaboration for
Wikidata – unsere Methode
Da Sprache und ihre Verwendung ein stark lokalisiertes Konzept
ist, spielt die Einbeziehung der Communitys vor Ort eine zentrale
Rolle bei der Entwicklung neuer Softwareprodukte. Nur so kann
sichergestellt werden, dass die Software am Ende dem Erhalt
unterrepräsentierter Sprachen dient. Doch zunächst muss dafür
gesorgt werden, dass auch die Kapazitäten für eine nachhaltige
Softwareentwicklung vorhanden sind. Deshalb werden in den Projekten
gezielt Repräsentant*innen aus den Communitys mit Kompetenzen und
Führungsqualitäten ausgestattet, sodass sie auch nach Projektende
in ihrer Region als Anlaufstelle für Wikidata-Nutzer*innen
bereitstehen können.
Wenn lokale Communitys in jeder Phase der Projektentwicklung
einbezogen werden, können unterschiedliche Perspektiven eingebracht
werden. Diese Dezentralisierung der Softwareentwicklung ermöglicht
Ideen und Lösungen, die den Bedürfnissen der Weltbevölkerung
entsprechen.
Raisha Abdillah, Projektleiterin
Software Team Indonesia
Wikidatas Schlüsselfunktion als
Quelle für Sprachanwendungen
Für die Inklusion aller Sprachen im Internet ist die Sammlung
diverser Sprachdaten von entscheidender Bedeutung.
Sprachtechnologien erfordern große Mengen an strukturierten Daten
von guter Qualität, die viele Sprachen oft noch nicht zur Verfügung
stellen können. Hier kommt Wikidata ins Spiel: Als umfangreiche und freie
Sammlung von strukturierten Daten bietet Wikidata den Zugang zu
weiterem Wissen für unterrepräsentierte Sprachen. Die freie
Wissensdatenbank umfasst nicht nur allgemeine Daten und Fakten über
die Welt, sondern auch verknüpfte Informationen, die Sprachen näher
beschreiben können – sogenannte lexikografische Daten. Die
Sammlung dieser lexikografischen Daten ist einer der Schwerpunkte
unseres Partnerteams in Indonesien.
Unsere Partner und ihre
Projekte
Wikimedia Deutschland hat in den letzten zwei Jahren eine enge
Zusammenarbeit mit Partnern aus Nigeria, Indonesien, Brasilien und
Ghana aufgebaut. Diese Teams arbeiten an verschiedenen Projekten
zum Aufbau technologischer Kapazitäten. Dabei fließt regelmäßig
auch das Feedback der Communitys ein, mit denen die Partner im
Austausch sind.
1. Wikidata Software
Collaboration Team Indonesia
Das Wikidata Software Collaboration Team Indonesia arbeitet in
einem der linguistisch vielfältigsten Länder
der Welt mit über 700 Sprachen. Da Sprachtechnologien große Mengen
an strukturierten Daten von hoher Qualität erfordern, die viele
Sprachen oft nicht zur Verfügung stellen können, haben sie im
Rahmen von Software Collaboration for
Wikidata das Tool „Lexica“ entwickelt, das mehr
Beiträge zu lexikografischen Daten und neue Wikidata-Nutzer*innen
fördern soll.
„Lexica“ ist eine einfache und benutzerfreundliche Möglichkeit,
lexikografische Daten hinzuzufügen, indem Lexeme mit bereits
vorhandenen Wikidata-Einträgen verknüpft werden. Mögliche
zukünftige Funktionalitäten sind z. B. die Erweiterung um weitere
Sprachen sowie das Hinzufügen von Audio und Bildern. Dieses Tool
geht auch auf die Bedürfnisse von Handynutzer*innen ein, die keinen
Zugang zu einem Desktop haben.
Hier ein Beispiel: Mit welchem Item kann das englische Lexem
„Blossom” verknüpft werden?
2. Igbo Wikimedians User
Group
Unser zweiter Partner mit Bezug zur Igbo Sprache und Kultur hat seinen Sitz in
Nigeria, ist aber in der ganzen West- und Zentralafrikanischen
Region tätig. Sie haben das Programm „Wiki Mentor Africa”
zum Aufbau technischer Kapazitäten in der afrikanischen Wikimedia
Community ins Leben gerufen. Es setzt sich dafür ein, mehr
Afrikaner*innen in den technischen Bereich von Wikimedia zu bringen
und die Nachhaltigkeit der Wikimedia Tools zu verbessern.
Ein interdisziplinäres Team von Mentor*innen organisiert
regelmäßig Veranstaltungen. Hier werden neue Mitglieder durch
modulare Lerninhalte in die Softwareentwicklung und das Technical
Writing rund um Wikidata herangeführt.
Zudem arbeiten sie an der Unterstützung und Verbesserung
verschiedener Tools in Sprachen aus der gesamten Region,
einschließlich Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und
Kamerun, und bringen Sprachen wie Igbo, Twi, Dagbani oder
Igala ein.
Die Igbo User Group beim
10-jährigen Geburtstag von Wikidata
3. Weitere Projekte
2024 sind zwei weitere Projekte als Teil von Software Collaboration for
Wikidata gestartet. Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung für innovative
Softwareanwendungen erhielt Wikimedia Deutschland zahlreiche
Projektideen aus der internationalen Wikidata-Community für die
Förderung unterrepräsentierter Sprachen.
Folgende Projekte wurden zur Förderung ausgewählt:
Das Projekt „QuickStatements 3.0” von
Wiki Movimento Brasil baut auf dem weit verbreiteten und
beliebten Tool „QuickStatements” auf und erweitert durch
aktives Feedback der Community die Funktionalität in mehreren
Bereichen.
Das Wikidata „One Click Info” Team arbeitet mit
Unterstützung der Dagbani Wikimedians User Group an einer
Browser-Erweiterung: der sogenannten „One Click Info”. Diese bietet
eine schnelle Zusammenfassung des markierten Wikidata
Eintrags.
Software Collaboration for Wikidata möchte mit solchen Projekten
langfristig zu mehr Wissensgerechtigkeit beitragen, einem der
Hauptpfeiler, um bessere Lebensverhältnisse und ein größeres
Gleichgewicht in der Welt zu schaffen.
Mit dem Ziel, Wissen für alle zugänglich zu machen, setzt sich
Wikimedia Deutschland seit 20 Jahren dafür ein, dass
Wikipedia und weitere Projekte für Freies Wissen werbefrei,
unabhängig und für alle zugänglich sind. Dazu braucht es die
Unterstützung der Gesellschaft, denn nur mit Spenden können diese
Projekte für Freies Wissen auch langfristig gesichert werden.
Allein im letzten Jahr haben sich mehr als 350.000 Menschen an
der Spendenkampagne beteiligt und dadurch die Weiterentwicklung und
den Betrieb von Wikipedia und Co. gesichert. Zusätzlich tragen auch
die über 110.000 Vereinsmitglieder und 130.000 Dauerspender*innen
von Wikimedia Deutschland zum Erfolg der Kampagne bei.
Warum ist Ihre Spende
wichtig?
Wikipedia ist für Millionen Menschen die erste Anlaufstelle im
Internet, wenn es um Wissen und Information geht. Allein die
deutschsprachige Wikipedia wird täglich 30 Millionen Mal
aufgerufen. Tausende Autor*innen halten die bald drei Millionen
Artikel aktuell und verfassen neue – und das alles
ehrenamtlich.
Ein großer Teil der Spendengelder kommt direkt der
Wikipedia-Community zugute: So gibt es über den Verein umfangreiche
Förderangebote für die Freiwilligen, wir finanzieren lokale
Wikipedia-Räume in mehreren Städten, entwickeln und verbessern
laufend die Software hinter den Wiki-Projekten und organisieren
Community-Veranstaltungen, wie beispielsweise die jährliche
WikiCon.
Was wir dank Ihrer Spende noch
erreichen
Die Mission von Wikimedia ist klar: Wissen soll für alle frei
zugänglich und nutzbar sein. Neben Wikipedia gibt es zahlreiche
weitere Projekte, die dieses Ziel verfolgen – viele davon werden
von Wikimedia Deutschland betrieben oder initiiert. Dazu zählen die
weltweit größte freie Wissensdatenbank Wikidata, Projekte zur Förderung offener
Bildungsmaterialien oder auch das GLAM-Programm, das den freien
Zugang zu Kulturinhalten und dem kulturellen Erbe unterstützt. Eine
detaillierte Übersicht über unsere Aktivitäten bietet der aktuelle Jahresbericht.
Da Wikipedia ein globales Projekt ist, fließt ein Teil der
Spenden an die Wikimedia Foundation, die damit internationale
Aktivitäten für die Weiterentwicklung von Wikipedia und des Ausbaus
der globalen Server-Infrastruktur fördert.
Die Mittelverwendung auf einen
Blick
Das Ziel der jährlichen Spendenkampagne resultiert aus den
jeweiligen Jahresplänen von Wikimedia Deutschland und der Wikimedia
Foundation, in denen festgelegt ist, welche Projekte und Ziele
umgesetzt werden sollen.
Wie lange dauert die
Spendenkampagne und kann das Banner deaktiviert werden?
Die Spendenkampagne endet, sobald das Spendenziel erreicht ist.
In den vergangenen Jahren war dies kurz vor Jahresende der Fall.
Das Spendenbanner wird Besucher*innen der Wikipedia maximal acht
Mal angezeigt und kann jederzeit durch einen Klick auf das Kreuz in
der oberen rechten Ecke geschlossen werden. Danach ist es für eine
Woche deaktiviert. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich ein
kostenloses Benutzerkonto in der
Wikipedia anzulegen oder sich mit einem bestehenden Konto
einzuloggen – dann wird das Banner nicht angezeigt. Nach einer
Spende über das Spendenformular wird außerdem ein
Cookie gesetzt, um sicherzustellen, dass das Spendenbanner nicht
erneut erscheint.
Jeder Beitrag zählt
Ob 5 Euro oder 50 Euro – jede Spende hilft, die Vision einer
freien und offenen Wissenswelt zu verwirklichen. Wer sich nicht
finanziell beteiligen kann, kann auch durch aktive Mitarbeit in der Community
helfen, Inhalte zu verbessern und zu erweitern.
Jetzt spenden und Teil der
Bewegung für Freies Wissen werden!
Wikidata wird von der Wikimedia Foundation betrieben,
federführend von Wikimedia Deutschland entwickelt und von der
weltweiten, ehrenamtlichen Wikimedia-Community gepflegt und stetig
erweitert. Im Gegensatz zu Wikipedia sind die Informationen in
Wikidata auch maschinenlesbar und einzelne Wissenszusammenhänge
gezielt abfragbar. Am 29. Oktober wird Wikidata 12 Jahre alt.
Dutzende Softwareanwendung nutzen die Datenbank bereits als
Grundlage. Ein besonders interessanter Weg, um das in Wikidata
gespeicherte Wissen abzufragen, sind sogenannte Queries
(Abfragen) in der Abfragesprache SPARQL. Damit eröffnen sich neue
Horizonte und Informationen können in ganz neue Zusammenhänge
gestellt werden. Wir wünschen viel Spaß mit unseren 12
Abfrage-Favoriten!
#01 Wie viele berühmte Katzen
gibt es?
Katzen und Kater beglücken das Internet täglich. Aber welche
schnurrenden Berühmtheiten gab und gibt es eigentlich auf der Welt?
Ein Klick und Wikidata verrät es uns. Insgesamt spuckt uns Wikidata
216 prominente Katzenpersönlichkeiten aus. Zur ganzen Abfrage.
Ergebnisse direkt in Wikidata
abrufen – so geht’s
Bei allen Beispielen haben wir die dazugehörige
Wikidata-SPARQL-Abfrage verlinkt. Wer auf den Link klickt, sieht
zunächst die Wikidata-Abfrageumgebung für SPARQL, den sogenannten
Wikidata Query-Service. Um die Ergebnisse zu sehen, ist nur noch
ein kleiner Schritt erforderlich: Einfach runter bis ans Ende der
Codebox scrollen. Auf der linken Seite befindet sich ein
Play-Button. Einfach draufklicken und die Abfrage wird
ausgeführt.
#02 Welche Orte enden auf „-ow“
oder „-itz“?
Wer hat sich das nicht schon einmal gefragt? Wo liegen
eigentlich alle Orte in Deutschland, die auf „-ow“ oder „-itz“
enden? Geographisch und kulturwissenschaftlich versierte Menschen
wissen es vielleicht, doch Wikidata zeigt es uns allen: Vor allem
in Ostdeutschland mit kleinen Ausläufern nach Norden (Olpenitz) und
Süden (Flanitz). Für den schnellen Überblick, gibt es die ganze Abfrage hier als
Kartenansicht.
#03 Welches sind die häufigsten
Nachnamen der Welt?
Natürlich sind „Smith“, „Miller“ und ähnliche (ehemalige)
Berufsbezeichnungen auch dabei, doch sollte man vor allem Zhang, Li
und Wang auf dem Schirm haben! Die Wikidata-Anfrage bezieht sich
übrigens sowohl auf reale als auch auf fiktive Personen.
Wikidata kann mit einer Abfrage die Titel von literarischen
Werke ausgeben, die eine Alliteration enthalten. Von Abendroth,
Amandus Augustus bis Ysbryd yr Ynys ist für jeden etwas
dabei. Unser Favorit: Hard, Heavy & Happy.
Eine kurze Abfrage bei Wikidata bringt es endlich ans Licht: Die
beliebteste Tonart ist C-Dur, gefolgt von D-Dur, dann F-Dur und
G-Dur macht den vierten Platz. Die erste Molltonart kommt erst an
siebter Stelle (D-Moll), dabei ist Moll doch so schön.
#06 Wie hoch ist der
Frauenanteil in fiktiven Welten?
Frauen sind in vielen Teilen der Welt immer noch benachteiligt
und nicht überall lässt sich das so schnell ändern. Doch wie sieht
es in fiktiven Welten aus, gehen die nicht bereits mit gutem
Beispiel voran? Leider nein, aber es gibt eine positive Tendenz.
Besonders schwach vertreten sind Frauen in dem chinesischen Roman
“Romance of the Three Kingdoms” von 1522, mit 6,27% Frauenanteil.
Im Universum von Granblue Fantasy, einem Computerspiel von 2014,
kommen die weiblichen Charaktere auf einen stolzen Anteil von
61,21%.
#07 Wie viele Zwillinge sind
bisher beim Eurovision Song Contest aufgetreten?
Viele schauen den Eurovision Song Contest, doch wem ist schon
einmal aufgefallen, dass seit 2005 regelmäßig Zwillinge als
Künstler*innen auftreten? Den Anfang machten die Kessler-Zwillinge
übrigens schon im Jahr 1955. Nach einer langen Pause scheint es nun
wieder im Trend zu liegen: Beim ESC 2024 holten zuletzt die
Zwillinge Marcus & Martinus für Schweden Platz neun. Und wer sind
Ihre Lieblings-Zwillinge?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wohnort und einer
Veranlagung zur Raumfahrt? Ganz genau wissen wir es natürlich
nicht, aber mehr Einblicke gibt die Wikidata-Abfrage. Aus der geht
auf jeden Fall schon Mal hervor, dass die westlichen Staaten für
diesen Beruf besonders privilegiert sind. Finden Sie noch andere
Auffälligkeiten?
Darstellung in Wikidata-Abfragen
ändern – so geht’s
Oberhalb der Karte befindet sich ganz links ein Dropdown-Menü,
bei dem man auch eine andere Darstellung wählen kann, zum Beispiel
als Tabelle (Table).
#09 Wie lang ist die
durchschnittliche Trächtigkeitsdauer bei Säugetieren?
Wikidata kann nicht nur Abfragen, sondern auch Daten
visualisieren. Sehr eindrücklich stellt das diese SPARQL-Abfrage
aus dem Bereich der Biologie mit einer Bubble-Grafik dar. Fährt man
mit dem Mauszeiger über die Kreise, erscheinen Informationen zur
Dauer in Tagen und zum vollständigen Namen der Spezies.
Auch katholische Kirchenoberhäupter haben Nachwuchs gezeugt. Wer
genau und wie viele Kinder es gab, weiß Wikidata. Insgesamt haben
demnach zwölf heilige Väter Kinder bekommen. Spitzenreiter ist der
1431 geborene Alexander VI. mit insgesamt elf Kindern.
Diese Wikidata-Abfrage hat uns zu einer erschreckenden
Erkenntnis gebracht: Zu wenige Gemälde zeigen Regenbögen! Laut
Wikidata sind es aktuell nur 75! Wer also Regenbögen so mag wie wir
und mehr Gemälde kennt, die welche zeigen: Bitte fügen sie Sie
schnell als Items hinzu!
#12 Wikidata kann auch Drinks –
mit Rezepten unserer Lieblingscocktails
Mal wieder vergessen, was es alles für den abendlichen Mojito
braucht? Wikidata kann es locker aus der Hüfte schießen – mit
genauen Zutaten! Und selbst ein Bild des gewünschten Cocktails kann
die Datenbank inzwischen anzeigen.
Es gibt viel zu entdecken mit Wikidata! Wer die Abfrage mit
SPARQL selbst mal ausprobieren möchte, ist bei dieser ausführlichen Einführung genau
richtig. Wer nicht selbst Hand anlegen möchte, kann sich auch per
Request a query an die Community
wenden oder den Query Builder ausprobieren. Hat
man erst einmal den Dreh raus, sind den Abfragemöglichkeiten kaum
Grenzen gesetzt!
Und zu guter Letzt: Wem das Abfragen nicht liegt, der kann auch
einfach helfen, Wikidata mit neuen Informationen weiter auszubauen.
Wie das funktioniert, können Sie hier nachlesen.
Machen Sie mit! Die große
“Abfrage-Party” auf Mastodon
Wir feiern den Geburtstag von Wikidata am 29. Oktober mit einer
Abfrage-Party auf Mastodon! Alle sind dazu eingeladen, unter dem
entsprechenden Tröt weitere Abfragen zu stellen, die wir dann
mithilfe von Wikidata beantworten. Um 10 Uhr geht’s los! Unter
allen Teilnehmenden verlosen wir Wikidata-Socken!
Die Initiative des ZDF setzt auf
mehr Wissensvermittlung, ein neues Netzwerk mit Partnerschulen und
leichtere Zugänge zu Bildungsinhalten. Bei letzterem spielt die
Nutzung freier Creative-Commons-Lizenzen in Kooperation mit
Wikimedia Deutschland eine wichtige Rolle.
Bildung für alle zugänglich
machen
Um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und das Wissen darüber,
wie Journalismus funktioniert stärker in der Schule zu verankern,
setzt das ZDF ein Netzwerk von Partnerschulen auf. Dort geben
Programmmacher*innen aus verschiedenen Bereichen des Senders
Schulklassen Einblicke in ihre Arbeit und
erläutern beispielsweise, wie man seriösen Journalismus von Fake
News unterscheidet oder welche Chancen und Herausforderungen die
Künstliche Intelligenz mit sich bringt. 100 Partnerschulen sollen
im Rahmen dieses Projekts bereits im ersten Jahr abgedeckt
werden.
Auf der Plattform schule.zdf.de hat das ZDF überdies sein Angebot
neu strukturiert. Der Fokus liegt dort auf digitalen
Medieninhalten, die unterrichtsrelevante Themen von politischer
Bildung über Medienkompetenz bis hin zu Geschichtswissen abdecken.
Lehrkräfte sowie Schüler*innen können dort sorgfältig ausgewählte
Inhalte aus dem gesamten ZDF-Angebot finden, ergänzt durch
herunterladbares Unterrichtsmaterial.
So sieht sie aus, die Startseite
der Mediathek für Lernende und Lehrende. Hier finden sie
Wissensinhalte, die speziell nach Themen sortiert sind, die im
Unterricht behandelt werden. Auch mit freier CC-Lizenz versehene
Videos sind hier zu finden. Foto: Screenshot
Die Rolle freier
Lizenzen
Auf schule.zdf.de finden sich auch Wissensclips zu freier
Nutzung, also Inhalte, die unter einer freien
Creative-Commons-Lizenz (CC BY 4.0 oder CC BY-SA 4.0)
bereitgestellt werden. Die Verwendung dieser Lizenz stellt sicher,
dass diese Videos nicht nur leicht zugänglich, sondern auch
flexibel nutzbar sind.
In Kooperation mit Wikimedia Deutschland und der
Wikipedia-Community stellt das ZDF so bereits seit 2019
Wissens- und Bildungsinhalte aus dem Terra-X-Kosmos zur Verfügung.
Freie Creative-Commons-Lizenzen ermöglichen es Lehrkräften, die
bereitgestellten Materialien ohne rechtliche Hürden in ihren
Unterricht zu integrieren. Sie können die Inhalte anpassen,
kombinieren und weiterverbreiten, solange sie die Bedingungen der
jeweiligen Lizenz einhalten. Dies fördert nicht nur die Kreativität
im Klassenzimmer, sondern erleichtert auch den Austausch bewährter
Praktiken unter Pädagog*innen.
Diese Lizenzen erlauben auch die Nutzung in freien Lern- und
Wissensumgebungen wie den Wikimedia-Projekten. Dank des
Wikipedia-Community-Projekts
Wiki Loves Broadcast werden die Terra-X-Clips des ZDF seit
Jahren in relevante Wikipedia-Artikel eingebunden und erfreuen sich
dort äußerst großer Beliebtheit. Dies unterstreicht die große
Nachfrage in der Gesellschaft nach frei verfügbaren
Bildungsinhalten. Da die Wikipedia zu den Top 5 beliebtesten
Webseiten in Deutschland gehört und vor allem in der jungen
Zielgruppe besonders stark verankert ist,
ergibt sich so auch die Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die vom
öffentlich-rechtlichen Rundfunk eher nicht angesprochen werden.
Die Ehrenamtlichen von Wiki
Loves Broadcast und Jan-David Franke, Projektmanager im Team
Politik und öffentlicher Sektor von Wikimedia Deutschland, bei
einem Workshop beim ZDF 2023 in Mainz. Foto: Wikiolo, 2nd WLB
Meeting 2023, CC BY 4.0
Gemeinsam in die
Zukunft
Für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie das ZDF ist der
Bildungsauftrag ein zentraler Bestandteil ihres
Selbstverständnisses. Durch Initiativen wie „ZDF goes Schule” und
den Einsatz freier Lizenzen wird dieser Auftrag auf innovative
Weise erfüllt. Die Bereitstellung frei zugänglicher
Bildungsressourcen trägt dazu bei, Bildungsgerechtigkeit zu fördern
und allen Schüler*innen unabhängig von ihrem sozialen oder
ökonomischen Hintergrund qualitativ hochwertige Lernmaterialien zur
Verfügung zu stellen.
Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Wikipedia verbinden
dabei neben dem gemeinsamen Bildungsziel auch die
Gemeinwohlorientierung ohne Profitinteressen und der Kampf gegen
Desinformation im Internet. So wurde die Kooperation mit Wikimedia
Deutschland beim Startschuss zu „ZDF goes Schule” im
ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin dann auch ausdrücklich von Nadine
Bilke, Programmdirektorin ZDF, und Bettina Schausten,
Chefredakteurin ZDF, auf der Bühne gelobt. Eine Fortführung und
Intensivierung dieser Zusammenarbeit wünsche man sich beim ZDF;
eine Einschätzung, die Wikimedia Deutschland uneingeschränkt teilt.
Sei es im Schulunterricht oder in anderen Lebensbereichen, der Weg
in eine moderne digitale Wissensgesellschaft, in der alle Menschen
frei Informationen produzieren, teilen und neu zusammenstellen
können, kann nur gemeinsam gelingen.
Die Verleihung der Nobelpreise in Stockholm und Oslo (wo der
Friedensnobelpreis vergeben wird) ist jedes Jahr ein weltweites
Ereignis – und eine besonders aufregende Zeit für
Wikipedianer*innen. Schließlich wollen Millionen Menschen plötzlich
wissen: Wer ist eigentlich die südkoreanische
Literaturnobelpreisträgerin Han Kang? Oder: Was war noch gleich das
Forschungsgebiet des Physikers Geoffrey Hinton?
Wer bei Google sucht, wird meist auf Wikipedia verwiesen.
Entsprechend müssen die Ehrenamtlichen die Infos in den Artikeln
der jeweiligen Preisträger*innen aktuell halten, und auch die
Liste der Nobelpreisträger auf
den neuesten Stand bringen. Das gilt natürlich für alle
Sprachversionen der Wikipedia – von denen es über 300 gibt. Dabei
stellt sich jedes Jahr erstmal die Frage: Welche Sprachversion hat
zum Zeitpunkt der Verkündung schon etwas parat?
Nobelpreis, Oscars, Super Bowl:
Arbeit an Wiki-Artikeln in Echtzeit
„Hektisch werden Namen in Suchmasken eingetragen, um in
Erfahrung zu bringen, was um alles in der Welt die oder der Geehrte
angestellt hat, um so eine Ehrung zu erhalten. Eben noch nur Fans
eines mehr oder weniger nerdigen Nischenthemas bekannt – jetzt
dicht umlagert von neugieriger Öffentlichkeit. Eine Information,
von der man eben noch nicht wusste, dass sie dringend gebraucht
wird, wird nun in großer Zahl abgefragt.” So beschreibt der
Wikipedianer Olaf2 die Herausforderung, vor
der die Freiwilligen der Wikipedia Jahr für Jahr stehen, wenn die
Nobelpreise vergeben werden: „Geradezu ein enzyklopädischer
Elchtest“.
Klar: Der Anspruch der Wikipedia-Ehrenamtlichen ist es, die
Online-Enzyklopädie stets aktuell zu halten – gerade, wenn es um
Ereignisse geht, die weltweit für Aufmerksamkeit sorgen. Das
bedeutet Arbeit in Echtzeit. Wie zum Beispiel auch bei der
Oscar-Verleihung, wo stets ein Artikel mit allen Nominierten und
Gewinner*innen sowie die Liste aller Oscar-Filme Updates verlangen. Oder
bei Sportevents wie dem Super Bowl.
Bei Events wie dem Super Bowl
arbeitet die Community in Echtzeit.
Wenn es schnell gehen
muss
Was während der Nobelpreiswoche hinter den Kulissen der
Wikipedia los ist, beschreibt Olaf2 so: „Im optimalen Fall schaue
ich mir den Stream der Verkündung an. Dann prüfe ich, ob die
Preisträger einen Wikipedia-Artikel bzw. Wikidata-Eintrag haben.
Bei Wikidata kann man – gegebenenfalls unter Nutzung der letzten
Version vor Verkündung – schauen, welche Sprachversion dazu einen
Artikel hatte oder hat. Außerdem der Blick in unsere
Versionsgeschichte: Wer hat den Artikel wann angelegt? Schließlich
folgt noch ein kurzer Text als Kommentierung. Das sollte
tatsächlich schnell gehen.“ Nur wenn sich mehrere Personen den
Preis teilen, die auch noch in vielen Sprachversionen vertreten
sind, kann es mit der Aktualisierung ein bisschen länger
dauern.
Relevanz frühzeitig
erkennen
Und was, wenn eine Preisträgerin oder ein Preisträger noch gar
keinen Wikipedia-Eintrag hat? „Das kommt erfreulicherweise
praktisch nicht vor. Zumindest nur sehr selten“, so Olaf2. Die
Physikerin Donna Strickland, die 2018 als
dritte Frau in ihrer Disziplin den Nobelpreis erhielt, war eine
dieser Ausnahmen – in der englischsprachigen Wikipedia war ihr
Eintrag abgelehnt worden, weil Strickland vermeintlich die Relevanzkriterien der Enzyklopädie
nicht erfüllte (über die es innerhalb der Community immer wieder
Diskussionen gibt). 2023 hatte der Physiker-Kollege Pierre Agostini noch keinen Artikel. In solchen
Fällen „sucht man erstmal länger, ob man nicht in irgendeiner
Sprachversion etwas übersehen hat“, beschreibt der Wikipedianer.
„Um das Anlegen des Artikels braucht man sich aber nicht groß zu
kümmern. Ein Nobelpreisträger als Rotlink? Das bleibt nur wenige
Minuten so – auch in der deutschen Version.”
In der Regel wird die Relevanz der Ausgezeichneten frühzeitig
erkannt – auch dank des Nobelpreisträger-Projekts des
Wikipedia-Ehrenamtlichen Ephraim33. Das Projekt lädt Wikipedianer*innen
dazu ein, Biografien von Menschen vorzuschlagen, die ernsthafte
Kandidat*innen in Stockholm und Oslo sein könnten. Ein Beispiel für
besonderen Spürsinn war in diesem Jahr der Friedensnobelpreis für die japanische
Organisation Nihon Hidankyō. Schon seit 2005 war die
deutschsprachige Wikipedia auf diese Preisträgerin vorbereitet.
Benutzer Achim Raschka legte damals mit der
Bemerkung „potentieller Preisträger für den Friedensnobelpreis“ den
Artikel an und war damit seiner Zeit 19 Jahre voraus.
Terumi Tanaka, einer der
Vorsitzenden von Nihon Hidankyō und Überlebender des
Atombombenabwurfs auf Nagasaki, erzählt Jugendlichen von seinen
Erlebnissen.
Spitzenplatz beim
„wikipedistischen Nobelpreis“
Kein Wunder, dass die deutschsprachige Community regelmäßig
Spitzenplätze beim „wikipedistischen Nobelpreis“ belegt – dem
enzyklopädischen Wettkampf, in welcher Sprachversion bereits die
meisten Artikel zu den Preisträger*innen existieren. 2024 hatten
alle neun Ausgezeichneten zum Zeitpunkt der Verkündung bereits
einen Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia. Damit liegt sie
gemeinsam mit der englischsprachigen und der chinesischsprachigen
Wikipedia auf dem ersten Platz des „wikipedistischen Nobelpreises“.
Dahinter folgen die arabischsprachige und die japanischsprachige
Wikipedia, in der sieben der neun Preisträger*innen einen Eintrag
hatten.
„Die Aufbereitung der Nobelpreise als ‚sportlicher‘
Wettkampfbericht, die Sprachversionen in einem freundschaftlichen
Battle – das macht einfach Freude“, erklärt Wikipedianer Olaf2. Die
Faszination liegt für ihn aber auch in der Internationalität des
Projekts: „Menschen mit völlig unterschiedlichen Lebenserfahrungen
und Sichtweisen beschäftigen sich – zwar eher nebeneinander als
miteinander, aber immerhin – mit dem Zusammentragen von
Informationen zu einem Thema. Da stehen in der Liste Arabisch,
Persisch und Hebräisch nebeneinander, als wäre es eine
Selbstverständlichkeit. Auch Ukrainisch und Russisch. Das kann man
ruhig mal feiern.“
Der Heimathafen in der Wiesbadener Innenstadt ist ein noch
junges Zentrum für Gründer, Kreative und Co-Worker – angesiedelt in
einem denkmalgeschützten Gebäude, das früher Gericht und Gefängnis
beherbergte. Der Schwurgerichtssaal im ersten Stock sieht mit
seiner originalen Richterbank und Tribünen noch immer so aus, als
würden hier Urteile ergehen. In diesem geschichtsträchtigen Haus –
und im Bürgersaal der benachbarten Hochschule Fresenius – fanden
vom 4. bis 6. Oktober die Sessions der WikiCon 2024 statt. Ein
inspirierendes Ambiente, um von morgens bis abends alle
erdenklichen Fragen rund um die Gegenwart und Zukunft des Freien
Wissens zu verhandeln.
Die jährliche Zusammenkunft der Wikipedianer*innen aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz – die von der Community mit
Unterstützung von Wikimedia Deutschland organisiert wird – hat
nicht nur einen besonderen Ort gefunden (wie schon so oft in den
stets wechselnden Gast-Städten). Sie bot auch einmal mehr ein
umfangreiches Programm mit etlichen parallelen Sessions, die sich
nicht zuletzt den praktischen Seiten der Arbeit für die
Wikimedia-Projekte widmeten.
Wie schreibe ich einen
verständlichen Artikel?
Im Konferenzraum der Geschworenen hält gleich nach der
Eröffnungsveranstaltung der Wikipedianer Salino01 einen Vortrag
über die „Verständlichkeit von Wikipedia-Artikeln“. Ein Thema, das
am WikiCon-Wochenende an mehreren Stellen aufkommt. In ganz
verschiedenen Sessions wird festgestellt, dass die Wikipedia meist
die erste Anlaufstelle für Recherchen von Schüler*innen oder
Student*innen ist – aber die dort gefundenen Informationen eben
auch leicht zugänglich sein sollten. Als Beispiel für einen schwer
zugänglichen Text wählt Salino01 den Wikipedia-Eintrag zu Diabetes mellitus, in dessen Einleitung sich
die Fachbegriffe häufen. Generell – dazu gibt es auch eine Studie –
sind die krankheitsbezogenen Artikel in der deutschen Wikipedia
besonders komplex.
Was tun? Diskutiert wird über KI Tools wie DeepL Write oder
TextLab, die helfen können, einen Eintrag zu vereinfachen. Der
Idealfall wäre natürlich – so der Konsens im Konferenzraum der
Geschworenen – dass Artikel gar nicht erst komplex verfasst werden.
Eine Empfehlung von Salino01 in diesem Zusammenhang: die
Orientierung am Hamburger
Verständlichkeitsmodell. „Wir brauchen ein Bewusstsein für die
Zielgruppe“, findet ein Wikipedianer: „Ein 11-jähriger Schüler will
zum Beispiel aus dem Text über das Opossum einfach nur schnell die
Information herausziehen: Wie alt wird das Tier?“.
Künstliche Intelligenz im
Wissenszeitalter
Aber gibt solche Antworten in Zukunft nicht ohnehin die KI? Um
Fragen dieser Art ging es auf dem Panel „Künstliche Intelligenz im
Wissenszeitalter: Revolution der Informationsbeschaffung und
-rezeption“ im Bürgersaal der Hochschule Fresenius. Die
Journalistik-Professorin Cornelia Mothes, die Professorin für
Medienethik Claudia Paganini, Andreas Grün aus der Hauptredaktion
Digital Medien im ZDF sowie Lukas Mezger (Rechtsanwalt und
Wikipedianer) diskutierten 90 Minuten lang darüber, was die
technologischen Entwicklungen perspektivisch für das Freie Wissen
bedeuten könnten.
Die Google-Suche, über die ein Großteil der Nutzenden auf die
Wikipedia-Artikel stößt, wird unpopulärer, wie Cornelia Mothes
beschreibt. Programme wie ChatGPT oder ComplexityAI positionieren
sich immer stärker als Konkurrenz – lassen aber ohne weitere
Nachforschungen nicht erkennen, aus welchen Quellen ihr Wissen
stammt. Das könnte perspektivisch auch zu einem Relevanzverlust des
Qualitätsjournalismus führen, der als Urheber von verlässlichem
Wissen unsichtbar wird, so Mothes.
Die gute Nachricht: Einen Abgesang auf die Wikipedia möchte
niemand anstimmen, im Gegenteil. „Die Wikipedia hat einen immer
besseren Ruf im universitären Kontext, je mehr die Angst vor KI
zunimmt“, stellt Claudia Paganini fest. Nur könnte sich ihre Rolle
verändern. Die freie Enzyklopädie werde vielleicht zunehmend
wichtig, um zu überprüfen: stimmt es, was die KI sagt?
Wissen in der kriselnden
Welt
Das omnipräsente Thema KI ist freilich nicht die einzige
Herausforderung für das Freie Wissen. Auf dem Panel „Wissen ist
Macht – Resilienz von freiem Wissen in einer kriselnden Welt“ ging
es um die Bedrohungen, denen die Demokratien heute vielerorts
ausgesetzt sind.
Thomas Laufersweiler (der sich bei der ARD für Creative
Commons-Lizenzen einsetzt), Kirsten Bode, die für das ZDF-Format
Terra X arbeitet, Friederike von Franqué aus dem Politikteam von
WMDE und wiederum Lukas Mezger verhandelten hier die
Herausforderungen durch die Zunahme von Fake News und die
rechtspopulistischen Attacken auf den Gemeinsinn.
Kirsten Bode konstatiert zwar: „Noch hat der Einzelne alle
Möglichkeiten, sich zu informieren“ – nicht zuletzt dank eines
Projekts wie der Wikipedia mit Wissen aus verlässlichen Quellen.
Sie beobachtet allerdings auch, dass viele nicht mehr zwischen
Fakten und Meinung unterscheiden können und plädiert für mehr
Vermittlung von Medienkompetenz schon in den Schulen. Thomas
Laufersweiler würde es begrüßen, „wenn das Schreiben von
Wikipedia-Artikeln in der Schule verpflichtend wäre”. Das sei
schließlich eine gute Übung in journalistischem und
wissenschaftlichem Arbeiten zugleich.
Die Aufzeichnungen der Panels sind in Kürze auf Wikimedia
Commons verfügbar und werden dann hier verlinkt.
And the winner is…
Insgesamt 262 Wikipedianer*innen aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz kamen in diesem Jahr in Wiesbaden zusammen – weitere 99
verfolgen die Veranstaltungen online. „Bei der Wikipedia-Arbeit bin
ich meist allein am Schreibtisch – hier bekomme ich das Gefühl,
wirklich Teil einer großen Gemeinschaft zu sein“, fasst ein
glücklicher Wikipedianer bei der Eulen-Gala den WikiCon-Spirit in
Worte.
Die traditionelle Verleihung der WikiEulen an besonders verdiente
Wikipedianer*innen fand am Samstagabend statt – in der Wiesbadener
Casino-Gesellschaft, einem Prachtsaal aus dem 19. Jahrhundert
(wobei der Name nichts mit Glücksspiel zu tun hat, sondern auf die
„Casini“ zurückgeht, Landhäuser des italienischen Adels). So oder
so: ein würdiger Rahmen für die Preisverleihung in 16 Kategorien,
die von der streng anonymen WikiEulenAcademy ausgerichtet wird.
Die AutorenEule 2024 geht an den Wikipedianer PaFra – Autor einer Reihe von exzellenten Artikeln wie der
Biografie Sayyid Shaykh al-Hadi oder dem Text
zur religiösen Gruppe der Sunniten – und als Islamwissenschaftler der Initiator
eines wissenschaftlichen Fachlexikons innerhalb der Wikipedia. Mit
der NewcomerEule wird der Wikipedianer Anagkai geehrt – der ist erst seit anderthalb
Jahren aktiv, hat aber schon über 200 Artikel zu seinem
Spezialgebiet verfasst: Biomoleküle.
Über die FotoEule darf sich die Benutzerin Haeferl freuen, die
seit 2010 dabei ist schon seitdem über 10.000 Fotos hochgeladen hat.
Mit der EhrenOrgaEule wird Rebecka Heinz bedacht – keine
Wikipedianerin, aber als freie Mitarbeiterin von Wikimedia
Deutschland maßgeblich am Gelingen der vergangenen drei
WikiCon-Ausgaben beteiligt – und zudem, so die Jury, eine wichtige
Botschafterin ihres Herzensprojektes eine-von-acht rund um das Thema Brustkrebs. Eine
vollständige Übersicht über alle Nominierten und Preisträger*innen
ist hier zu finden.
Blick in die Zukunft
Und wie geht’s weiter? Auf dem ersten Wikipedia-Zukunftskongress
im Juni, organisiert von Wikimedia Deutschland, wurden viele Ideen
entwickelt, um Wikipedia zukunftssicher zu machen. Damit diese
Ideen nicht ungenutzt bleiben, wurden sie auch auf der WikiCon
vorgestellt und gemeinsam mit den Teilnehmenden erste Ansätze zur
Umsetzung diskutiert. In der Zukunftskongress-Session wurden
an acht Tischen verschiedene Themen vertieft, darunter: Freiwillige
gewinnen & binden, Diversität der Community & marginalisierte
Gruppen unterstützen sowie Einbindung von Leser*innen in die
Community. Am 16. Oktober werden in einem Online-Austausch die
praktische Umsetzung und nächste Schritte besprochen.
Die WikiCon in der
Presse:
Vorberichterstattung zum Thema „Wissen ist Macht“ vom 4.10. in
Bayern 2 (ab Min 8:32:30):
“Wissen in einer kriselnden Welt”, Gespräch mit Friederike von
Franqué (Wikimedia), Kai Schmieding (Autor), SR kultur, Der Morgen,
04.10.2024, 7.20 Uhr
Mit freundlicher Genehmigung vom Saarländischen Rundfunk
Über das Grundgesetz, das in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag
feiert, ist vermeintlich alles bekannt. Wie die Tatsache, dass die
Verfassung eben nicht nur Väter, sondern auch Mütter
hat. Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel hießen die vier Frauen, die als
Mitglieder des 65-köpfigen parlamentarischen Rates maßgeblich an
seiner Ausarbeitung beteiligt waren. Selbstverständlich gibt es
über sie auch eigene Wikipedia-Artikel.
Wie kam die Gleichberechtigung
ins Grundgesetz?
Bei näherer Betrachtung der Entstehungsgeschichte des
Grundgesetzes zeigt sich allerdings, dass sich bis heute ein paar
falsche Annahmen halten. Zum Beispiel bezüglich der Frage: Wie kam
eigentlich die Gleichberechtigung ins Grundgesetz? Haben die vier
erwähnten „Mütter“ unserer Verfassung wirklich in vereinter
Schwesternschaft und über Parteigrenzen hinweg für den Artikel 3
gekämpft, wie es ein kleiner Lehrfilm der Bundesregierung nahe
legt?
„Problematisch, entpolitisierend und vereinfachend“ nennt die
Historikerin Dr. Kerstin Wolff vom Kasseler Archiv der
deutschen Frauenbewegung (AddF) diese Darstellung. Und fordert:
„Es ist Zeit, zu differenzieren.“ Was sie in einem erhellenden
Vortrag für knapp 30 online zugeschaltete Wikipedianer*innen
beeindruckend unternimmt. Ein Fokus liegt dabei auf der Rolle, die
Elisabeth Selbert als SPD-Mitglied gespielt hat. Selbert war
Juristin und kämpfte zusammen mit ihrer Partei für den Satz „Männer
und Frauen sind gleichberechtigt“, der in seiner vermeintlichen
Schlichtheit weitreichende Gesetzesreformen nach sich zog. Der Satz
war übrigens – auch das wissen viele nicht – einem
SED-Verfassungsentwurf entlehnt.
Zwei Ja- und zwei
Nein-Stimmen
„Wiki Loves Demokratie – Mütter des
Grundgesetzes“ lautet der Titel dieser Wikipedianischen
KultTour, die Wikimedia Deutschland zusammen mit dem AddF
organisiert hat. Wikipedianischen KulTouren sind
halb- bis eintägige Veranstaltungen, bei denen sich
Wikipedianer*innen online oder in Präsenz treffen und gemeinsam
eine ausgewählte Ausstellung oder eine Kultureinrichtung unter
fachkundiger Führung besuchen. Diesmal geht es also digital
nach Kassel (wo gemeinsam mit dem AddF zuletzt eine GLAM digital-Veranstaltung zur
Rolle der Frauen bei der Revolution von 1848/49 stattfand).
Kerstin Wolff und Laura Schibbe, die am AddF die
Öffentlichkeitsarbeit leitet, stellen zunächst das Archiv mit
seinen über 38.000 Magazin-Titeln und entsprechend umfangreichen
Recherchemöglichkeiten vor. Anschließend widmet sich Wolff in ihrem
Vortrag der Frage: „Wie kam die Gleichberechtigung ins
Grundgesetz?“.
Wolff führte weiter aus, dass ein erster, an der Weimarer
Verfassung orientierter Entwurf für den Artikel 3 lautete: „Männer
und Frauen haben grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen
Rechte und Pflichten“. Das aber, erläutert Wolff, hätte sich vor
allem auf das Wahlrecht bezogen – und nicht auf das patriarchal
geprägte Familienrecht, das Elisabeth Selbert aus ihrer Praxis als
Familienanwältin nur allzu gut kannte. Unter anderem waren
Ehefrauen damals wirtschaftlich vollkommen abhängig von ihren
Männern. Die von Selbert eingebrachte Formulierung „Männer und
Frauen sind gleichberechtigt“ fiel bei Abstimmungen im
Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats allerdings erst einmal
durch – auch Helene Weber von der CDU und Helene Wessel von der
Zentrumspartei stimmten dagegen.
Revolutionen brauchen
Netzwerke
Elisabeth Selbert gab nicht auf und fand Verbündete.
„Revolutionen“, so Wolff in ihrem Vortrag, „brauchen Netzwerke.“
Zusammen mit der Parteigenossin Frieda Nadig und Herta Gotthelf, der Frauensekretärin der SPD,
versuchte sie einen Proteststurm von Frauenverbänden und
Einzelpersonen zu entfachen. Auch wenn die später kolportierten
„Waschkörbe voller Protestschreiben“, die angeblich den
Parlamentarischen Rat erreichten, nach Ansicht von Historiker*innen
wohl eine Übertreibung sind – die Aktion hatte Erfolg. Der Satz
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wurde im Artikel 3
festgehalten.
Über Selbert, die Wolff als „Mutter der Gleichberechtigung im
Grundgesetz“ bezeichnet, existiert beim AddF auch ein
ausführliches, an Quellen reiches Online-Dossier – wie über
etliche weitere Pionierinnen der Frauenrechte in Deutschland. Eine
Fundgrube also für Wikipedianer*innen, die Aspekte in bestehenden
Artikeln ergänzen oder neue Texte anlegen wollen. Zumal das
Themenfeld Frauen- und Geschlechtergeschichte in der Wikipedia noch
viele Lücken aufweist, wie die Wikipedianerin Leserättin in einem spannenden
Vortrag für die Teilnehmenden der Veranstaltung ausführt.
Problemfall
Theoriefindung
Es ist allerdings oft auch nicht leicht, mehr Wissen aus diesem
Fachgebiet einzubringen, wie Leserättin am Beispiel ihres Artikels
über die sogenannte Damengalerie in der Frankfurter Paulskirche
beschreibt. Denn laut den Relevanzkriterien der Wikipedia ist
keine „Theoriefindung“ erlaubt – darunter fällt auch „die
Einführung nicht gebräuchlicher Fachausdrücke oder Termini“. Ist
die „Damengalerie“ ein gebräuchlicher Begriff? „Gerade wenn es um
Themen geht, die nicht zum Schulbuchwissen oder der
Allgemeinbildung zählen, bleibt es eine Herausforderung, sie in der
Wikipedia abzubilden“, beschreibt Leserättin. Die Wikipedianerin
entschied sich schließlich für den Volltitel „Damengalerie oder
Damenloge der Frankfurter Nationalversammlung.“
Genügend Wissen, das nach Ansicht der Teilnehmer*innen seinen
Platz in der freien Online-Enzyklopädie verdient hätte, wurde
jedenfalls im Rahmen dieser Wikipedianischen KulTour vermittelt. Ob
Elisabeth Selbert bald als „Mutter der Gleichberechtigung im
Grundgesetz“ in der Wikipedia beschrieben wird, bleibt abzuwarten.
Alle Teilnehmenden waren jedenfalls froh – das zeigten die
Kommentare im Chat – bei dieser Wikipedianischen KulTour an so
spannende Diskussionspunkte gelangt zu sein.
Lust, mehr zu erfahren?
Eine Übersicht über vergangene und anstehende Wikipedianische
KulTouren gibt es hier.
Unter diesem Link finden sich alle
Informationen rund um die GLAM-Veranstaltungen von Wikimedia
Deutschland – Kooperationen mit Kulturinstitutionen wie Galerien,
Archiven, Bibliotheken und Museen, die sich dem Freien Wissen
öffnen. Inklusive Terminkalender!
Das Motto des diesjährigen Bürgerfestes lautete „Pamoja –
gemeinsam stärker“. Das trifft definitiv auch auf die Wikipedia,
das freie Medienarchiv Wikimedia Commons und die offene
Wissensdatenbank Wikidata zu. Denn tausende Freiwillige pflegen und
erweitern die Artikel, Medien und die Daten, auf die wir alle
täglich frei zugreifen können.
Publikumsmagnet
Glücksrad
Nachdem die grauen Wolken vom Freitag sich verzogen hatten,
stand am Samstag bei schönstem Sonnenschein ständig eine Schlange
vor dem Stand der Mercator-Stiftung, an dem wir gemeinsam mit
anderen vor Ort waren. Vor allem das bunte Glücksrad stieß auf
großes Interesse. Kinder wie Senior*innen wollten ihr Glück
versuchen und Wikipedia-Bleistifte, die begehrten
Wikipedia-Jutebeutel und viele andere Preise gewinnen. Neben
einigen Rätselfragen (Wie viele gedruckte Bücher würde die
Wikipedia ergeben?) wollten wir auch wissen, was die Besucher*innen
über die Wikipedia wissen, wie für sie offene Bildung aussehen
müsste oder zu welchem Thema sie einen Wikipedia-Artikel schreiben
würden.
Zum Glück waren wir gleich mit mehreren Kolleg*innen aus den
Teams Community-Förderung sowie Bildungspolitik und digitales
Kulturgut vor Ort und konnten die vielen Fragen rund um
Wikimedia-Projekte beantworten, die sich dabei ergaben.
Frag die
Wiki-Expert*innen
Doch wir haben nicht nur den Besuchenden Fragen zur Wikipedia
gestellt. Wer das Glücksrad auf die Kategorie “Und sonst so… Deine
Frage an uns” drehte, konnte den Spieß umdrehen. Besonders häufig
kam dabei die Frage auf, wie sichergestellt wird, dass die
Informationen in der Wikipedia sachlich richtig und aktuell sind.
Die Antwort war ein Grund für die lange Schlange vor dem Stand.
Denn es gibt viele Faktoren, die zur Verlässlichkeit der Wikipedia
beitragen. Das fängt an bei den Relevanzkriterien und geht über
klare Regeln dafür, wie Wissen belegt werden muss, bis zu einer
Definition, was eben nicht in die Wikipedia gehört:
Gerüchte, Propaganda, unbelegte Theorien und einiges mehr. Auch die
große Anzahl derer, die aktiv dazu beitragen, dass die Wikipedia
funktioniert, war kaum jemandem bekannt.
Viel Fragende waren überrascht zu erfahren, dass wirklich alle
Wikipedia-Aktiven ehrenamtlich zur Online-Enzyklopädie beitragen.
Und immer wieder ging es darum, welche Rolle Transparenz spielt.
Viele wussten nicht, dass über die Versionsgeschichte eines
Artikels jederzeit für alle nachvollziehbar ist, was wann geändert
wurde und dass sie auch die Regeln zum Arbeiten in der Wikipedia
jederzeit einsehen können.
Bei den Fragen danach, ob die deutschsprachige Wikipedia
ausdrucken wirklich 3.406 gedruckte Buchbände umfassen würde wahr
oder falsch sind, haben häufig Eltern und Kinder gemeinsam
gerätselt. Sie waren beeindruckt davon, wie viel Arbeit und wie
viel Wissen in den Wikimedia-Projekten steckt.
Auflösung: Die Wikipedia in all ihren Sprachversionen wächst
ständig. Daher kann man die genaue Anzahl der Bücher nicht
berechnen. Es hängt natürlich auch davon ab, wie viele Seiten so
ein Buch hätte. Es gab zu unterschiedlichen Zeiten Studien und
Schätzungen, nach denen es 1.717
bzw. 3.406 für die
deutschsprachige Wikipedia waren.
Viele Wikimedia-Themen im
Gepäck
Neben vielen Fragen zu Wikipedia, Wikimedia Commons und Wikidata
wollten die Gäste auch wissen: Was heißt das eigentlich,
Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens? So kamen wir ins
Gespräch darüber wie Wikimedia Deutschland den freien Zugang zu
Wissen noch fördert. Etwa mit unserem Programm Öffentliches Geld
– Öffentliches Gut, mit dem wir uns gegenüber
Politikschaffenden, öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und
Ministerien dafür einsetzen, dass alles, was mit öffentlichem Geld
finanziert wird, für uns alle zugänglich ist. Immer mehr
Redaktionen im
ZDF und
ARD haben wir bereits davon überzeugt, dass Wissens- und
Informationsinhalte mit freien CC-Lizenzen für uns alle nachnutzbar
sein sollten.
Es ging um unsere Arbeit mit Kulturinstitutionen und mit
Freiwilligen in den Wikimedia Projekten, mit denen wir dazu
beitragen, dass mehr Bestände unseres kulturellen Erbens digital
und frei zugänglich werden. Oder um das „Forum Offene KI in der
Bildung“, bei dem wir zehn Handlungsempfehlungen für den Einsatz
von offenen statt intransparenten KI-Anwendungen in Schulen
entwickelt haben – und in die Bildungspolitik tragen. Die
Empfehlungen haben wir mit Expert*innen aus dem Bildungsbereich
erarbeitet. Mit Wissenschaftler*innen und Bildungspraktiker*innen,
die ebenso wie Wikimedia Deutschland davon überzeugt sind, dass wir
uns nicht von den intransparenten KI-Anwendungen der Tech-Riesen
abhängig machen sollten, klare Regeln für den Einsatz von KI in der
Bildung brauchen, aber auch Wissen darüber, wie diese Technologien
funktionieren.
Am Ende kam dann fast die
Polizei
Am Ende des Tages haben wir alle Wikipedia-Geschenke und viel
Wiki-Wissen unter die Leute gebracht. Beim Verstauen unserer
Habseligkeiten vor dem Schloss Bellevue wurde es dann fast
brenzlig. Der große Wikipedia-Ball, der zuvor unseren Stand
markiert hatte, musste ins Taxi verfrachtet werden. Das war einem
der jungen Besucher offenbar nicht ganz geheuer. „Guck mal, da
klaut jemand den Wikipedia-Ball”, erklang es plötzlich. Die
Situation konnte zum Glück geklärt und ein Polizeieinsatz vermieden
werden. Der Ball ist sicher im Büro von Wikimedia Deutschland
angekommen und wartet auf den nächsten Einsatz.
Immer mehr Menschen nutzen KI-Anwendungen – auch für die
Informationsbeschaffung. Umso wichtiger ist es, dass sie mit
verlässlichen Daten trainiert werden. Gleichzeitig dominieren große
Unternehmen die Entwicklung von ChatGPT & Co. Um die Entwicklung
gemeinnütziger KI-Projekte zu unterstützen und zu einem
verlässlichen Informationsökosystem beizutragen, hat Wikimedia
Deutschland ein neues Projekt gestartet, das die Nutzung der
offenen Daten aus Wikidata erleichtert.
Wikidata stellt als offene
Wissensdatenbank mit über 112 Millionen maschinen- und
menschenlesbaren Einträgen eine zentrale Quelle für qualitativ
hochwertige und offene Daten dar. Alle Wikimedia-Projekte,
insbesondere Wikipedia, greifen auf diese Daten zu, um
Informationen wie z. B. Einwohnerzahlen oder Geburtsdaten
automatisch zu aktualisieren. Unterstützt von über 12.000
ehrenamtlichen Beitragenden bietet Wikidata eine umfassende und
geprüfte Datenbasis. Für Entwickler*innen von Open-Source-Projekten
sind die Daten zwar zugänglich – um sie auch für KI-Trainings
nutzen zu können, fehlen ihnen aber oft die Ressourcen. Diese
stehen meist nur großen Technologieunternehmen zur Verfügung.
Vektorisierte Daten für
maschinelles Lernen
Ziel des neuen Projektes ist es, künftig vor allem auch
kleineren Open-Source-Projekten die Möglichkeit zu geben, die Daten
aus Wikidata zu nutzen. Daher hat sich Wikimedia Deutschland mit
DataStax und Jina AI zusammengetan, um die Wikidata-Daten so
aufzubereiten, dass auch kleinere Projekte ohne die finanziellen
und personellen Ressourcen großer Unternehmen sie nutzen
können.
Im Mittelpunkt des neuen Projekts steht die Transformation der
Wikidata-Daten in semantische Vektoren – ein aufwendiger aber
notwendiger Schritt, den Open-Source Entwickler*innen in der Regel
nicht alleine stemmen können. DataStax stellt hierfür eine
leistungsfähige Vektordatenbank bereit, während Jina AI ein
Open-Source-Modell zur Vektorisierung der Textdaten beisteuert.
Diese Umwandlung der Daten in Vektoren erlaubt es
Entwickler*innen, semantische Suchanfragen effizienter
durchzuführen und die Daten von Wikidata in ihre KI-Modelle zu
integrieren. Das ermöglicht nicht nur eine schnellere und präzisere
Suche, sondern vereinfacht auch den Prozess der Einbindung von
Wikidata in sogenannte RAG-Anwendungen (Retrieval-Augmented
Generation). Diese Anwendungen minimieren KI-Fehler, indem sie
aktuelle und verifizierte Fakten in ihre Ergebnisse einfließen
lassen.
Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, Vandalismus auf Wikidata
besser zu erkennen. Da generative KI in der Lage ist, Inhalte
massenhaft zu erstellen, kann dies auch zur Verbreitung von
falschen Informationen beitragen. Die Vektorisierung der Daten
ermöglicht es, potenziell schädliche Änderungen an den
Wikidata-Einträgen schneller zu identifizieren und zu
korrigieren.
KI und die Werte von Wikimedia
Deutschland
Wikimedia setzt dabei auf die Werte der Transparenz und des
freien Zugangs zu Informationen in Form von offenen Daten.
Besonders im Hinblick auf generative KI, die oft fehlerhafte
Inhalte generiert, ist die Bereitstellung validierter Daten eine
wichtige Maßnahme, um die Qualität von KI-generierten Inhalten zu
verbessern.
Dr. Jonathan Fraine, Leiter der Softwareentwicklung bei
Wikimedia Deutschland, erklärt: „Viele Entwickler*innen teilen
unsere Werte, aber der Zugang zu Wikidata ist für sie eine
Herausforderung. Wir müssen den Prozess vereinfachen, um die
enormen Datenvolumen für die neuesten generativen KI-Entwicklungen
nutzbar zu machen.“ Lydia Pintscher, Portfolio Lead Wikidata,
ergänzt: „Durch die Bereitstellung hochwertiger, offener Daten
unterstützen wir die Communitys dabei, innovative Ideen zu
entwickeln, die der Menschheit zugutekommen, statt kommerziellen
Zwecken zu dienen.“
Wikidata als Basis für eine
gerechtere digitale Zukunft
Die Bedeutung dieses Projekts liegt darin, die Daten von
Wikidata als verlässliche Quelle für KI-Entwicklungen zu
etablieren. In einer Zeit, in der KI-generierte Inhalte zunehmend
das Internet dominieren, besteht die Gefahr, dass ungeprüfte und
oft falsche Informationen verbreitet werden. Wikidata bietet hier
eine stabile Alternative: Die Wissensdatenbank verfügt über ein
enormes Datenvolumen und die Informationen sind öffentlich
zugänglich, frei lizenziert und sie werden durch eine aktive
Community ständig überprüft und erweitert.
Durch die Zusammenarbeit mit DataStax und Jina AI schafft
Wikimedia Deutschland die technische Infrastruktur, um die offene
Wissensquelle Wikidata auch für kleinere Entwicklerteams nutzbar zu
machen. Langfristig kann dies dazu beitragen, dass sich
Open-Source-KI-Projekte gegenüber den dominierenden Tech-Giganten
besser behaupten können. Gleichzeitig wird der Zugang zu
verlässlichen Daten für alle vereinfacht, was den demokratischen
Zugang zu Wissen in einer digitalisierten Welt unterstützt.
Die Zukunft der KI bei Wikimedia
Deutschland
Wikimedia Deutschland hat im Dezember 2023 mit der Umsetzung
dieses semantischen Suchkonzepts begonnen. Die ersten Beta-Tests
eines Prototyps sind für 2025 geplant. Dieses Projekt ist eine
große Chance, KI-Anwendungen und das Informationsökosystem zu
verbessern und gleichzeitig die Grundwerte der Offenheit und
Transparenz zu wahren.
Dieses Vorhaben ist ein wichtiger Schritt in der Mission von
Wikimedia Deutschland, Freies Wissen für alle zugänglich zu machen.
Mithilfe von maschinellem Lernen und semantischer Suche wird der
Zugang zu den wertvollen Daten von Wikidata weiter vereinfacht, was
nicht nur die Entwickler-Community, sondern die Gesellschaft als
Ganzes voranbringen kann.
Podcast: Könnte die Verbesserung
der Lesbarkeit von Wikidata durch Menschen zu einer besseren KI
führen?
Im Global Tech Podcast spricht Lydia Pintscher von Wikimedia
Deutschland über das neue Wikidata-Projekt. Der Podcast ist in
englischer Sprache.
Jonathan Fraine (Leiter der Softwareentwicklung bei Wikimedia
Deutschland) und Lydia Pintscher (Portfolio Lead Wikidata)
präsentierten das neue Projekt auf dem „AI_dev: Open Source GenAI &
ML Summit Europe 2024“ in Paris. Die Präsentation ist auf YouTube
verfügbar.
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Entstanden ist die Idee der offenen Bildung im Fahrwasser der
Openness-Bewegungen, die seit den 90er Jahren freie und offene
Software entwickelt oder offene Wissensprojekte wie die Wikipedia
gestartet haben. Während die beiden Ideen bald aus den USA nach
Deutschland rüber schwappten, blieb offene Bildung hierzulande
lange ein Nischenthema. Eine sehr aktive aber kleine Community
erstellte Bildungsmaterialien, machte diese digital und frei
zugänglich und arbeitete gemeinsam daran, Kompetenzen im Erstellen
freier Lernmaterialien aufzubauen. In der Bildungspolitik, in der
Lehrkräfteaus- und -fortbildung spielte offene Bildung aber kaum
eine Rolle, wurde lange weder gefördert noch erforscht.
Warum sind offene Bildung und
Open Educational Resources so fabelhaft?
Bildungsgerechtigkeit: Zugang zu Bildung
hängt in Deutschland stark vom ökonomischen Status ab. Da OER für
alle kostenlos zugänglich sind, können sie Bildungsgerechtigkeit
stärken.
Individualisierbar: Die freie Lizenzierung von
OER führt auch dazu, dass jede*r die Materialien nach Bedarf
anpassen kann.
Partizipativ: Lehrkräfte und Lernende
erleben Lernen und Bildung durch die Offenheit der Materialien als
ein Gut, das sie aktiv mit entwickeln können.
Ressourcensparend: Materialien, die frei
zugänglich sind und digital geteilt werden können, müssen nicht
hundertfach reproduziert – und gekauft – werden.
Um offene Bildungspraktiken und -materialien in der
bildungspolitischen Agenda zu verankern, sie in der Bildungspraxis
bekannter zu machen und in die Lehrerausbildung zu tragen, haben
die Open Knowledge Foundation, Creative Commons und Wikimedia
Deutschland 2014 das Bündnis Freie Bildung
gegründet.
Zum zehnten Geburtstag des Bündnisses blicken wir auf Projekte,
die Lehrkräften und allen anderen an OER interessierten Menschen
nützen, die OER zugänglicher machen, Kompetenzen für offene Bildung
stärken und mit denen das Bündnis in den bildungspolitischen Raum
gewirkt hat.
Wir Lernen Online geht an den
Start
Die Suchmaschine für OER gibt es seit 2020. Sie bietet in
Fachportalen von B wie Biologie bis Z wie
Zukunfts- und Berufsorientierung offene Lehrmaterialien an, die von
Fachredaktionen geprüft wurden. Das Angebot ist also kuratiert.
Über die Suchfunktion können Interessierte
dann alle der mittlerweile über 230.000 OER nach Fachgebiet,
Bildungsstufe oder auch nach Inhaltetyp filtern. Wer nach einem
Video für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I zum Thema
Logarithmen sucht, erhält so zum Beispiel 100 Treffer.
Wer bis 2020 auf der Suche nach offenen Lehrmaterialien war,
fand sich schnell auf dem Weg von Pontius zu Pilatus – die
OER-Landschaft war stark fragmentiert. Für Neulinge war zudem nicht
gleich ersichtlich: Welche Materialien passen zu meinem Bedarf?
Redaktionell kuratierte Angebote gab es kaum. Warum sich das ab
2020 geändert hat?
Als Wikimedia Deutschland und edu-sharing.net vom
Bundesministerium für Bildungs und Forschung gefragt wurden, ob sie
freie Bildungsmaterialien mit der Open-Education-Community
erschließen und kuratieren können, war klar: Hier gibt es die
Chance, das Thema offene Bildung in ein großes Bildungsprojekt
einfließen zu lassen. Mit Wir Lernen Online ist damit nicht
nur eine Suchmaschine entstanden, die erstmalig eine so große Menge
an offenen Bildungsmaterialien auffindbar macht. Da Wir Lernen
Online in unterschiedliche Redaktionssysteme der Länder, u.a.
in die Bildungscloud eingebunden ist, können Lehrende die OER über
die Cloud und damit direkt in ihrer Arbeitsumgebung finden und
nutzen.
Bildungspolitik ko-kreativ
gestalten: Das Forum Open Education
Beim Forum hat das Bündnis Freie Bildung
Bildungspraktiker*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen mit
Bildungspolitiker*innen zusammengebracht. Bei zahlreichen Workshops
ist es gelungen, nicht nur Wissen auszutauschen, sondern auch
gemeinsam an Strategien und Handlungsempfehlungen zu arbeiten, die
offene Bildung fördern. Bildungspolitiker*innen konnten so auch
direkt von Expert*innen erfahren, was Lehrkräfte und Schulen
brauchen, um digitale und offene Bildung zu realisieren.
Gemeinsam aufzeigen, wie es
gehen kann. Darum ging es beim Forum Open Education. In den
Arbeitsgruppen zu Themen wie Lernen mit und über KI oder Lernen in
regionalen Netzwerken und anderen haben die Teilnehmenden ihre
verschiedenen Expertisen zusammen geführt und ergebnisorientiert an
konkreten Handlungsempfehlungen für zeitgemäße Bildung gearbeitet.
Foto: Leonard Wolf, Forum Open Education 2019 03,
CC BY 4.0
In der Gruppe „Open Educational Resources in Hochschule und
Lehrkräftebildung“ etwa haben Bildungspolitiker*innen wie Dr. Jens
Brandenburger und Katja Suding mit den Pädagoginnen Nele Hirsch,
Aliki Kaiser und andere Expert*innen zusammengearbeitet. Gemeinsam
mit Dominik Theis von Wikimedia Deutschland haben sie konkrete
Vorschläge dafür entwickelt, an welchen Punkten in der
Lehrkräfteausbildung das Thema „digital literacies“ verankert
werden sollte, welche Ressourcen es dafür braucht bzw. welche
Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen.
Offene Bildung vernetzen, lokale
Communitys sichtbar machen
Die OER World Map macht es möglich, die relevanten
Personen, Projekte und Organisationen, Werkzeuge, oder OER-Policies
in verschiedenen Regionen oder Staaten zu finden. Sie macht damit
auch das weltweite Ökysystem der offenen Bildung sichtbar. Neben
der Suchfunktion, über die man je nach
individuellem Interesse und nach Weltregionen filtern kann, bietet
die Karte auch die Möglichkeit, Daten zu exportieren und weiter zu
verwenden. Und natürlich ist mitmachen gefragt! Die FAQs für Editorinnen und Editoren erklären,
welche Informationen man wie beitragen kann.
Wie so viele Projekte von Menschen aus dem Bündnis Freie Bildung
ist die OER World Map ein Gemeinschaftsprojekt. Bereits seit 2014
tragen verschiedene Akteur*innen dazu bei, neue Inhalte zu
ergänzen. Entwickelt hat die Karte Jan Neumann vom
Hochschulbibliothekszentrum Nordrhein-Westfalen mit der Open
University und gefördert von der William and Flora Hewlett
Stiftung. Seit 2023 hat die OERinfo |Informationsstelle Open
Educational Resources am Leibniz-Institut für Bildungsforschung
und Bildungsinformation das Projekt übernommen und treibt
seinen Ausbau voran.
In zehn Jahren wurde viel
erreicht
Die Bilanz vom Bündnis Freie Bildung zeigt vor allem eins:
Unermüdliches Engagement, die Bündelung unterschiedlicher
Expertisen und das Teilen von Wissen mit bildungspolitischen
Akteur*innen zahlen sich aus. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung hat mittlerweile immerhin eine nationale Strategie zur
Förderung von Open Educational Resources entwickelt, an deren
Entwicklung sich das Bündnis mit eigenen Strategie-Inputs beteiligt hat. Doch nun
geht es unter anderem um die Implementierung der Strategie in der
Lehkräfterausbildung und fortbildung. Um die Bildung und vor allem
die Lehrpraxis zu öffnen, braucht es neben den zeitlichen und
finanziellen Ressourcen auch entsprechende Kompetenzen.
Um aufzuzeigen, wie man diese Kompetenzen entwickeln kann, hat
das Bündnis mit die Offenheitskompetenzen entwickelt.
Darin beschreiben die Bildungspraktiker*innen und Forschende,
welche Fähigkeiten Lehrkräften wie entwickeln können, damit sie
eine offene Bildungspraxis umsetzen können und digitale Kompetenzen
erweitern können. Zusätzlich dazu gibt es Lernressourcen, mit denen
Lehrkräfte den Einstieg in eine offene Bildungspraxis auch ein
Stück weit selbst in die Hand nehmen können.
Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein
Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren
umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal
intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und
mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach
mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der
deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man
die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind.
Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am
Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem
Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger
peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.
Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen
Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein
Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu
unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es
geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen
2012 bringt es der Roman auf den Punkt:
Auf deutsch etwa:
„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können
etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys
Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber
verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber
beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen
entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine
PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der
das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich
schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade
schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu
nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder
hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu
fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“
Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen
Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber
professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen
Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören.
Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten
Mehrwert zu bieten.
Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der
Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012
richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden
Community im Jahr 2022.
(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie
Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto
versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)
Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich
heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint
es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem
jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit
dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu
„verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach
einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und
in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.
Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft
Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal
lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr
teilhaben.
Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere
mich noch einmal und deklamiere:
Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die
Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im
Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren
wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins
herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher
Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und
besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den
wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.
Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt
Semantic
Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich
mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun
technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki
abhängig. Weitere wichtige Änderungen:
Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions
eingesetzt.
Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind
nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht
vorhanden ist.
Weiters wird nun Cargo unterstützt, es
lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die
Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind
andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte
speichern zu lassen.
Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf
eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.
Die MediaWiki Stakeholder’s
Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere
Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und
die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die
Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die
offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas
andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es
geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in
Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der
Software voranzutreiben.
Interessante neue
semantischeErweiterungen
gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und
Metatags:
Semantic Breadcrumb
Links – mittels Attributen können Breadcrumbs erstellt
werden, die eine Hierarchie erzeugen, ohne Unterseiten erstellen zu
müssen.
Semantic Cite – unabhängig
von der Cite
Erweiterung, ermöglicht das seitenübergreifende Verwenden von
Zitaten und eine automatische/manuelle Quellenliste.
Semantic
Interlanguage Links – automatische Sprachanzeigen (gibt es
diese Seite in anderen Sprachen?) in Wikis mit Interwikis.
Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat
Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für
Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen
beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht,
die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes
voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und
Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht
schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller
Erfolg.
Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der
schönen Fabra
i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40
Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen
teil.
Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal,
die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert
ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses
Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist
noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition
eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und
Spottdrossel.
Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste:
ein Gedicht.
Wikipredia
Die Regeln existieren und doch
nicht nach Mondstand
Die Ethik absolut seit
Anbeginn nein denn ja
Die Praxis gesperrt verworfen
gelöscht freigeschaltet
Wikipredia Darwinismus der
Agenturen Überleben des
Dreistesten
Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)
Wikipedia-KNORKEerwähnte ich ja an
dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und
Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen
unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas
besonderes: Auf ins Museum!
In Berlin gastiert gerade die Darmstädter
Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem
Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und
Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des
16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren.
Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des
exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.
Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor
dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine
Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur
Sonderausstellung "Holbein
in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die
Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber
engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen
Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige
Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von
Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen,
sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der
besseren Kunstausstellungen.
Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten
Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des
Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des
Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation
war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir
staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem
Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied
zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt.
Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing -
vermutlich in der Martinskirche
als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus
Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum
Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum
spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen
über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt,
ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die
Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des
Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?
Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und
einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner
Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen
bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur
eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter
lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der
Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das
Darmstädter Gemälde. Eine Sensation, da die Kunstkennerschaft
vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes
ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein
sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der
Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die
Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich
später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem
ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen
naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die
originale der beiden bestätigten.
Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes
(beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus
unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das
Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".
Hans Holbein der Jüngere:
Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532.
Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen
Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz
Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden
Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der
Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der
Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer
Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist
Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise
fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch
mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete
wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London.
Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann
noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum
nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue
Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.
Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu
entdecken.
Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich
die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und
sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene
Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde
Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.
In der Ferne betrachtete ich die Türme des
Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der
Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im
Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg:
Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg
vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den
Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder
die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später
über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.
Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die
Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die
Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich,
unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes
Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig
ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.
Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte
ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der
Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der
Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über
Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu
sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr
Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch
damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu
machen.
Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl.
Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch
das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia
steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der
Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken.
Diese Gedanken bedurften des Kontextes.
Was ist die Wikimedia Foundation?
Die Wikimedia
Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie
zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und
Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik,
ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien
passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte,
ein Endowment von 90
Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen
US-Dollar.
Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia
Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich
kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie
ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben
keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel
oder legen Inhalte in den Projekten an.
Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer
Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich –
niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell
aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze
Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu
lassen.
Was ist das Board of Trustees?
Das Board of Trustees ist das
ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16
Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze
besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite
Communitywahl bestimmt.
Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450
Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board
eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick
über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe.
Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine
bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.
Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich
hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner
Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte
machen und besetzt die Geschäftsführung.
Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der
Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend.
Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief
Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen
Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf
dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die
Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell
und kompetent zu beenden.
Welche Kriterien habe ich?
Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien
erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie
sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen
eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten.
Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur
Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das
erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die
Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“
Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts
der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich
Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die
nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können.
Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine
allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr
spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht
kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu
stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen
können.
Welche Kandidaten?
Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier
Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie
Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele
Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die
fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.
Die Urgesteine
Dariusz
Jemielniak – Professor of Management,
daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der
intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.
Rosie
Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women
in red, you name it. Bei überraschend vielen der
Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie
Stephenson-Goodknight beteiligt.
Gerard Meijssen – gefühlt
war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht
der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.
Mike Peel – langjähriges
Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in
der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.
Ravishankar Ayyakkannu – Mr.
Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der
Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google)
zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht
nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und
Berufstätigkeit dort durchführte.
Lorenzo Losa –
Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.
Farah Jack Mustaklem – Software Engineer,
einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den
Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir
persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft,
andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.
Douglas Ian Scott –
Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania
2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am
Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser
kennenlernte – und begeistert war.
Iván Martínez – langjährig
engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich
hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.
Pavan Santhosh Surampudi –
Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell
etwas von Communities.
Adam Wight – Programmierer,
Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des
Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und
Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.
Vinicius Siqueira – in Wiki
Movimento Brasil
Newbies
Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene
Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte
oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren
Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.
Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur
Wen werde ich wählen?
Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des
Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das
Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden
bevorzugt.
Die Top 4
Douglas Ian Scott
Iván Martínez
Adam Wight
Dariusz Jemielniak
Top 8
Rosie Stephenson-Goodknight
Lorenzo Losa
Farah Jack Mustaklem
Gerard Meijssen
Wählbar
Reda Kerbouche
Pavan Santhosh Surampudi
Ravishankar Ayyakkannu
Wer wird wählen
Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem
Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig
angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben,
kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein.
Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu
erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen
Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es
hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.
Das Wahlsystem
Es gilt das Präferenzwahlsystem.
Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders
fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele
andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten
eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit
war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.
Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach
Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat
danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für
geeignet, hört man auf zu nummerieren.
Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“
gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus.
Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die
„2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden
weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele
Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.
Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am
Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich
öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die
nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert.
Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im
Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am
Bahnsteig.
Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner
Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren. Eine Frau
entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen
Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der
angezeigten 32.“
Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere
Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten
Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem
Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium,
die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von
Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?
Illustration aus
dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de
Neuville & Léon Benett
Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils
Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover
ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt.
Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche
Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr
normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen
Kindheit:
„Meine Mutter nannte dann immer eine
Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les
ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch
aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs
berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […]
Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene
Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir,
zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der
Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich
verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem
Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu
grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden,
Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das
alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker.
[…] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“
Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist,
sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?
Forschung Maschinenbau Braunschweig
Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht
normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir
„Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig
hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als
gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.
Braunschweig.
Bahnhofsvorplatz.
VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich
wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem
Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle
und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich
Willkommen.“
Vor allem aber fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie
unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte
keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die
irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass
selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten
gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber,
offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser
gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen
darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie
frisch aus der Packung genommen.
Wegbier. In
Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber
stilgerecht,
Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben
gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt.
Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle,
sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.
Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und
hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins
Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend,
wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen
auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr;
geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die
Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:
„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste
Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine
hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem
Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region
Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus
über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000
Beschäftigte in 250 Unternehmen der
Hochtechnologie[106]“
Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten
Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste
ist Braunschweig die innovationsfreudigste Region der EU vor
Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier
lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules
Verne.
Jules Verne
Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und
vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem
vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der
Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde
bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten
ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules
Verne und Gesprächen zu Wikipedia.
Volker Dehs
bestreitet das halbe Programm
Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den
1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau
eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war
als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum
ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen
können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in
die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere
niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.
Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er
als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure
und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren
Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in
Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich
gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die
Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden,
waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind.
Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht
besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.
Haus der
Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.
Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor
Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder
eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern
durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne
eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der
göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine
sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich
bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich
Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann
nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem
beeinflusst waren
Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die
Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden
wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste.
Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen
zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so
viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.
Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der
Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der
Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde
später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang,
dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer
weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang,Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich
habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden.
Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer
Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur
die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in
anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser
Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews
darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr.
(*Affiliate Links)
Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk
gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es
(fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne
Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese
vor allem dem Zweck zu reisen.
Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.
Die Phantastische Bibliothek
Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar
mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek
Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang
Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler.
Thadewald verstarb 2014. Er
lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch
persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit,
seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit
mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit
schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht
lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend.
Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des
Programms.
Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia
Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei
hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen:
Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der
Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers
zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die
Berichte werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von
Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden
wollen und in die Zukunft denken.
Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten
Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist
gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die
Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.
Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes
Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek
ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine
große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen
schreiben.
Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch
gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im
Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman
nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was
so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie
Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt
logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach
links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue
Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist,
dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.
Mensch Maschine Normal
Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket
meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese
Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“
vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die
Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws]
telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten
Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen
Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin
besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10
Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?
Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In
seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in
Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer
Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.
Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem
Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:
„Nichts gegen das große Geld und die
wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer
Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in
Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping
Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter
Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder
Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle,
Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt
es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien
beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man
in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss.
Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr
voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal
schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen
Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von
struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)
*Dieser Post enthält Affiliate Links zu geniallokal. Es
handelt sich dabei um Werbung. Ich bekomme eine kleine Provision,
wenn ihr dort bestellt, und ihr habt bei den Guten
bestellt.
I still remember the time when real life meetings for
Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one
really want to meet these strange other people from the Internet?
How would they be? Could they even talk in real life or would they
just sit behind a laptop screen staring on it for hours?
My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in
Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!)
sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen.
These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and
personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the
movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice
evening.
So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the
old school way. Half improvised, organized by our dearest local
troll user:Schlesinger
on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come
and what would happen except some people having a good time.
And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg
seven people promised to come, in the end we were almost twenty.
Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian
active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a
half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia
Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we
just talked and laughed, talked about history and future.
Actually, mostly we talked about future.
About the Wikipedian above 30, who has just started a new a
university degree in archaeology, the question whether the Berlin
community should have its own independent space, industrial beer,
craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the
temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending
machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the
future, who should come to the open editing events, how to work
better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there,
looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather
not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia
to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.
No frustration, almost no talk about meta and politics, just
Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be
active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old
school. So good.
Crossposting eines Posts von mir aus demWikipedia
Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere
Menschen.
Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal
weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten
Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen
spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und
Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind
und gearbeitet haben.
Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias
kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie
armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten -
fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden.
Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter
einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und
Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor
allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder
verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von
Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im
Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie
unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an
einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass
sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die
Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr
fleißige Autorin? Wer weiß?
Viele Wikipedianerinnen und
Wikipedianer sind derzeit inaktiv.
Anlässlich des Projektes
WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele
Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele
Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher
fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer
sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir
bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat,
musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter
Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren
dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört
haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre
Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend
war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in
Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um
diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas
Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der
Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige
Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding
in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.
Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße.
Ein Mammutwerk von Gtelloke,
dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast
ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.
Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung
Invalidenstraße von Gtelloke
Da ist der Artikel zum Wedding selber.
Angelegt 2002 von Otto, dessen
letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann
maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich
auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu
Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren
Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im
November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur
Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite
zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König
ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes!
Licht und Liebe''
Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64,
auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und
acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die
Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von
berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute
noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin
freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel
etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.
Der Leopoldplatz;
angelegt von Frerix, der in
den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur
eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine
Diskussion verwickelt wurde. Zu seinen wenigen Beiträgen
gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage
der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in
Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg.
Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine,
die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv
ist.
Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend
wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte
in seiner Frühzeit von WHell,
engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher
Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der
letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich
möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den
Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten
Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den
späteren Jahren durch Peterobst –
aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur
Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner
und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten
80.226.238.197, von Georg
Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht
unregelmäßig), Flibbertigibbet
2006 ,
79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine.
Weiter ausgebaut von Onkel
Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und
vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit
der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und
hielt sich im Wesentlichen daran.
Da ist der Volkspark
Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005,
aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut,
umfassend überarbeitet 2007 von
84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka.
Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014,
die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.
Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin
Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in
Berlin, Wedding (Mitte). Von:
Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch
heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und
Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv,
Magadan,
Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.
Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur
einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen.
Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an
den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich
weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir
angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine, Fridolin
freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt
sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns
kamen.
Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über
Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der
serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen
haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind,
rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.
Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah
sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon
zumindest ein Admin gebannt.
Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder
genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit
gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp
behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen
einen Genozid an Deutschen verübt hätten.
Der ganze Bericht kann
hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl
traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht
aufklären und nicht Propaganda verbreiten!
Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen,
sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es
nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.
Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die
Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry
und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel
Erfolg!
Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite
zur
Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen
stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder
auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine
ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und
logischen Extremsports.
Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad
(1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo:
102.
Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:
"Warum
gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit
Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach
Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir
auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft
bestätigt worden. Warum?"
Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die
immerhin folgendes ergab:
* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten
sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli,
darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der
DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere
Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in
vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die
westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als
Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war
Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde
Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen,
Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce
Carbonara!
Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild:
Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian
Ammon, Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an
exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti,
Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika
des geteilten Deutschlands.
Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber?
Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?
Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige
Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische
"Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen
Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl
Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni
werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30
Minuten gekocht.
Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal
Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als
"Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte
man darauf, daß sie nicht hohl sind"
Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur
bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine
Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar
schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.
Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine
Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch
Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das
frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen"
waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts
entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.
Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus
Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für
junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische
europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber
anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern
auch Pasta.
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild:
Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade,
1773.
In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni
für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed
and even spoke in an outlandishly affected and epicene
manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch:
"Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch
die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.
Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern
ist nun wiederum im Englischen der Macaroni
penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.
Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil,
nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South
Georgia von Liam Quinn,
Lizenz: CC-BY-SA
2.0
Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann?
Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia
of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen
Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge
unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert.
Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ
problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da
maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte
stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im
Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form
des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter
anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum
trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild:
Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di
maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo:
6204.
Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR
zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern
plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die
Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in
der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu
"Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der
DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab?
Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in
vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es
ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu
recherchieren.
Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten
Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines
davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.
Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer
Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich
ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so
fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger
vereisen ließ.
Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener,
Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter
verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der
Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die
Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen
und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über
der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.
„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz!
Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns
problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie
antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte
Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner
ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.
Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein
sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette
wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das
Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir
Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu
erfrieren.
Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am
Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der
Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im
Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße
Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es
nur scheißkalt. Ich gehe.“
Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video
erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia
Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für
die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den
Link.
Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast
nur Technik und kreative Sachen.
Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll
gehen?
Southgeist: Schau doch mal.
Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner
Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären
kaputt.
Hüpfburg: I like the music.
Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.
Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen?
In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom
Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber,
was für Tools vorkommen.
Die coolest Tools
Ich erzählte.
Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser
(Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot
generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer
noch ihre Seiten“), Proofread
Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“),
Listen to Wikipedia
(„Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer
kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den
Event integrieren“), AbuseFilter
(„Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I
like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools.
(„Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)
Pywikibot
Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders
gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem
Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf
dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können
prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch
können – nur schneller.
Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch
muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als
ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl
gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum
Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein
Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt –
und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen
automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich
ausbremst.
Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem
Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle
Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die
sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von
Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia
war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was
Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die
Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die
heutigen Wikipedistas.
DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind
solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast
20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist
der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“
Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert
erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten
Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie
bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit
gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft
aber nur selten fundamental Neues.
Change Musiker to Musiker*innen
„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu
urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine
wichtige Aufgabe erfüllt.
DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle
‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse.
Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“
DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so
strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie
einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an
die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki
aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“
Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun
und die sind superfreundlich dort.“
DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das
wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch
nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da
haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter
dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich
noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine
gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die
Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende
Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“
„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und
die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle
Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris,
Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“
sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der
Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer
noch keinen Artikel von ihr.“
Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“
Ruhe. Hüpfburg dachte.
„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen
auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia
anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen.
Vielleicht ist es einen Versuch wert.“