Über das Grundgesetz, das in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag
feiert, ist vermeintlich alles bekannt. Wie die Tatsache, dass die
Verfassung eben nicht nur Väter, sondern auch Mütter
hat. Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel hießen die vier Frauen, die als
Mitglieder des 65-köpfigen parlamentarischen Rates maßgeblich an
seiner Ausarbeitung beteiligt waren. Selbstverständlich gibt es
über sie auch eigene Wikipedia-Artikel.
Wie kam die Gleichberechtigung
ins Grundgesetz?
Bei näherer Betrachtung der Entstehungsgeschichte des
Grundgesetzes zeigt sich allerdings, dass sich bis heute ein paar
falsche Annahmen halten. Zum Beispiel bezüglich der Frage: Wie kam
eigentlich die Gleichberechtigung ins Grundgesetz? Haben die vier
erwähnten „Mütter“ unserer Verfassung wirklich in vereinter
Schwesternschaft und über Parteigrenzen hinweg für den Artikel 3
gekämpft, wie es ein kleiner Lehrfilm der Bundesregierung nahe
legt?
„Problematisch, entpolitisierend und vereinfachend“ nennt die
Historikerin Dr. Kerstin Wolff vom Kasseler Archiv der
deutschen Frauenbewegung (AddF) diese Darstellung. Und fordert:
„Es ist Zeit, zu differenzieren.“ Was sie in einem erhellenden
Vortrag für knapp 30 online zugeschaltete Wikipedianer*innen
beeindruckend unternimmt. Ein Fokus liegt dabei auf der Rolle, die
Elisabeth Selbert als SPD-Mitglied gespielt hat. Selbert war
Juristin und kämpfte zusammen mit ihrer Partei für den Satz „Männer
und Frauen sind gleichberechtigt“, der in seiner vermeintlichen
Schlichtheit weitreichende Gesetzesreformen nach sich zog. Der Satz
war übrigens – auch das wissen viele nicht – einem
SED-Verfassungsentwurf entlehnt.
Zwei Ja- und zwei
Nein-Stimmen
„Wiki Loves Demokratie – Mütter des
Grundgesetzes“ lautet der Titel dieser Wikipedianischen
KultTour, die Wikimedia Deutschland zusammen mit dem AddF
organisiert hat. Wikipedianischen KulTouren sind
halb- bis eintägige Veranstaltungen, bei denen sich
Wikipedianer*innen online oder in Präsenz treffen und gemeinsam
eine ausgewählte Ausstellung oder eine Kultureinrichtung unter
fachkundiger Führung besuchen. Diesmal geht es also digital
nach Kassel (wo gemeinsam mit dem AddF zuletzt eine GLAM digital-Veranstaltung zur
Rolle der Frauen bei der Revolution von 1848/49 stattfand).
Kerstin Wolff und Laura Schibbe, die am AddF die
Öffentlichkeitsarbeit leitet, stellen zunächst das Archiv mit
seinen über 38.000 Magazin-Titeln und entsprechend umfangreichen
Recherchemöglichkeiten vor. Anschließend widmet sich Wolff in ihrem
Vortrag der Frage: „Wie kam die Gleichberechtigung ins
Grundgesetz?“.
Wolff führte weiter aus, dass ein erster, an der Weimarer
Verfassung orientierter Entwurf für den Artikel 3 lautete: „Männer
und Frauen haben grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen
Rechte und Pflichten“. Das aber, erläutert Wolff, hätte sich vor
allem auf das Wahlrecht bezogen – und nicht auf das patriarchal
geprägte Familienrecht, das Elisabeth Selbert aus ihrer Praxis als
Familienanwältin nur allzu gut kannte. Unter anderem waren
Ehefrauen damals wirtschaftlich vollkommen abhängig von ihren
Männern. Die von Selbert eingebrachte Formulierung „Männer und
Frauen sind gleichberechtigt“ fiel bei Abstimmungen im
Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats allerdings erst einmal
durch – auch Helene Weber von der CDU und Helene Wessel von der
Zentrumspartei stimmten dagegen.
Revolutionen brauchen
Netzwerke
Elisabeth Selbert gab nicht auf und fand Verbündete.
„Revolutionen“, so Wolff in ihrem Vortrag, „brauchen Netzwerke.“
Zusammen mit der Parteigenossin Frieda Nadig und Herta Gotthelf, der Frauensekretärin der SPD,
versuchte sie einen Proteststurm von Frauenverbänden und
Einzelpersonen zu entfachen. Auch wenn die später kolportierten
„Waschkörbe voller Protestschreiben“, die angeblich den
Parlamentarischen Rat erreichten, nach Ansicht von Historiker*innen
wohl eine Übertreibung sind – die Aktion hatte Erfolg. Der Satz
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wurde im Artikel 3
festgehalten.
Über Selbert, die Wolff als „Mutter der Gleichberechtigung im
Grundgesetz“ bezeichnet, existiert beim AddF auch ein
ausführliches, an Quellen reiches Online-Dossier – wie über
etliche weitere Pionierinnen der Frauenrechte in Deutschland. Eine
Fundgrube also für Wikipedianer*innen, die Aspekte in bestehenden
Artikeln ergänzen oder neue Texte anlegen wollen. Zumal das
Themenfeld Frauen- und Geschlechtergeschichte in der Wikipedia noch
viele Lücken aufweist, wie die Wikipedianerin Leserättin in einem spannenden
Vortrag für die Teilnehmenden der Veranstaltung ausführt.
Problemfall
Theoriefindung
Es ist allerdings oft auch nicht leicht, mehr Wissen aus diesem
Fachgebiet einzubringen, wie Leserättin am Beispiel ihres Artikels
über die sogenannte Damengalerie in der Frankfurter Paulskirche
beschreibt. Denn laut den Relevanzkriterien der Wikipedia ist
keine „Theoriefindung“ erlaubt – darunter fällt auch „die
Einführung nicht gebräuchlicher Fachausdrücke oder Termini“. Ist
die „Damengalerie“ ein gebräuchlicher Begriff? „Gerade wenn es um
Themen geht, die nicht zum Schulbuchwissen oder der
Allgemeinbildung zählen, bleibt es eine Herausforderung, sie in der
Wikipedia abzubilden“, beschreibt Leserättin. Die Wikipedianerin
entschied sich schließlich für den Volltitel „Damengalerie oder
Damenloge der Frankfurter Nationalversammlung.“
Genügend Wissen, das nach Ansicht der Teilnehmer*innen seinen
Platz in der freien Online-Enzyklopädie verdient hätte, wurde
jedenfalls im Rahmen dieser Wikipedianischen KulTour vermittelt. Ob
Elisabeth Selbert bald als „Mutter der Gleichberechtigung im
Grundgesetz“ in der Wikipedia beschrieben wird, bleibt abzuwarten.
Alle Teilnehmenden waren jedenfalls froh – das zeigten die
Kommentare im Chat – bei dieser Wikipedianischen KulTour an so
spannende Diskussionspunkte gelangt zu sein.
Lust, mehr zu erfahren?
Eine Übersicht über vergangene und anstehende Wikipedianische
KulTouren gibt es hier.
Unter diesem Link finden sich alle
Informationen rund um die GLAM-Veranstaltungen von Wikimedia
Deutschland – Kooperationen mit Kulturinstitutionen wie Galerien,
Archiven, Bibliotheken und Museen, die sich dem Freien Wissen
öffnen. Inklusive Terminkalender!
Das Motto des diesjährigen Bürgerfestes lautete „Pamoja –
gemeinsam stärker“. Das trifft definitiv auch auf die Wikipedia,
das freie Medienarchiv Wikimedia Commons und die offene
Wissensdatenbank Wikidata zu. Denn tausende Freiwillige pflegen und
erweitern die Artikel, Medien und die Daten, auf die wir alle
täglich frei zugreifen können.
Publikumsmagnet
Glücksrad
Nachdem die grauen Wolken vom Freitag sich verzogen hatten,
stand am Samstag bei schönstem Sonnenschein ständig eine Schlange
vor dem Stand der Mercator-Stiftung, an dem wir gemeinsam mit
anderen vor Ort waren. Vor allem das bunte Glücksrad stieß auf
großes Interesse. Kinder wie Senior*innen wollten ihr Glück
versuchen und Wikipedia-Bleistifte, die begehrten
Wikipedia-Jutebeutel und viele andere Preise gewinnen. Neben
einigen Rätselfragen (Wie viele gedruckte Bücher würde die
Wikipedia ergeben?) wollten wir auch wissen, was die Besucher*innen
über die Wikipedia wissen, wie für sie offene Bildung aussehen
müsste oder zu welchem Thema sie einen Wikipedia-Artikel schreiben
würden.
Zum Glück waren wir gleich mit mehreren Kolleg*innen aus den
Teams Community-Förderung sowie Bildungspolitik und digitales
Kulturgut vor Ort und konnten die vielen Fragen rund um
Wikimedia-Projekte beantworten, die sich dabei ergaben.
Frag die
Wiki-Expert*innen
Doch wir haben nicht nur den Besuchenden Fragen zur Wikipedia
gestellt. Wer das Glücksrad auf die Kategorie “Und sonst so… Deine
Frage an uns” drehte, konnte den Spieß umdrehen. Besonders häufig
kam dabei die Frage auf, wie sichergestellt wird, dass die
Informationen in der Wikipedia sachlich richtig und aktuell sind.
Die Antwort war ein Grund für die lange Schlange vor dem Stand.
Denn es gibt viele Faktoren, die zur Verlässlichkeit der Wikipedia
beitragen. Das fängt an bei den Relevanzkriterien und geht über
klare Regeln dafür, wie Wissen belegt werden muss, bis zu einer
Definition, was eben nicht in die Wikipedia gehört:
Gerüchte, Propaganda, unbelegte Theorien und einiges mehr. Auch die
große Anzahl derer, die aktiv dazu beitragen, dass die Wikipedia
funktioniert, war kaum jemandem bekannt.
Viel Fragende waren überrascht zu erfahren, dass wirklich alle
Wikipedia-Aktiven ehrenamtlich zur Online-Enzyklopädie beitragen.
Und immer wieder ging es darum, welche Rolle Transparenz spielt.
Viele wussten nicht, dass über die Versionsgeschichte eines
Artikels jederzeit für alle nachvollziehbar ist, was wann geändert
wurde und dass sie auch die Regeln zum Arbeiten in der Wikipedia
jederzeit einsehen können.
Bei den Fragen danach, ob die deutschsprachige Wikipedia
ausdrucken wirklich 3.406 gedruckte Buchbände umfassen würde wahr
oder falsch sind, haben häufig Eltern und Kinder gemeinsam
gerätselt. Sie waren beeindruckt davon, wie viel Arbeit und wie
viel Wissen in den Wikimedia-Projekten steckt.
Auflösung: Die Wikipedia in all ihren Sprachversionen wächst
ständig. Daher kann man die genaue Anzahl der Bücher nicht
berechnen. Es hängt natürlich auch davon ab, wie viele Seiten so
ein Buch hätte. Es gab zu unterschiedlichen Zeiten Studien und
Schätzungen, nach denen es 1.717
bzw. 3.406 für die
deutschsprachige Wikipedia waren.
Viele Wikimedia-Themen im
Gepäck
Neben vielen Fragen zu Wikipedia, Wikimedia Commons und Wikidata
wollten die Gäste auch wissen: Was heißt das eigentlich,
Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens? So kamen wir ins
Gespräch darüber wie Wikimedia Deutschland den freien Zugang zu
Wissen noch fördert. Etwa mit unserem Programm Öffentliches Geld
– Öffentliches Gut, mit dem wir uns gegenüber
Politikschaffenden, öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und
Ministerien dafür einsetzen, dass alles, was mit öffentlichem Geld
finanziert wird, für uns alle zugänglich ist. Immer mehr
Redaktionen im
ZDF und
ARD haben wir bereits davon überzeugt, dass Wissens- und
Informationsinhalte mit freien CC-Lizenzen für uns alle nachnutzbar
sein sollten.
Es ging um unsere Arbeit mit Kulturinstitutionen und mit
Freiwilligen in den Wikimedia Projekten, mit denen wir dazu
beitragen, dass mehr Bestände unseres kulturellen Erbens digital
und frei zugänglich werden. Oder um das „Forum Offene KI in der
Bildung“, bei dem wir zehn Handlungsempfehlungen für den Einsatz
von offenen statt intransparenten KI-Anwendungen in Schulen
entwickelt haben – und in die Bildungspolitik tragen. Die
Empfehlungen haben wir mit Expert*innen aus dem Bildungsbereich
erarbeitet. Mit Wissenschaftler*innen und Bildungspraktiker*innen,
die ebenso wie Wikimedia Deutschland davon überzeugt sind, dass wir
uns nicht von den intransparenten KI-Anwendungen der Tech-Riesen
abhängig machen sollten, klare Regeln für den Einsatz von KI in der
Bildung brauchen, aber auch Wissen darüber, wie diese Technologien
funktionieren.
Am Ende kam dann fast die
Polizei
Am Ende des Tages haben wir alle Wikipedia-Geschenke und viel
Wiki-Wissen unter die Leute gebracht. Beim Verstauen unserer
Habseligkeiten vor dem Schloss Bellevue wurde es dann fast
brenzlig. Der große Wikipedia-Ball, der zuvor unseren Stand
markiert hatte, musste ins Taxi verfrachtet werden. Das war einem
der jungen Besucher offenbar nicht ganz geheuer. „Guck mal, da
klaut jemand den Wikipedia-Ball”, erklang es plötzlich. Die
Situation konnte zum Glück geklärt und ein Polizeieinsatz vermieden
werden. Der Ball ist sicher im Büro von Wikimedia Deutschland
angekommen und wartet auf den nächsten Einsatz.
Immer mehr Menschen nutzen KI-Anwendungen – auch für die
Informationsbeschaffung. Umso wichtiger ist es, dass sie mit
verlässlichen Daten trainiert werden. Gleichzeitig dominieren große
Unternehmen die Entwicklung von ChatGPT & Co. Um die Entwicklung
gemeinnütziger KI-Projekte zu unterstützen und zu einem
verlässlichen Informationsökosystem beizutragen, hat Wikimedia
Deutschland ein neues Projekt gestartet, das die Nutzung der
offenen Daten aus Wikidata erleichtert.
Wikidata stellt als offene
Wissensdatenbank mit über 112 Millionen maschinen- und
menschenlesbaren Einträgen eine zentrale Quelle für qualitativ
hochwertige und offene Daten dar. Alle Wikimedia-Projekte,
insbesondere Wikipedia, greifen auf diese Daten zu, um
Informationen wie z. B. Einwohnerzahlen oder Geburtsdaten
automatisch zu aktualisieren. Unterstützt von über 12.000
ehrenamtlichen Beitragenden bietet Wikidata eine umfassende und
geprüfte Datenbasis. Für Entwickler*innen von Open-Source-Projekten
sind die Daten zwar zugänglich – um sie auch für KI-Trainings
nutzen zu können, fehlen ihnen aber oft die Ressourcen. Diese
stehen meist nur großen Technologieunternehmen zur Verfügung.
Vektorisierte Daten für
maschinelles Lernen
Ziel des neuen Projektes ist es, künftig vor allem auch
kleineren Open-Source-Projekten die Möglichkeit zu geben, die Daten
aus Wikidata zu nutzen. Daher hat sich Wikimedia Deutschland mit
DataStax und Jina AI zusammengetan, um die Wikidata-Daten so
aufzubereiten, dass auch kleinere Projekte ohne die finanziellen
und personellen Ressourcen großer Unternehmen sie nutzen
können.
Im Mittelpunkt des neuen Projekts steht die Transformation der
Wikidata-Daten in semantische Vektoren – ein aufwendiger aber
notwendiger Schritt, den Open-Source Entwickler*innen in der Regel
nicht alleine stemmen können. DataStax stellt hierfür eine
leistungsfähige Vektordatenbank bereit, während Jina AI ein
Open-Source-Modell zur Vektorisierung der Textdaten beisteuert.
Diese Umwandlung der Daten in Vektoren erlaubt es
Entwickler*innen, semantische Suchanfragen effizienter
durchzuführen und die Daten von Wikidata in ihre KI-Modelle zu
integrieren. Das ermöglicht nicht nur eine schnellere und präzisere
Suche, sondern vereinfacht auch den Prozess der Einbindung von
Wikidata in sogenannte RAG-Anwendungen (Retrieval-Augmented
Generation). Diese Anwendungen minimieren KI-Fehler, indem sie
aktuelle und verifizierte Fakten in ihre Ergebnisse einfließen
lassen.
Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, Vandalismus auf Wikidata
besser zu erkennen. Da generative KI in der Lage ist, Inhalte
massenhaft zu erstellen, kann dies auch zur Verbreitung von
falschen Informationen beitragen. Die Vektorisierung der Daten
ermöglicht es, potenziell schädliche Änderungen an den
Wikidata-Einträgen schneller zu identifizieren und zu
korrigieren.
KI und die Werte von Wikimedia
Deutschland
Wikimedia setzt dabei auf die Werte der Transparenz und des
freien Zugangs zu Informationen in Form von offenen Daten.
Besonders im Hinblick auf generative KI, die oft fehlerhafte
Inhalte generiert, ist die Bereitstellung validierter Daten eine
wichtige Maßnahme, um die Qualität von KI-generierten Inhalten zu
verbessern.
Dr. Jonathan Fraine, Leiter der Softwareentwicklung bei
Wikimedia Deutschland, erklärt: „Viele Entwickler*innen teilen
unsere Werte, aber der Zugang zu Wikidata ist für sie eine
Herausforderung. Wir müssen den Prozess vereinfachen, um die
enormen Datenvolumen für die neuesten generativen KI-Entwicklungen
nutzbar zu machen.“ Lydia Pintscher, Portfolio Lead Wikidata,
ergänzt: „Durch die Bereitstellung hochwertiger, offener Daten
unterstützen wir die Communitys dabei, innovative Ideen zu
entwickeln, die der Menschheit zugutekommen, statt kommerziellen
Zwecken zu dienen.“
Wikidata als Basis für eine
gerechtere digitale Zukunft
Die Bedeutung dieses Projekts liegt darin, die Daten von
Wikidata als verlässliche Quelle für KI-Entwicklungen zu
etablieren. In einer Zeit, in der KI-generierte Inhalte zunehmend
das Internet dominieren, besteht die Gefahr, dass ungeprüfte und
oft falsche Informationen verbreitet werden. Wikidata bietet hier
eine stabile Alternative: Die Wissensdatenbank verfügt über ein
enormes Datenvolumen und die Informationen sind öffentlich
zugänglich, frei lizenziert und sie werden durch eine aktive
Community ständig überprüft und erweitert.
Durch die Zusammenarbeit mit DataStax und Jina AI schafft
Wikimedia Deutschland die technische Infrastruktur, um die offene
Wissensquelle Wikidata auch für kleinere Entwicklerteams nutzbar zu
machen. Langfristig kann dies dazu beitragen, dass sich
Open-Source-KI-Projekte gegenüber den dominierenden Tech-Giganten
besser behaupten können. Gleichzeitig wird der Zugang zu
verlässlichen Daten für alle vereinfacht, was den demokratischen
Zugang zu Wissen in einer digitalisierten Welt unterstützt.
Die Zukunft der KI bei Wikimedia
Deutschland
Wikimedia Deutschland hat im Dezember 2023 mit der Umsetzung
dieses semantischen Suchkonzepts begonnen. Die ersten Beta-Tests
eines Prototyps sind für 2025 geplant. Dieses Projekt ist eine
große Chance, KI-Anwendungen und das Informationsökosystem zu
verbessern und gleichzeitig die Grundwerte der Offenheit und
Transparenz zu wahren.
Dieses Vorhaben ist ein wichtiger Schritt in der Mission von
Wikimedia Deutschland, Freies Wissen für alle zugänglich zu machen.
Mithilfe von maschinellem Lernen und semantischer Suche wird der
Zugang zu den wertvollen Daten von Wikidata weiter vereinfacht, was
nicht nur die Entwickler-Community, sondern die Gesellschaft als
Ganzes voranbringen kann.
Vorstellung des Projektes in
Paris
Jonathan Fraine (Leiter der
Softwareentwicklung bei Wikimedia Deutschland) und Lydia Pintscher
(Portfolio Lead Wikidata) präsentierten das neue Projekt auf dem
„AI_dev: Open Source GenAI & ML Summit Europe 2024“ in Paris. Die
Präsentation ist auf YouTube verfügbar.
By playing the video you agree that YouTube and Google might
store and process your data. Please refer to Google’s Privacy Policy.
Entstanden ist die Idee der offenen Bildung im Fahrwasser der
Openness-Bewegungen, die seit den 90er Jahren freie und offene
Software entwickelt oder offene Wissensprojekte wie die Wikipedia
gestartet haben. Während die beiden Ideen bald aus den USA nach
Deutschland rüber schwappten, blieb offene Bildung hierzulande
lange ein Nischenthema. Eine sehr aktive aber kleine Community
erstellte Bildungsmaterialien, machte diese digital und frei
zugänglich und arbeitete gemeinsam daran, Kompetenzen im Erstellen
freier Lernmaterialien aufzubauen. In der Bildungspolitik, in der
Lehrkräfteaus- und -fortbildung spielte offene Bildung aber kaum
eine Rolle, wurde lange weder gefördert noch erforscht.
Warum sind offene Bildung und
Open Educational Resources so fabelhaft?
Bildungsgerechtigkeit: Zugang zu Bildung
hängt in Deutschland stark vom ökonomischen Status ab. Da OER für
alle kostenlos zugänglich sind, können sie Bildungsgerechtigkeit
stärken.
Individualisierbar: Die freie Lizenzierung von
OER führt auch dazu, dass jede*r die Materialien nach Bedarf
anpassen kann.
Partizipativ: Lehrkräfte und Lernende
erleben Lernen und Bildung durch die Offenheit der Materialien als
ein Gut, das sie aktiv mit entwickeln können.
Ressourcensparend: Materialien, die frei
zugänglich sind und digital geteilt werden können, müssen nicht
hundertfach reproduziert – und gekauft – werden.
Um offene Bildungspraktiken und -materialien in der
bildungspolitischen Agenda zu verankern, sie in der Bildungspraxis
bekannter zu machen und in die Lehrerausbildung zu tragen, haben
die Open Knowledge Foundation, Creative Commons und Wikimedia
Deutschland 2014 das Bündnis Freie Bildung
gegründet.
Zum zehnten Geburtstag des Bündnisses blicken wir auf Projekte,
die Lehrkräften und allen anderen an OER interessierten Menschen
nützen, die OER zugänglicher machen, Kompetenzen für offene Bildung
stärken und mit denen das Bündnis in den bildungspolitischen Raum
gewirkt hat.
Wir Lernen Online geht an den
Start
Die Suchmaschine für OER gibt es seit 2020. Sie bietet in
Fachportalen von B wie Biologie bis Z wie
Zukunfts- und Berufsorientierung offene Lehrmaterialien an, die von
Fachredaktionen geprüft wurden. Das Angebot ist also kuratiert.
Über die Suchfunktion können Interessierte
dann alle der mittlerweile über 230.000 OER nach Fachgebiet,
Bildungsstufe oder auch nach Inhaltetyp filtern. Wer nach einem
Video für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I zum Thema
Logarithmen sucht, erhält so zum Beispiel 100 Treffer.
Wer bis 2020 auf der Suche nach offenen Lehrmaterialien war,
fand sich schnell auf dem Weg von Pontius zu Pilatus – die
OER-Landschaft war stark fragmentiert. Für Neulinge war zudem nicht
gleich ersichtlich: Welche Materialien passen zu meinem Bedarf?
Redaktionell kuratierte Angebote gab es kaum. Warum sich das ab
2020 geändert hat?
Als Wikimedia Deutschland und edu-sharing.net vom
Bundesministerium für Bildungs und Forschung gefragt wurden, ob sie
freie Bildungsmaterialien mit der Open-Education-Community
erschließen und kuratieren können, war klar: Hier gibt es die
Chance, das Thema offene Bildung in ein großes Bildungsprojekt
einfließen zu lassen. Mit Wir Lernen Online ist damit nicht
nur eine Suchmaschine entstanden, die erstmalig eine so große Menge
an offenen Bildungsmaterialien auffindbar macht. Da Wir Lernen
Online in unterschiedliche Redaktionssysteme der Länder, u.a.
in die Bildungscloud eingebunden ist, können Lehrende die OER über
die Cloud und damit direkt in ihrer Arbeitsumgebung finden und
nutzen.
Bildungspolitik ko-kreativ
gestalten: Das Forum Open Education
Beim Forum hat das Bündnis Freie Bildung
Bildungspraktiker*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen mit
Bildungspolitiker*innen zusammengebracht. Bei zahlreichen Workshops
ist es gelungen, nicht nur Wissen auszutauschen, sondern auch
gemeinsam an Strategien und Handlungsempfehlungen zu arbeiten, die
offene Bildung fördern. Bildungspolitiker*innen konnten so auch
direkt von Expert*innen erfahren, was Lehrkräfte und Schulen
brauchen, um digitale und offene Bildung zu realisieren.
Gemeinsam aufzeigen, wie es
gehen kann. Darum ging es beim Forum Open Education. In den
Arbeitsgruppen zu Themen wie Lernen mit und über KI oder Lernen in
regionalen Netzwerken und anderen haben die Teilnehmenden ihre
verschiedenen Expertisen zusammen geführt und ergebnisorientiert an
konkreten Handlungsempfehlungen für zeitgemäße Bildung gearbeitet.
Foto: Leonard Wolf, Forum Open Education 2019 03,
CC BY 4.0
In der Gruppe „Open Educational Resources in Hochschule und
Lehrkräftebildung“ etwa haben Bildungspolitiker*innen wie Dr. Jens
Brandenburger und Katja Suding mit den Pädagoginnen Nele Hirsch,
Aliki Kaiser und andere Expert*innen zusammengearbeitet. Gemeinsam
mit Dominik Theis von Wikimedia Deutschland haben sie konkrete
Vorschläge dafür entwickelt, an welchen Punkten in der
Lehrkräfteausbildung das Thema „digital literacies“ verankert
werden sollte, welche Ressourcen es dafür braucht bzw. welche
Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen.
Offene Bildung vernetzen, lokale
Communitys sichtbar machen
Die OER World Map macht es möglich, die relevanten
Personen, Projekte und Organisationen, Werkzeuge, oder OER-Policies
in verschiedenen Regionen oder Staaten zu finden. Sie macht damit
auch das weltweite Ökysystem der offenen Bildung sichtbar. Neben
der Suchfunktion, über die man je nach
individuellem Interesse und nach Weltregionen filtern kann, bietet
die Karte auch die Möglichkeit, Daten zu exportieren und weiter zu
verwenden. Und natürlich ist mitmachen gefragt! Die FAQs für Editorinnen und Editoren erklären,
welche Informationen man wie beitragen kann.
Wie so viele Projekte von Menschen aus dem Bündnis Freie Bildung
ist die OER World Map ein Gemeinschaftsprojekt. Bereits seit 2014
tragen verschiedene Akteur*innen dazu bei, neue Inhalte zu
ergänzen. Entwickelt hat die Karte Jan Neumann vom
Hochschulbibliothekszentrum Nordrhein-Westfalen mit der Open
University und gefördert von der William and Flora Hewlett
Stiftung. Seit 2023 hat die OERinfo |Informationsstelle Open
Educational Resources am Leibniz-Institut für Bildungsforschung
und Bildungsinformation das Projekt übernommen und treibt
seinen Ausbau voran.
In zehn Jahren wurde viel
erreicht
Die Bilanz vom Bündnis Freie Bildung zeigt vor allem eins:
Unermüdliches Engagement, die Bündelung unterschiedlicher
Expertisen und das Teilen von Wissen mit bildungspolitischen
Akteur*innen zahlen sich aus. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung hat mittlerweile immerhin eine nationale Strategie zur
Förderung von Open Educational Resources entwickelt, an deren
Entwicklung sich das Bündnis mit eigenen Strategie-Inputs beteiligt hat. Doch nun
geht es unter anderem um die Implementierung der Strategie in der
Lehkräfterausbildung und fortbildung. Um die Bildung und vor allem
die Lehrpraxis zu öffnen, braucht es neben den zeitlichen und
finanziellen Ressourcen auch entsprechende Kompetenzen.
Um aufzuzeigen, wie man diese Kompetenzen entwickeln kann, hat
das Bündnis mit die Offenheitskompetenzen entwickelt.
Darin beschreiben die Bildungspraktiker*innen und Forschende,
welche Fähigkeiten Lehrkräften wie entwickeln können, damit sie
eine offene Bildungspraxis umsetzen können und digitale Kompetenzen
erweitern können. Zusätzlich dazu gibt es Lernressourcen, mit denen
Lehrkräfte den Einstieg in eine offene Bildungspraxis auch ein
Stück weit selbst in die Hand nehmen können.
Aus Anlass der 100. Gastvortragenden wird es Zeit für eine
Zwischenbilanz. Die 100 Vortragenden kamen aus 64 Institutionen.
Bei den bisher 41 Veranstaltungen begrüßten wir 1022 Teilnehmende.
Die beteiligten Institutionen reichten von großen Häusern wie dem
Kunsthistorischen Museum in Wien oder dem Museum Barberini in
Potsdam bis zu Entdeckungen wie dem Archiv deutscher
Frauenbewegungen oder dem Osttiroler Bauernhofmuseum Wurzerhof.
Auch Museumsverbände oder nationale UNESCO-Kommissionen zählten zu
den Gästen.
Das inhaltliche Spektrum war groß: vom Schärfen des
kunsthistorischen Blicks auf das einzelne Ausstellungsobjekt bis
zum Begreifen gesellschaftspolitischer Zusammenhänge in der
Geschichte von Minderheiten. Doch Wissensvermittlung ist keine
Einbahnstraße. Auch die Institutionen gewannen im Gespräch neue
Einsichten in freies Wissen und die Wikimedia-Projekte. Wir können
mit GLAM digital alten und neuen Kooperationspartnern ein
attraktives zusätzliches Angebot geben, mit dem sie niederschwellig
in direkten Kontakt zu unseren Communitys in Deutschland und
Österreich treten.
GLAM steht für Galleries,
Libraries, Archives,
Museums. Das Ziel der GLAM-Projekte ist es, das
gesammelte Wissen dieser Institutionen mithilfe der
Wikimedia-Projekte allen frei zugänglich zu machen.
GLAM digital ist eine
Veranstaltungsreihe von Videokonferenzen mit ausgewählten Kultur-
und Gedächtnisinstitutionen. Die üblicherweise zweistündigen
Einzelveranstaltungen bestehen aus einem Fachvortrag der
Institution zu einem bestimmten Thema. Anschließend treten die
Wikipedia-Community und die Institutionen in den Dialog. Die Reihe
wird gemeinsam von Wikimedia Deutschland und
Wikimedia Österreich koordiniert
und unterstützt.
Die nächste GLAM digital-Veranstaltung findet am Montag, 16.
September 2024, von 18 bis 20 Uhr mit dem Wiener Museum für
angewandte Kunst (MAK) statt. Der Titel: In Holz machen:
Möbelkunst, Restaurierung, Archivierung im MAK.
Wie alles begann
Während der ersten großen Covid-Lockdowns im Februar und März
2021 begannen Wikimedia Österreich und Wikimedia Deutschland,
zunächst nebeneinander, mit den ersten GLAM-Videokonferenzen dieser
Art. Diese waren als Übergangslösung gedacht und als behelfsmäßige
Übersetzung von bestehenden GLAM-Veranstaltungsformaten in den
virtuellen Raum. Bald zeichnete sich ein unerwarteter Mehrwert
ab.
Bei der allgemeinen Community-Befragung von Wikimedia Österreich
im Jahr 2021 wurde abgefragt, der Besuch welcher Art von virtuellen
Wikimedia-Veranstaltungen interessant wäre. Bei den Antworten
standen Gastvorträge von Kulturorganisationen ganz oben. Beim
direkten Feedback der Teilnehmenden in der Wikipedia bekamen wir
Dinge zu lesen wie: „großen Dank für die tolle, kurzweilige Führung
und die Geduld mit unseren Fragen“ und „ich wäre für eine
Fortsetzung der Veranstaltungsreihe sehr dankbar und freue mich
schon darauf.“ Wikimedia Österreich und Wikimedia Deutschland
vereinten daraufhin ihre Aktivitäten und entwickelten ein Konzept
für GLAM digital als gemeinsame ständige Veranstaltungsreihe.
Wie es weitergeht
Auch für nächstes Jahr planen wir wieder zehn virtuelle
Einzelveranstaltungen. Die jeweils zweistündigen Videokonferenzen
sollen wie üblich Montag abends stattfinden. Alle interessierten
Wikipedia-Aktiven sind zur Teilnahme an den Treffen eingeladen, es
gelten unsere Spielregeln für Videokonferenzen. Die Anmeldung
erfolgt jeweils auf der Wikipedia-Seite zur Einzelveranstaltung.
Außerdem können sich Interessierte auch auf die Einladungsliste für
GLAM-Veranstaltungen setzen lassen und erhalten dann eine
Benachrichtigung über anstehende Veranstaltungen auf ihrer
Benutzer-Diskussionsseite.
Nicht nur Wikimedia Deutschland feiert in diesem Jahr sein 20. Jubiläum, auch die
freie Wissensdatenbank Wikimedia Commons ging vor zwei Jahrzehnten an
den Start. Mittlerweile umfasst die größte freie Mediensammlung der
Welt über 100 Millionen gemeinfreie und frei lizenzierte Fotos,
Audio- und Videodateien. Die Inhalte können nicht nur in allen
Wiki-Projekten wie der Wikipedia eingebettet, sondern von uns allen
überall und jederzeit genutzt werden.
Erik Möller ist freier Journalist, Buchautor und
Softwareentwickler. Er engagierte sich seit 2001 als Autor und
ehemals als Entwickler für die Online-Enzyklopädie Wikipedia und
ihre Schwesterprojekte. Ab September 2006 war er Mitglied im
Vorstand der in San Francisco ansässigen Wikimedia Foundation, bis
er anschließend von Anfang 2008 bis April 2015 als
stellvertretender Geschäftsführer fungierte.
Erik, die Mediensammlung Wikimedia Commons umfasst heute über
108 Millionen Dateien unter freier Lizenz, Tendenz steigend. Unter
anderem bezieht die Wikipedia daraus ihre Fotos, Grafiken, Audio-
und Videodateien. Was hat damals den Impuls zum Start des Projekts
gegeben?
ERIK MÖLLER: In der ersten Version der Wikipedia-Software gab es
noch gar keine Funktion, um Bilder hochzuladen. Wer ein Foto in der
englischsprachigen Wikipedia einstellen wollte, musste es per Mail
an einen Mitarbeiter von Jimmy Wales schicken. Diese Uploadfunktion
wurde dann zwar recht schnell eingeführt, im Jahr 2002. Allerdings
hatte jede Sprachausgabe ihre eigene Funktion. Wenn also ein Bild
in der englischsprachigen Ausgabe hochgeladen war, zum Beispiel von
einem Prominenten oder einer Sehenswürdigkeit, stand es nicht
automatisch in den Artikelversionen der deutschen oder
französischen Wikipedia zur Verfügung, sondern musste dort erneut
eingestellt werden.
Klingt reichlich kompliziert…
Zu der Zeit war es auch noch so, dass jede Wikipedia ihre eigene
Nutzerdatenbank hatte. Wer ein Bild aufgenommen hatte und es in
zehn verschiedene Sprachversionen einbinden wollte, musste sich
zehn Benutzerkonten anlegen – für jede Sprachversion ein eigenes.
Die Software war einfach nicht dafür gedacht, ein so großes,
mehrsprachiges Projekt zu unterstützen. Als Freiwillige der
Wikipedia haben wir uns deshalb dafür eingesetzt, den Bilder-Upload
zu zentralisieren. Es gab dazu verschiedene Vorschläge, ich habe
einen davon geschrieben und ihn Wikimedia Commons genannt.
Was beinhaltete Dein Vorschlag? Wie sollte Wikimedia Commons
aussehen?
Ich habe gleich angeregt, dass sich diese Datenbank nicht nur
auf Bilder beschränken, sondern alle Arten von Medieninhalten wie
Audio- oder Videodateien zur Verfügung stellen sollte – unter
freier Lizenz. Die freie Lizenzierung war aus meiner Sicht ein
notwendiger Schritt. Die englischsprachige Wikipedia erlaubte
damals – und erlaubt es übrigens auch heute noch – dass zum
Beispiel Buchcover oder Screenshots verwendet werden, die unter den
Urheberrechtsschutz fallen. Da greift dann die Copyright-Ausnahme
„Fair Use“, die aber nur für spezifische Anwendungen gedacht ist.
Bei einer Datenbank mit Inhalten, die jeder downloaden und nutzen
können soll, fehlt dieser Kontext. Deswegen habe ich dafür
plädiert, dass nur frei lizenzierte Inhalte erlaubt sind.
Wie wurde Deine Commons-Idee aufgenommen?
Die meisten Community-Diskussionen fanden zu der Zeit auf
Mailinglisten statt. Ich habe die Idee also im März 2004 in der
Liste der Wikipedia-l eingereicht – vergleichbar mit der heutigen
Wikimedia-l – und durchaus positive Resonanz bekommen. Mein
Vorschlag war allerdings ein bisschen zu kompliziert, ich wollte
ursprünglich, dass wir Wikimedia Commons nur starten, wenn wir auch
die Benutzerkonten zentralisieren und die Benutzer-Schnittstelle
für den Bilder-Upload aufbauen. Dafür gab es allerdings gar nicht
die technischen Ressourcen.
Wie und in welcher Form ist Wikimedia Commons dann
gestartet?
Am direkten Launch war ich nicht beteiligt. Tim Starling hat die
Datenbank aufgesetzt, koordiniert wurde das Projekt von Angela
Beesley, die damals gerade ins Board der Wikimedia Foundation
berufen worden war. Aber dann habe ich gesehen, wie viele
Freiwillige sich schon in den ersten Tagen an Wikimedia Commons
beteiligt haben – trotz des Fehlens der beschriebenen Funktionen.
Das war für mich der entscheidende Hinweis, dass es sich lohnt,
weiter Zeit zu investieren. Also habe ich begonnen,
Software-Funktionen für die Datenbank zu schreiben.
Welche zum Beispiel?
Mit am Wichtigsten war sicher, dass ich die Möglichkeit
geschaffen habe, Bilder aus Wikimedia Commons in die anderen
Wikimedia-Projekte einzubetten. Als das Projekt startete, konnte
man die Bilder nicht automatisch in der Wikipedia verwenden, sie
lagen einfach in der Datenbank. Erst im Oktober 2004 gab es diese
Grundfunktion.
Wie schnell ist Wikimedia Commons gewachsen?
Ziemlich schnell. Ich selbst habe einen Bot geschrieben, der
beispielsweise aus Flickr die cc-lizenzierten Werke automatisch
herunter- und bei Commons hochlädt. Wir haben auch in den ersten
Jahren schon große Bilderspenden bekommen. Wegen einer erhalte ich
heute noch Nachrichten auf meiner Tag Page. Ein DVD-Hersteller
hatte uns eine Bilddatenbank mit 10.000 Gemälden unter Public
Domain geschenkt. Allerdings nicht in bester Qualität. Manchmal
schreiben mir noch Leute, dass sie ein Werk aus dieser Spende durch
eine hochauflösendere Version ersetzt haben (lacht).
Wie lange hast Du das Projekt begleitet?
Ich bin im Dezember 2007 Mitarbeiter der Wikimedia Foundation
geworden und war bis 2015 stellvertretender Geschäftsführer. Als
Festangestellter hat sich meine Beziehung zu den
Wikimedia-Projekten natürlich etwas verändert, aber ich war
weiterhin an der Einführung von bestimmten Software-Verbesserungen
beteiligt, darunter der Upload Wizard, ein Assistent zum Hochladen
von Dateien.
Ist Wikimedia Commons das geworden, was Du Dir damals
vorgestellt hast?
Allein die Zahl von frei lizenzierten Werken, die man dort heute
in hoher Qualität findet, ist erstaunlich. Ich finde es auch toll,
welche GLAM-Partnerschaften mit Museen und anderen
Kultureinrichtungen entstanden sind. Oder dass Wettbewerbe der
Communitys wie Wiki Loves Monuments und Wiki Loves Earth auf Wiki
Commons aufbauen.
Wo siehst Du trotz allem noch
Verbesserungspotenzial?
Wiki Commons fristet im Vergleich zur Wikipedia immer noch ein
Schattendasein, viele werden auf die Datenbank nur aufmerksam, wenn
sie sich bei Wikipedia beteiligen und ihnen vorgeschlagen wird, ein
Bild hochzuladen. Und auch bezüglich der Wikipedia-App sehe ich
noch Potenzial. Zumindest in der Android-Version sehe ich keine
direkte Einladung, ein Foto einzustellen. Man könnte noch viel mehr
Menschen erreichen und Ihnen Lust darauf machen, ihr eigenes Umfeld
zu dokumentieren.
Trägst Du selbst heute noch zu Wikimedia Commons
bei?
In den vergangenen Jahren habe ich regelmäßig alte Postkarten
aus Chicago hochgeladen. Ein Freund, der eine enge Beziehung zu
dieser Stadt hat, schickt sie mir, ich scanne sie ein, beschreibe
sie und stelle sie bei Commons zur Verfügung. Das symbolisiert für
mich das Potenzial einer freien Datenbank: jede und jeder kann dazu
beitragen, dass Geschichte festgehalten und die Welt dokumentiert
wird. Das finde ich nach wie vor spannend.
Wikimedia Commons (deutsch „Die
Wikimedia-Allmende“) wurde am 7. September 2004 ins
Leben gerufen und ist eine einzigartige Fundgrube für frei
lizenzierte Medien, offen zur Mitarbeit für alle. Sie stellt einen
Großteil der Medien bereit, um andere Wikimedia-Projekte zu
illustrieren – allen voran die Wikipedia, die ihre Fotos, Grafiken,
Audio- und Videodateien aus Wikimedia Commons bezieht.
Das Projekt ist eine Erfolgsgeschichte. Schon zwei Jahre nach
der Gründung wurde die Millionste Datei auf Wikimedia Commons
hochgeladen (das war ein Foto des Zoos in Singapur,
aufgenommen von dem High-School-Studenten Terence Ong). Heute
finden sich über 108 Millionen Dateien in der freien
Mediensammlung, die allen in ihrer eigenen Sprache zur Verfügung
stehen. Aber wie findet man angesichts dieser Fülle von Inhalten
die besten Bilder unter freier Lizenz, um zum Beispiel einen
Blogbeitrag zu bebildern oder das Bild für Instagram zu nutzen?
5 Praxistipps vom Grafiker für
die Suche in Wikimedia Commons
Matthias Wörle ist Grafiker in Berlin und arbeitet viel mit
Wikimedia Commons. Er schickt voraus: „Ich nutze die Datenbank
nicht wie ein klassischer Wikipedianer, der themenbezogen für die
Bebilderung eines Artikels in Wikimedia Commons sucht. Mir geht es
um ästhetisch hochwertige Bilder“. Hier die Tipps aus seiner
Praxis:
1. Filtereinstellungen
nutzen:
In der Suchfunktion sind eine Reihe
hilfreicher Einstellungen möglich. Man kann zum Beispiel die
Bildgröße bestimmen („klein“, „mittel“, „groß“). Wer mit
hochwertigen Bildern arbeiten will, sucht am besten gleich nach
großen Dateien. Auch nach Formaten lässt sich gezielt suchen. Wer
zum Beispiel eine Zeichnung, ein Logo oder Ähnliches benötigt,
wählt unter „File Type“ am besten „svg“, denn solche Inhalte werden
als Vektor-Datei eingestellt sein.
2. Der Community
vertrauen:
Auf Wikimedia Commons gibt es bereits den Kasten „Höhepunkte“,
wo „exzellente Bilder“, „wertvolle Bilder“ und „Qualitätsbilder“ von der Community
empfohlen werden. Außerdem wird auf der Hauptseite das „Bild des
Tages“ gefeatured. Ein Tipp kann auch sein, nach den
Gewinnerbildern der Fotowettbewerbe Wiki Loves Monuments oder
Wiki Loves Earth zu schauen. Auf
diese Weise habe ich regelmäßig hochwertige Bilder gefunden.
3. Gezielt nach Autor*innen
suchen:
Oft bin ich bei Bildrecherchen auf Fotografinnen oder Fotografen
gestoßen, die sehr viele Bilder machen, die bei Wettbewerben
gewinnen. Dann schaue ich: Was fotografieren diese Menschen denn
sonst noch? Dietmar Rabich, der Baudenkmäler
fotografiert, ist so ein Beispiel.
4. In mehreren Sprachen
suchen:
Die meisten Bilder sind englisch benannt, es empfiehlt sich
also, nicht nur auf Deutsch zu forschen. Wenn ich einen Begriff wie
„Bibliothek“ suche, gebe ich auch „library“ ein. Oder auch auf
Spanisch „biblioteca”. Auf diese Weise findet man oft überraschend
tolle Bilder.
5. Nach Lizenzen
filtern:
Wenn man Bilder oder Dateien für einen ganz bestimmten Zwecke
sucht kann in der Suchmaske auch die gewünschte Lizenz filtern –
zum Beispiel Public Domain („no restrictions“).
Apropos Lizenzhinweise: Wer es ganz richtig
machen will, gibt bei der Nutzung von Bildern aus Wikimedia Commons
auch den passenden Lizenzhinweis an. Der kann ganz einfach in
wenigen Schritten erstellt werden. Dabei hilft die Seite www.lizenzhinweisgenerator.de.
Lust bekommen, selbst bei
Wikimedia Commons mitzumachen?
Wir alle können nicht nur jederzeit Bilder von Wikimedia Commons
nutzen, sondern auch selbst Fotos hochladen. Im Gemeinschaftsportal von
Wikimedia Commons gibt es alle nützlichen Informationen rund um die
freie Mediensammlung. Auf der Willkommensseite und bei den
ersten Schritten wird erklärt,
wie jede und jeder ganz einfach zu diesem Projekt beitragen kann.
Alle Informationen sind auf Englisch, die meisten aber auch in
anderen Sprachen vorhanden.
Haben Sie schon einmal einen Workshop oder eine Veranstaltung
mit dem Gefühl verlassen, frustriert zu sein, weil es keine
greifbaren Ergebnisse gab? Haben Sie sich gefragt, welche
Auswirkungen die Diskussionen tatsächlich haben würden? Wir auch!
Es ist oft nicht einfach, Zusammenarbeit zu ermöglichen,
unterschiedliche Standpunkte zusammenzuführen und trotz
Machtdynamik einen Raum für gleichberechtigte Beteiligung zu
schaffen. Wir glauben, dass viele Organisationen und Einzelpersonen
vor ähnlichen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, viele
Menschen zusammenzubringen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.
Deshalb hat Wikimedia Deutschland in Zusammenarbeit mit dem
Movement Ecology Collective ein Playbook entwickelt, das Workshops
in ergebnisorientierte Deliberation verwandelt und sicherstellt,
dass Diskussionen zu konkreten Aktionen und Ergebnissen führen. Und
da es bei Wikimedia um Freies Wissen geht, möchten wir es mit allen
teilen – als ein Geschenk, das zur Summe allen Wissens
beiträgt.
Dieses Playbook basiert auf den Erfahrungen, die Wikimedia
Deutschland über viele Jahre hinweg bei der Gestaltung
internationaler strategischer Veranstaltungen mit
Wikimedianer*innen gemacht hat. Es bietet einen Leitfaden für die
Gestaltung und Moderation eines Prozesses, in dem eine Gruppe ihre
gemeinsame Position zu einem strategischen oder
Governance-Vorschlag diskutiert, bewertet und entscheidet. Das
Playbook kann an individuelle Situationen innerhalb und außerhalb
des Wikiversums angepasst werden, um die gewünschten Ergebnisse zu
erzielen. Es eignet sich besonders für einzelne Organisationen und
große Konglomerate von Organisationen mit unterschiedlichem
Hintergrund, die eine gemeinsame Strategie entwickeln, ein
Grundlagendokument schreiben oder organisationsweite Werte
entwickeln.
Wir haben den Prozess für den Wikimedia Summit 2024 entwickelt und
getestet. Bei der dreitägigen Veranstaltung konnten 170
Teilnehmer*innen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus
verschiedenen Kontinenten eine starke gemeinsame Position zu einem
wichtigen Governance-Dokument, der Wikimedia Movement Charter,
finden. Die meisten Teilnehmenden verließen die Veranstaltung mit
dem Gefühl, bedeutende Fortschritte gemacht zu haben. Hier einige
Zitate aus dem Feedback der anonymen Umfrage zur Bewertung der
Veranstaltung:
„Ich ging mit dem Gefühl nach Hause, etwas erreicht zu haben, eine
wirklich nützliche Reise gemacht zu haben.”
“Die Struktur und das Tempo des Programms boten ein hervorragendes
Umfeld, um Fortschritte zu machen. Ich war beeindruckt, wie viele
Fortschritte in nur 2 1/2 Tagen gemacht wurden.”
„Es war definitiv möglich, alle Stimmen zusammenzubringen, um auf
proaktive Weise Fortschritte zu erzielen.“
Wie wird das Playbook
verwendet?
Der Prozess besteht aus 15 Schritten, von der Einholung von
Feedback zum ursprünglichen Vorschlag über die Entwicklung von
Vorschlägen zu dessen Anpassung und Verbesserung bis hin zur
gemeinsamen Entscheidung über diese Vorschläge. Es ist in vier
Abschnitte unterteilt, die nacheinander oder separat gelesen werden
können, je nachdem, was Sie am meisten interessiert – wichtige
Erkenntnisse, Aufbau, Prozess und Werkzeuge. Jeder Abschnitt wird
mit Beispielen vom Wikimedia Summit 2024 illustriert.
Bei der Einführung des Prozesses kommt es darauf an, ihn
anzupassen: Um die beabsichtigten Ergebnisse zu erzielen, muss er
auf die Gruppe, die ihn anwendet, ihre Ziele und ihre Bedürfnisse
zugeschnitten sein. Dieses Playbook hilft dabei, die richtigen
Fragen zu stellen und praktische Antworten zu finden.
Feedback jederzeit
willkommen!
Sollten Sie das Playbook nützlich finden und in Ihrer
Organisation oder Institution anwenden, freuen wir uns über
ehrliches Feedback! Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen mit der
Anwendung und Anpassung des Prozesses, Ihre Ideen für Kooperationen
oder Ihre Fragen an govmov@wikimedia.de.
Viel Spaß beim Experimentieren mit dem Wikimedia Playbook!
Alle, die bei Wiki Loves Monuments mitmachen, leisten einen
bedeutenden Beitrag zum Denkmalschutz, indem sie vor allem der
Wikipedia bei der Dokumentation von Kulturdenkmalen und Gebäuden
helfen. Die Fotos werden im Medienarchiv Wikimedia Commons
hochgeladen und stehen unter freier Lizenz. Dadurch sind sie für
alle nutzbar – vor allem Wikipedia-Aktive weltweit können sie
verwenden, um Artikel in der Online-Enzyklopädie zu bebildern.
Wie wichtig die Bewahrung von Kulturdenkmälern in digitaler Form
ist, zeigt sich nicht zuletzt überall dort, wo sie konkret von
Zerstörung bedroht sind – wie gegenwärtig etwa in der Ukraine.
Entsprechend betont auch Alice Wiegand, Vorsitzende des Präsidiums
von Wikimedia Deutschland:
„Die Bilder, die im Rahmen des Wettbewerbs Wiki Loves Monuments
jedes Jahr eingereicht werden (…) zeigen uns den Reichtum unseres
kulturellen Erbes und dokumentieren seinen Zustand für die
Nachwelt. Wir haben in den vergangenen Jahren an vielen Beispielen
erleben müssen, wie vergänglich auch solche Monumente sind, von
denen wir glaubten, sie würden noch Jahrtausende Bestand
haben.“
Denkmale als wahre
Wissensspeicher
Allein in Deutschland wurden bei der vorherigen Ausgabe von WLM
über 16.000 Bilder eingereicht. Die Fotos werden zunächst von einer
Vorjury aus der Community bewertet, im Anschluss entscheidet eine
ebenfalls ehrenamtliche Hauptjury über die Platzierung der
Top-Bilder des nationalen Wettbewerbs. Die 10 besten Fotos werden
an den internationalen Wettbewerb weitergereicht.
Im vergangenen Jahr ging der
erste Platz von Wiki Loves Monuments Deutschland an das Bild
„Marksburg im Winter“ von Rolf Kranz. Platz 2 belegte Matthias
Süßens Aufnahme des Shell-Hauses in Berlin, den dritten Platz
gewann Marek Śliwecki mit einem Foto des Potsdamer Gitterpavillons
– schon daran zeigt sich die Vielfalt des Bauerbes, das im Rahmen
von WLM festgehalten wird.
Burgen und Schlösser zählen traditionell zu den beliebtesten
Motiven – “diese steinernen Kulturdenkmäler mit der Kamera ins
richtige Licht zu setzen, ist jedoch immer wieder eine besondere
Herausforderung”, betont Maximilian Nicolaus Fürst zu Bentheim
Tecklenburg, Präsident der Deutschen Burgenvereinigung e.V., in
seinem aktuellen Grußwort.
„Während in der heutigen Zeit KI-generierte Bilder vertraute
Echtheit vortäuschen und Desinformation es erschwert, zwischen
Realität und Fiktion zu unterscheiden, sind Denkmale durch ihre
originale Substanz echte Dokumente und Zeugnisse vergangener
Epochen“, hebt Dr. Ursula Schirmer von der Deutschen Stiftung
Denkmalschutz hervor: „Sie sind wahre Wissensspeicher und
vermitteln uns bis heute aus erster Hand ebenso die Arbeits- und
Lebenswelt früherer Generationen wie auch ihre Werte und
Vorstellungen“.
Sonderpreis
Kinderwelten
Auch in diesem Jahr wird im Rahmen von Wiki Loves Monuments
wieder ein Sonderpreis verliehen. Dieser steht in diesem Jahr unter
dem Titel „Kinderwelten“. Anlässlich des 10. Geburtstages des
Kinderlexikons Klexikon werden speziell Fotos
von Bauwerken und Kulturdenkmälern gesucht, die vor allem für junge
Menschen interessant sind.
„Für Kinder sind oft ganz andere Details und Ansichten von
Denkmälern und Gebäuden interessant. Das haben die Autor*innen im
Klexikon oft erlebt, wenn sie etwa zusammen mit Schulklassen in der
Altersspanne von 5 bis 14 Jahren die Bilder für neue
Klexikon-Artikel aus der Sammlung von Wikimedia Commons ausgewählt
haben“, so die Organisatoren.
Das Klexikon wird eine eigene Jury bilden, die die drei besten
Fotos auszeichnet. Die Bilder sind danach nicht nur auf Wikimedia
Commons und ggf. in der Wikipedia zu sehen, sondern werden auch auf
Klexikon.de veröffentlicht.
Mitmachen bei Wiki Loves
Monuments: So geht’s!
Wie auch bei allen anderen Wiki-Wettbewerben ist das Schöne an
Wiki Loves Monuments: Alle können mitmachen – vom Hobbyfotografen
bis hin zur Foto-Expertin. In drei Schritten geht’s zum Ziel:
Denkmal auswählen, fotografieren, Foto auf Wikimedia Commons
hochladen. Eine Liste der Baudenkmäler in Deutschland und viele
weitere Infos zu den Teilnahmebedingungen und zum diesjährigen
Sonderpreis gibt es auf der Wiki-Projektseite Wiki Loves Monuments 2024.
Dieses Jahr ist also Kattowitz die Gastgeber-Stadt der Wikimania geworden – einst ein
wichtiger Industrieknotenpunkt Polens, ist sie heute zu einem
wichtigen Kultur- und Bildungszentrum geworden. Erst in diesem Jahr
ist sie von der Organisation EuroScience in Zusammenarbeit mit der
Europäischen Kommission als Wissenschaftsstadt ausgezeichnet
worden. Ein perfekter Ort für die Wikimania, auf der viele Projekte
vorgestellt wurden, die sich ebenfalls mit Bildung, Kultur und
Wissenschaft auseinandersetzen. Ein perfekter Ort war auch das
internationale Kongresszentrum: groß, modern aber auch ein bisschen
gemütlich. In Kombination mit dem fantastischen Design von Kasia
Ostrowska, das viele folkloristische Elemente der CEE (Central East
Europe) Region aufgriff, macht sich schnell ein Gefühl des
Nachhausekommens breit – die Wikimania heißt ihre Gäste seit
einigen Jahren mit liebevollen Visuals willkommen.
Internationales Konferenzzentrum Kattowitz
Und das ist auch gut so, denn die über 1000 Teilnehmenden vor
Ort haben viel Zeit innerhalb des Kongresszentrums verbracht – das
Angebot an Beiträgen, Präsentationen und Workshops war riesig! Wem
es zwischendurch zu viel wurde, der konnte sich in Ruheräumen eine
Verschnaufpause gönnen oder seine Synapsen mit Süßigkeiten aus
aller Welt verwöhnen – es ist eine Tradition auf der Wikimania,
dass die Teilnehmenden Leckereien mitbringen, die typisch für ihr
Herkunftsland sind.
Auf der
Wikimania 2024 gibt es Süßigkeiten aus aller Welt.
Das Motto: Collaboration of the
Open
Das Motto der Wikimania lautete in diesem Jahr „Collaboration of
the Open“ (Kollaboration des Offenen). Im Fokus stand das Ziel,
dass sich Organisationen mit offenen Konzepten (etwa Open Source,
Open Data, Open Science) stärker vernetzen. Entsprechend wurden
auch explizit externe Teilnehmer*innen aus Open-Communitys
eingeladen und es lag ein besonderer Schwerpunkt auf Beiträgen zu
diesem Thema. Dass zum Beispiel die Öffnung von Forschungs-Daten
beim Klimaschutz helfen kann, wurde in dem Seminar „Open as prerequisite to tackle climate crisis“
verdeutlicht. Auch der Workshop „Strengthening Wikimedia Collaborations with and for
Open Science“ sollte die Open Science Community stärker mit der
Wiki-Community verbinden und die Arbeit von Forschenden
erleichtern. Ganz weit vorne bei der Kollaboration offener Konzepte
war wieder der offene Datengraph Wikidata dabei – das Projekt zielt seit einiger
Zeit verstärkt darauf ab, die eigenen Datensätze für gemeinnützige
Software Anwendungen bereitzustellen.
Die Wiki-Zukunft fest im
Blick
Stark vertreten waren Themen, die aktuell einen großen Einfluss
auf die Zukunft der Wikimedia-Welt haben. So wurde unter anderem in
einem Panel ein Überblick darüber
gegeben, wie KI-Tools in den Wikimedia-Projekten zum Einsatz
kommen, um die Arbeit der Freiwilligen zu erleichtern. In einem
anderen Beitrag stellte die Organisation
Public AI Network vor, wie sich gemeinwohlorientierte generative KI
verwirklichen lässt.
Wikimedia &
GenAI: Im Panel wird erörtert wie KI-Anwendungen die Community bei
ihrer Arbeit unterstützen können.
Einen weiteren Schwerpunkt bildete das Thema Desinformation. In
einem Vortrag wurden die Teilnehmenden
von Vertreter*innen der Organisation DEMAGO darüber informiert,
welche Tools und Tricks sie einsetzen können, um Falschmeldungen zu
enttarnen. Zum Beispiel lässt sich mit dem AI or
not-Detection Tool herausfinden, ob ein Bild oder eine Stimme
durch KI erstellt wurde. Mit Google Lens oder TinEye
lässt sich der wahre Ursprung oder Kontext eines Bildes überprüfen,
auch wenn es digital nachbearbeitet wurde. Ein besonderer Trick
wurde mit dem Tool SunCalc gezeigt: Damit lässt
sich der Sonnenstand eines Bildes überprüfen und der wahre
Zeitpunkt der Aufnahme feststellen.
Ein weiteres Thema, bei dem Desinformation eine Rolle spielt,
stellt der aktuelle Krieg in der Ukraine dar. In einem Seminar wurde über die Wichtigkeit der
ukrainischen Wikipedia als Bastion gegen Falschmeldungen berichtet,
aber auch darüber, wie der Krieg die Arbeit der ehrenamtlichen
Autor*innen einschränkt. Stromausfälle und für den Krieg
eingezogene Freiwillige sind zwei solcher Beispiele.
Ebenfalls relevant für die Zukunft des Wikimedia Movements sind
die Gewinnung neuer Freiwilliger und die Herausforderungen
generationenübergreifender Zusammenarbeit. Auch mit aktuellen und
zukünftigen Lese- und Nutzungsgewohnheiten von User*innen wurde
sich auseinandergesetzt. Die Wikimedia Foundation hat dazu
beispielsweise einen Vortrag zu ihrem Projekt “Future Audiences” gehalten. Hier werden in
kurzer Zeit Tools entwickelt, hochskaliert, getestet und
Erkenntnisse dazu gewonnen, wie User*innen weiterhin die Wikipedia
nutzen und zu ihr beitragen können. Jüngst wurde eine KI-basierte
Erweiterung für den Browser Chrome entwickelt, die es ermöglicht,
eine im Internet gefundene Information bei Wikipedia zu prüfen. Die
Ergebnisse befinden sich derzeit noch in der Auswertung.
Ein Fest der
Preisverleihungen
Einen besonderen Höhepunkt gab es bei der Eröffnungszeremonie:
die Verleihung des Wikimedian of the Year Awards!
Wie jedes Jahr hat auch wieder in diesem Jahr Wikipedia-Gründer
Jimmy Wales die Auszeichnung persönlich überbracht. Worüber wir uns
sehr freuen: Unter den sieben Preisträger*innen befindet sich in
diesem Jahr Martin aus der deutschsprachigen Community, auch
bekannt als DerHexer. Er wurde für seinen langjährigen Dienst als
Wikimedia Steward seit 2007 geehrt, der eine entscheidende Rolle
bei der Unterstützung globaler Communitys und der Verbesserung der
technischen Infrastruktur von Wikimedia spielt. Es gibt weltweit
nur 33 Stewards, die Admin-Rechte für alle internationalen
Wiki-Projekte haben und damit eine besondere Verantwortung
haben.
Zu den weiteren Ausgezeichneten gehören unter anderem
Clovermoss, die mit 21 Jahren als jüngste Wikimedianerin
ausgezeichnet wurde, und Caner Özyayıkçı, der für seine
außergewöhnliche, kulturell verbindende Grafikdesign-Arbeit als
Medienschaffender des Jahres geehrt wurde. Mit den Awards werden
sowohl die sichtbaren als auch die hinter den Kulissen geleisteten
Anstrengungen der Wikimedianer*innen gewürdigt. Hier lässt sich mehr über alle
sieben Gewinner*innen nachlesen.
Wikimedians
of 2024. Ganz links: Martin Rulsch aus der deutschsprachigen
Wikipedia-Community.
Noch mehr Preisverleihungen gab es bei der
Abschlussveranstaltung. Hier wurden zum Beispiel der “Coolest Tool Award” und ein Preis
für das beste Poster aus der Postersession auf der Wikimania vergeben.
Besucherin
betrachtet Poster-Session auf Wikimania 2024.
Die Bedeutung der
Wikimania
Unterhält man sich mit den Teilnehmenden darüber, was ihnen
besonders gut an der Wikimania gefällt, erzählen sie schnell von
den tollen Menschen, mit denen sie sich hier austauschen können.
Manche Besucher*innen bevorzugen es sogar, sich die ganze Zeit
außerhalb der Seminarräume aufzuhalten, um mit möglichst vielen
Menschen zu sprechen, denen sie in der Regel nur online begegnen.
Was die Teilnehmenden sonst noch über die Wikimania und Freies
Wissen denken, verraten sie uns in den Videos, die wir auf der
Konferenz gedreht haben:
Was bedeutet dir die Wikimania?
Was bedeutet Freies Wissen für dich?
Was würdest du machen, wenn du Superkräfte
hättest?
Das wars – und
jetzt?
Auch noch lange nach der Wikimania gilt es, den vielen Input
sacken zu lassen. Wenn sich dann so langsam die Wogen geglättet
haben, lässt ein neuer Funke der Vorfreude nicht lange auf sich
warten. Und wie alle Teilnehmenden bereits bei der
Abschlusszeremonie erfahren haben, wird es 2025 ein Wiedersehen auf
der Wikimania in Nairobi, Kenia geben. Wir freuen
uns darauf und danken noch einmal allen Freiwilligen aus dem
Wikimania-Organisationsteam der CEE Region für die rundum gelungene
Wikimania 2024 in Kattowitz!
Wikimania
2024 – Gruppenbild
Wer Wikimania-Sessions verpasst hat oder sich etwas einfach noch
einmal anschauen möchte, findet die Aufzeichnungen in den einzelnen
Programmbeschreibungen: https://wikimania.eventyay.com/2024/schedule/
Ganze 16.665 Fotos wurden für die deutsche Ausgabe von „Wiki
Loves Earth“ in diesem Jahr eingereicht. Keine leichte Aufgabe,
daraus die Gewinner und Gewinnerinnen zu küren… Eine Jury hat sich
dessen angenommen und nun die deutschen Preisträger für die drei
Wettbewerbskategorien – Detailaufnahmen, Landschaftsaufnahmen und
die Sonderkategorie Feldraine und Feldgehölze – bekannt gegeben.
Alle diesjährigen Gewinnerbilder finden Sie hier.
Auch in diesem Jahr zeigen die Fotografinnen und Fotografen mit
ihren Bildern die vielfältigen und beeindruckenden Farben, Formen
und Texturen, die uns die Natur bietet. Der Wettbewerb soll einen
Beitrag zur Erforschung und zur Bewahrung von Naturschutzgebieten
leisten – indem ihre Tier- und Pflanzenwelt dokumentiert wird.
Alle Aufnahmen stehen im
Medienarchiv Wikimedia Commons unter freier Lizenz zur Verfügung.
Somit können sie auch in der Wikipedia eingebunden und
weiterverwendet werden. Aber auch für Referate in der Schule oder
Hochschule oder für Webseiten und Publikationen kann jede und jeder
die Bilder frei nachnutzen.
Die Top 10
Detailaufnahmen
Den 1. Platz
belegt Stephan Sprinz mit seiner detailreichen Aufnahme von einem
blühenden Strand-Milchkraut (Lysimachia maritima) am Strand von
Norderney.
Der 2.
Platz, aufgenommen von Peach-Boy11 Neu!, zeigt eine parasitische
Sichelwespe (Therion circumflexum) bei der Eiablage in eine Raupe
im Mittleren Innerstetal mit Kanstein im Landkreis Goslar.
Der 3. Platz
geht an OliKne Neu! mit einer Aufnahme vom Kupfer-Rosenkäfer
(Protaetia cuprea) im Naturschutzgebiet Dörscheider Heide im
Rhein-Lahn-Kreis.
4. Platz:
Stephan Sprinz mit Weibliches Grünes Heupferd (Tettigonia
viridissima) bei der Häutung im FFH-Gebiet Sandgebiete zwischen
Mannheim und Sandhausen
5. Platz:
Ermell mit Hirschkäfer-Männchen (Lucanus cervus) im Hain in
Bamberg
6. Platz:
Johannes Robalotoff mit Grüne Stinkwanzen (Palomena prasina) bei
der Paarung im Naturpark Rhein-Taunus
7. Platz:
BlonBoah mit Nivicole Lamproderma splendens Meyl. Fruchtkörper aus
dem Nationalpark Berchtesgaden
8. Platz:
Carsten Siegel mit Frühe Adonislibelle oder auch Frühe
Adonisjungfer (Pyrrhosoma nymphula) im FFH-Gebiet Großes Torfmoor,
Altes Moor
9. Platz:
Johannes Robalotoff mit Lederwanze (Coreus marginatus) im Naturpark
Rhein-Taunus
10. Platz:
Johannes Robalotoff mit Kletten-Labkraut (Galium aparine) im
Naturpark Rhein-Taunus
Die Top 10
Landschaftsaufnahmen
Den 1. Platz
der Landschaftsaufnahmen belegt T meltzer mit seinem Bild „Kiefer
im Elbsandsteingebirge; Blick vom Lilienstein“.
Die Aufnahme
auf dem 2. Platz von Thomas Hummel zeigt den Ahbach (Ahr) im
Naturschutzgebiet am Wasserfall Dreimühlen.
Der 3. Platz
von Aristeas zeigt den Blick vom Blumbergweg auf die Trockenmauern
der ehemaligen Weinberge und den artenreichen Magerrasen am Südhang
des Spitzbergs.
4. Platz:
Superbass mit Dreimühlen-Wasserfall in Üxheim-Ahütte, Landkreis
Vulkaneifel, Rheinland-Pfalz
5. Platz:
Matthias Süßen mit Bewachsene Steine bei Niedrigwasser im
EU-Vogelschutzgebiet Eckernförder Bucht mit Flachgründen
6. Platz:
Ermell mit Riesenburg (Höhle) bei Doos. Blick senkrecht nach oben
durch die eingestürzte Decke
7. Platz:
Ermell mit Weinstöcke auf der Weininsel bei Sommerach
8. Platz:
Miosta mit Loisach bei Großweil
9. Platz:
Heske Andreas Neu! mit Ein alter Hohlweg, der von Hechlingen in
östlicher Richtung zum Kapellenberg und zur Kapelle führt
10. Platz:
Stephan Sprinz mit Abflussrinne des Nördlichen Schneeferners
Sonderpreise: Feldraine und
Feldgehölze
Mit der diesjährigen Sonderkategorie soll der Blick auf
Strukturen gelenkt werden, die Lebensräume und Biotopvernetzungen
für Pflanzen und Tiere in landwirtschaftlich genutztem Acker- oder
Grünland schaffen.
Die Aufnahme
von Jan Czeczotka zeigt die strukturreiche Kulturlandschaft im
Naturschutzgebiet „Lange Rhön“ mit Feldgehölzen und
Trockenmauern.
YvoBentele
hat in diesem Bild das Landschaftsschutzgebiet Oberes Zschopautal
mit dem Preßnitztal (Blick v. S222 „Kalter Muff“ Richtung Südost
Wolkenstein) eingefangen.
Dieses Bild
von Aristeas zeigt ein Feldgehölz östlich oberhalb des
Michelbachtals im Gewann Holdersteigle im Landkreis
Heilbronn.
Es geht weiter…
Nicht nur in Deutschland wurde fleißig für „Wiki Loves Earth“
fotografiert: 54 andere Länder haben
mitgemacht. Die 15 besten Fotos aus der deutschen Ausgabe werden in
den internationalen Wettbewerb
aufgenommen und wir können uns auf eine weitere Preisverleihung im
November freuen. Im Herbst geht außerdem „Wiki Loves Monuments“ in die
14. Runde: Wer Lust hat, kann deutsche Kultur- und Baudenkmäler
fotografieren und bis zum 31. September über Wikimedia Commons
einreichen.
Die 19. Ausgabe der Wikimania steht unter dem Motto
„Collaboration of the Open“. Ein Schwerpunkt liegt auf Beiträgen
und Präsentationen zu offenen Daten, offener Forschung und Open
Government. Wikimedianer*innen aus aller Welt sollen sich so noch
stärker mit Projekten und Initiativen außerhalb des Wikiversums
verbinden, um Freies Wissen sichtbarer und damit noch zugänglicher
zu machen! Deshalb sind auch Menschen, die sich mit Freiem Wissen
jenseits der Wikimedia Projekte beschäftigen, zu Gast auf der
Wikimania.
Ciell (Username) ist eine langjährige Wikimedianerin und
regelmäßige Speakerin auf der Wikimania. In diesem Video berichtet
sie, warum sie für Wikimedia Projekte brennt und was Freies Wissen
für sie persönlich bedeutet.
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Die diesjährigen Highlights der
Wikimania
Die Wikimania bietet neben vielfältigen Vorträgen und
Veranstaltungen auch international agierenden
Community-Kooperationen eine tolle Möglichkeit, sich persönlich zu
treffen. Ein besonderes Ereignis ist beispielsweise der Wiki-Women
Summit, der inzwischen ein fester Bestandteil der Wikimania ist.
Frauen aus den Wiki-Communitys tauschen sich in einer Reihe von
Veranstaltung dazu aus, wie sie andere Autorinnen empowern können,
ihre Stimmen stärker in die Wiki-Projekte einzubringen.
Während der gesamten Konferenz wird auch wieder ein Hackathon
stattfinden. Die erarbeiteten Projekte werden am letzten
Wikimania-Tag präsentiert und bilden einen wichtigen Pool neuer
Ideen, die die technische Infrastruktur des Freien Wissens
bereichern. Ein weiteres besonderes Meetup stellt GLAM Global dar.
Dieses Format richtet sich speziell an Personen, die im Rahmen
ihrer beruflichen Tätigkeit sowohl mit GLAM (Galleries, Libraries,
Archives & Museums) als auch mit Wikis arbeiten und sich hier zu
Herausforderungen und Learnings austauschen können.
Darüber hinaus sind Sitzungen und Podiumsdiskussionen mit
einflussreichen Redner*innen geplant, wie zum Beispiel am 8. August
eine Keynote der Philosophin und Forscherin Aleksandra Przegalińska, die über
die Zukunft der KI sprechen wird. Und weil Freies Wissen keine
Grenzen kennt, wird es auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit
geben, sich zu einigen Sessions virtuell dazuzuschalten – hier können sich dafür alle
jederzeit kostenfrei registrieren. Das vollständige Programm gibt auch Aufschluss
darüber, welche Veranstaltungen virtuell übertragen werden.
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Ahmad ist ein Journalist, der die politische Landschaft in
Malaysia beobachtet und analysiert. Er ist in zahlreichen Projekten
aktiv, die darauf ausgerichtet sind, Bildung und Freies Wissen zu
fördern – unter anderem schreibt er für die Wikipedia. Welche Ziele
er hinsichtlich Freies Wissen verfolgt, erzählt er uns im
Videointerview.
Ausgezeichnete
Wikimedianer*innen
Einst eine spontane Idee des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales, ist
sie heute nicht mehr wegzudenken: die Verleihung der Wikimedian of the Year. Seit 2011
werden auf der Wikimania Ehrenamtliche ausgezeichnet, die sich
besonders in Wikimedia-Projekten wie Wikipedia, Wikidata oder
Wikimedia Commons eingebracht haben – ob als Autor*innen,
Organisationstalente oder Programmier*innen. Auch in diesem Jahr
wird Jimmy Wales den Preis persönlich überreichen.
Hier gehts zu den Wikimedian of the Year 2023.
Wikimania damals und
heute
Die erste Wikimania fand 2005 in Frankfurt am Main statt. Ein
historischer Moment – denn die meisten Freiwilligen kannten sich
bis dato nur unter ihrem Usernamen. Schnell wurde die Veranstaltung
von den Wiki-Communitys und den Affiliates weltweit ins Herz
geschlossen und es wurde klar: Ein persönlicher Austausch
bereichert die Projekte für Freies Wissen ungemein. Seither ist die
Wikimania eine unentbehrliche Plattform für gegenseitige
Inspiration und neue Kooperationen. Die Veranstaltung hat bislang
in mehr als 15 Ländern auf sechs Kontinenten stattgefunden und bis
zu 2.800 Menschen aus über 142 Ländern gleichzeitig angezogen. Mehr
über die Geschichte der Wikimania gibt es in den Wikimedia Deutschland Meilensteinen, die wir zu
unserem 20. Vereinsjubiläum zusammengestellt haben.
Stimmen von der
Wikimania
Im vergangenen Jahr fand die
Wikimania in Singapur statt. Auch Wikimedia Deutschland war mit
dabei und hat am Rande der Konferenz Interviews mit engagierten
Wikimedianer*innen aus verschiedenen Teilen der Welt geführt. In
diesen Videos erzählen sie von ihrer Motivation, ihren Erlebnissen
und ihrer Begeisterung für Freies Wissen.
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Wer waren die bedeutendsten
Politikerinnen der deutschen Geschichte?
Elisabeth Selbert, Frida Nadig, Helene Weber und Helene Wessel
sind die so genannten
Mütter des Grundgesetzes. Zusammen mit 61 Männern schrieben die
vier Frauen 1948 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
mit. Natürlich gibt es noch weitere Politikerinnen, die sich für
soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung,
Gleichberechtigung und andere Themen eingesetzt haben. Viele dieser
Frauenbiographien finden sich bei Wikipedia.
… 2024 das Jubiläumsjahr vom
Künstler Caspar David Friedrich ist?
Am 5. September vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich
geboren, er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Romantik.
Seine Landschaftsmalereien haben die Kunstwelt nachhaltig geprägt
und sind bis heute in vielen Museen zu sehen. Im Wikipedia-Artikel
erfährt man mehr über sein Leben, seine Werke und seinen Einfluss
auf die Kunstgeschichte . Und Auszüge davon auch schon hier.
Wissen Sie, was da gerade am
Himmel los ist?
Alle Jahre wieder sind um diese Zeit des Jahres besonders viele
Sternschnuppen zu sehen. Das glitzernde Spektakel am Nachthimmel,
die Perseiden, beflügelt jährlich viele Menschen dazu, Sterngucker
und Sternguckerinnen zu werden. Doch wo kommen sie her und warum
heißen sie Perseiden? Warum tauchen sie immer zur gleichen Zeit auf
und wie und wann können Sie die Sternschnuppenregen am besten
sehen?
Wer will in den nächsten Wochen
mit Olympia-Wissen punkten?
Um die Olympischen Spiele kommt aktuell wohl niemand herum. Die
meisten dürften mitbekommen haben, dass mit Lukas Märtens erstmals
seit 1988 wieder eine Goldmedaille an einen deutschen Schwimmer
geht. Oder dass das Wasser in der Seine vielleicht doch nicht so
sauber ist, wie es sein sollte, wenn man darin Schwimmwettbewerbe
abhalten will. Dass Journalist*innen bisweilen bemühter darum sind,
Doping-Fälle öffentlich zu machen, als die dafür eigentlich
zuständige Welt-Anti-Doping-Agentur. Oder wie es sich so lebt in
einem Olympischen Dorf. Kurzum: Die Spiele sind aus vielen
verschiedenen Gründen Gesprächsthema – vielleicht ja auch in Ihrem
Freundeskreis, beim Abendessen mit der Familie oder in der
Mittagspause. In der ersten Ausgabe von W wie Wiki-Wissen gibt es
aktuelle und historische Fakten sowie kurze kuriose Geschichten
rund um das Thema Olympische Sommerspiele.
Hast du ein Hobby, über das du viel weißt? Oder bist du
Expert*in in einem bestimmten Fachgebiet? Hast du eine Sammlung von
Rubiks-Würfeln oder kennst dich mit LKWs richtig gut aus? Teile
dein Wissen über dein Lieblingsthema mit anderen und hilf dabei,
Wikipedia noch informativer zu gestalten und Lücken zu schließen.
Denn es gibt immer noch viele Themen, die nicht abgedeckt sind.
Wikipedia ist eine lebendige Gemeinschaft von Menschen aus aller
Welt. In der deutschsprachigen Wikipedia pflegen aktuell 6.000
aktive Autor*innen die fast 3 Millionen Artikel und erstellen
täglich neue. Trete einer Community bei, die sich für Freies Wissen
einsetzt, und lerne dabei interessante Menschen kennen. Du wirst
erstaunt sein, dort auch Menschen mit Interesse für deine
Lieblingsthemen zu treffen, mit denen du dich austauschen kannst.
Online und im echten Leben.
Wikipedia kämpft aktiv gegen Desinformation und Fake News. Indem
du Artikel verbesserst, aktualisierst und qualitativ hochwertige
Informationen beiträgst, hilfst du aktiv dabei, Fehlinformationen
im Netz zu bekämpfen. So wichtig in Zeiten von KI und Co.
Wikipedia bietet eine großartige Möglichkeit, praktische
Erfahrung im Schreiben, Recherchieren und Zusammenarbeiten zu
sammeln – Fähigkeiten, die in vielen Bereichen des Lebens nützlich
sind und dir auch bei deinem Beruf helfen kann.
Wikipedia zu bearbeiten macht Spaß. Du kannst Artikel (unter
Beachtung einiger Regeln) kreativ gestalten, an interessanten
Themen arbeiten und dabei ständig neues Wissen entdecken. Damit
bist du gerüstet für jeden Smalltalk.
Als Wikipedia-Autor*in kannst du einen echten Unterschied machen
und Anerkennung für deine Beiträge erhalten – sei es durch Lob von
anderen Wikipedianer*innen oder durch das Wissen, dass du mit
Millionen von Menschen auf der ganzen Welt geteilt hast. Viele
Artikel werden monatlich tausendfach gelesen und zitiert. Die
deutschsprachige Wikipedia hat pro Monat mehr als 1 Milliarde
Aufrufe!
Mit Wikipedia kannst du die Welt entdecken, ohne dein Zuhause zu
verlassen. Bearbeite Artikel über ferne Länder, unbekannte Kulturen
oder faszinierende historische Ereignisse und erweitere so deinen
Horizont. Natürlich kannst du dich auch in anderssprachigen
Wikipedia-Versionen einbringen und dort mit anderen Communities
zusammenarbeiten.
Jeder Beitrag, den du für Wikipedia leistest, trägt zur
Verbesserung eines globalen Wissensarchivs bei. In der
deutschsprachigen Wikipedia wird bald die 3 Millionen-Marke an
Artikeln geknackt. Und es werden jeden Tag mehr. Sei stolz darauf,
Teil dieses wichtigen Projekts zu sein!
Du musst kein/e Expert*in sein, um Wikipedia zu editieren. Alle
können zur Wikipedia beitragen, unabhängig von Alter, Geschlecht
oder Hintergrund. Und es muss nicht gleich ein ganzer eigener
Artikel sein. Du kannst zum Beispiel Fotos auf Wikimedia Commons
hochladen oder kategorisieren, du kannst Wikipedia-Artikel auf
Rechtschreibfehler überprüfen oder aktuelle Informationen zu
bestehenden Artikel hinzufügen. Schritt für Schritt. Und es gibt
jede Menge Unterstützung dabei.
Egal ob aus Leidenschaft für ein bestimmtes Thema, dem Wunsch
nach sozialem Engagement oder einfach nur aus Neugierde – es gibt
viele gute Gründe, warum auch DU Wikipedia editieren solltest. Also
schnapp dir deinen Laptop und leg los – die Wikipedia-Welt wartet
darauf, von dir entdeckt zu werden! Mach mit und werde Teil der
Wikipedia-Community!
Als Einstiegshilfe in die Wiki-Welt, melde dich zur
30-Tage-Wikipedia-Challenge an und lerne durch eine Mail in deinem
Postfach innerhalb von 30 Tagen alles, was du wissen musst.
Im November 2023 fand in Kassel bereits die erste Ausgabe des
Community-Projekts „Mit Wikipedia unterwegs“ statt. Das Ziel der
Veranstaltung: Wikipedianer*innen mit ganz unterschiedlichem
Erfahrungsgrad zusammenzubringen. Gerade Neulingen erleichtert der
persönliche Austausch mit Gleichgesinnten den Einstieg ins
Ehrenamt. Außerdem hilft so eine Begegnung dabei, Barrieren
abzubauen, die durch eine rein virtuelle Kommunikation entstehen
können. Wikipedianer Cookroach, der sich bereits seit 2020
ehrenamtlich engagiert, war nach dieser Pilot-Ausgabe begeistert
über die entstandene Vernetzung: „Jeden, den man hier in Kassel
kennengelernt hat, kann man in der Wikipedia dann auch
anschreiben.“
Kennenlernen im Zeichen des
Freien Wissens
Nach diesen positiven Erfahrungen war klar: „Mit Wikipedia
unterwegs“ verlangt nach einer Fortsetzung! Die fand vom 12. bis
14. Juni in Bielefeld statt, wo wiederum über 20 Teilnehmende
zusammenkamen. Die Gruppe bestand ungefähr zu gleichen Teilen aus
langjährigen und noch unerfahrenen Ehrenamtlichen – ideale
Voraussetzungen für ein Kennenlern-Wochenende im Zeichen des Freien
Wissens. Von Freitagnachmittag bis Sonntagmittag wurde in
entspannter, offener und neugieriger Atmosphäre gemeinsam gegessen,
geredet und gearbeitet.
Ein Highlight war dabei der gemeinsame Besuch im Museum
Wäschefabrik in Bielefeld – dort werden die Arbeitsbedingungen in
einer 1899 gegründeten Wäschefabrik am Originalschauplatz
erfahrbar. Im Anschluss hat sich eine Arbeitsgruppe dem
Wikipedia-Eintrag der Institution gewidmet und eine Reihe von
Ergänzungen, etwa zur Geschichte dieses Hauses, vorgenommen. Ein
willkommenes Praxisbeispiel für die Arbeit in der Wikipedia.
Wo keine Fragen
offenbleiben
Überhaupt bot „Mit Wikipedia unterwegs“ gerade den noch weniger
erfahrenen Ehrenamtlichen die Gelegenheit, zahlreiche Wissenslücken
in Bezug auf die freie Enzyklopädie zu schließen. „Ich bin mit
vielen Fragen gekommen, sie sind alle beantwortet!“, so eine
Teilnehmerin. „Mein Gehirn ist bis zum Rand voll“, lobte eine
andere den umfangreichen Input. Aber auch für langjährige
Wikipedianer*innen war die Veranstaltung eine Bereicherung. Ein
Teilnehmer sagte etwa, er habe sich selbst im Vorfeld als relativ
erfahren eingeschätzt, vor Ort aber festgestellt, wie viel es in
der Wikipedia-Welt noch zu entdecken gibt: „Tatsächlich bin ich
wohl noch unerfahren!“. Man lernt nie aus – das gilt natürlich auch
für die Arbeit an der Wikipedia.
Endlich Gesichter zu den
Namen!
Als Gewinn des Wochenendes beschrieben die Teilnehmer*innen
unter anderem, dass sie jetzt bekannten Wikipedia-Namen Gesichter
zuordnen können, dass sie nun wissen, wo sie welche Hilfe bekommen,
dass sie im Wikipedia-Jargon bewanderter sind – oder auch, dass es
Formate wie GLAM gibt, die Wikimedia-Veranstaltungsreihe rund um
Kulturinstitutionen wie Museen, Archive und Bibliotheken. Viele der
Teilnehmer*innen aus Bielefeld können sich vorstellen, in Zukunft
auch dabei mitzumachen.
Nicht zuletzt wurde der persönliche Austausch gelobt, der
während des Wochenendes in vielen Gruppen- und Einzelgesprächen
möglich war – sowie das Gefühl, sofort zu einer Gemeinschaft
zusammenzuwachsen. Eine Neu-Wikipedianerin zog das beglückte Fazit:
„Ich habe hier erfahren, dass es weitere Verrückte wie mich
gibt“.
Lust bekommen, selbst bei Wikipedia
mitzumachen?
Einen 30 Tage-Einstieg in die Wiki-Welt gibt es hier:
Schon bald nach unserer
Wahl am 22. Juni haben wir im Präsidium von Wikimedia
Deutschland festgestellt: In seiner aktuellen Zusammensetzung fehlt
dem Präsidium eine starke Stimme aus der ehrenamtlichen
Wikipedia-Community. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, von
der Möglichkeit der Kooptation Gebrauch zu machen. Unter der
Kooptation versteht man die Ernennung von bis zu zwei weiteren
Präsidiumsmitgliedern, um benötigte Kompetenzen und Erfahrungen zu
verstärken und die Diversität des Gremiums zu fördern.
Eine der wesentlichen Aufgaben unseres Vereins ist die Förderung
der vielen Ehrenamtlichen, die jeden Tag aufs Neue Inhalte in den
verschiedenen Wikimedia-Projekten überarbeiten oder neu erstellen.
Dass ihre Perspektive auch im Präsidium von Wikimedia Deutschland
vertreten ist, finden wir deshalb besonders wichtig. Natürlich
bringen die gewählten Präsidiumsmitglieder bereits großartige
Expertise mit, etwa durch langjährige Mitarbeit in Wikipedia,
Wikimedia Commons und Wikidata. Eine Person, die selbst bestens in
der deutschsprachigen Community vernetzt ist, Rollen und Funktionen
übernimmt – das fehlt uns bislang jedoch.
Bestens vernetzt in der
ehrenamtlichen Community
Die Wahl einer geeigneten Person, die dieses Anforderungsprofil
erfüllt, ist uns nicht schwer gefallen: Raimond Spekking ist seit
über 20 Jahren ein aktives und sehr geschätztes Mitglied der
Community. Neben seiner inhaltlichen Mitarbeit in der Wikipedia ist
er unter anderem auch im ehrenamtlichen Support-Team der Wikipedia
tätig und entwickelt die MediaWiki-Software als Developer
weiter.
Sein Interesse für Fotografie schlägt sich in den unzähligen
Bildern nieder, die er in der Wikipedia und bei Wikimedia Commons
beigesteuert hat, zuletzt etwa im Zuge einer
Kooperation mit dem Deutschen Technikmuseum. Bei Wikimedia
Commons engagiert sich Raimond auch als Administrator. Darüber
hinaus trägt Raimond ehrenamtlich zu Wikidata bei und unterstützt
u. a. Kulturinstitutionen dabei, Bestände zu digitalisieren und
unter freie Lizenzen zu stellen.
Erfahrung in der
Präsidiumsarbeit
Raimond war bereits im letzten Präsidium tätig und hat in dieser
Rolle immer wieder die so wichtige Perspektive aktiver Beitragender
eingebracht. Bei der Mitgliederversammlung am 22. Juni kandidierte
er als Beisitzer und erhielt 310 Stimmen von den Mitgliedern, nur
vier weniger als der fünfte gewählte Beisitzer. 73 Prozent der
Wählenden stimmten für ihn – für uns ein starkes Signal, dass er
den Rückhalt aus der Mitgliedschaft hat.
Lieber Raimond, im Namen des ganzen Präsidiums heiße ich dich
herzlich willkommen im 9. Präsidium und freue mich sehr auf die
erneute Zusammenarbeit mit dir!
Alice Wiegand
Vorsitzende des Präsidiums
Wikimedia Deutschland e. V.
Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein
Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren
umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal
intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und
mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach
mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der
deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man
die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind.
Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am
Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem
Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger
peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.
Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen
Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein
Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu
unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es
geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen
2012 bringt es der Roman auf den Punkt:
Auf deutsch etwa:
„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können
etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys
Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber
verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber
beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen
entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine
PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der
das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich
schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade
schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu
nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder
hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu
fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“
Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen
Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber
professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen
Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören.
Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten
Mehrwert zu bieten.
Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der
Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012
richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden
Community im Jahr 2022.
(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie
Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto
versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)
Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich
heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint
es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem
jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit
dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu
„verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach
einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und
in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.
Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft
Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal
lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr
teilhaben.
Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere
mich noch einmal und deklamiere:
Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die
Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im
Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren
wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins
herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher
Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und
besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den
wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.
Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt
Semantic
Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich
mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun
technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki
abhängig. Weitere wichtige Änderungen:
Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions
eingesetzt.
Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind
nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht
vorhanden ist.
Weiters wird nun Cargo unterstützt, es
lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die
Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind
andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte
speichern zu lassen.
Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf
eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.
Die MediaWiki Stakeholder’s
Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere
Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und
die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die
Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die
offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas
andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es
geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in
Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der
Software voranzutreiben.
Interessante neue
semantischeErweiterungen
gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und
Metatags:
Semantic Breadcrumb
Links – mittels Attributen können Breadcrumbs erstellt
werden, die eine Hierarchie erzeugen, ohne Unterseiten erstellen zu
müssen.
Semantic Cite – unabhängig
von der Cite
Erweiterung, ermöglicht das seitenübergreifende Verwenden von
Zitaten und eine automatische/manuelle Quellenliste.
Semantic
Interlanguage Links – automatische Sprachanzeigen (gibt es
diese Seite in anderen Sprachen?) in Wikis mit Interwikis.
Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat
Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für
Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen
beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht,
die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes
voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und
Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht
schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller
Erfolg.
Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der
schönen Fabra
i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40
Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen
teil.
Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal,
die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert
ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses
Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist
noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition
eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und
Spottdrossel.
Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste:
ein Gedicht.
Wikipredia
Die Regeln existieren und doch
nicht nach Mondstand
Die Ethik absolut seit
Anbeginn nein denn ja
Die Praxis gesperrt verworfen
gelöscht freigeschaltet
Wikipredia Darwinismus der
Agenturen Überleben des
Dreistesten
Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)
Wikipedia-KNORKEerwähnte ich ja an
dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und
Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen
unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas
besonderes: Auf ins Museum!
In Berlin gastiert gerade die Darmstädter
Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem
Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und
Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des
16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren.
Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des
exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.
Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor
dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine
Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur
Sonderausstellung "Holbein
in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die
Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber
engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen
Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige
Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von
Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen,
sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der
besseren Kunstausstellungen.
Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten
Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des
Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des
Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation
war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir
staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem
Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied
zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt.
Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing -
vermutlich in der Martinskirche
als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus
Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum
Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum
spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen
über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt,
ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die
Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des
Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?
Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und
einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner
Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen
bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur
eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter
lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der
Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das
Darmstädter Gemälde. Eine Sensation, da die Kunstkennerschaft
vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes
ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein
sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der
Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die
Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich
später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem
ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen
naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die
originale der beiden bestätigten.
Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes
(beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus
unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das
Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".
Hans Holbein der Jüngere:
Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532.
Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen
Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz
Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden
Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der
Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der
Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer
Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist
Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise
fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch
mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete
wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London.
Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann
noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum
nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue
Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.
Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu
entdecken.
Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich
die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und
sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene
Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde
Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.
In der Ferne betrachtete ich die Türme des
Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der
Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im
Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg:
Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg
vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den
Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder
die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später
über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.
Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die
Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die
Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich,
unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes
Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig
ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.
Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte
ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der
Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der
Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über
Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu
sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr
Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch
damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu
machen.
Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl.
Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch
das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia
steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der
Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken.
Diese Gedanken bedurften des Kontextes.
Was ist die Wikimedia Foundation?
Die Wikimedia
Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie
zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und
Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik,
ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien
passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte,
ein Endowment von 90
Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen
US-Dollar.
Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia
Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich
kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie
ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben
keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel
oder legen Inhalte in den Projekten an.
Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer
Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich –
niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell
aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze
Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu
lassen.
Was ist das Board of Trustees?
Das Board of Trustees ist das
ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16
Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze
besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite
Communitywahl bestimmt.
Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450
Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board
eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick
über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe.
Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine
bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.
Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich
hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner
Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte
machen und besetzt die Geschäftsführung.
Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der
Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend.
Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief
Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen
Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf
dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die
Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell
und kompetent zu beenden.
Welche Kriterien habe ich?
Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien
erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie
sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen
eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten.
Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur
Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das
erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die
Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“
Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts
der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich
Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die
nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können.
Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine
allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr
spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht
kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu
stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen
können.
Welche Kandidaten?
Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier
Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie
Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele
Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die
fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.
Die Urgesteine
Dariusz
Jemielniak – Professor of Management,
daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der
intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.
Rosie
Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women
in red, you name it. Bei überraschend vielen der
Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie
Stephenson-Goodknight beteiligt.
Gerard Meijssen – gefühlt
war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht
der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.
Mike Peel – langjähriges
Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in
der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.
Ravishankar Ayyakkannu – Mr.
Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der
Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google)
zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht
nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und
Berufstätigkeit dort durchführte.
Lorenzo Losa –
Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.
Farah Jack Mustaklem – Software Engineer,
einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den
Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir
persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft,
andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.
Douglas Ian Scott –
Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania
2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am
Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser
kennenlernte – und begeistert war.
Iván Martínez – langjährig
engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich
hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.
Pavan Santhosh Surampudi –
Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell
etwas von Communities.
Adam Wight – Programmierer,
Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des
Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und
Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.
Vinicius Siqueira – in Wiki
Movimento Brasil
Newbies
Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene
Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte
oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren
Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.
Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur
Wen werde ich wählen?
Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des
Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das
Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden
bevorzugt.
Die Top 4
Douglas Ian Scott
Iván Martínez
Adam Wight
Dariusz Jemielniak
Top 8
Rosie Stephenson-Goodknight
Lorenzo Losa
Farah Jack Mustaklem
Gerard Meijssen
Wählbar
Reda Kerbouche
Pavan Santhosh Surampudi
Ravishankar Ayyakkannu
Wer wird wählen
Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem
Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig
angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben,
kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein.
Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu
erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen
Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es
hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.
Das Wahlsystem
Es gilt das Präferenzwahlsystem.
Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders
fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele
andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten
eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit
war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.
Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach
Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat
danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für
geeignet, hört man auf zu nummerieren.
Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“
gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus.
Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die
„2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden
weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele
Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.
Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am
Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich
öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die
nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert.
Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im
Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am
Bahnsteig.
Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner
Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren. Eine Frau
entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen
Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der
angezeigten 32.“
Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere
Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten
Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem
Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium,
die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von
Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?
Illustration aus
dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de
Neuville & Léon Benett
Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils
Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover
ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt.
Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche
Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr
normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen
Kindheit:
„Meine Mutter nannte dann immer eine
Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les
ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch
aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs
berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […]
Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene
Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir,
zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der
Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich
verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem
Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu
grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden,
Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das
alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker.
[…] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“
Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist,
sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?
Forschung Maschinenbau Braunschweig
Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht
normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir
„Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig
hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als
gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.
Braunschweig.
Bahnhofsvorplatz.
VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich
wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem
Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle
und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich
Willkommen.“
Vor allem aber fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie
unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte
keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die
irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass
selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten
gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber,
offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser
gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen
darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie
frisch aus der Packung genommen.
Wegbier. In
Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber
stilgerecht,
Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben
gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt.
Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle,
sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.
Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und
hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins
Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend,
wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen
auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr;
geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die
Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:
„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste
Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine
hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem
Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region
Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus
über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000
Beschäftigte in 250 Unternehmen der
Hochtechnologie[106]“
Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten
Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste
ist Braunschweig die innovationsfreudigste Region der EU vor
Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier
lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules
Verne.
Jules Verne
Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und
vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem
vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der
Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde
bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten
ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules
Verne und Gesprächen zu Wikipedia.
Volker Dehs
bestreitet das halbe Programm
Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den
1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau
eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war
als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum
ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen
können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in
die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere
niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.
Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er
als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure
und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren
Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in
Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich
gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die
Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden,
waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind.
Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht
besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.
Haus der
Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.
Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor
Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder
eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern
durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne
eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der
göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine
sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich
bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich
Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann
nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem
beeinflusst waren
Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die
Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden
wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste.
Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen
zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so
viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.
Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der
Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der
Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde
später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang,
dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer
weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang,Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich
habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden.
Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer
Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur
die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in
anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser
Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews
darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr.
(*Affiliate Links)
Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk
gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es
(fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne
Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese
vor allem dem Zweck zu reisen.
Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.
Die Phantastische Bibliothek
Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar
mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek
Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang
Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler.
Thadewald verstarb 2014. Er
lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch
persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit,
seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit
mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit
schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht
lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend.
Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des
Programms.
Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia
Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei
hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen:
Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der
Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers
zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die
Berichte werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von
Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden
wollen und in die Zukunft denken.
Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten
Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist
gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die
Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.
Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes
Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek
ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine
große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen
schreiben.
Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch
gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im
Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman
nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was
so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie
Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt
logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach
links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue
Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist,
dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.
Mensch Maschine Normal
Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket
meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese
Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“
vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die
Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws]
telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten
Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen
Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin
besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10
Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?
Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In
seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in
Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer
Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.
Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem
Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:
„Nichts gegen das große Geld und die
wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer
Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in
Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping
Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter
Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder
Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle,
Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt
es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien
beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man
in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss.
Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr
voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal
schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen
Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von
struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)
*Dieser Post enthält Affiliate Links zu geniallokal. Es
handelt sich dabei um Werbung. Ich bekomme eine kleine Provision,
wenn ihr dort bestellt, und ihr habt bei den Guten
bestellt.
I still remember the time when real life meetings for
Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one
really want to meet these strange other people from the Internet?
How would they be? Could they even talk in real life or would they
just sit behind a laptop screen staring on it for hours?
My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in
Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!)
sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen.
These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and
personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the
movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice
evening.
So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the
old school way. Half improvised, organized by our dearest local
troll user:Schlesinger
on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come
and what would happen except some people having a good time.
And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg
seven people promised to come, in the end we were almost twenty.
Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian
active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a
half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia
Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we
just talked and laughed, talked about history and future.
Actually, mostly we talked about future.
About the Wikipedian above 30, who has just started a new a
university degree in archaeology, the question whether the Berlin
community should have its own independent space, industrial beer,
craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the
temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending
machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the
future, who should come to the open editing events, how to work
better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there,
looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather
not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia
to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.
No frustration, almost no talk about meta and politics, just
Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be
active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old
school. So good.
Crossposting eines Posts von mir aus demWikipedia
Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere
Menschen.
Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal
weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten
Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen
spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und
Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind
und gearbeitet haben.
Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias
kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie
armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten -
fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden.
Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter
einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und
Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor
allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder
verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von
Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im
Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie
unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an
einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass
sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die
Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr
fleißige Autorin? Wer weiß?
Viele Wikipedianerinnen und
Wikipedianer sind derzeit inaktiv.
Anlässlich des Projektes
WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele
Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele
Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher
fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer
sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir
bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat,
musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter
Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren
dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört
haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre
Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend
war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in
Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um
diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas
Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der
Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige
Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding
in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.
Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße.
Ein Mammutwerk von Gtelloke,
dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast
ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.
Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung
Invalidenstraße von Gtelloke
Da ist der Artikel zum Wedding selber.
Angelegt 2002 von Otto, dessen
letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann
maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich
auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu
Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren
Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im
November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur
Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite
zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König
ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes!
Licht und Liebe''
Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64,
auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und
acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die
Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von
berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute
noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin
freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel
etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.
Der Leopoldplatz;
angelegt von Frerix, der in
den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur
eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine
Diskussion verwickelt wurde. Zu seinen wenigen Beiträgen
gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage
der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in
Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg.
Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine,
die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv
ist.
Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend
wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte
in seiner Frühzeit von WHell,
engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher
Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der
letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich
möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den
Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten
Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den
späteren Jahren durch Peterobst –
aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur
Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner
und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten
80.226.238.197, von Georg
Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht
unregelmäßig), Flibbertigibbet
2006 ,
79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine.
Weiter ausgebaut von Onkel
Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und
vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit
der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und
hielt sich im Wesentlichen daran.
Da ist der Volkspark
Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005,
aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut,
umfassend überarbeitet 2007 von
84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka.
Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014,
die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.
Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin
Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in
Berlin, Wedding (Mitte). Von:
Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch
heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und
Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv,
Magadan,
Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.
Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur
einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen.
Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an
den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich
weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir
angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine, Fridolin
freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt
sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns
kamen.
Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über
Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der
serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen
haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind,
rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.
Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah
sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon
zumindest ein Admin gebannt.
Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder
genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit
gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp
behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen
einen Genozid an Deutschen verübt hätten.
Der ganze Bericht kann
hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl
traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht
aufklären und nicht Propaganda verbreiten!
Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen,
sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es
nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.
Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die
Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry
und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel
Erfolg!
Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite
zur
Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen
stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder
auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine
ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und
logischen Extremsports.
Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad
(1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo:
102.
Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:
"Warum
gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit
Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach
Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir
auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft
bestätigt worden. Warum?"
Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die
immerhin folgendes ergab:
* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten
sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli,
darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der
DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere
Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in
vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die
westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als
Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war
Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde
Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen,
Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce
Carbonara!
Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild:
Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian
Ammon, Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an
exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti,
Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika
des geteilten Deutschlands.
Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber?
Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?
Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige
Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische
"Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen
Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl
Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni
werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30
Minuten gekocht.
Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal
Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als
"Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte
man darauf, daß sie nicht hohl sind"
Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur
bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine
Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar
schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.
Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine
Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch
Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das
frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen"
waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts
entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.
Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus
Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für
junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische
europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber
anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern
auch Pasta.
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild:
Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade,
1773.
In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni
für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed
and even spoke in an outlandishly affected and epicene
manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch:
"Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch
die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.
Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern
ist nun wiederum im Englischen der Macaroni
penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.
Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil,
nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South
Georgia von Liam Quinn,
Lizenz: CC-BY-SA
2.0
Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann?
Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia
of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen
Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge
unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert.
Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ
problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da
maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte
stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im
Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form
des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter
anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum
trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild:
Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di
maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo:
6204.
Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR
zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern
plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die
Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in
der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu
"Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der
DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab?
Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in
vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es
ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu
recherchieren.
Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten
Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines
davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.
Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer
Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich
ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so
fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger
vereisen ließ.
Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener,
Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter
verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der
Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die
Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen
und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über
der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.
„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz!
Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns
problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie
antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte
Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner
ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.
Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein
sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette
wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das
Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir
Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu
erfrieren.
Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am
Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der
Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im
Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße
Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es
nur scheißkalt. Ich gehe.“
Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video
erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia
Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für
die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den
Link.
Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast
nur Technik und kreative Sachen.
Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll
gehen?
Southgeist: Schau doch mal.
Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner
Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären
kaputt.
Hüpfburg: I like the music.
Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.
Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen?
In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom
Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber,
was für Tools vorkommen.
Die coolest Tools
Ich erzählte.
Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser
(Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot
generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer
noch ihre Seiten“), Proofread
Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“),
Listen to Wikipedia
(„Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer
kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den
Event integrieren“), AbuseFilter
(„Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I
like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools.
(„Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)
Pywikibot
Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders
gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem
Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf
dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können
prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch
können – nur schneller.
Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch
muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als
ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl
gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum
Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein
Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt –
und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen
automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich
ausbremst.
Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem
Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle
Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die
sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von
Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia
war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was
Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die
Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die
heutigen Wikipedistas.
DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind
solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast
20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist
der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“
Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert
erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten
Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie
bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit
gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft
aber nur selten fundamental Neues.
Change Musiker to Musiker*innen
„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu
urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine
wichtige Aufgabe erfüllt.
DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle
‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse.
Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“
DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so
strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie
einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an
die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki
aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“
Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun
und die sind superfreundlich dort.“
DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das
wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch
nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da
haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter
dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich
noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine
gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die
Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende
Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“
„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und
die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle
Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris,
Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“
sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der
Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer
noch keinen Artikel von ihr.“
Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“
Ruhe. Hüpfburg dachte.
„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen
auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia
anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen.
Vielleicht ist es einen Versuch wert.“