Über das Grundgesetz, das in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert, ist vermeintlich alles bekannt. Wie die Tatsache, dass die Verfassung eben nicht nur Väter, sondern auch Mütter hat. Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und  Helene Wessel hießen die vier Frauen, die als Mitglieder des 65-köpfigen parlamentarischen Rates maßgeblich an seiner Ausarbeitung beteiligt waren. Selbstverständlich gibt es über sie auch eigene Wikipedia-Artikel.

Wie kam die Gleichberechtigung ins Grundgesetz?

Ein Monument von Elisabeth Selbert in Kassel.

Bei näherer Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zeigt sich allerdings, dass sich bis heute ein paar falsche Annahmen halten. Zum Beispiel bezüglich der Frage: Wie kam eigentlich die Gleichberechtigung ins Grundgesetz? Haben die vier erwähnten „Mütter“ unserer Verfassung wirklich in vereinter Schwesternschaft und über Parteigrenzen hinweg für den Artikel 3 gekämpft, wie es ein kleiner Lehrfilm der Bundesregierung nahe legt?

„Problematisch, entpolitisierend und vereinfachend“ nennt die Historikerin Dr. Kerstin Wolff vom Kasseler Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) diese Darstellung. Und fordert: „Es ist Zeit, zu differenzieren.“ Was sie in einem erhellenden Vortrag für knapp 30 online zugeschaltete Wikipedianer*innen beeindruckend unternimmt. Ein Fokus liegt dabei auf der Rolle, die Elisabeth Selbert als SPD-Mitglied gespielt hat. Selbert war Juristin und kämpfte zusammen mit ihrer Partei für den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, der in seiner vermeintlichen Schlichtheit weitreichende Gesetzesreformen nach sich zog. Der Satz war übrigens – auch das wissen viele nicht – einem SED-Verfassungsentwurf entlehnt.

Zwei Ja- und zwei Nein-Stimmen

„Wiki Loves Demokratie – Mütter des Grundgesetzes“ lautet der Titel dieser Wikipedianischen KultTour, die Wikimedia Deutschland zusammen mit dem AddF organisiert hat. Wikipedianischen KulTouren sind halb- bis eintägige Veranstaltungen, bei denen sich Wikipedianer*innen online oder in Präsenz treffen und gemeinsam eine ausgewählte Ausstellung oder eine Kultureinrichtung unter fachkundiger Führung besuchen. Diesmal geht es also digital nach Kassel (wo gemeinsam mit dem AddF zuletzt eine GLAM digital-Veranstaltung zur Rolle der Frauen bei der Revolution von 1848/49 stattfand).

Kerstin Wolff und Laura Schibbe, die am AddF die Öffentlichkeitsarbeit leitet, stellen zunächst das Archiv mit seinen über 38.000 Magazin-Titeln und entsprechend umfangreichen Recherchemöglichkeiten vor. Anschließend widmet sich Wolff in ihrem Vortrag der Frage: „Wie kam die Gleichberechtigung ins Grundgesetz?“.

Wolff führte weiter aus, dass ein erster, an der Weimarer Verfassung orientierter Entwurf für den Artikel 3 lautete: „Männer und Frauen haben grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“. Das aber, erläutert Wolff, hätte sich vor allem auf das Wahlrecht bezogen – und nicht auf das patriarchal geprägte Familienrecht, das Elisabeth Selbert aus ihrer Praxis als Familienanwältin nur allzu gut kannte. Unter anderem waren Ehefrauen damals wirtschaftlich vollkommen abhängig von ihren Männern. Die von Selbert eingebrachte Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ fiel bei Abstimmungen im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats allerdings erst einmal durch – auch Helene Weber von der CDU und Helene Wessel von der Zentrumspartei stimmten dagegen.

Der israelische Künstler Dani Karavan hat in drei Meter hohe Glasscheiben, die einen Außenhof des Jakob-Kaiser-Hauses im Uferbereich zur Spree begrenzen, die 19 Grundrechtsartikel des Grundgesetzes mit Laser eingraviert. Hier ist der dritte Artikel zu sehen.

Revolutionen brauchen Netzwerke

Elisabeth Selbert gab nicht auf und fand Verbündete. „Revolutionen“, so Wolff in ihrem Vortrag, „brauchen Netzwerke.“ Zusammen mit der Parteigenossin Frieda Nadig und Herta Gotthelf, der Frauensekretärin der SPD, versuchte sie einen Proteststurm von Frauenverbänden und Einzelpersonen zu entfachen. Auch wenn die später kolportierten „Waschkörbe voller Protestschreiben“, die angeblich den Parlamentarischen Rat erreichten, nach Ansicht von Historiker*innen wohl eine Übertreibung sind – die Aktion hatte Erfolg. Der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wurde im Artikel 3 festgehalten.

Über Selbert, die Wolff als „Mutter der Gleichberechtigung im Grundgesetz“ bezeichnet, existiert beim AddF auch ein ausführliches, an Quellen reiches Online-Dossier – wie über etliche weitere Pionierinnen der Frauenrechte in Deutschland. Eine Fundgrube also für Wikipedianer*innen, die Aspekte in bestehenden Artikeln ergänzen oder neue Texte anlegen wollen. Zumal das Themenfeld Frauen- und Geschlechtergeschichte in der Wikipedia noch viele Lücken aufweist, wie die Wikipedianerin Leserättin in einem spannenden Vortrag für die Teilnehmenden der Veranstaltung ausführt.

Problemfall Theoriefindung

Es ist allerdings oft auch nicht leicht, mehr Wissen aus diesem Fachgebiet einzubringen, wie Leserättin am Beispiel ihres Artikels über die sogenannte Damengalerie in der Frankfurter Paulskirche beschreibt. Denn laut den Relevanzkriterien der Wikipedia ist keine „Theoriefindung“ erlaubt – darunter fällt auch „die Einführung nicht gebräuchlicher Fachausdrücke oder Termini“. Ist die „Damengalerie“ ein gebräuchlicher Begriff? „Gerade wenn es um Themen geht, die nicht zum Schulbuchwissen oder der Allgemeinbildung zählen, bleibt es eine Herausforderung, sie in der Wikipedia abzubilden“, beschreibt Leserättin. Die Wikipedianerin entschied sich schließlich für den Volltitel „Damengalerie oder Damenloge der Frankfurter Nationalversammlung.“

Genügend Wissen, das nach Ansicht der Teilnehmer*innen seinen Platz in der freien Online-Enzyklopädie verdient hätte, wurde jedenfalls im Rahmen dieser Wikipedianischen KulTour vermittelt. Ob Elisabeth Selbert bald als „Mutter der Gleichberechtigung im Grundgesetz“ in der Wikipedia beschrieben wird, bleibt abzuwarten. Alle Teilnehmenden waren jedenfalls froh – das zeigten die Kommentare im Chat – bei dieser Wikipedianischen KulTour an so spannende Diskussionspunkte gelangt zu sein.

 

Lust, mehr zu erfahren?

Eine Übersicht über vergangene und anstehende Wikipedianische KulTouren gibt es hier.

Unter diesem Link finden sich alle Informationen rund um die GLAM-Veranstaltungen von Wikimedia Deutschland­ – Kooperationen mit Kulturinstitutionen wie Galerien, Archiven, Bibliotheken und Museen, die sich dem Freien Wissen öffnen. Inklusive Terminkalender!

Wikipedia und Wikimedia zu Gast beim Bundespräsidenten

Wednesday, 25 September 2024 07:29 UTC

Das Motto des diesjährigen Bürgerfestes lautete „Pamoja – gemeinsam stärker“. Das trifft definitiv auch auf die Wikipedia, das freie Medienarchiv Wikimedia Commons und die offene Wissensdatenbank Wikidata zu. Denn tausende Freiwillige pflegen und erweitern die Artikel, Medien und die Daten, auf die wir alle täglich frei zugreifen können.

Publikumsmagnet Glücksrad

Nachdem die grauen Wolken vom Freitag sich verzogen hatten, stand am Samstag bei schönstem Sonnenschein ständig eine Schlange vor dem Stand der Mercator-Stiftung, an dem wir gemeinsam mit anderen vor Ort waren. Vor allem das bunte Glücksrad stieß auf großes Interesse. Kinder wie Senior*innen wollten ihr Glück versuchen und Wikipedia-Bleistifte, die begehrten Wikipedia-Jutebeutel und viele andere Preise gewinnen. Neben einigen Rätselfragen (Wie viele gedruckte Bücher würde die Wikipedia ergeben?) wollten wir auch wissen, was die Besucher*innen über die Wikipedia wissen, wie für sie offene Bildung aussehen müsste oder zu welchem Thema sie einen Wikipedia-Artikel schreiben würden.

Zum Glück waren wir gleich mit mehreren Kolleg*innen aus den Teams Community-Förderung sowie Bildungspolitik und digitales Kulturgut vor Ort und konnten die vielen Fragen rund um Wikimedia-Projekte beantworten, die sich dabei ergaben.

Frag die Wiki-Expert*innen

Doch wir haben nicht nur den Besuchenden Fragen zur Wikipedia gestellt. Wer das Glücksrad auf die Kategorie “Und sonst so… Deine Frage an uns” drehte, konnte den Spieß umdrehen. Besonders häufig kam dabei die Frage auf, wie sichergestellt wird, dass die Informationen in der Wikipedia sachlich richtig und aktuell sind. Die Antwort war ein Grund für die lange Schlange vor dem Stand. Denn es gibt viele Faktoren, die zur Verlässlichkeit der Wikipedia beitragen. Das fängt an bei den Relevanzkriterien und geht über klare Regeln dafür, wie Wissen belegt werden muss, bis zu einer Definition, was eben nicht in die Wikipedia gehört: Gerüchte, Propaganda, unbelegte Theorien und einiges mehr. Auch die große Anzahl derer, die aktiv dazu beitragen, dass die Wikipedia funktioniert, war kaum jemandem bekannt.

Viel Fragende waren überrascht zu erfahren, dass wirklich alle Wikipedia-Aktiven ehrenamtlich zur Online-Enzyklopädie beitragen. Und immer wieder ging es darum, welche Rolle Transparenz spielt. Viele wussten nicht, dass über die Versionsgeschichte eines Artikels jederzeit für alle nachvollziehbar ist, was wann geändert wurde und dass sie auch die Regeln zum Arbeiten in der Wikipedia jederzeit einsehen können.

Bei den Fragen danach, ob die deutschsprachige Wikipedia ausdrucken wirklich 3.406 gedruckte Buchbände umfassen würde wahr oder falsch sind, haben häufig Eltern und Kinder gemeinsam gerätselt. Sie waren beeindruckt davon, wie viel Arbeit und wie viel Wissen in den Wikimedia-Projekten steckt.

Auflösung: Die Wikipedia in all ihren Sprachversionen wächst ständig. Daher kann man die genaue Anzahl der Bücher nicht berechnen. Es hängt natürlich auch davon ab, wie viele Seiten so ein Buch hätte. Es gab zu unterschiedlichen Zeiten Studien und Schätzungen, nach denen es 1.717  bzw. 3.406 für die deutschsprachige Wikipedia waren.

Viele Wikimedia-Themen im Gepäck

Neben vielen Fragen zu Wikipedia, Wikimedia Commons und Wikidata wollten die Gäste auch wissen: Was heißt das eigentlich, Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens? So kamen wir ins Gespräch darüber wie Wikimedia Deutschland den freien Zugang zu Wissen noch fördert. Etwa mit unserem Programm Öffentliches Geld – Öffentliches Gut, mit dem wir uns gegenüber Politikschaffenden, öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Ministerien dafür einsetzen, dass alles, was mit öffentlichem Geld finanziert wird, für uns alle zugänglich ist. Immer mehr Redaktionen im ZDF und ARD haben wir bereits davon überzeugt, dass Wissens- und Informationsinhalte mit freien CC-Lizenzen für uns alle nachnutzbar sein sollten.

Es ging um unsere Arbeit mit Kulturinstitutionen und mit Freiwilligen in den Wikimedia Projekten, mit denen wir dazu beitragen, dass mehr Bestände unseres kulturellen Erbens digital und frei zugänglich werden. Oder um das „Forum Offene KI in der Bildung“, bei dem wir zehn Handlungsempfehlungen für den Einsatz von offenen statt intransparenten KI-Anwendungen in Schulen entwickelt haben – und in die Bildungspolitik tragen. Die Empfehlungen haben wir mit Expert*innen aus dem Bildungsbereich erarbeitet. Mit Wissenschaftler*innen und Bildungspraktiker*innen, die ebenso wie Wikimedia Deutschland davon überzeugt sind, dass wir uns nicht von den intransparenten KI-Anwendungen der Tech-Riesen abhängig machen sollten, klare Regeln für den Einsatz von KI in der Bildung brauchen, aber auch Wissen darüber, wie diese Technologien funktionieren.

Am Ende kam dann fast die Polizei

Am Ende des Tages haben wir alle Wikipedia-Geschenke und viel Wiki-Wissen unter die Leute gebracht. Beim Verstauen unserer Habseligkeiten vor dem Schloss Bellevue wurde es dann fast brenzlig. Der große Wikipedia-Ball, der zuvor unseren Stand markiert hatte, musste ins Taxi verfrachtet werden. Das war einem der jungen Besucher offenbar nicht ganz geheuer. „Guck mal, da klaut jemand den Wikipedia-Ball”, erklang es plötzlich. Die Situation konnte zum Glück geklärt und ein Polizeieinsatz vermieden werden. Der Ball ist sicher im Büro von Wikimedia Deutschland angekommen und wartet auf den nächsten Einsatz.

Immer mehr Menschen nutzen KI-Anwendungen – auch für die Informationsbeschaffung. Umso wichtiger ist es, dass sie mit verlässlichen Daten trainiert werden. Gleichzeitig dominieren große Unternehmen die Entwicklung von ChatGPT & Co. Um die Entwicklung gemeinnütziger KI-Projekte zu unterstützen und zu einem verlässlichen Informationsökosystem beizutragen, hat Wikimedia Deutschland ein neues Projekt gestartet, das die Nutzung der offenen Daten aus Wikidata erleichtert.

Wikidata stellt als offene Wissensdatenbank mit über 112 Millionen maschinen- und menschenlesbaren Einträgen eine zentrale Quelle für qualitativ hochwertige und offene Daten dar. Alle Wikimedia-Projekte, insbesondere Wikipedia, greifen auf diese Daten zu, um Informationen wie z. B. Einwohnerzahlen oder Geburtsdaten automatisch zu aktualisieren. Unterstützt von über 12.000 ehrenamtlichen Beitragenden bietet Wikidata eine umfassende und geprüfte Datenbasis. Für Entwickler*innen von Open-Source-Projekten sind die Daten zwar zugänglich – um sie auch für KI-Trainings nutzen zu können, fehlen ihnen aber oft die Ressourcen. Diese stehen meist nur großen Technologieunternehmen zur Verfügung.

Vektorisierte Daten für maschinelles Lernen

Ziel des neuen Projektes ist es, künftig vor allem auch kleineren Open-Source-Projekten die Möglichkeit zu geben, die Daten aus Wikidata zu nutzen. Daher hat sich Wikimedia Deutschland mit DataStax und Jina AI zusammengetan, um die Wikidata-Daten so aufzubereiten, dass auch kleinere Projekte ohne die finanziellen und personellen Ressourcen großer Unternehmen sie nutzen können.

Im Mittelpunkt des neuen Projekts steht die Transformation der Wikidata-Daten in semantische Vektoren – ein aufwendiger aber notwendiger Schritt, den Open-Source Entwickler*innen in der Regel nicht alleine stemmen können. DataStax stellt hierfür eine leistungsfähige Vektordatenbank bereit, während Jina AI ein Open-Source-Modell zur Vektorisierung der Textdaten beisteuert.

Diese Umwandlung der Daten in Vektoren erlaubt es Entwickler*innen, semantische Suchanfragen effizienter durchzuführen und die Daten von Wikidata in ihre KI-Modelle zu integrieren. Das ermöglicht nicht nur eine schnellere und präzisere Suche, sondern vereinfacht auch den Prozess der Einbindung von Wikidata in sogenannte RAG-Anwendungen (Retrieval-Augmented Generation). Diese Anwendungen minimieren KI-Fehler, indem sie aktuelle und verifizierte Fakten in ihre Ergebnisse einfließen lassen.

Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, Vandalismus auf Wikidata besser zu erkennen. Da generative KI in der Lage ist, Inhalte massenhaft zu erstellen, kann dies auch zur Verbreitung von falschen Informationen beitragen. Die Vektorisierung der Daten ermöglicht es, potenziell schädliche Änderungen an den Wikidata-Einträgen schneller zu identifizieren und zu korrigieren.

KI und die Werte von Wikimedia Deutschland

Wikimedia setzt dabei auf die Werte der Transparenz und des freien Zugangs zu Informationen in Form von offenen Daten. Besonders im Hinblick auf generative KI, die oft fehlerhafte Inhalte generiert, ist die Bereitstellung validierter Daten eine wichtige Maßnahme, um die Qualität von KI-generierten Inhalten zu verbessern.

Dr. Jonathan Fraine, Leiter der Softwareentwicklung bei Wikimedia Deutschland, erklärt: „Viele Entwickler*innen teilen unsere Werte, aber der Zugang zu Wikidata ist für sie eine Herausforderung. Wir müssen den Prozess vereinfachen, um die enormen Datenvolumen für die neuesten generativen KI-Entwicklungen nutzbar zu machen.“ Lydia Pintscher, Portfolio Lead Wikidata, ergänzt: „Durch die Bereitstellung hochwertiger, offener Daten unterstützen wir die Communitys dabei, innovative Ideen zu entwickeln, die der Menschheit zugutekommen, statt kommerziellen Zwecken zu dienen.“

Wikidata als Basis für eine gerechtere digitale Zukunft

Die Bedeutung dieses Projekts liegt darin, die Daten von Wikidata als verlässliche Quelle für KI-Entwicklungen zu etablieren. In einer Zeit, in der KI-generierte Inhalte zunehmend das Internet dominieren, besteht die Gefahr, dass ungeprüfte und oft falsche Informationen verbreitet werden. Wikidata bietet hier eine stabile Alternative: Die Wissensdatenbank verfügt über ein enormes Datenvolumen und die Informationen sind öffentlich zugänglich, frei lizenziert und sie werden durch eine aktive Community ständig überprüft und erweitert.

Durch die Zusammenarbeit mit DataStax und Jina AI schafft Wikimedia Deutschland die technische Infrastruktur, um die offene Wissensquelle Wikidata auch für kleinere Entwicklerteams nutzbar zu machen. Langfristig kann dies dazu beitragen, dass sich Open-Source-KI-Projekte gegenüber den dominierenden Tech-Giganten besser behaupten können. Gleichzeitig wird der Zugang zu verlässlichen Daten für alle vereinfacht, was den demokratischen Zugang zu Wissen in einer digitalisierten Welt unterstützt.

Die Zukunft der KI bei Wikimedia Deutschland

Wikimedia Deutschland hat im Dezember 2023 mit der Umsetzung dieses semantischen Suchkonzepts begonnen. Die ersten Beta-Tests eines Prototyps sind für 2025 geplant. Dieses Projekt ist eine große Chance, KI-Anwendungen und das Informationsökosystem zu verbessern und gleichzeitig die Grundwerte der Offenheit und Transparenz zu wahren.

Dieses Vorhaben ist ein wichtiger Schritt in der Mission von Wikimedia Deutschland, Freies Wissen für alle zugänglich zu machen. Mithilfe von maschinellem Lernen und semantischer Suche wird der Zugang zu den wertvollen Daten von Wikidata weiter vereinfacht, was nicht nur die Entwickler-Community, sondern die Gesellschaft als Ganzes voranbringen kann.

Vorstellung des Projektes in Paris

Jonathan Fraine (Leiter der Softwareentwicklung bei Wikimedia Deutschland) und Lydia Pintscher (Portfolio Lead Wikidata) präsentierten das neue Projekt auf dem „AI_dev: Open Source GenAI & ML Summit Europe 2024“ in Paris. Die Präsentation ist auf YouTube verfügbar. 

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Entstanden ist die Idee der offenen Bildung im Fahrwasser der Openness-Bewegungen, die seit den 90er Jahren freie und offene Software entwickelt oder offene Wissensprojekte wie die Wikipedia gestartet haben. Während die beiden Ideen bald aus den USA nach Deutschland rüber schwappten, blieb offene Bildung hierzulande lange ein Nischenthema. Eine sehr aktive aber kleine Community erstellte Bildungsmaterialien, machte diese digital und frei zugänglich und arbeitete gemeinsam daran, Kompetenzen im Erstellen freier Lernmaterialien aufzubauen. In der Bildungspolitik, in der Lehrkräfteaus- und -fortbildung spielte offene Bildung aber kaum eine Rolle, wurde lange weder gefördert noch erforscht.

Warum sind offene Bildung und Open Educational Resources so fabelhaft?

Bildungsgerechtigkeit: Zugang zu Bildung hängt in Deutschland stark vom ökonomischen Status ab. Da OER für alle kostenlos zugänglich sind, können sie Bildungsgerechtigkeit stärken.  

Individualisierbar: Die freie Lizenzierung von OER führt auch dazu, dass jede*r die Materialien nach Bedarf anpassen kann.

Partizipativ: Lehrkräfte und Lernende erleben Lernen und Bildung durch die Offenheit der Materialien als ein Gut, das sie aktiv mit entwickeln können.

Ressourcensparend: Materialien, die frei zugänglich sind und digital geteilt werden können, müssen nicht hundertfach reproduziert – und gekauft – werden.

Um offene Bildungspraktiken und -materialien in der bildungspolitischen Agenda zu verankern, sie in der Bildungspraxis bekannter zu machen und in die Lehrerausbildung zu tragen, haben die Open Knowledge Foundation, Creative Commons und Wikimedia Deutschland 2014 das Bündnis Freie Bildung gegründet.

Zum zehnten Geburtstag des Bündnisses blicken wir auf Projekte, die Lehrkräften und allen anderen an OER interessierten Menschen nützen, die OER zugänglicher machen, Kompetenzen für offene Bildung stärken und mit denen das Bündnis in den bildungspolitischen Raum gewirkt hat.

In zehn Jahren Bündnis Freie Bildung sind nicht nur zahlreiche Mitstreiter*innen hinzugekommen. Das Bündnis hat sich, seine Ziele und Strategien auch ständig weiterentwickelt. Denn dank der Bündnisarbeit ist offene Bildung in der Lehre und in der Politik nach und nach besser verankert worden und die Bündnismitglieder waren immer wieder gefragt, sich mit Expertise und Positionen einzubringen. Das Foto zeigt die Mitglieder bei einem Strategieworkshop im Dezember 2023. Foto: Christopher Schwarzkopf (WMDE), Bündnis Freie Bildung Strategieworkshop 12. Dezember 2023 - 004, Cropped, CC BY-SA 4.0

Wir Lernen Online geht an den Start

Die Suchmaschine für OER gibt es seit 2020. Sie bietet in Fachportalen von B wie Biologie bis Z wie Zukunfts- und Berufsorientierung offene Lehrmaterialien an, die von Fachredaktionen geprüft wurden. Das Angebot ist also kuratiert. Über die Suchfunktion können Interessierte dann alle der mittlerweile über 230.000 OER nach Fachgebiet, Bildungsstufe oder auch nach Inhaltetyp filtern. Wer nach einem Video für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I zum Thema Logarithmen sucht, erhält so zum Beispiel 100 Treffer.

Wer bis 2020 auf der Suche nach offenen Lehrmaterialien war, fand sich schnell auf dem Weg von Pontius zu Pilatus – die OER-Landschaft war stark fragmentiert. Für Neulinge war zudem nicht gleich ersichtlich: Welche Materialien passen zu meinem Bedarf? Redaktionell kuratierte Angebote gab es kaum. Warum sich das ab 2020 geändert hat?

Als Wikimedia Deutschland und edu-sharing.net vom Bundesministerium für Bildungs und Forschung gefragt wurden, ob sie freie Bildungsmaterialien mit der Open-Education-Community erschließen und kuratieren können, war klar: Hier gibt es die Chance, das Thema offene Bildung in ein großes Bildungsprojekt einfließen zu lassen. Mit Wir Lernen Online ist damit nicht nur eine Suchmaschine entstanden, die erstmalig eine so große Menge an offenen Bildungsmaterialien auffindbar macht. Da Wir Lernen Online in unterschiedliche Redaktionssysteme der Länder, u.a. in die Bildungscloud eingebunden ist, können Lehrende die OER über die Cloud und damit direkt in ihrer Arbeitsumgebung finden und nutzen.

Bildungspolitik ko-kreativ gestalten: Das Forum Open Education

Beim Forum hat das Bündnis Freie Bildung Bildungspraktiker*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen mit Bildungspolitiker*innen zusammengebracht. Bei zahlreichen Workshops ist es gelungen, nicht nur Wissen auszutauschen, sondern auch gemeinsam an Strategien und Handlungsempfehlungen zu arbeiten, die offene Bildung fördern. Bildungspolitiker*innen konnten so auch direkt von Expert*innen erfahren, was Lehrkräfte und Schulen brauchen, um digitale und offene Bildung zu realisieren.

Auf dem Foto ist eine Gruppe von Menschen zu sehen, die um einen Tisch sitzt beziehungsweise an und vor Flipcharts und Pinnwänden steht. Anhand der vielen beschriebenen Zettel kann man erkennen, dass sie bereits miteinander an einem Thema gearbeitet haben. Entstanden isrt das Bild bei einem Arbeitsgruppentreffen beim Forum Open Education im Jahr 2019.
Gemeinsam aufzeigen, wie es gehen kann. Darum ging es beim Forum Open Education. In den Arbeitsgruppen zu Themen wie Lernen mit und über KI oder Lernen in regionalen Netzwerken und anderen haben die Teilnehmenden ihre verschiedenen Expertisen zusammen geführt und ergebnisorientiert an konkreten Handlungsempfehlungen für zeitgemäße Bildung gearbeitet. Foto: Leonard Wolf, Forum Open Education 2019 03, CC BY 4.0

In der Gruppe „Open Educational Resources in Hochschule und Lehrkräftebildung“ etwa haben Bildungspolitiker*innen wie Dr. Jens Brandenburger und Katja Suding mit den Pädagoginnen Nele Hirsch, Aliki Kaiser und andere Expert*innen zusammengearbeitet. Gemeinsam mit Dominik Theis von Wikimedia Deutschland haben sie konkrete Vorschläge dafür entwickelt, an welchen Punkten in der Lehrkräfteausbildung das Thema  „digital literacies“ verankert werden sollte, welche Ressourcen es dafür braucht bzw. welche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen.

Offene Bildung vernetzen, lokale Communitys sichtbar machen

Die OER World Map macht es möglich, die relevanten Personen, Projekte und Organisationen, Werkzeuge, oder OER-Policies in verschiedenen Regionen oder Staaten zu finden. Sie macht damit auch das weltweite Ökysystem der offenen Bildung sichtbar. Neben der Suchfunktion, über die man je nach individuellem Interesse und nach Weltregionen filtern kann, bietet die Karte auch die Möglichkeit, Daten zu exportieren und weiter zu verwenden. Und natürlich ist mitmachen gefragt! Die FAQs für Editorinnen und Editoren erklären, welche Informationen man wie beitragen kann.

Ein Screenshot, der die OER World Map zeigt, über die man Projekte, Materialien, Menschen, Institutionen oder Policys zum Thema offene Bildung bzw. Open Education finden kann. ZU sehen ist auf blauem Hintergrund der Umriss aller Kontinente und mit schwarzen Punkten sind mögliche Suchergebnisse markiert.

Wie so viele Projekte von Menschen aus dem Bündnis Freie Bildung ist die OER World Map ein Gemeinschaftsprojekt. Bereits seit 2014 tragen verschiedene Akteur*innen dazu bei, neue Inhalte zu ergänzen. Entwickelt hat die Karte Jan Neumann vom Hochschulbibliothekszentrum Nordrhein-Westfalen mit der Open University und gefördert von der William and Flora Hewlett Stiftung. Seit 2023 hat die  OERinfo |Informationsstelle Open Educational Resources am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation das Projekt übernommen und treibt seinen Ausbau voran.

In zehn Jahren wurde viel erreicht

Die Bilanz vom Bündnis Freie Bildung zeigt vor allem eins: Unermüdliches Engagement, die Bündelung unterschiedlicher Expertisen und das Teilen von Wissen mit bildungspolitischen Akteur*innen zahlen sich aus. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat mittlerweile immerhin eine nationale Strategie zur Förderung von Open Educational Resources entwickelt, an deren Entwicklung sich das Bündnis mit eigenen Strategie-Inputs beteiligt hat. Doch nun geht es unter anderem um die Implementierung der Strategie in der Lehkräfterausbildung und fortbildung. Um die Bildung und vor allem die Lehrpraxis zu öffnen, braucht es neben den zeitlichen und finanziellen Ressourcen auch entsprechende Kompetenzen.

Um aufzuzeigen, wie man diese Kompetenzen entwickeln kann, hat das Bündnis mit die Offenheitskompetenzen entwickelt. Darin beschreiben die Bildungspraktiker*innen und Forschende, welche Fähigkeiten Lehrkräften wie entwickeln können, damit sie eine offene Bildungspraxis umsetzen können und digitale Kompetenzen erweitern können. Zusätzlich dazu gibt es Lernressourcen, mit denen Lehrkräfte den Einstieg in eine offene Bildungspraxis auch ein Stück weit selbst in die Hand nehmen können.

Aus Anlass der 100. Gastvortragenden wird es Zeit für eine Zwischenbilanz. Die 100 Vortragenden kamen aus 64 Institutionen. Bei den bisher 41 Veranstaltungen begrüßten wir 1022 Teilnehmende. Die beteiligten Institutionen reichten von großen Häusern wie dem Kunsthistorischen Museum in Wien oder dem Museum Barberini in Potsdam bis zu Entdeckungen wie dem Archiv deutscher Frauenbewegungen oder dem Osttiroler Bauernhofmuseum Wurzerhof. Auch Museumsverbände oder nationale UNESCO-Kommissionen zählten zu den Gästen.

Das inhaltliche Spektrum war groß: vom Schärfen des kunsthistorischen Blicks auf das einzelne Ausstellungsobjekt bis zum Begreifen gesellschaftspolitischer Zusammenhänge in der Geschichte von Minderheiten. Doch Wissensvermittlung ist keine Einbahnstraße. Auch die Institutionen gewannen im Gespräch neue Einsichten in freies Wissen und die Wikimedia-Projekte. Wir können mit GLAM digital alten und neuen Kooperationspartnern ein attraktives zusätzliches Angebot geben, mit dem sie niederschwellig in direkten Kontakt zu unseren Communitys in Deutschland und Österreich treten.

GLAM steht für Galleries, Libraries, Archives, Museums. Das Ziel der GLAM-Projekte ist es, das gesammelte Wissen dieser Institutionen mithilfe der Wikimedia-Projekte allen frei zugänglich zu machen. GLAM digital ist eine Veranstaltungsreihe von Videokonferenzen mit ausgewählten Kultur- und Gedächtnisinstitutionen. Die üblicherweise zweistündigen Einzelveranstaltungen bestehen aus einem Fachvortrag der Institution zu einem bestimmten Thema. Anschließend treten die Wikipedia-Community und die Institutionen in den Dialog. Die Reihe wird gemeinsam von Wikimedia Deutschland und Wikimedia Österreich koordiniert und unterstützt.

Die nächste GLAM digital-Veranstaltung findet am Montag, 16. September 2024, von 18 bis 20 Uhr mit dem Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) statt. Der Titel: In Holz machen: Möbelkunst, Restaurierung, Archivierung im MAK.

Wie alles begann

Während der ersten großen Covid-Lockdowns im Februar und März 2021 begannen Wikimedia Österreich und Wikimedia Deutschland, zunächst nebeneinander, mit den ersten GLAM-Videokonferenzen dieser Art. Diese waren als Übergangslösung gedacht und als behelfsmäßige Übersetzung von bestehenden GLAM-Veranstaltungsformaten in den virtuellen Raum. Bald zeichnete sich ein unerwarteter Mehrwert ab.

Bei der allgemeinen Community-Befragung von Wikimedia Österreich im Jahr 2021 wurde abgefragt, der Besuch welcher Art von virtuellen Wikimedia-Veranstaltungen interessant wäre. Bei den Antworten standen Gastvorträge von Kulturorganisationen ganz oben. Beim direkten Feedback der Teilnehmenden in der Wikipedia bekamen wir Dinge zu lesen wie: „großen Dank für die tolle, kurzweilige Führung und die Geduld mit unseren Fragen“ und „ich wäre für eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe sehr dankbar und freue mich schon darauf.“ Wikimedia Österreich und Wikimedia Deutschland vereinten daraufhin ihre Aktivitäten und entwickelten ein Konzept für GLAM digital als gemeinsame ständige Veranstaltungsreihe.

Wie es weitergeht

Auch für nächstes Jahr planen wir wieder zehn virtuelle Einzelveranstaltungen. Die jeweils zweistündigen Videokonferenzen sollen wie üblich Montag abends stattfinden. Alle interessierten Wikipedia-Aktiven sind zur Teilnahme an den Treffen eingeladen, es gelten unsere Spielregeln für Videokonferenzen. Die Anmeldung erfolgt jeweils auf der Wikipedia-Seite zur Einzelveranstaltung. Außerdem können sich Interessierte auch auf die Einladungsliste für GLAM-Veranstaltungen setzen lassen und erhalten dann eine Benachrichtigung über anstehende Veranstaltungen auf ihrer Benutzer-Diskussionsseite.

Nicht nur Wikimedia Deutschland feiert in diesem Jahr sein 20. Jubiläum, auch die freie Wissensdatenbank Wikimedia Commons ging vor zwei Jahrzehnten an den Start. Mittlerweile umfasst die größte freie Mediensammlung der Welt über 100 Millionen gemeinfreie und frei lizenzierte Fotos, Audio- und Videodateien. Die Inhalte können nicht nur in allen Wiki-Projekten wie der Wikipedia eingebettet, sondern von uns allen überall und jederzeit genutzt werden.

Erik Möller ist freier Journalist, Buchautor und Softwareentwickler. Er engagierte sich seit 2001 als Autor und ehemals als Entwickler für die Online-Enzyklopädie Wikipedia und ihre Schwesterprojekte. Ab September 2006 war er Mitglied im Vorstand der in San Francisco ansässigen Wikimedia Foundation, bis er anschließend von Anfang 2008 bis April 2015 als stellvertretender Geschäftsführer fungierte.

Erik, die Mediensammlung Wikimedia Commons umfasst heute über 108 Millionen Dateien unter freier Lizenz, Tendenz steigend. Unter anderem bezieht die Wikipedia daraus ihre Fotos, Grafiken, Audio- und Videodateien. Was hat damals den Impuls zum Start des Projekts gegeben? 

ERIK MÖLLER: In der ersten Version der Wikipedia-Software gab es noch gar keine Funktion, um Bilder hochzuladen. Wer ein Foto in der englischsprachigen Wikipedia einstellen wollte, musste es per Mail an einen Mitarbeiter von Jimmy Wales schicken. Diese Uploadfunktion wurde dann zwar recht schnell eingeführt, im Jahr 2002. Allerdings hatte jede Sprachausgabe ihre eigene Funktion. Wenn also ein Bild in der englischsprachigen Ausgabe hochgeladen war, zum Beispiel von einem Prominenten oder einer Sehenswürdigkeit, stand es nicht automatisch in den Artikelversionen der deutschen oder französischen Wikipedia zur Verfügung, sondern musste dort erneut eingestellt werden.

Klingt reichlich kompliziert… 

Zu der Zeit war es auch noch so, dass jede Wikipedia ihre eigene Nutzerdatenbank hatte. Wer ein Bild aufgenommen hatte und es in zehn verschiedene Sprachversionen einbinden wollte, musste sich zehn Benutzerkonten anlegen – für jede Sprachversion ein eigenes. Die Software war einfach nicht dafür gedacht, ein so großes, mehrsprachiges Projekt zu unterstützen. Als Freiwillige der Wikipedia haben wir uns deshalb dafür eingesetzt, den Bilder-Upload zu zentralisieren. Es gab dazu verschiedene Vorschläge, ich habe einen davon geschrieben und ihn Wikimedia Commons genannt.

Was beinhaltete Dein Vorschlag? Wie sollte Wikimedia Commons aussehen? 

Ich habe gleich angeregt, dass sich diese Datenbank nicht nur auf Bilder beschränken, sondern alle Arten von Medieninhalten wie Audio- oder Videodateien zur Verfügung stellen sollte – unter freier Lizenz. Die freie Lizenzierung war aus meiner Sicht ein notwendiger Schritt. Die englischsprachige Wikipedia erlaubte damals – und erlaubt es übrigens auch heute noch – dass zum Beispiel Buchcover oder Screenshots verwendet werden, die unter den Urheberrechtsschutz fallen. Da greift dann die Copyright-Ausnahme „Fair Use“, die aber nur für spezifische Anwendungen gedacht ist. Bei einer Datenbank mit Inhalten, die jeder downloaden und nutzen können soll, fehlt dieser Kontext. Deswegen habe ich dafür plädiert, dass nur frei lizenzierte Inhalte erlaubt sind.

Wie wurde Deine Commons-Idee aufgenommen?

Die meisten Community-Diskussionen fanden zu der Zeit auf Mailinglisten statt. Ich habe die Idee also im März 2004 in der Liste der Wikipedia-l eingereicht – vergleichbar mit der heutigen Wikimedia-l – und durchaus positive Resonanz bekommen. Mein Vorschlag war allerdings ein bisschen zu kompliziert, ich wollte ursprünglich, dass wir Wikimedia Commons nur starten, wenn wir auch die Benutzerkonten zentralisieren und die Benutzer-Schnittstelle für den Bilder-Upload aufbauen. Dafür gab es allerdings gar nicht die technischen Ressourcen.

Wie und in welcher Form ist Wikimedia Commons dann gestartet?  

Am direkten Launch war ich nicht beteiligt. Tim Starling hat die Datenbank aufgesetzt, koordiniert wurde das Projekt von Angela Beesley, die damals gerade ins Board der Wikimedia Foundation berufen worden war. Aber dann habe ich gesehen, wie viele Freiwillige sich schon in den ersten Tagen an Wikimedia Commons beteiligt haben – trotz des Fehlens der beschriebenen Funktionen. Das war für mich der entscheidende Hinweis, dass es sich lohnt, weiter Zeit zu investieren. Also habe ich begonnen, Software-Funktionen für die Datenbank zu schreiben.

Welche zum Beispiel?

Mit am Wichtigsten war sicher, dass ich die Möglichkeit geschaffen habe, Bilder aus Wikimedia Commons in die anderen Wikimedia-Projekte einzubetten. Als das Projekt startete, konnte man die Bilder nicht automatisch in der Wikipedia verwenden, sie lagen einfach in der Datenbank. Erst im Oktober 2004 gab es diese Grundfunktion.

Wie schnell ist Wikimedia Commons gewachsen?

Ziemlich schnell. Ich selbst habe einen Bot geschrieben, der beispielsweise aus Flickr die cc-lizenzierten Werke automatisch herunter- und bei Commons hochlädt. Wir haben auch in den ersten Jahren schon große Bilderspenden bekommen. Wegen einer erhalte ich heute noch Nachrichten auf meiner Tag Page. Ein DVD-Hersteller hatte uns eine Bilddatenbank mit 10.000 Gemälden unter Public Domain geschenkt. Allerdings nicht in bester Qualität. Manchmal schreiben mir noch Leute, dass sie ein Werk aus dieser Spende durch eine hochauflösendere Version ersetzt haben (lacht).

Wie lange hast Du das Projekt begleitet? 

Ich bin im Dezember 2007 Mitarbeiter der Wikimedia Foundation geworden und war bis 2015 stellvertretender Geschäftsführer. Als Festangestellter hat sich meine Beziehung zu den Wikimedia-Projekten natürlich etwas verändert, aber ich war weiterhin an der Einführung von bestimmten Software-Verbesserungen beteiligt, darunter der Upload Wizard, ein Assistent zum Hochladen von Dateien.

Ist Wikimedia Commons das geworden, was Du Dir damals vorgestellt hast? 

Allein die Zahl von frei lizenzierten Werken, die man dort heute in hoher Qualität findet, ist erstaunlich. Ich finde es auch toll, welche GLAM-Partnerschaften mit Museen und anderen Kultureinrichtungen entstanden sind. Oder dass Wettbewerbe der Communitys wie Wiki Loves Monuments und Wiki Loves Earth auf Wiki Commons aufbauen.

Wo siehst Du trotz allem noch Verbesserungspotenzial? 

Wiki Commons fristet im Vergleich zur Wikipedia immer noch ein Schattendasein, viele werden auf die Datenbank nur aufmerksam, wenn sie sich bei Wikipedia beteiligen und ihnen vorgeschlagen wird, ein Bild hochzuladen. Und auch bezüglich der Wikipedia-App sehe ich noch Potenzial. Zumindest in der Android-Version sehe ich keine direkte Einladung, ein Foto einzustellen. Man könnte noch viel mehr Menschen erreichen und Ihnen Lust darauf machen, ihr eigenes Umfeld zu dokumentieren.

Trägst Du selbst heute noch zu Wikimedia Commons bei? 

In den vergangenen Jahren habe ich regelmäßig alte Postkarten aus Chicago hochgeladen. Ein Freund, der eine enge Beziehung zu dieser Stadt hat, schickt sie mir, ich scanne sie ein, beschreibe sie und stelle sie bei Commons zur Verfügung. Das symbolisiert für mich das Potenzial einer freien Datenbank: jede und jeder kann dazu beitragen, dass Geschichte festgehalten und die Welt dokumentiert wird. Das finde ich nach wie vor spannend.

5 Praxistipps für die Bildersuche in Wikimedia Commons

Saturday, 7 September 2024 06:00 UTC

Wikimedia Commons (deutsch „Die Wikimedia-Allmende“) wurde am 7. September 2004 ins Leben gerufen und ist eine einzigartige Fundgrube für frei lizenzierte Medien, offen zur Mitarbeit für alle. Sie stellt einen Großteil der Medien bereit, um andere Wikimedia-Projekte zu illustrieren – allen voran die Wikipedia, die ihre Fotos, Grafiken, Audio- und Videodateien aus Wikimedia Commons bezieht.

Das Projekt ist eine Erfolgsgeschichte. Schon zwei Jahre nach der Gründung wurde die Millionste Datei auf Wikimedia Commons hochgeladen (das war ein Foto des Zoos in Singapur, aufgenommen von dem High-School-Studenten Terence Ong). Heute finden sich über 108 Millionen Dateien in der freien Mediensammlung, die allen in ihrer eigenen Sprache zur Verfügung stehen. Aber wie findet man angesichts dieser Fülle von Inhalten die besten Bilder unter freier Lizenz, um zum Beispiel einen Blogbeitrag zu bebildern oder das Bild für Instagram zu nutzen?

5 Praxistipps vom Grafiker für die Suche in Wikimedia Commons

Matthias Wörle ist Grafiker in Berlin und arbeitet viel mit Wikimedia Commons. Er schickt voraus: „Ich nutze die Datenbank nicht wie ein klassischer Wikipedianer, der themenbezogen für die Bebilderung eines Artikels in Wikimedia Commons sucht. Mir geht es um ästhetisch hochwertige Bilder“. Hier die Tipps aus seiner Praxis:

 

1. Filtereinstellungen nutzen:

In der Suchfunktion sind eine Reihe hilfreicher Einstellungen möglich. Man kann zum Beispiel die Bildgröße bestimmen („klein“, „mittel“, „groß“). Wer mit hochwertigen Bildern arbeiten will, sucht am besten gleich nach großen Dateien. Auch nach Formaten lässt sich gezielt suchen. Wer zum Beispiel eine Zeichnung, ein Logo oder Ähnliches benötigt, wählt unter „File Type“ am besten „svg“, denn solche Inhalte werden als Vektor-Datei eingestellt sein.

2. Der Community vertrauen:

Auf Wikimedia Commons gibt es bereits den Kasten „Höhepunkte“, wo „exzellente Bilder“, „wertvolle Bilder“ und „Qualitätsbilder“ von der Community empfohlen werden. Außerdem wird auf der Hauptseite das „Bild des Tages“ gefeatured. Ein Tipp kann auch sein, nach den Gewinnerbildern der Fotowettbewerbe Wiki Loves Monuments oder Wiki Loves Earth zu schauen. Auf diese Weise habe ich regelmäßig hochwertige Bilder gefunden.

3. Gezielt nach Autor*innen suchen:

Oft bin ich bei Bildrecherchen auf Fotografinnen oder Fotografen gestoßen, die sehr viele Bilder machen, die bei Wettbewerben gewinnen. Dann schaue ich: Was fotografieren diese Menschen denn sonst noch? Dietmar Rabich, der Baudenkmäler fotografiert, ist so ein Beispiel.

4. In mehreren Sprachen suchen:

Die meisten Bilder sind englisch benannt, es empfiehlt sich also, nicht nur auf Deutsch zu forschen. Wenn ich einen Begriff wie „Bibliothek“ suche, gebe ich auch „library“ ein. Oder auch auf Spanisch „biblioteca”. Auf diese Weise findet man oft überraschend tolle Bilder.

5. Nach Lizenzen filtern:

Wenn man Bilder oder Dateien für einen ganz bestimmten Zwecke sucht kann in der Suchmaske auch die gewünschte Lizenz filtern – zum Beispiel Public Domain („no restrictions“).

Apropos Lizenzhinweise: Wer es ganz richtig machen will, gibt bei der Nutzung von Bildern aus Wikimedia Commons auch den passenden Lizenzhinweis an. Der kann ganz einfach in wenigen Schritten erstellt werden. Dabei hilft die Seite www.lizenzhinweisgenerator.de.

Lust bekommen, selbst bei Wikimedia Commons mitzumachen?

Wir alle können nicht nur jederzeit Bilder von Wikimedia Commons nutzen, sondern auch selbst Fotos hochladen. Im Gemeinschaftsportal von Wikimedia Commons gibt es alle nützlichen Informationen rund um die freie Mediensammlung. Auf der Willkommensseite und bei den ersten Schritten wird erklärt, wie jede und jeder ganz einfach zu diesem Projekt beitragen kann. Alle Informationen sind auf Englisch, die meisten aber auch in anderen Sprachen vorhanden.

Haben Sie schon einmal einen Workshop oder eine Veranstaltung mit dem Gefühl verlassen, frustriert zu sein, weil es keine greifbaren Ergebnisse gab? Haben Sie sich gefragt, welche Auswirkungen die Diskussionen tatsächlich haben würden? Wir auch! Es ist oft nicht einfach, Zusammenarbeit zu ermöglichen, unterschiedliche Standpunkte zusammenzuführen und trotz Machtdynamik einen Raum für gleichberechtigte Beteiligung zu schaffen. Wir glauben, dass viele Organisationen und Einzelpersonen vor ähnlichen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, viele Menschen zusammenzubringen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Deshalb hat Wikimedia Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Movement Ecology Collective ein Playbook entwickelt, das Workshops in ergebnisorientierte Deliberation verwandelt und sicherstellt, dass Diskussionen zu konkreten Aktionen und Ergebnissen führen. Und da es bei Wikimedia um Freies Wissen geht, möchten wir es mit allen teilen – als ein Geschenk, das zur Summe allen Wissens beiträgt.

Was ist der Zweck des Playbooks?

Dieses Playbook basiert auf den Erfahrungen, die Wikimedia Deutschland über viele Jahre hinweg bei der Gestaltung internationaler strategischer Veranstaltungen mit Wikimedianer*innen gemacht hat. Es bietet einen Leitfaden für die Gestaltung und Moderation eines Prozesses, in dem eine Gruppe ihre gemeinsame Position zu einem strategischen oder Governance-Vorschlag diskutiert, bewertet und entscheidet. Das Playbook kann an individuelle Situationen innerhalb und außerhalb des Wikiversums angepasst werden, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Es eignet sich besonders für einzelne Organisationen und große Konglomerate von Organisationen mit unterschiedlichem Hintergrund, die eine gemeinsame Strategie entwickeln, ein Grundlagendokument schreiben oder organisationsweite Werte entwickeln.

Wir haben den Prozess für den Wikimedia Summit 2024 entwickelt und getestet. Bei der dreitägigen Veranstaltung konnten 170 Teilnehmer*innen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus verschiedenen Kontinenten eine starke gemeinsame Position zu einem wichtigen Governance-Dokument, der Wikimedia Movement Charter, finden. Die meisten Teilnehmenden verließen die Veranstaltung mit dem Gefühl, bedeutende Fortschritte gemacht zu haben. Hier einige Zitate aus dem Feedback der anonymen Umfrage zur Bewertung der Veranstaltung:

„Ich ging mit dem Gefühl nach Hause, etwas erreicht zu haben, eine wirklich nützliche Reise gemacht zu haben.”
“Die Struktur und das Tempo des Programms boten ein hervorragendes Umfeld, um Fortschritte zu machen. Ich war beeindruckt, wie viele Fortschritte in nur 2 1/2 Tagen gemacht wurden.”
„Es war definitiv möglich, alle Stimmen zusammenzubringen, um auf proaktive Weise Fortschritte zu erzielen.“

Wie wird das Playbook verwendet?

Der Prozess besteht aus 15 Schritten, von der Einholung von Feedback zum ursprünglichen Vorschlag über die Entwicklung von Vorschlägen zu dessen Anpassung und Verbesserung bis hin zur gemeinsamen Entscheidung über diese Vorschläge. Es ist in vier Abschnitte unterteilt, die nacheinander oder separat gelesen werden können, je nachdem, was Sie am meisten interessiert – wichtige Erkenntnisse, Aufbau, Prozess und Werkzeuge. Jeder Abschnitt wird mit Beispielen vom Wikimedia Summit 2024 illustriert.

Bei der Einführung des Prozesses kommt es darauf an, ihn anzupassen: Um die beabsichtigten Ergebnisse zu erzielen, muss er auf die Gruppe, die ihn anwendet, ihre Ziele und ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein. Dieses Playbook hilft dabei, die richtigen Fragen zu stellen und praktische Antworten zu finden.

Feedback jederzeit willkommen!

Sollten Sie das Playbook nützlich finden und in Ihrer Organisation oder Institution anwenden, freuen wir uns über ehrliches Feedback! Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen mit der Anwendung und Anpassung des Prozesses, Ihre Ideen für Kooperationen oder Ihre Fragen an govmov@wikimedia.de.

Viel Spaß beim Experimentieren mit dem Wikimedia Playbook!

Alle, die bei Wiki Loves Monuments mitmachen, leisten einen bedeutenden Beitrag zum Denkmalschutz, indem sie vor allem der Wikipedia bei der Dokumentation von Kulturdenkmalen und Gebäuden helfen. Die Fotos werden im Medienarchiv Wikimedia Commons hochgeladen und stehen unter freier Lizenz. Dadurch sind sie für alle nutzbar – vor allem Wikipedia-Aktive weltweit können sie verwenden, um Artikel in der Online-Enzyklopädie zu bebildern.

Wie wichtig die Bewahrung von Kulturdenkmälern in digitaler Form ist, zeigt sich nicht zuletzt überall dort, wo sie konkret von Zerstörung bedroht sind – wie gegenwärtig etwa in der Ukraine. Entsprechend betont auch Alice Wiegand, Vorsitzende des Präsidiums von Wikimedia Deutschland:

„Die Bilder, die im Rahmen des Wettbewerbs Wiki Loves Monuments jedes Jahr eingereicht werden (…) zeigen uns den Reichtum unseres kulturellen Erbes und dokumentieren seinen Zustand für die Nachwelt. Wir haben in den vergangenen Jahren an vielen Beispielen erleben müssen, wie vergänglich auch solche Monumente sind, von denen wir glaubten, sie würden noch Jahrtausende Bestand haben.“

Denkmale als wahre Wissensspeicher

Allein in Deutschland wurden bei der vorherigen Ausgabe von WLM über 16.000 Bilder eingereicht. Die Fotos werden zunächst von einer Vorjury aus der Community bewertet, im Anschluss entscheidet eine ebenfalls ehrenamtliche Hauptjury über die Platzierung der Top-Bilder des nationalen Wettbewerbs. Die 10 besten Fotos werden an den internationalen Wettbewerb weitergereicht.

 

Im vergangenen Jahr ging der erste Platz von Wiki Loves Monuments Deutschland an das Bild „Marksburg im Winter“ von Rolf Kranz. Platz 2 belegte Matthias Süßens Aufnahme des Shell-Hauses in Berlin, den dritten Platz gewann Marek Śliwecki mit einem Foto des Potsdamer Gitterpavillons – schon daran zeigt sich die Vielfalt des Bauerbes, das im Rahmen von WLM festgehalten wird.

Burgen und Schlösser zählen traditionell zu den beliebtesten Motiven – “diese steinernen Kulturdenkmäler mit der Kamera ins richtige Licht zu setzen, ist jedoch immer wieder eine besondere Herausforderung”, betont Maximilian Nicolaus Fürst zu Bentheim Tecklenburg, Präsident der Deutschen Burgenvereinigung e.V., in seinem aktuellen Grußwort.

„Während in der heutigen Zeit KI-generierte Bilder vertraute Echtheit vortäuschen und Desinformation es erschwert, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, sind Denkmale durch ihre originale Substanz echte Dokumente und Zeugnisse vergangener Epochen“, hebt Dr. Ursula Schirmer von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz hervor: „Sie sind wahre Wissensspeicher und vermitteln uns bis heute aus erster Hand ebenso die Arbeits- und Lebenswelt früherer Generationen wie auch ihre Werte und Vorstellungen“.

Sonderpreis Kinderwelten

Auch in diesem Jahr wird im Rahmen von Wiki Loves Monuments wieder ein Sonderpreis verliehen. Dieser steht in diesem Jahr unter dem Titel „Kinderwelten“.  Anlässlich des 10. Geburtstages des Kinderlexikons Klexikon werden speziell Fotos von Bauwerken und Kulturdenkmälern gesucht, die vor allem für junge Menschen interessant sind.

„Für Kinder sind oft ganz andere Details und Ansichten von Denkmälern und Gebäuden interessant. Das haben die Autor*innen im Klexikon oft erlebt, wenn sie etwa zusammen mit Schulklassen in der Altersspanne von 5 bis 14 Jahren die Bilder für neue Klexikon-Artikel aus der Sammlung von Wikimedia Commons ausgewählt haben“, so die Organisatoren.

Das Klexikon wird eine eigene Jury bilden, die die drei besten Fotos auszeichnet. Die Bilder sind danach nicht nur auf Wikimedia Commons und ggf. in der Wikipedia zu sehen, sondern werden auch auf Klexikon.de veröffentlicht.

Mitmachen bei Wiki Loves Monuments: So geht’s!

Wie auch bei allen anderen Wiki-Wettbewerben ist das Schöne an Wiki Loves Monuments: Alle können mitmachen – vom Hobbyfotografen bis hin zur Foto-Expertin. In drei Schritten geht’s zum Ziel: Denkmal auswählen, fotografieren, Foto auf Wikimedia Commons hochladen. Eine Liste der Baudenkmäler in Deutschland und viele weitere Infos zu den Teilnahmebedingungen und zum diesjährigen Sonderpreis gibt es auf der Wiki-Projektseite Wiki Loves Monuments 2024.

 

Lizenzhinweis Titelbild: Collage mit WLM-Gewinnerbildern, zugeschnitten von Wikimedia Deutschland. Bilder: Jarle Kvam, Fetssund LenserCC BY-SA 4.0; Iamsantanubose, PUTRA MOSQUE ARCHITECTURECC BY-SA 4.0; Mona Hassan Abo-Abda, Giza PyramidsCC BY-SA 4.0; Azimronnie, 201 Dome Mosque 11CC BY-SA 4.0; Jakub T. Jankiewicz, Jaszczurówka at WinterCC BY-SA 4.0

Dieses Jahr ist also Kattowitz die Gastgeber-Stadt der Wikimania geworden – einst ein wichtiger Industrieknotenpunkt Polens, ist sie heute zu einem wichtigen Kultur- und Bildungszentrum geworden. Erst in diesem Jahr ist sie von der Organisation EuroScience in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission als Wissenschaftsstadt ausgezeichnet worden. Ein perfekter Ort für die Wikimania, auf der viele Projekte vorgestellt wurden, die sich ebenfalls mit Bildung, Kultur und Wissenschaft auseinandersetzen. Ein perfekter Ort war auch das internationale Kongresszentrum: groß, modern aber auch ein bisschen gemütlich. In Kombination mit dem fantastischen Design von Kasia Ostrowska, das viele folkloristische Elemente der CEE (Central East Europe) Region aufgriff, macht sich schnell ein Gefühl des Nachhausekommens breit – die Wikimania heißt ihre Gäste seit einigen Jahren mit liebevollen Visuals willkommen.

Und das ist auch gut so, denn die über 1000 Teilnehmenden vor Ort haben viel Zeit innerhalb des Kongresszentrums verbracht – das Angebot an Beiträgen, Präsentationen und Workshops war riesig! Wem es zwischendurch zu viel wurde, der konnte sich in Ruheräumen eine Verschnaufpause gönnen oder seine Synapsen mit Süßigkeiten aus aller Welt verwöhnen – es ist eine Tradition auf der Wikimania, dass die Teilnehmenden Leckereien mitbringen, die typisch für ihr Herkunftsland sind.

Auf der Wikimania 2024 gibt es Süßigkeiten aus aller Welt.
Auf der Wikimania 2024 gibt es Süßigkeiten aus aller Welt.

Das Motto: Collaboration of the Open

Das Motto der Wikimania lautete in diesem Jahr „Collaboration of the Open“ (Kollaboration des Offenen). Im Fokus stand das Ziel, dass sich Organisationen mit offenen Konzepten (etwa Open Source, Open Data, Open Science) stärker vernetzen. Entsprechend wurden auch explizit externe Teilnehmer*innen aus Open-Communitys eingeladen und es lag ein besonderer Schwerpunkt auf Beiträgen zu diesem Thema. Dass zum Beispiel die Öffnung von Forschungs-Daten beim Klimaschutz helfen kann, wurde in dem Seminar „Open as prerequisite to tackle climate crisis“ verdeutlicht. Auch der Workshop „Strengthening Wikimedia Collaborations with and for Open Science“ sollte die Open Science Community stärker mit der Wiki-Community verbinden und die Arbeit von Forschenden erleichtern. Ganz weit vorne bei der Kollaboration offener Konzepte war wieder der offene Datengraph Wikidata dabei – das Projekt zielt seit einiger Zeit verstärkt darauf ab, die eigenen Datensätze für gemeinnützige Software Anwendungen bereitzustellen.

Die Wiki-Zukunft fest im Blick

Stark vertreten waren Themen, die aktuell einen großen Einfluss auf die Zukunft der Wikimedia-Welt haben. So wurde unter anderem in einem Panel ein Überblick darüber gegeben, wie KI-Tools in den Wikimedia-Projekten zum Einsatz kommen, um die Arbeit der Freiwilligen zu erleichtern. In einem anderen Beitrag stellte die Organisation Public AI Network vor, wie sich gemeinwohlorientierte generative KI verwirklichen lässt.

Wikimedia & GenAI: Im Panel wird erörtert wie KI-Anwendungen die Community bei ihrer Arbeit unterstützen können.
Wikimedia & GenAI: Im Panel wird erörtert wie KI-Anwendungen die Community bei ihrer Arbeit unterstützen können.

Einen weiteren Schwerpunkt bildete das Thema Desinformation. In einem Vortrag wurden die Teilnehmenden von Vertreter*innen der Organisation DEMAGO darüber informiert, welche Tools und Tricks sie einsetzen können, um Falschmeldungen zu enttarnen. Zum Beispiel lässt sich mit dem AI or not-Detection Tool herausfinden, ob ein Bild oder eine Stimme durch KI erstellt wurde. Mit Google Lens oder TinEye lässt sich der wahre Ursprung oder Kontext eines Bildes überprüfen, auch wenn es digital nachbearbeitet wurde. Ein besonderer Trick wurde mit dem Tool SunCalc gezeigt: Damit lässt sich der Sonnenstand eines Bildes überprüfen und der wahre Zeitpunkt der Aufnahme feststellen.

Ein weiteres Thema, bei dem Desinformation eine Rolle spielt, stellt der aktuelle Krieg in der Ukraine dar. In einem Seminar wurde über die Wichtigkeit der ukrainischen Wikipedia als Bastion gegen Falschmeldungen berichtet, aber auch darüber, wie der Krieg die Arbeit der ehrenamtlichen Autor*innen einschränkt. Stromausfälle und für den Krieg eingezogene Freiwillige sind zwei solcher Beispiele.

Ebenfalls relevant für die Zukunft des Wikimedia Movements sind die Gewinnung neuer Freiwilliger und die Herausforderungen generationenübergreifender Zusammenarbeit. Auch mit aktuellen und zukünftigen Lese- und Nutzungsgewohnheiten von User*innen wurde sich auseinandergesetzt. Die Wikimedia Foundation hat dazu beispielsweise einen Vortrag zu ihrem Projekt “Future Audiences” gehalten. Hier werden in kurzer Zeit Tools entwickelt, hochskaliert, getestet und Erkenntnisse dazu gewonnen, wie User*innen weiterhin die Wikipedia nutzen und zu ihr beitragen können. Jüngst wurde eine KI-basierte Erweiterung für den Browser Chrome entwickelt, die es ermöglicht, eine im Internet gefundene Information bei Wikipedia zu prüfen. Die Ergebnisse befinden sich derzeit noch in der Auswertung.

Ein Fest der Preisverleihungen

Einen besonderen Höhepunkt gab es bei der Eröffnungszeremonie: die Verleihung des Wikimedian of the Year Awards! Wie jedes Jahr hat auch wieder in diesem Jahr Wikipedia-Gründer Jimmy Wales die Auszeichnung persönlich überbracht. Worüber wir uns sehr freuen: Unter den sieben Preisträger*innen befindet sich in diesem Jahr Martin aus der deutschsprachigen Community, auch bekannt als DerHexer. Er wurde für seinen langjährigen Dienst als Wikimedia Steward seit 2007 geehrt, der eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung globaler Communitys und der Verbesserung der technischen Infrastruktur von Wikimedia spielt. Es gibt weltweit nur 33 Stewards, die Admin-Rechte für alle internationalen Wiki-Projekte haben und damit eine besondere Verantwortung haben.

Zu den weiteren Ausgezeichneten gehören unter anderem Clovermoss, die mit 21 Jahren als jüngste Wikimedianerin ausgezeichnet wurde, und Caner Özyayıkçı, der für seine außergewöhnliche, kulturell verbindende Grafikdesign-Arbeit als Medienschaffender des Jahres geehrt wurde. Mit den Awards werden sowohl die sichtbaren als auch die hinter den Kulissen geleisteten Anstrengungen der Wikimedianer*innen gewürdigt. Hier lässt sich mehr über alle sieben Gewinner*innen nachlesen.

Wikimedians of 2024. Ganz rechts: Martin Rulsch aus der deutschsprachigen Wikipedia-Community.
Wikimedians of 2024. Ganz links: Martin Rulsch aus der deutschsprachigen Wikipedia-Community.

Noch mehr Preisverleihungen gab es bei der Abschlussveranstaltung. Hier wurden zum Beispiel der “Coolest Tool Award” und ein Preis für das beste Poster aus der Postersession auf der Wikimania vergeben.

Besucherin betrachtet Poster-Session auf der Wikimania 2024.
Besucherin betrachtet Poster-Session auf Wikimania 2024.

Die Bedeutung der Wikimania

Unterhält man sich mit den Teilnehmenden darüber, was ihnen besonders gut an der Wikimania gefällt, erzählen sie schnell von den tollen Menschen, mit denen sie sich hier austauschen können. Manche Besucher*innen bevorzugen es sogar, sich die ganze Zeit außerhalb der Seminarräume aufzuhalten, um mit möglichst vielen Menschen zu sprechen, denen sie in der Regel nur online begegnen. Was die Teilnehmenden sonst noch über die Wikimania und Freies Wissen denken, verraten sie uns in den Videos, die wir auf der Konferenz gedreht haben:

Was bedeutet dir die Wikimania?

Was bedeutet Freies Wissen für dich?

Was würdest du machen, wenn du Superkräfte hättest?

Das wars – und jetzt?

Auch noch lange nach der Wikimania gilt es, den vielen Input sacken zu lassen. Wenn sich dann so langsam die Wogen geglättet haben, lässt ein neuer Funke der Vorfreude nicht lange auf sich warten. Und wie alle Teilnehmenden bereits bei der Abschlusszeremonie erfahren haben, wird es 2025 ein Wiedersehen auf der Wikimania in Nairobi, Kenia geben. Wir freuen uns darauf und danken noch einmal allen Freiwilligen aus dem Wikimania-Organisationsteam der CEE Region für die rundum gelungene Wikimania 2024 in Kattowitz!

Wikimania 2024 - Gruppenbild
Wikimania 2024 – Gruppenbild

Wer Wikimania-Sessions verpasst hat oder sich etwas einfach noch einmal anschauen möchte, findet die Aufzeichnungen in den einzelnen Programmbeschreibungen: https://wikimania.eventyay.com/2024/schedule/

Ganze 16.665 Fotos wurden für die deutsche Ausgabe von „Wiki Loves Earth“ in diesem Jahr eingereicht. Keine leichte Aufgabe, daraus die Gewinner und Gewinnerinnen zu küren… Eine Jury hat sich dessen angenommen und nun die deutschen Preisträger für die drei Wettbewerbskategorien – Detailaufnahmen, Landschaftsaufnahmen und die Sonderkategorie Feldraine und Feldgehölze – bekannt gegeben. Alle diesjährigen Gewinnerbilder finden Sie hier.

Auch in diesem Jahr zeigen die Fotografinnen und Fotografen mit ihren Bildern die vielfältigen und beeindruckenden Farben, Formen und Texturen, die uns die Natur bietet. Der Wettbewerb soll einen Beitrag zur Erforschung und zur Bewahrung von Naturschutzgebieten leisten – indem ihre Tier- und Pflanzenwelt dokumentiert wird. Alle Aufnahmen stehen im Medienarchiv Wikimedia Commons unter freier Lizenz zur Verfügung. Somit können sie auch in der Wikipedia eingebunden und weiterverwendet werden. Aber auch für Referate in der Schule oder Hochschule oder für Webseiten und Publikationen kann jede und jeder die Bilder frei nachnutzen.

Die Top 10 Detailaufnahmen

Die Top 10 Landschaftsaufnahmen

Sonderpreise: Feldraine und Feldgehölze

Mit der diesjährigen Sonderkategorie soll der Blick auf Strukturen gelenkt werden, die Lebensräume und Biotopvernetzungen für Pflanzen und Tiere in landwirtschaftlich genutztem Acker- oder Grünland schaffen.

Es geht weiter…

Nicht nur in Deutschland wurde fleißig für „Wiki Loves Earth“ fotografiert: 54 andere Länder haben mitgemacht. Die 15 besten Fotos aus der deutschen Ausgabe werden in den internationalen Wettbewerb aufgenommen und wir können uns auf eine weitere Preisverleihung im November freuen. Im Herbst geht außerdem „Wiki Loves Monuments“ in die 14. Runde: Wer Lust hat, kann deutsche Kultur- und Baudenkmäler fotografieren und bis zum 31. September über Wikimedia Commons einreichen.

Großes globales Wiedersehen! Die 19. Wikimania kommt!

Thursday, 1 August 2024 11:41 UTC

Die 19. Ausgabe der Wikimania steht unter dem Motto „Collaboration of the Open“. Ein Schwerpunkt liegt auf Beiträgen und Präsentationen zu offenen Daten, offener Forschung und Open Government. Wikimedianer*innen aus aller Welt sollen sich so noch stärker mit Projekten und Initiativen außerhalb des Wikiversums verbinden, um Freies Wissen sichtbarer und damit noch zugänglicher zu machen! Deshalb sind auch Menschen, die sich mit Freiem Wissen jenseits der Wikimedia Projekte beschäftigen, zu Gast auf der Wikimania.

Ciell (Username) ist eine langjährige Wikimedianerin und regelmäßige Speakerin auf der Wikimania. In diesem Video berichtet sie, warum sie für Wikimedia Projekte brennt und was Freies Wissen für sie persönlich bedeutet.

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Die diesjährigen Highlights der Wikimania

Die Wikimania bietet neben vielfältigen Vorträgen und Veranstaltungen auch international agierenden Community-Kooperationen eine tolle Möglichkeit, sich persönlich zu treffen. Ein besonderes Ereignis ist beispielsweise der Wiki-Women Summit, der inzwischen ein fester Bestandteil der Wikimania ist. Frauen aus den Wiki-Communitys tauschen sich in einer Reihe von Veranstaltung dazu aus, wie sie andere Autorinnen empowern können, ihre Stimmen stärker in die Wiki-Projekte einzubringen.

Während der gesamten Konferenz wird auch wieder ein Hackathon stattfinden. Die erarbeiteten Projekte werden am letzten Wikimania-Tag präsentiert und bilden einen wichtigen Pool neuer Ideen, die die technische Infrastruktur des Freien Wissens bereichern. Ein weiteres besonderes Meetup stellt GLAM Global dar. Dieses Format richtet sich speziell an Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit sowohl mit GLAM (Galleries, Libraries, Archives & Museums) als auch mit Wikis arbeiten und sich hier zu Herausforderungen und Learnings austauschen können.

Darüber hinaus sind Sitzungen und Podiumsdiskussionen mit einflussreichen Redner*innen geplant, wie zum Beispiel am 8. August eine Keynote der Philosophin und Forscherin Aleksandra Przegalińska, die über die Zukunft der KI sprechen wird. Und weil Freies Wissen keine Grenzen kennt, wird es auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit geben, sich zu einigen Sessions virtuell dazuzuschalten – hier können sich dafür alle jederzeit kostenfrei registrieren. Das vollständige Programm gibt auch Aufschluss darüber, welche Veranstaltungen virtuell übertragen werden.

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Ahmad ist ein Journalist, der die politische Landschaft in Malaysia beobachtet und analysiert. Er ist in zahlreichen Projekten aktiv, die darauf ausgerichtet sind, Bildung und Freies Wissen zu fördern – unter anderem schreibt er für die Wikipedia. Welche Ziele er hinsichtlich Freies Wissen verfolgt, erzählt er uns im Videointerview.

Ausgezeichnete Wikimedianer*innen

Einst eine spontane Idee des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales, ist sie heute nicht mehr wegzudenken: die Verleihung der Wikimedian of the Year. Seit 2011 werden auf der Wikimania Ehrenamtliche ausgezeichnet, die sich besonders in Wikimedia-Projekten wie Wikipedia, Wikidata oder Wikimedia Commons eingebracht haben – ob als Autor*innen, Organisationstalente oder Programmier*innen. Auch in diesem Jahr wird Jimmy Wales den Preis persönlich überreichen. Hier gehts zu den Wikimedian of the Year 2023. 

Wikimania damals und heute

Die erste Wikimania fand 2005 in Frankfurt am Main statt. Ein historischer Moment – denn die meisten Freiwilligen kannten sich bis dato nur unter ihrem Usernamen. Schnell wurde die Veranstaltung von den Wiki-Communitys und den Affiliates weltweit ins Herz geschlossen und es wurde klar: Ein persönlicher Austausch bereichert die Projekte für Freies Wissen ungemein. Seither ist die Wikimania eine unentbehrliche Plattform für gegenseitige Inspiration und neue Kooperationen. Die Veranstaltung hat bislang in mehr als 15 Ländern auf sechs Kontinenten stattgefunden und bis zu 2.800 Menschen aus über 142 Ländern gleichzeitig angezogen. Mehr über die Geschichte der Wikimania gibt es in den Wikimedia Deutschland Meilensteinen, die wir zu unserem 20. Vereinsjubiläum zusammengestellt haben.

Stimmen von der Wikimania

Im vergangenen Jahr fand die Wikimania in Singapur statt. Auch Wikimedia Deutschland war mit dabei und hat am Rande der Konferenz Interviews mit engagierten Wikimedianer*innen aus verschiedenen Teilen der Welt geführt. In diesen Videos erzählen sie von ihrer Motivation, ihren Erlebnissen und ihrer Begeisterung für Freies Wissen.

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Wussten Sie schon, dass … ?

Thursday, 1 August 2024 07:00 UTC

Wer waren die bedeutendsten Politikerinnen der deutschen Geschichte?

Elisabeth Selbert, Frida Nadig, Helene Weber und Helene Wessel sind die so genannten Mütter des Grundgesetzes. Zusammen mit 61 Männern schrieben die vier Frauen 1948 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit. Natürlich gibt es noch weitere Politikerinnen, die sich für soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung, Gleichberechtigung und andere Themen eingesetzt haben. Viele dieser Frauenbiographien finden sich bei Wikipedia.

… 2024 das Jubiläumsjahr vom Künstler Caspar David Friedrich ist?

Am 5. September vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich geboren, er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Romantik. Seine Landschaftsmalereien haben die Kunstwelt nachhaltig geprägt und sind bis heute in vielen Museen zu sehen. Im Wikipedia-Artikel erfährt man mehr über sein Leben, seine Werke und seinen Einfluss auf die Kunstgeschichte . Und Auszüge davon auch schon hier.

Wissen Sie, was da gerade am Himmel los ist?

Alle Jahre wieder sind um diese Zeit des Jahres besonders viele Sternschnuppen zu sehen. Das glitzernde Spektakel am Nachthimmel, die Perseiden, beflügelt jährlich viele Menschen dazu, Sterngucker und Sternguckerinnen zu werden. Doch wo kommen sie her und warum heißen sie Perseiden? Warum tauchen sie immer zur gleichen Zeit auf und wie und wann können Sie die Sternschnuppenregen am besten sehen?

Wer will in den nächsten Wochen mit Olympia-Wissen punkten?

Um die Olympischen Spiele kommt aktuell wohl niemand herum. Die meisten dürften mitbekommen haben, dass mit Lukas Märtens erstmals seit 1988 wieder eine Goldmedaille an einen deutschen Schwimmer geht. Oder dass das Wasser in der Seine vielleicht doch nicht so sauber ist, wie es sein sollte, wenn man darin Schwimmwettbewerbe abhalten will. Dass Journalist*innen bisweilen bemühter darum sind, Doping-Fälle öffentlich zu machen, als die dafür eigentlich zuständige Welt-Anti-Doping-Agentur. Oder wie es sich so lebt in einem Olympischen Dorf. Kurzum: Die Spiele sind aus vielen verschiedenen Gründen Gesprächsthema – vielleicht ja auch in Ihrem Freundeskreis, beim Abendessen mit der Familie oder in der Mittagspause. In der ersten Ausgabe von W wie Wiki-Wissen gibt es aktuelle und historische Fakten sowie kurze kuriose Geschichten rund um das Thema Olympische Sommerspiele.

10 Gründe, warum auch DU Wikipedia editieren solltest

Wednesday, 31 July 2024 14:19 UTC

1. Teile dein Wissen über deine Leidenschaft

Hast du ein Hobby, über das du viel weißt? Oder bist du Expert*in in einem bestimmten Fachgebiet? Hast du eine Sammlung von Rubiks-Würfeln oder kennst dich mit LKWs richtig gut aus? Teile dein Wissen über dein Lieblingsthema mit anderen und hilf dabei, Wikipedia noch informativer zu gestalten und Lücken zu schließen. Denn es gibt immer noch viele Themen, die nicht abgedeckt sind.

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2. Gemeinschaft erleben

Wikipedia ist eine lebendige Gemeinschaft von Menschen aus aller Welt. In der deutschsprachigen Wikipedia pflegen aktuell 6.000 aktive Autor*innen die fast 3 Millionen Artikel und erstellen täglich neue. Trete einer Community bei, die sich für Freies Wissen einsetzt, und lerne dabei interessante Menschen kennen. Du wirst erstaunt sein, dort auch Menschen mit Interesse für deine Lieblingsthemen zu treffen, mit denen du dich austauschen kannst. Online und im echten Leben.

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3. Gegen Fake News

Wikipedia kämpft aktiv gegen Desinformation und Fake News. Indem du Artikel verbesserst, aktualisierst und qualitativ hochwertige Informationen beiträgst, hilfst du aktiv dabei, Fehlinformationen im Netz zu bekämpfen. So wichtig in Zeiten von KI und Co.

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4. Für die gute Sache

Indem du Wikipedia editierst, trägst du dazu bei, dass Wissen frei zugänglich bleibt und Menschen auf der ganzen Welt davon profitieren können.

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5. Praktische Erfahrung sammeln

Wikipedia bietet eine großartige Möglichkeit, praktische Erfahrung im Schreiben, Recherchieren und Zusammenarbeiten zu sammeln – Fähigkeiten, die in vielen Bereichen des Lebens nützlich sind und dir auch bei deinem Beruf helfen kann.

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6. Neugier und Kreativität

Wikipedia zu bearbeiten macht Spaß. Du kannst Artikel (unter Beachtung einiger Regeln) kreativ gestalten, an interessanten Themen arbeiten und dabei ständig neues Wissen entdecken. Damit bist du gerüstet für jeden Smalltalk.

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7. Ruhm und Ehre

Als Wikipedia-Autor*in kannst du einen echten Unterschied machen und Anerkennung für deine Beiträge erhalten – sei es durch Lob von anderen Wikipedianer*innen oder durch das Wissen, dass du mit Millionen von Menschen auf der ganzen Welt geteilt hast. Viele Artikel werden monatlich tausendfach gelesen und zitiert. Die deutschsprachige Wikipedia hat pro Monat mehr als 1 Milliarde Aufrufe!

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8. Eine Reise um die Welt, von Zuhause aus

Mit Wikipedia kannst du die Welt entdecken, ohne dein Zuhause zu verlassen. Bearbeite Artikel über ferne Länder, unbekannte Kulturen oder faszinierende historische Ereignisse und erweitere so deinen Horizont. Natürlich kannst du dich auch in anderssprachigen Wikipedia-Versionen einbringen und dort mit anderen Communities zusammenarbeiten.

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9. Stolz auf deine Arbeit

Jeder Beitrag, den du für Wikipedia leistest, trägt zur Verbesserung eines globalen Wissensarchivs bei. In der deutschsprachigen Wikipedia wird bald die 3 Millionen-Marke an Artikeln geknackt. Und es werden jeden Tag mehr. Sei stolz darauf, Teil dieses wichtigen Projekts zu sein!

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10. Weil DU es kannst

Du musst kein/e Expert*in sein, um Wikipedia zu editieren. Alle können zur Wikipedia beitragen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Hintergrund. Und es muss nicht gleich ein ganzer eigener Artikel sein. Du kannst zum Beispiel Fotos auf Wikimedia Commons hochladen oder kategorisieren, du kannst Wikipedia-Artikel auf Rechtschreibfehler überprüfen oder aktuelle Informationen zu bestehenden Artikel hinzufügen. Schritt für Schritt. Und es gibt jede Menge Unterstützung dabei.

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Egal ob aus Leidenschaft für ein bestimmtes Thema, dem Wunsch nach sozialem Engagement oder einfach nur aus Neugierde – es gibt viele gute Gründe, warum auch DU Wikipedia editieren solltest. Also schnapp dir deinen Laptop und leg los – die Wikipedia-Welt wartet darauf, von dir entdeckt zu werden! Mach mit und werde Teil der Wikipedia-Community!

Als Einstiegshilfe in die Wiki-Welt, melde dich zur 30-Tage-Wikipedia-Challenge an und lerne durch eine Mail in deinem Postfach innerhalb von 30 Tagen alles, was du wissen musst.

Die Ravensberger Spinnerei.

Im November 2023 fand in Kassel bereits die erste Ausgabe des Community-Projekts „Mit Wikipedia unterwegs“ statt. Das Ziel der Veranstaltung: Wikipedianer*innen mit ganz unterschiedlichem Erfahrungsgrad zusammenzubringen. Gerade Neulingen erleichtert der persönliche Austausch mit Gleichgesinnten den Einstieg ins Ehrenamt. Außerdem hilft so eine Begegnung dabei, Barrieren abzubauen, die durch eine rein virtuelle Kommunikation entstehen können. Wikipedianer Cookroach, der sich bereits seit 2020 ehrenamtlich engagiert, war nach dieser Pilot-Ausgabe begeistert über die entstandene Vernetzung: „Jeden, den man hier in Kassel kennengelernt hat, kann man in der Wikipedia dann auch anschreiben.“

Kennenlernen im Zeichen des Freien Wissens

Nach diesen positiven Erfahrungen war klar: „Mit Wikipedia unterwegs“ verlangt nach einer Fortsetzung! Die fand vom 12. bis 14. Juni in Bielefeld statt, wo wiederum über 20 Teilnehmende zusammenkamen. Die Gruppe bestand ungefähr zu gleichen Teilen aus langjährigen und noch unerfahrenen Ehrenamtlichen – ideale Voraussetzungen für ein Kennenlern-Wochenende im Zeichen des Freien Wissens. Von Freitagnachmittag bis Sonntagmittag wurde in entspannter, offener und neugieriger Atmosphäre gemeinsam gegessen, geredet und gearbeitet.

Ein Highlight war dabei der gemeinsame Besuch im Museum Wäschefabrik in Bielefeld – dort werden die Arbeitsbedingungen in einer 1899 gegründeten Wäschefabrik am Originalschauplatz erfahrbar. Im Anschluss hat sich eine Arbeitsgruppe dem Wikipedia-Eintrag der Institution gewidmet und eine Reihe von Ergänzungen, etwa zur Geschichte dieses Hauses, vorgenommen. Ein willkommenes Praxisbeispiel für die Arbeit in der Wikipedia.

Der Nähsaal im Museum Wäschefabrik Bielefeld.

Wo keine Fragen offenbleiben

Überhaupt bot „Mit Wikipedia unterwegs“ gerade den noch weniger erfahrenen Ehrenamtlichen die Gelegenheit, zahlreiche Wissenslücken in Bezug auf die freie Enzyklopädie zu schließen. „Ich bin mit vielen Fragen gekommen, sie sind alle beantwortet!“, so eine Teilnehmerin. „Mein Gehirn ist bis zum Rand voll“, lobte eine andere den umfangreichen Input. Aber auch für langjährige Wikipedianer*innen war die Veranstaltung eine Bereicherung. Ein Teilnehmer sagte etwa, er habe sich selbst im Vorfeld als relativ erfahren eingeschätzt, vor Ort aber festgestellt, wie viel es in der Wikipedia-Welt noch zu entdecken gibt: „Tatsächlich bin ich wohl noch unerfahren!“. Man lernt nie aus – das gilt natürlich auch für die Arbeit an der Wikipedia.

Endlich Gesichter zu den Namen!

Merle von Wikimedia Deutschland im Nähsaal der Wäschefabrik Bielefeld.

Als Gewinn des Wochenendes beschrieben die Teilnehmer*innen unter anderem, dass sie jetzt bekannten Wikipedia-Namen Gesichter zuordnen können, dass sie nun wissen, wo sie welche Hilfe bekommen, dass sie im Wikipedia-Jargon bewanderter sind – oder auch, dass es Formate wie GLAM gibt, die Wikimedia-Veranstaltungsreihe rund um Kulturinstitutionen wie Museen, Archive und Bibliotheken. Viele der Teilnehmer*innen aus Bielefeld können sich vorstellen, in Zukunft auch dabei mitzumachen.

Nicht zuletzt wurde der persönliche Austausch gelobt, der während des Wochenendes in vielen Gruppen- und Einzelgesprächen möglich war – sowie das Gefühl, sofort zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen. Eine Neu-Wikipedianerin zog das beglückte Fazit: „Ich habe hier erfahren, dass es weitere Verrückte wie mich gibt“.

Lust bekommen, selbst bei Wikipedia mitzumachen?

Einen 30 Tage-Einstieg in die Wiki-Welt gibt es hier:

Raimond Spekking verstärkt das Präsidium

Thursday, 25 July 2024 09:27 UTC

Schon bald nach unserer Wahl am 22. Juni haben wir im Präsidium von Wikimedia Deutschland festgestellt: In seiner aktuellen Zusammensetzung fehlt dem Präsidium eine starke Stimme aus der ehrenamtlichen Wikipedia-Community. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, von der Möglichkeit der Kooptation Gebrauch zu machen. Unter der Kooptation versteht man die Ernennung von bis zu zwei weiteren Präsidiumsmitgliedern, um benötigte Kompetenzen und Erfahrungen zu verstärken und die Diversität des Gremiums zu fördern.

Eine der wesentlichen Aufgaben unseres Vereins ist die Förderung der vielen Ehrenamtlichen, die jeden Tag aufs Neue Inhalte in den verschiedenen Wikimedia-Projekten überarbeiten oder neu erstellen. Dass ihre Perspektive auch im Präsidium von Wikimedia Deutschland vertreten ist, finden wir deshalb besonders wichtig. Natürlich bringen die gewählten Präsidiumsmitglieder bereits großartige Expertise mit, etwa durch langjährige Mitarbeit in Wikipedia, Wikimedia Commons und Wikidata. Eine Person, die selbst bestens in der deutschsprachigen Community vernetzt ist, Rollen und Funktionen übernimmt – das fehlt uns bislang jedoch.

Bestens vernetzt in der ehrenamtlichen Community

Die Wahl einer geeigneten Person, die dieses Anforderungsprofil erfüllt, ist uns nicht schwer gefallen: Raimond Spekking ist seit über 20 Jahren ein aktives und sehr geschätztes Mitglied der Community. Neben seiner inhaltlichen Mitarbeit in der Wikipedia ist er unter anderem auch im ehrenamtlichen Support-Team der Wikipedia tätig und entwickelt die MediaWiki-Software als Developer weiter.

Sein Interesse für Fotografie schlägt sich in den unzähligen Bildern nieder, die er in der Wikipedia und bei Wikimedia Commons beigesteuert hat, zuletzt etwa im Zuge einer Kooperation mit dem Deutschen Technikmuseum. Bei Wikimedia Commons engagiert sich Raimond auch als Administrator. Darüber hinaus trägt Raimond ehrenamtlich zu Wikidata bei und unterstützt u. a. Kulturinstitutionen dabei, Bestände zu digitalisieren und unter freie Lizenzen zu stellen.

Erfahrung in der Präsidiumsarbeit

Raimond war bereits im letzten Präsidium tätig und hat in dieser Rolle immer wieder die so wichtige Perspektive aktiver Beitragender eingebracht. Bei der Mitgliederversammlung am 22. Juni kandidierte er als Beisitzer und erhielt 310 Stimmen von den Mitgliedern, nur vier weniger als der fünfte gewählte Beisitzer. 73 Prozent der Wählenden stimmten für ihn – für uns ein starkes Signal, dass er den Rückhalt aus der Mitgliedschaft hat.

Lieber Raimond, im Namen des ganzen Präsidiums heiße ich dich herzlich willkommen im 9. Präsidium und freue mich sehr auf die erneute Zusammenarbeit mit dir!

Alice Wiegand
Vorsitzende des Präsidiums
Wikimedia Deutschland e. V.

Bezahltes Wikipedia-Schreiben in der Belletristik

Monday, 12 September 2022 20:02 UTC

Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind. Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.

Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen 2012 bringt es der Roman auf den Punkt:

Auf deutsch etwa:

„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“

Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören. Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten Mehrwert zu bieten.

Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012 richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden Community im Jahr 2022.

(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)

Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu „verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.

Die Lyrik der Wikipedia-Auskunft

Monday, 18 July 2022 17:15 UTC

Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr teilhaben.

Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere mich noch einmal und deklamiere:

Honda Motorrad,
6-Zylinder,
6 Vergaser,
Blockmotor quer,
luftgekühlt.

Alle Daten fehlen!
Keine Daten vorhanden.
Warum?

Die Frage stammte von einer nicht angemeldeten Person, die am 17. Juli um 16:19h mit der IP 2003:D4:2713:1F50:F120:9BAE:47CF:6C2A unterwegs war.

Beitragsbild: 2016-08-05 Tokaido Seki Juku Kameyama City Mie,東海道五十三次 関宿 DSCF6949☆ von: 松岡明芳 Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.

Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt

Semantic Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki abhängig. Weitere wichtige Änderungen:

  • Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions eingesetzt.
  • Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht vorhanden ist.
  • Weiters wird nun Cargo unterstützt, es lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
  • Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
  • Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte speichern zu lassen.
  • Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.

Die MediaWiki Stakeholder’s Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der Software voranzutreiben.

Interessante neue semantische Erweiterungen gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und Metatags:

Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht, die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller Erfolg.

Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der schönen Fabra i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40 Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen teil.

WikiPRedia

Tuesday, 23 November 2021 17:31 UTC

Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal, die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und Spottdrossel.

Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste: ein Gedicht.

Wikipredia

Die Regeln
existieren und doch nicht
nach Mondstand

Die Ethik
absolut seit Anbeginn
nein denn ja

Die Praxis
gesperrt verworfen gelöscht
freigeschaltet

Wikipredia
Darwinismus der Agenturen
Überleben des Dreistesten

Allein mit der Madonna zum Hasen

Thursday, 30 September 2021 19:49 UTC

Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)

Wikipedia-KNORKE erwähnte ich ja an dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas besonderes: Auf ins Museum!

In Berlin gastiert gerade die Darmstädter Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des 16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren. Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.

Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur Sonderausstellung "Holbein in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen, sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der besseren Kunstausstellungen.



Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt. Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing - vermutlich in der Martinskirche als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt, ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?

Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das Darmstädter Gemälde. Eine Sensation,  da die Kunstkennerschaft vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die originale der beiden bestätigten.

Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes (beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".

Hans Holbein der Jüngere: Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532. Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz

Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London. Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.

Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu entdecken.

Wen wählen in das Board der Wikimedia Foundation?

Friday, 20 August 2021 21:03 UTC

Vorweg, für die Eiligen

Meine Wahlvorschläge

  • Top 4: Douglas Ian Scott, Iván Martínez, Adam Wight, Dariusz Jemielniak
  • Top 8: Rosie Stephenson-Goodknight, Lorenzo Losa, Farah Jack Mustaklem, Gerard Meijssen
  • Wählbar: Reda Kerbouche, Pavan Santhosh Surampudi, Ravishankar Ayyakkannu

Wichtige Links

Vote now für das Wikimedia-Board

Für die nicht so Eiligen

Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.

In der Ferne betrachtete ich die Türme des Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg: Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.

Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich, unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.

Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu machen.

Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl. Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken. Diese Gedanken bedurften des Kontextes.

Was ist die Wikimedia Foundation?

Die Wikimedia Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik, ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte, ein Endowment von 90 Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen US-Dollar.

Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel oder legen Inhalte in den Projekten an.

Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich – niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu lassen.

Was ist das Board of Trustees?

Das Board of Trustees ist das ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16 Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite Communitywahl bestimmt.

Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450 Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe. Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.

Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte machen und besetzt die Geschäftsführung.

Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend. Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell und kompetent zu beenden.

Welche Kriterien habe ich?

Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten. Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“

Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können. Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen können.

Wählenswert: Adam Wight. Bild: Recent selfie. Von: Adamw Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Welche Kandidaten?

Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.

Die Urgesteine

Dariusz Jemielniak – Professor of Management, daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.

Rosie Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women in red, you name it. Bei überraschend vielen der Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie Stephenson-Goodknight beteiligt.

Gerard Meijssen – gefühlt war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.

Mike Peel – langjähriges Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Ravishankar Ayyakkannu – Mr. Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google) zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und Berufstätigkeit dort durchführte.

Wählenswert: Dariusz Jemielniak Bild: Dr. Dariusz Jemielniak – Wikimedia Foundation Board von: VGrigas (WMF) Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Im Wikiversum aktiv


Reda Kerbouche – Aktiv bei Wikimedia Algeria, Founding member der Wikimedia of Tamazight User Group. Lebt in Europa.


Lorenzo Losa – Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.


Farah Jack Mustaklem
– Software Engineer, einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft, andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.

Douglas Ian Scott – Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania 2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser kennenlernte – und begeistert war.

Iván Martínez – langjährig engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.

Pavan Santhosh Surampudi – Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell etwas von Communities.

Adam Wight – Programmierer, Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.

Vinicius Siqueira – in Wiki Movimento Brasil

Newbies

Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.

Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur

Wen werde ich wählen?

Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden bevorzugt.

Die Top 4

  • Douglas Ian Scott
  • Iván Martínez
  • Adam Wight
  • Dariusz Jemielniak

Top 8

  • Rosie Stephenson-Goodknight
  • Lorenzo Losa
  • Farah Jack Mustaklem
  • Gerard Meijssen

Wählbar

  • Reda Kerbouche
  • Pavan Santhosh Surampudi
  • Ravishankar Ayyakkannu

Wer wird wählen

Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben, kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein. Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.

Das Wahlsystem

Es gilt das Präferenzwahlsystem. Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.

Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für geeignet, hört man auf zu nummerieren.

Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“ gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus. Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die „2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.

Zur Wahl

Geht es hier.

Beitragsbild: Die Apostel wählen einen zwölften Zeugen als Ersatz für Judas. Aus dem Rabbula-Evangeliar.

Wiki Loves Jules Verne. Mit Wikipedia in Braunschweig.

Tuesday, 17 August 2021 08:28 UTC


Mensch-Maschine Braunschweig


Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert. Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am Bahnsteig. 

Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren.  Eine Frau entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der angezeigten 32.“

Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium, die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?

Illustration aus dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de Neuville & Léon Benett


Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt. Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen Kindheit:


„Meine Mutter nannte dann immer eine Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […] Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir, zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden, Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker. […] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“

Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist, sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?




Forschung Maschinenbau Braunschweig


Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir „Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.

Braunschweig. Bahnhofsvorplatz.


VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich Willkommen.“



Vor allem aber  fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte  keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber, offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie frisch aus der Packung genommen.

Wegbier. In Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber stilgerecht,


Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt. Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle, sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.

Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend, wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr; geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:

„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000 Beschäftigte in 250 Unternehmen der Hochtechnologie[106]“

Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste ist Braunschweig  die innovationsfreudigste Region der EU vor Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules Verne.


Jules Verne


Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules Verne und Gesprächen zu Wikipedia.

Volker Dehs bestreitet das halbe Programm


Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den 1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.

Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden, waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind. Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.

Haus der Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.



Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem beeinflusst waren

Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste. Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.

Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang, dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang, Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden. Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr. (*Affiliate Links)

Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es (fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese vor allem dem Zweck zu reisen.

Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.

Die Phantastische Bibliothek


Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler. Thadewald verstarb 2014. Er lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit, seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend. Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des Programms.

Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen: Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die Berichte  werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden wollen und in die Zukunft denken.

So als Beispiel: Nanotechnische Ideen in der Science Fiction



Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.

Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen schreiben.

Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist, dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.


Mensch Maschine Normal


Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“ vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws] telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10 Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?





Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.

Weiterlesen


Mit Wikipedianern kann man nicht nur Verne lesen, sondern auch Cocktails mischen: Ramos Gin Fizz für die Enzyklopädie.

Oder man läuft mit Wikipedianern durch den Wedding:Tanz auf dem Guglhupf, Automatenmaden und die „brutalism appreciation society“ im #wedding

Mehr zu Future Life bei der phantastischen Bibliothek: Future Life. 

Zum Jules-Verne-Club

Die Wikipedia-Seiten zur Veranstaltung: Wikipedia:Wiki Loves Jules Verne

Beiträge zur Veranstaltung im Wikipedia-Kurier und im Blog von Wikimedia Deutschland.

Der grüne Strahl im Gesamttext bei zeno.org: Der grüne Strahl

Alle Iberty-Posts zur Kultur stehen unter: Kultur in Iberty!

Anmerkungen


Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:

„Nichts gegen das große Geld und die wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle, Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss. Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)


 

*Dieser Post enthält Affiliate Links zu geniallokal. Es handelt sich dabei um Werbung. Ich bekomme eine kleine Provision, wenn ihr dort bestellt, und ihr habt bei den Guten bestellt.


Berlin celebrates old school #wikipedia15

Tuesday, 17 August 2021 08:13 UTC

I still remember the time when real life meetings for Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one really want to meet these strange other people from the Internet? How would they be? Could they even talk in real life or would they just sit behind a laptop screen staring on it for hours?

My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!) sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen. These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice evening.

WP15 Germany Berlin 01
Bild: By Sargoth, CC BY-SA 3.0

So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the old school way. Half improvised, organized by our dearest local troll user:Schlesinger on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come and what would happen except some people having a good time.

And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg seven people promised to come, in the end we were almost twenty. Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we just talked and laughed, talked about history and future.  Actually, mostly we talked about future.

WP15 Germany Berlin 03
Bild: By Sargoth, CC BY-SA 3.0

About the Wikipedian above 30, who has just started a new a university degree in archaeology, the question whether the Berlin community should have its own independent space, industrial beer, craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the future, who should come to the open editing events, how to work better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there, looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.

No frustration, almost no talk about meta and politics, just Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old school. So good.

WP15 Berlin Torte angeschnitten

Die Verschwundenen

Tuesday, 17 August 2021 08:13 UTC

Crossposting eines Posts von mir aus dem Wikipedia Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere Menschen.

Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind und gearbeitet haben.

Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten - fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden. Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr fleißige Autorin? Wer weiß?


 Viele Wikipedianerinnen und Wikipedianer sind derzeit inaktiv.

Anlässlich des Projektes WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat, musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.



Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße. Ein Mammutwerk von Gtelloke, dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.


Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung Invalidenstraße von Gtelloke
Lizenz: CC-BY-SA 3.0



Da ist der Artikel zum Wedding selber. Angelegt 2002 von Otto, dessen letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes! Licht und Liebe''

Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64, auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.

Der Leopoldplatz; angelegt von Frerix, der in den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine Diskussion verwickelt wurde.  Zu seinen wenigen Beiträgen gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg. Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine, die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv ist.

Da wäre das Wahrzeichen des Weddings. Die Alte Nazarethkirche. Der Artikel stammt vor allem von 62.246.210.30.


Bild: Leopoldplatz, Ev. Alte Nazarethkirche, 1832–35 von Karl Friedrich Schinkel von Schliwiju

Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte in seiner Frühzeit von WHell, engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den späteren Jahren durch Peterobst – aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten 80.226.238.197, von Georg Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht unregelmäßig), Flibbertigibbet 2006 , 79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine. Weiter ausgebaut von Onkel Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und hielt sich im Wesentlichen daran.

Da ist der Volkspark Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005, aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut, umfassend überarbeitet 2007 von 84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka. Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014, die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.


Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in Berlin, Wedding (Mitte). Von: Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv, Magadan, Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.

Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen. Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine,  Fridolin freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns kamen.

Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind, rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.

Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon zumindest ein Admin gebannt.

Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen einen Genozid an Deutschen verübt hätten.

Der ganze Bericht kann hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht aufklären und nicht Propaganda verbreiten!

IeS: Blog ist zurück

Friday, 16 April 2021 21:38 UTC

Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen, sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.

Wahl: Oversighter-Wahlen

Friday, 16 April 2021 21:11 UTC

Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel Erfolg!

Gab es in der DDR Spaghetti?

Friday, 26 March 2021 09:39 UTC

Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite zur Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und logischen Extremsports.

Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad (1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo: 102.



Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:

 "Warum gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft bestätigt worden. Warum?"

Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die immerhin folgendes ergab:

* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli, darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen, Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce Carbonara!


Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild: Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian Ammon, Lizenz: CC-BY-SA 3.0
 
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti, Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika des geteilten Deutschlands.

Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber? Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?

Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische "Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30 Minuten gekocht.

Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als "Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte man darauf, daß sie nicht hohl sind"

Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.

Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen" waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.

Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern auch Pasta.

Philip Dawe, The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade (1773) - 02
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild: Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade, 1773.

In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed and even spoke in an outlandishly affected and epicene manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch: "Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.

Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern ist nun wiederum im Englischen der Macaroni penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.


Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil, nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South Georgia von Liam Quinn, Lizenz: CC-BY-SA 2.0

Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann? Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert. Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.


Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 6204 - Napoli - Fabbrica di maccheroni
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild: Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo: 6204. 


Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu "Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab? Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu recherchieren.

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Eine Investigation: Es gibt kein Mirácoli Carbonara mehr.

Coolest Wikipedia Tool 2020: Pywikibot

Thursday, 7 January 2021 17:31 UTC

Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.

Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger vereisen ließ.

Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener, Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.

„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz! Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.

Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu erfrieren.

Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es nur scheißkalt. Ich gehe.“

Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den Link.

Southgeist: https://www.youtube.com/watch?v=zYM4k_LD_9w – Tools sind doch was für Dich

Hüpfburg: click

Hüpfburg: Das ist Wikipedia. Was soll ich damit?

Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast nur Technik und kreative Sachen.


Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll gehen?

Southgeist: Schau doch mal.

Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären kaputt.

Hüpfburg: I like the music.

Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.

Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen? In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber, was für Tools vorkommen.

Die coolest Tools

Ich erzählte.

Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser (Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer noch ihre Seiten“), Proofread Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“), Listen to Wikipedia („Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den Event integrieren“), AbuseFilter („Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools. („Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)

Pywikibot

Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch können – nur schneller.

Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt – und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich ausbremst.

Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die heutigen Wikipedistas.

DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast 20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“

Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft aber nur selten fundamental Neues.

Change Musiker to Musiker*innen

„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine wichtige Aufgabe erfüllt.

DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle ‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse. Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“

DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“

Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun und die sind superfreundlich dort.“

DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“

„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris, Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“ sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer noch keinen Artikel von ihr.“

Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“

Ruhe. Hüpfburg dachte.

„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen. Vielleicht ist es einen Versuch wert.“

(Beitragsbild: Brødmaskin med striper i mange farger von: Øyvind Holmstad Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International