Eine zentrale Forderung von Wikimedia Deutschland lautet: Was staatliche Stellen mit öffentlichen Geldern finanzieren, soll für die Öffentlichkeit frei zugänglich und nachnutzbar sein. Das gilt für Daten, Bildungsinhalte und öffentlich finanzierte Forschung. Aber auch für Kulturerbe in öffentlichen Museen, Archiven und Bibliotheken sowie Software, die in der Verwaltung zum Einsatz kommt. Daher sollten Verwaltungen freie Open-Source-Software beschaffen und nutzen. Denn einmal entwickelt, ist ihr Code offen zugänglich und sie kann aufgrund der Lizenzierung nachgenutzt und weiterentwickelt werden. Wir machen uns außerdem dafür stark, dass digitales Ehrenamt anerkannt und gefördert wird. Dafür, dass diese und andere Forderungen politisch Gehör finden, engagieren sich bei Wikimedia Deutschland das Team Politik und öffentlicher Sektor und das Team Bildungspolitik.

Welche Parteien wollen Software und Daten frei zugänglich machen?

Im Wahlprogramm der Partei Die Linke findet sich unsere Forderung „Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!“ fast wortwörtlich – auch wenn die Partei sie nur auf einige Bereiche anwendet. Sie will mit öffentlichem Geld geförderte Forschung und Daten der öffentlichen Hand frei zur Verfügung stellen. Wenn es nach der Partei geht, würde es sogar ein Recht auf Open Data geben. Einen individuellen Rechtsanspruch darauf, dass die bei staatlichen Einrichtungen vorhandenen Daten so umfassend wie möglich verfügbar und nutzbar gemacht werden können. Sie will außerdem dafür sorgen, dass „Software, die öffentliche Verwaltungen einkaufen oder entwickeln lassen, nur noch in Ausnahmefällen“ nicht frei zugänglich sein darf. Ähnlich fordern es die Grünen, die ein Digitalministerium wollen, das dafür sorgt, dass der Staat „insbesondere Open-Source-Anwendungen“ fördert und einsetzt. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will das Open-Source-Prinzip fördern. Die AfD erwähnt an einer Stelle des Wahlprogramms „Open-Source-Techniken“, es bleibt aber unklar, was damit gemeint ist oder erreicht werden soll.

Ein Bundestransparenzgesetz würde mehr Daten und Wissen freisetzen

Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien sich gemeinsam vorgenommen, ein Bundestransparenzgesetz zu verabschieden. Ein solches Gesetz verpflichtet Verwaltungen dazu, Daten, Studien oder Dokumente über ihr eigenes Handeln von sich aus digital und frei zugänglich zu machen. Wikimedia Deutschland setzt sich schon lange dafür ein, dass ein solches Gesetz kommt. Wikipedianer*innen könnten die Studien und Daten nutzen, um damit Wissen in der Wikipedia zu erweitern. Ein Transparenzgesetz macht zudem Verwaltungs- und Regierungshandeln nachvollziehbar und kann damit Vertrauen stärken. Es würde aber auch die Modernisierung der Verwaltung voranbringen, wie Studien zu Transparenzgesetzen in den Bundesländern zeigen.

Im Programm für die Wahl 2025 stellen die Bündnisgrünen sowie die Linken in Aussicht, den Rechtsanspruch der Bürger*innen auf Open Data in einem Transparenzgesetz festzuschreiben. Die Wahlprogramme der SPD, AfD, FDP, CDU/CSU oder des BSW erwähnen weder den Rechtsanspruch auf Open Data noch ein Transparenzgesetz.

Befürworten ein Bundestransparenzgesetz: Misbah Khan (Bündnis90/Die Grünen und Mitglied im Digitalausschuss und im Ausschuss für Inneres und Heimat, 2.v.l.) und Konstantin von Notz (Bündnis90/Die Grünen, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, 2.v.r.) bei einer der Übergaben der Petition an Politikschaffende. Foto: Mehr Demokratie e.V. CC BY-SA 2.0
Im Bündnis Transparenzgesetz engagieren wir uns mit neun weiteren Organisationen seit Jahren dafür, dass die Bundesregierung endlich ein Bundestransparenzgesetz verabschiedet. Zuletzt haben wir eine Petition gestartet, um Politikschaffenden zu verdeutlichen, dass viele Menschen diese Forderung unterstützen. Übergeben haben wir die Petition dann an Akteur*innen aus dem verantwortlichen Ministerium und aus Bundestagsausschüssen – hier etwa an Misbah Khan (Bündnis90/Die Grünen und Mitglied im Digitalausschuss und im Ausschuss für Inneres und Heimat, 2.v.l.) und Konstantin von Notz (Bündnis90/Die Grünen, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, 2.v.r.) Beide befürworten ein Bundestransparenzgesetz. Foto: Mehr Demokratie e.V. CC BY-SA 2.0

Öffentliche Forschung auch öffentlich zugänglich?

Wikimedia Deutschland hat mit dem Fellow-Programm Freies Wissen junge Forschende dabei unterstützt, Open Science – also frei und offen zugängliche Wissenschaft – zu praktizieren. Damit Forschungsergebnisse leichter aus den Hochschulen in die Gesellschaft ausstrahlen können. Wünschenswert wäre, dass alle Parteien klar machen: Öffentlich finanzierte Forschung muss frei zugänglich werden. Neben den Linken findet sich das Bekenntnis zu Open Access für Forschungsergebnisse noch beim BSW.

Die Grünen kündigen ein Forschungsdatengesetz an, das den „offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen fördern“ soll. Unklar bleibt dabei aber: Ist damit frei zugänglich sowie nachnutzbar für alle gemeint? Die FDP plant einen „vereinfachten Zugang zu Forschungsdaten über ein Forschungsdatengesetz“, spricht aber auch nicht explizit von freier Nachnutzung für alle.

Bei der AfD finden sich keine Aussagen zu Forschungsdaten, dafür die Einstufung von Klima- und Pandemieforschung als „zuweilen pseudowissenschaftliche Theorien“. Die SPD formuliert zwar diverse Pläne zur Forschungsförderung, offener Zugang zu Daten oder Forschungsergebnissen sind aber nicht im Programm. Die CDU/CSU spricht nur in einem speziellen Fall davon – beim Zugang von Forschenden für ein neu einzurichtendes Bildungsverlaufsregister. Das nützt jedoch Menschen nicht, die Erkenntnisse aus der Forschung, beispielsweise in der Wikipedia, frei teilen wollen.

Wie steht es um Politik für freie und digitale Bildung?

Wikimedia Deutschland arbeitet daran, dass digitale Bildung und Kompetenzen in der Schule gestärkt werden. Vor allem setzen wir uns dafür ein, dass Bildungsinhalte – egal ob für Schüler*innen oder Erwachsene  – frei und digital zugänglich sind. Solche offenen Bildungsressourcen (Open Educational Resources oder OER ) kann jede*r nutzen, weitergeben und sogar anpassen. Sie tragen zu einem gerechten Zugang zu Bildung bei. Auch Schulen sollten freie Open-Source-Software nutzen, um bedarfsgerechte Anwendungen entwickeln zu können und nicht von teuren Monopolisten abhängig zu sein. Lehrkräfte brauchen zudem Fortbildungen zum Umgang mit digitalen Technologien – und ausreichend Zeit dafür.

Quelloffene, freie Software fordern sowohl das BSW als auch die Linke im Bildungsbereich. Als einzige Partei will jedoch die Linke zudem Open Educational Resources (OER) als bevorzugtes Lernmittel voranbringen. Sie will sich auch dafür einsetzen, dass Lehrkräfte verstärkt zu „KI, Datenschutz und digitaler Technik geschult werden“.

Dass weder SPD noch FDP oder Grüne OER in der Bildung stärken wollen, verwundert etwas. Denn 2022 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine nationale OER-Strategie verabschiedet, die derzeit in der Umsetzung ist. Die Bündnisgrünen fordern, Open-Source-Anwendungen zu priorisieren, insbesondere wenn der Staat einkauft. Auch das BSW will im Bildungsbereich stärker auf Open-Source setzen.

Die FDP widmet Bildung das erste Kapitel des Wahlprogramms. Darin stehen aber wenig konkrete Ideen für digitale Bildung, bis auf das Übliche: Schulräume sollen technisch modernisiert werden. Immerhin wollen die Liberalen im Lehramsstudium digitale Kompetenzen ausbilden und auch in den Lehrplänen soll Medienkompetenz eine größere Rolle spielen. Offene digitale Bildungsressourcen sucht man jedoch vergeblich. Zurückhaltender sind CDU und CSU beim Thema Bildung und Digitales. Sie unterstützen den Digitalpakt Schule 2.0 und sehen damit die digitale Bildungsinfrastruktur sichergestellt. Etwas ambitionierter lesen sich die Absichten der SPD. Sie möchte den Digitalpakt Schule beibehalten und „weiterentwickeln” sowie Programme zur Medienbildung auflegen.

Die AfD will IT „vor allem für den Informatikunterricht, für die Berufsausbildung in technischen Fächern“ in Schulen sehen und die „ersten vier Schuljahre sollten vorwiegend digitalfreie Räume sein.“ Die Förderung digitaler Bildung oder Fortbildungen von Lehrkräften im Umgang mit digitalen Technologien sind im AfD-Wahlprogramm nicht vorgesehen.

Wer stärkt digitales Ehrenamt?

Deutschland ist ein Land der Vereine und damit des zivilgesellschaftlichen Engagements: für Demokratie, Sport, Kultur oder Kaninchen. Dass Menschen auch im digitalen Raum und mit digitalen Mitteln ehrenamtlich tätig sind, wissen nur wenige. Die vielen Projekte von Code for Germany bieten zahlreiche Beispiele für gemeinnütziges digitales Engagement. Am bekanntesten ist vermutlich das ehrenamtliche Engagement der Wikipedianer*innen für freies Wissen. Die vielfältige digitale Freiwilligenarbeit zum Wohle der Allgemeinheit verdient Anerkennung. Wikimedia Deutschland fordert dahe eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, indem die ehrenamtliche Entwicklung von Software, gemeinwohlorientierter Plattformen oder Apps in der Abgabenordnung als gemeinnütziger Zweck anerkannt wird. Ein freiwilliges digitales Jahr kann dazu beitragen, dass junge Menschen ihre digitalen Kompetenzen gemeinwohlorientiert einsetzen.

In den Wahlprogrammen ist kein erkennbarer Fokus auf digitales Ehrenamt sichtbar. Mit einer Außnahme. Die Grünen haben eine unserer Forderungen in ihr Programm übernommen und kündigen an: „Wir wollen Digitales Ehrenamt und Entwicklung, Betrieb und Pflege von nicht gewinnorientierter Open-Source-Software als gemeinnützig anerkennen und institutionell unterstützen.“

Die SPD greift unsere Forderung zwar nicht auf, will aber immerhin das Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren. Wie das aussehen soll, lässt sie offen.

Digital kompetente Verwaltung als Voraussetzung für Offenheit

Ohne entsprechende digitale Kompetenzen in Ministerien und Verwaltungen ist der Aufbau einer offenen und funktionierenden digitalen Infrastruktur nicht möglich. Damit fehlt auch der Politik der offenen Daten und Software die personelle Grundlage. Eine Forderung von Wikimedia Deutschland an die Digitalpolitik lautet daher: Für eine schnelle und unabhängige Digitalisierung muss die Verwaltung interne IT-Expertise aufbauen. Unsere Forderung, bei der Besetzung strategischer Stellen eine unabhängige Verwaltung anzustreben und daher an den Kompetenzaufbau in der Verwaltung zu denken, findet sich leider nirgends so recht wieder.

Die CDU/CSU schlägt zwar eine relativ klare Struktur vor. Die „technischen und digitalen“ Standards sollen auf Bundesebene gesetzt werden, wobei Input aus den Kommunen erwünscht ist – vor allem deren praktische Erfahrungen. Kompetenzaufbau taucht jedoch eher im Zusammenhang mit Sicherheitsbehörden auf, sowie im Zusammenhang mit einem gestärkten Technologiestandort. Die besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen in der Verwaltung auch digital vor allem für die Verwaltung selbst nutzbar zu machen, scheint mit dem Einsatz von KI erledigt zu sein.

Die Grünen skizzieren zwar recht ausführlich, was Staat und Verwaltung digital leisten sollen und bringen eine auf Basis von Open-Source-Software entwickelte Deutschland App ins Spiel. Immerhin – aber so knapp, dass es kaum auffällt – findet sich dann die Ankündigung: „Digitale Kompetenzen sollen zu einem selbstverständlichen Teil der Verwaltungsaus- und fortbildung werden.“

Die AfD sieht den Staat vor allem als potenzielle „Datensammelkrake“ und spricht von einem „Recht der Bürger auf ein analoges Leben außerhalb der digitalisierten Verwaltungs- und Alltagsabläufe.“

Unser Fazit

Den Einsatz von freier und offener Software, freien Zugang zu Daten und Forschung oder die Förderung freier und digitaler Bildung haben nur wenige Parteien explizit im Programm. Das digitale Ehrenamt scheint nur eine Partei auf dem Schirm zu haben – obwohl es in der Engagementstategie der Bundesregierung in diesem Jahr erstmals offiziell anerkannt wurde. Im Vergleich zu 2021 sind die Wahlprogramme der Parteien in digitalpolitischer Hinsicht eher dünn. Es ist weniger von zukunftsorientierter Planung und Vorausschau zu lesen. Angesichts der mageren Ergebnisse der letzten Regierung mag diese schüchterne Vorgehensweise ein Lernerfolg sein. Immerhin bieten Leerstellen auch Raum für Gestaltung. Andererseits bleiben die fehlenden Selbstverpflichtungen ein Manko, mit dem die künftigen DigitalpolitikerInnen umgehen müssen. Der Einsatz für Freies Wissen steht allen demokratischen Parteien gut zu Gesicht. Wir werden den Einsatz dafür weiter unterstützen.

Seit mehr als einem Jahrzehnt prägt Lydia Pintscher die Entwicklung von Wikidata, einer offenen Wissensplattform, die heute Millionen von Daten verbindet und weltweit genutzt wird. Ihre Arbeit bei Wikimedia Deutschland hat dazu beigetragen, dass aus einer wertvollen Lösung für Wikipedia-Verlinkungen eine zentrale Datenquelle für Menschen und Maschinen geworden ist. Für ihr herausragendes Engagement wurde sie nun mit dem European Open Source Award in der Kategorie Advocacy and Awareness geehrt. Ihr Antrieb: Wissen frei zugänglich machen, Monopole aufbrechen und Open Source als Grundlage für eine transparente digitale Zukunft stärken.

Hallo Lydia, kannst du für unsere Leser*innen kurz erklären, was Wikidata ist?

Wikidata ist ein offener, frei zugänglicher Wissensgraph, der Wissen in strukturierter Form speichert. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Datenbank, die Daten oft isoliert erfasst, setzt Wikidata Informationen in Beziehung zueinander. So speichert Wikidata Konzepte und ihre Eigenschaften, wie „Berlin – Einwohnerzahl – 3.782.202“, und Verknüpfungen zwischen ihnen wie „Deutschland – Hauptstadt – Berlin“. Man kann sich das wie eine riesige, vernetzte Wissenslandkarte vorstellen, in der Fakten nicht isoliert, sondern miteinander verbunden sein können. Diese Struktur macht Wikidata besonders wertvoll – sie hilft nicht nur, Wikipedia in verschiedenen Sprachen aktuell zu halten, sondern wird auch für Apps, Services und spannende Abfragen genutzt – zum Beispiel: Welche Tier- und Pflanzenarten sind nach berühmten Persönlichkeiten benannt? Wikidata wird von einer engagierten Community aus Ehrenamtlichen gepflegt, die täglich neue Informationen hinzufügen.

Die Europäische Open Source Akademie nennt Wikidata eines der einflussreichsten Open-Data-Projekte Europas. Was macht es so besonders?

Wikidata lebt von seiner ehrenamtlichen Community. Jeder Mensch dieser Welt kann beitragen, wodurch die Daten vielfältig und gleichzeitig sehr präzise sind – denn jede Information wird von Menschen geprüft. Es gibt täglich hunderttausende Bearbeitungen auf Wikidata, alle aus persönlichem Engagement, nicht aus kommerziellem Interesse. Das ist unbezahlbar und macht Wikidata zu einer verlässlichen und einzigartigen Wissensquelle. Ohne die ehrenamtliche Community wäre Wikidata nicht das, was es heute ist. Daher gebührt der Open Source Award auch ihr!

Unsere Daten sind darüber hinaus in vielen Sprachen verfügbar, unter einer freien Lizenz (CC-0) nutzbar und in zahlreiche Anwendungen integriert – zum Beispiel in digitale Assistenten auf Smartphones.

Die Open Source Akademie möchte die Bedeutung von Open-Source-Projekten für Demokratie, Innovation und Sicherheit stärker ins Bewusstsein rücken. Warum betrifft Open Source nicht nur Entwickler*innen, sondern uns alle?

Der digitale Raum prägt unser Leben mehr denn je. Freie Software ist der Schlüssel zur digitalen Selbstbestimmung. Sie ermöglicht es, Programme zu nutzen, zu verstehen, weiterzugeben und gemeinsam zu verbessern. Dabei ist Transparenz essenziell. Ohne Einblick in digitale Systeme fehlt uns die Grundlage, um ihre Auswirkungen zu verstehen und mitzugestalten. Ein Beispiel: Die Algorithmen großer sozialer Netzwerke entscheiden, welche Inhalte wir in unserem News Feed sehen – doch ihr genauer Mechanismus bleibt oft verborgen. Das ist ein Problem für unsere Demokratie, denn ohne Transparenz fehlt uns die Grundlage, um informierte Entscheidungen darüber zu treffen, ob wir diese Systeme so akzeptieren wollen.

Offene Daten sind genauso entscheidend. Bei Wikidata und anderen Wikimedia-Projekten kann jeder nachvollziehen, wie Inhalte entstanden sind, Fehler korrigieren und so zur Qualität freier Wissensressourcen beitragen. Offenheit bedeutet Mitgestaltung und Teilhabe – und das ist die Grundlage einer demokratischen digitalen Zukunft.

Preisträger*innen der European Open Source Awards 2025 in Brüssel
Preisträger*innen der European Open Source Awards 2025 in Brüssel

Welches sind neben Wikidata deine zwei Lieblingsprojekte und warum sind sie nützlich?

Neben Wikidata liegt mir KDE sehr am Herzen – was sich auch in meinem Ehrenamt als Vizepräsidentin des KDE e.V. niederschlägt. KDE ist eine Community, die seit fast 30 Jahren erstklassische Freie Software für Endnutzer*innen produziert, darunter Krita, ein Programm zum Zeichnen, Kdenlive, ein Videoeditor und KDE Itinerary, ein Reiseassistent. Die Vision dahinter: „Eine Welt, in der jeder die Kontrolle über sein digitales Leben hat und Freiheit und Privatsphäre genießt.“

Zusätzlich würde ich noch VideoLAN nennen, die unter anderem den großartigen Mediaplayer VLC veröffentlichen und damit so manchen Videoabend gerettet hab

Europa gilt als Vorreiter bei Open Source. Ist das Potenzial schon ausgeschöpft? Wie sähe eine ideale Software-Landschaft der Zukunft aus?

Nein, Open Source kann noch viel mehr. In meiner idealen Zukunft wären soziale Medien, Kommunikationsplattformen und öffentliche IT-Infrastrukturen viel stärker durch Open Source geprägt. Wichtig wäre auch eine bessere Unterstützung: Open-Source-Projekte brauchen mehr organisatorische und finanzielle Förderung sowie gesellschaftliche Anerkennung. Viele Menschen würden sich gern ehrenamtlich engagieren, haben aber durch Job oder Care-Arbeit keine Zeit. Damit Open Source sein volles Potenzial entfalten kann, müssen wir Strukturen schaffen, die Beteiligung für alle erleichtern – sei es durch mehr Freiräume, flexiblere Mitwirkungsmöglichkeiten oder mehr Sichtbarkeit für ehrenamtliche Arbeit.

Welche Vision verfolgt Wikimedia Deutschland für Wikidata?

Wikidata ist aus der Überzeugung heraus entstanden, dass grundlegende Daten über die Welt – Daten, die unser aller Leben beeinflussen – offen und frei zugänglich sein müssen. Seit über zwölf Jahren bauen wir mit Wikidata eine nachhaltige und offene Datenquelle auf. Unsere aktuellen Herausforderungen: Skalierbarkeit, Stabilität und Nutzerfreundlichkeit – Wikidata soll für möglichst viele Anwendungen einfach zu nutzen sein. Ein besonderes Anliegen ist es auch, unterrepräsentiertes Wissen sichtbarer zu machen und die entsprechenden Communitys zu fördern.

Außerdem wollen wir Wikibase, die Software hinter Wikidata, weiter ausbauen. Damit ermöglichen wir Institutionen, ihre eigenen offenen Wissensdatenbanken zu erstellen und gemeinsam ein starkes Netzwerk frei zugänglichen Wissens zu schaffen.

Was würdest du Entwickler*innen und Entscheidungsträger*innen raten? Warum lohnt es sich, mit Wikidata zu arbeiten?

Wikidata ist eine fantastische Datengrundlage für viele Applikationen. Wer also einen Grundschatz an offenen, mehrsprachigen, verifizierten und aktuellen Daten über die Welt für seine Software braucht, ist bei Wikidata genau richtig. Die Plattform verlinkt Einträge auch zu vielen anderen Ressourcen, etwa von Bibliotheken oder Archiven, und öffnet damit den Zugang zu noch mehr wertvollen Informationen.

Und wer eine Lücke in Wikidata entdeckt, kann sie direkt schließen. Das verbessert nicht nur die eigene Anwendung, sondern stärkt die Qualität der globalen Wissensbasis.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über 10 Jahre ist es her, dass die erste Ausgabe des Praxisleitfadens „Open Content“ erschienen ist. Mitglieder der Open-Content-Community haben ihn im Laufe der Zeit in verschiedene Sprachen übersetzt, unter anderem ins Indonesische und Finnische. Seither hat Open Content immens an Bedeutung gewonnen, etwa in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien. In Anbetracht zunehmender technologischer Herausforderungen, die unsere digitale Welt durchdringen und komplexer machen, sind Open-Content-Lizenzen wichtiger denn je: Sie ermöglichen Zugang zu Wissen, Informationen und Kultur und schaffen gleichzeitig Optionen zum rechtssicheren Teilen von Inhalten.

Open Content rechtssicher erstellen, teilen und nutzen

In der erweiterten und überarbeiteten Fassung verfolgt der Leitfaden das Ziel, Creative-Commons-Lizenzen zu erklären und verständlich zu machen, wie sie (rechtlich und praktisch) funktionieren. Nutzende erfahren, auf welchen juristischen Grundlagen sie basieren und wie man die richtige Lizenz für seine individuellen Bedarfe auswählt. Der Leitfaden ist dafür in verschiedene Kapitel aufgeteilt: Zunächst erklärt Till Kreutzer die allgemeinen Prinzipien und Ziele der offenen Lizenzierung. Danach gibt er einen Überblick über die verschiedenen Lizenzmodule von Creative Commons (zum Beispiel CC BY oder CC BY-SA); auch die Themen Gemeinfreiheit und CC0-Lizenz werden hier näher ausgeführt. Kreutzer gibt auch knappe Überblicke über weitere Formen des Immaterialgüterrechts wie Patente und Marken. Der Fokus der Publikation liegt auf der praktischen Nutzung freier Lizenzen. Der Autor gibt Empfehlungen und Hinweise zum Einsatz von offenen Lizenzen und Open Content. Darüber hinaus bietet der Leitfaden Tipps, wie man freie Inhalte online findet. Ein Glossar, das die wichtigsten Begriffe zum Nachschlagen auflistet und kurz erklärt, rundet die Broschüre ab.

Der Leitfaden ist digital und als Printfassung verfügbar

Der Praxisleitfaden „Open Content. Navigating Creative Commons Licenses“ von Till Kreutzer steht als offen lizenziertes und kostenloses PDF zur Verfügung. Es ist auch möglich, eine Printausgabe über education@wikimedia.de zu bestellen. Rückfragen zu den Inhalten des Praxisleitfadens können Sie ebenfalls an die genannte E-Mailadresse richten.

Zum Autor des Leitfadens: Dr. Till Kreutzer ist Rechtsanwalt, Rechtswissenschaftler und Publizist. Er ist Mitgründer und geschäftsführender Partner der Rechtsanwaltskanzlei iRights.Law sowie Mitgründer von iRights.info, dem Internetportal für Verbraucher und Kreative zum Urheberrecht in der digitalen Welt.

Dieser Text stammt von Sarah Behrens (wikimedia.de) und Georg Fischer (iRights.info). Er erscheint unter der Lizenz t CC BY 4.0.

Bisher spielten auf Metas Plattformen, darunter Facebook, Instagram und Threads, professionelle Faktenchecker eine zentrale Rolle. Sie prüften Inhalte, die besonders stark verbreitet oder von Nutzenden häufig gemeldet wurden, auf ihren Wahrheitsgehalt. Anfang Januar erklärte Meta-Chef Mark Zuckerberg nun, die Zusammenarbeit mit den Faktencheckern in den USA zu beenden. Begründung: Sie würden das Vertrauen der Nutzer*innen untergraben. Statt Faktencheckern soll es sogenannte Community-Notes geben: Nutzende sollen dann markieren dürfen, was stimmt und was nicht – ein System, das bereits auf X eingeführt wurde.

Diese Umstellung birgt Risiken: Wenn Einzelpersonen ohne klare Regeln Inhalte bewerten, steigt die Gefahr, dass Meinungen und Falschinformationen als Wahrheit präsentiert werden. Zwar schreibt das EU-Recht durch den Digital Services Act (DSA) weiterhin vor, dass die Plattformen Inhalte moderieren und illegale Inhalte entfernen müssen. Dennoch sind fragliche Posts aus den USA künftig ungeprüft.

Warum funktioniert das Community-Prinzip bei Wikipedia?

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Prinzip, Inhalte durch die Community prüfen zu lassen, vielversprechend klingt – schließlich zeigt Wikipedia, wie effektiv es sein kann. Doch der entscheidende Unterschied liegt in der Struktur und den Zielen der jeweiligen Plattformen.

Die Wikipedia-Community besteht aus Ehrenamtlichen, die dabei unterschiedliche Rollen übernehmen. Einige spezialisieren sich auf das Schreiben von Artikeln zu bestimmten Themen, andere sichten Änderungen oder prüfen Quellen. Besonders bei kontroversen und aktuellen Themen achten Wikipedianer*innen darauf, Manipulationen und Falschinformationen schnell zu erkennen und zu korrigieren. Dabei orientieren sie sich an einem klar definierten Regelwerk und einem gemeinsamen Ziel: verlässliches Wissen für alle kostenlos bereitzustellen.

Ein Regelwerk als Basis für Vertrauen

Seit ihrer Gründung 2001 hat die Wikipedia-Community ein komplexes Regelwerk geschaffen, das Transparenz und Neutralität gewährleistet. Es ist definiert, was relevant für einen eigenen Artikel ist – und was nicht. Artikelinhalte müssen mit Quellen belegt werden und es ist definiert, welche Quellen verlässlich sind. Auch wichtig: Artikel sollten objektiv geschrieben sein. Das heißt nicht, dass in der Wikipedia keine Meinungen dargestellt werden dürfen. Es muss jedoch transparent sein, was Meinung und was Fakt ist und auch welcher Forscher, welche Partei oder welche Journalistin einen Standpunkt geäußert hat, der im Artikel wiedergegeben wird.

Die Regeln haben eine hohe Akzeptanz – weil die Community sie gemeinschaftlich erstellt hat und ihre Einhaltung gemeinsam überwacht. Jeder Artikel ist öffentlich nachvollziehbar: Die Versionsgeschichte zeigt jede Änderung, und auf Diskussionsseiten werden Inhalte ausgehandelt. Dieses gut funktionierende System ermöglicht es der Community, Desinformationen effektiv zu bekämpfen.

Warum das Community-Prinzip bei Big-Tech-Plattformen zum Scheitern verurteilt ist

Können Facebook, Instagram und X plötzlich nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren? Vermutlich nicht, jedenfalls nicht so, wie sie gestaltet sind: Ohne einheitliche Prinzipien oder eine gemeinsame Vision ist es nahezu unmöglich, eine Community zu motivieren, Verantwortung für ihre Inhalte zu übernehmen. Stattdessen dominieren Algorithmen und wirtschaftliche Interessen auch darüber, welche Inhalte für wen sichtbar sind. Denn die Plattformen sind anders als die Wikipedia in erster Linie gewinnorientiert.

Die Herausforderungen der Wikipedia-Community

Natürlich ist auch bei Wikipedia nicht immer alles eitler Sonnenschein. Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung von Regeln und die aufwendige Kleinarbeit können frustrierend sein. Dabei braucht Wikipedia neue Mitstreiter*innen, die sich einbringen und das Projekt lebendig halten – damit das Schwarmprinzip weiter erfolgreich ist und die Wikipedia so bleibt, wie wir sie schätzen: offen, verlässlich und unabhängig. Und vor allem eins: Ein Gemeinschaftsprojekt.

Fazit: Ein Modell mit Vorbildcharakter

Wikipedia zeigt, wie verantwortungsvoller Umgang mit Wissen im Internet gelingt. Während große Tech-Plattformen den Schutz vor Desinformation zunehmend vernachlässigen, setzt Wikipedia auf Gemeinschaft, klare Regeln und Transparenz.

Für kommerzielle Plattformen ist ein solches Modell schwer umzusetzen. Doch eines steht fest: Ohne verbindliche Strukturen und gemeinsame Ziele bleibt der Kampf gegen Desinformation eine enorme Herausforderung.

Petition übergeben: Hochschulen, kommt zu Mastodon!

Monday, 20 January 2025 10:49 UTC

Bereits im letzten Jahr haben wir im Aktionsbündnis neue soziale Medien in einer öffentlichen Erklärung die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die akademischen Oberhäupter dazu aufgefordert: Kehren Sie endlich X den Rücken! Nutzen Sie stattdessen Mastodon für die öffentliche Kommunikation über Forschung und Wissen. Die HRK sollte eine entsprechende Empfehlung an die Hochschulen aussprechen – hat es aber unterlassen. Kürzlich haben nun über 60 Hochschulen ihren Ausstieg aus X erklärt.

Immer mehr Universitäten und Forschungseinrichtungen kommen zu Mastodon, dem nicht-kommerziellen und dezentralen Kurznachrichtendienst. Das Robert-Koch-Institut oder die Humboldt Universität zu Berlin sind zwei Beispiele für die Institutionen, die zu Mastodon gewechselt sind – oder es angekündigt haben. Unsere Petition macht zudem deutlich: Viele Menschen unterstützen diesen Schritt – und kommen oft selbst aus dem akademischen Umfeld. Das zeigen die Kommentare, die viele Unterzeichnende mit ihrer Unterschrift übermittelt haben.

Bei der Übergabe der Petition am 15. Januar in Berlin, waren einige Mitglieder des Aktionsbündnisses dabei. Ob die Petition mittelfristig Wirkung zeigt, wird sich erweisen. Die HRK hat zumindest bei der Übergabe keine Zusage gemacht, seinen Mitgliedsorganisationen Mastodon zu empfehlen.

Petitionsübergabe in der Geschäftsstelle der Hochschulrektorenkonfernz in Berlin. ZU sehen sind fünf Menschen. Vier von Ihnen übergeben die Petition des Aktionsbündnisses neue soziale Medien an einen Vertreter der Hochschulrektorenkonferenz. Henning Rockmann (Leiter der HRK in Berlin, r.) nimmt die Petition entgegen. Für das Aktionsbündnis neue soziale Medien sind Professor Mario Birkholz von der TU Berlin, Lilli Iliev (Leitung des Teams Politik und öffentlicher Sektor) von Wikimedia Deutschland, Michael Wirths von Topio e.V. und Hangzhi Yu von Techkids (v.r.) dabei. Foto: Franziska Kelch (WMDE) CC BY-SA 4.0
Henning Rockmann (Leiter der HRK in Berlin, r.) nimmt die Petition entgegen. Für das Aktionsbündnis neue soziale Medien sind Professor Mario Birkholz von der TU Berlin, Lilli Iliev (Leitung des Teams Politik und öffentlicher Sektor) von Wikimedia Deutschland, Michael Wirths von Topio e.V. und Hangzhi Yu von Techkids (v.r.) dabei. Foto: Franziska Kelch (WMDE) CC BY-SA 4.0

Warum Mastodon?

Das Mastodon-Netzwerk ist eine dezentrale Struktur. Das heißt, die Moderation von Inhalten dominiert nicht ein Unternehmen. Vielmehr achten viele verschiedene Akteur*innen und Betreibende der einzelnen Instanzen auf eine effektive Moderation. So kann die Verbreitung von Hass und Hetze verhindert werden.

Hinzu kommt: Es gibt kein Tracking und keine Datensammelwut, keine Werbung und auch keine Timeline, in die Algorithmen vor allem solche Inhalte spülen, die Aufregungspotenzial haben und Nutzende lange an die Plattform fesseln. Es gibt außerdem eine große Auswahl an Instanzen, die sich mit bestimmten Themen oder Regionen befassen.

Wikimedia Deutschland hat bereits Ende 2023 X den Rücken gekehrt, weil die Plattform sich nicht mehr mit unseren Werten vereinbaren ließ. Seitdem nutzen wir aktiv Mastodon und können sagen: Das Klima ist dort sachlicher und offener. Die Menschen, die mit uns in den Austausch gehen, tun das, weil sie an Themen und Argumenten interessiert sind. Und wir konnten dort schnell eine große Anzahl Menschen für unsere Themen interessieren.

Auch viele andere Organisationen und Unternehmen haben X aus ähnlichen Gründen bereits verlassen. Dazu gehören das ZDF, die BVG, der Bundesverband Deutscher Stiftungen oder auch die Volkswagenstiftung.

Warum braucht es das Aktionsbündnis?

Eine Wikidata-Abfrage weist 55 Hochschulen aus, die bei Mastodon vertreten sind. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena ist seit Januar 2020 dabei, während etwa die Evangelische Hochschule Ludwigsburg im September 2024 beigetreten ist. Auch wenn de facto sicherlich ein paar mehr Hochschulen bei Mastodon aktiv sind – Wikidata zählt nur die Hochschulen, in deren Dateneintrag das auch vermerkt ist – sind es viel zu wenige wenn man sich vor Augen führt: Die HRK hat aktuell 271 Mitgliedshochschulen.

Hochschulen mit Mastodon-Account, die dem Bündnis bisher bekannt sind.

Auch nach Gesprächen mit Mitgliedern des Aktionsbündnisses war die HRK nicht bereit, ihren Mitgliedern zu empfehlen, Mastodon statt X zu nutzen.

Um den Umstieg von X auf Mastodon zu erleichtern, haben wir im Aktionsbündnis ein Tutorial erarbeitet. Von Schritt 1 „Server auswählen – oder selber hosten“ bis hin zur Nutzung von Mastodon und zum Ausstieg aus X erklären wir darin Schritt für Schritt, wie Mastodon funktioniert.

Um den Rektor*innen zu verdeutlichen, dass unsere Forderung Unterstützung findet, hat das Aktionsbündnis außerdem eine Petition gestartet. Je mehr Menschen diese unterstützen, umso deutlicher wird den Unis und Hochschulen, dass sie ihre Kommunikation ihren Werten anpassen müssen.

Das Aktionsbündnis besteht zu einem großen Teil selbst aus akademischem Personal. Zu den Erstunterzeichnenden gehören unter anderem die Informatik-Professorin Claudia Müller-Birn, der Professor für Biotechnologie Mario Birkholz, der Leiter des Open Science Labs am Leibniz Informationszentrum für Technik und Naturwissenschaften Lambert Heller oder der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch. Sie und viele andere Forschende und Lehrende sind bereits mit gutem Beispiel voran gegangen und nutzen Mastodon. Es wird Zeit, dass die Hochschulen selbst es ihrem Personal gleich tun und zum wirklich sozialen Netzwerk kommen.

„Wikipedia ist keine Gerüchteküche und keine Plattform für Werbung, Propaganda oder Verschwörungstheorien. Artikel müssen einen neutralen Standpunkt einnehmen. Kontroverse Behauptungen sollen als solche klar dokumentiert werden.“ So hat es die Wikipedia-Community in ihren Grundprinzipien festgehalten. Der Passus findet sich unter Punkt 3 auf der Seite „Was Wikipedia nicht ist“ regelt das ‘enzyklopädische Neutralitätsgebot’ – eigentlich unmissverständlich. Das Problem: Nicht alle halten sich an die Regeln.

Seit Bestehen der Wikipedia gibt es auch Versuche, durch Fakten gesichertes Wissen umzuschreiben oder umzudeuten. Das gilt für alle über 300 Sprachversionen weltweit.  Nicht immer geschieht das aus böser Absicht. Manche wollen sich schlicht einen Spaß daraus machen und Unfug einschmuggeln. In anderen Fällen geht es jedoch um Vandalismus – wozu das absichtliche Verfälschen von Artikel zählt, oft aus politischen, ideologischen oder religiösen Motiven. Dieses Phänomen ist dauerhaft, aber es verschärft sich, wenn zum Beispiel Wahlen anstehen oder, wie zuletzt, eine Pandemie ausbricht. Dann sind die Freiwilligen noch mehr als sonst gefordert, die Wikipedia als Ort verlässlicher Informationen zu schützen.

Die gute Nachricht: Auch wenn es einen hundertprozentigen Schutz nicht geben kann, kann sich gerade die deutschsprachige Wikipedia auf eine aufmerksame und vor allem wehrhafte Community verlassen, die auf gut funktionierende Abwehrmechanismen gegen Desinformation zugreift.

Wikipedia als Spiegel der Zeit

„Die Wikipedia hat in der Gesellschaft mittlerweile eine so hohe Bedeutung als Informationsquelle erlangt, dass viele politische und auch nicht politische Strömungen ein großes Interesse daran haben, die Artikel in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sei es durch Verfälschungen, Umdeutungen oder Auslassungen“, sagt ein langjähriger Wikipedianer, der sich seit Jahren als Vandalismuskämpfer engagiert. Die Wikipedia sieht er als Spiegel der Zeit: „Wir beobachten seit 2015 eine Radikalisierung in Teilen des Landes, die sich auch in Manipulationsversuchen niedergeschlagen hat.“

Während der sogenannten Flüchtlingskrise in Deutschland, im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und auch in der Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nahm die Zahl der Versuche zu, die Wikipedia nach dem jeweils eigenen Weltbild umzuformen. Während der Pandemie waren es zum Beispiel Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen, die ihre Ansichten in die Online-Enzyklopädie tragen wollten. Immer wieder versuchen auch Rechtspopulist*innen oder Rechtsextremist*innen, Artikel über die NS-Zeit, über neonazistische Parteien oder AfD-Politiker zu verfälschen, was die Community in den meisten Fällen aber zu verhindern weiß.

Viele Augen sehen mehr

Zu verdanken ist das einer Reihe von Faktoren. Begonnen mit der Zahl der Ehrenamtlichen, die sich engagieren. „Je kleiner die Community einer Sprachversion der Wikipedia ist“, so der Ehrenamtliche, „desto leichter kann Missbrauch passieren – einfach, weil weniger Menschen ein Auge auf die Artikel haben.“ Vor einigen Jahren gab es zum Beispiel massive Desinformationsangriffe auf die kroatische Wikipedia. Eine Gruppe mindestens rechtsnationalistischer Administratoren hatte die Enzyklopädie unterwandert, fast alle anderen Freiwilligen verdrängt und im großen Stil Einfluss auf die Darstellung der kroatischen Geschichte genommen. Es bedurfte einer Intervention insbesondere der globalen Community, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. In der Folge verloren die fraglichen Admins ihre Bearbeitungsrechte.

Könnte so etwas heute auch in der deutschsprachigen Wikipedia passieren? Nein, betont er: „Wir sind eine der größten, aktivsten und lebhaftesten Communitys weltweit – entsprechend viele Autorinnen und Autoren wachen mit Argusaugen darüber, ob beispielsweise die Artikel im Politikbereich von rechts oder links beeinflusst werden und unser Neutralitätsgebot beachtet wird.“

Die Wächter*innen der Wikipedia

Natürlich benötigen diese „Wächter*innen der Wikipedia“ auch das passende Instrumentarium, um valide Informationen zu schützen. Und das steht ihnen zur Verfügung.

Im Gegensatz zu anderen Sprachversionen hat die deutschsprachige Wikipedia ein sogenanntes Sichtungssystem etabliert. Das bedeutet, Artikel von neuen Benutzenden müssen erst durch erfahrene Autor*innen freigegeben werden. Es kann also niemand einfach ein Benutzer-Konto anlegen und gleich drauflos veröffentlichen. Dazu gibt es die Seiten mit ungesichteten Versionen. Hier können Wikipedianer*innen, die sich darauf spezialisiert haben, neue Änderungen gezielt durchforsten. Außerdem gilt nicht nur für neue Artikel, sondern auch für jede Änderung in einem bestehenden Text die Belegpflicht: Woher stammt die Information, ist die Quelle seriös? Fehlt dieser Nachweis, fällt das mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell auf und die entsprechende Änderung kann rückgängig gemacht werden.

Wikipedia-Artikel unter verschärfter Beobachtung

Wichtig ist auch die Seite Beobachtungskandidaten, die eine lange Liste mit umstrittenen Themen oder Personen aufführt – also Artikel, die besonders im Fokus stehen, wenn es um die Gefahr von Einflussnahme geht. Mit einem Klick können sich Beobachtende sämtliche Änderungen an allen dort aufgeführten Artikeln anzeigen lassen. Der Nahostkonflikt zählt ebenso zu diesen Beobachtungskandidaten wie etliche Texte rund um Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Artikel zu jüdischen und muslimischen Themen stehen genauso unter Beobachtung wie die Artikel über Olaf Scholz, Donald Trump oder einige rechtsextreme Parteien und Personen.

Bestimmte Seiten werden in der Wikipedia nicht nur besonders beobachtet, sie fallen sogar unter Schutz – das heißt, nicht alle Benutzer*innen dürfen sie bearbeiten. Nur Administratoren können diesen Schutz wieder aufheben.

Tools für die Vandalenjagd

Die Vandalenjäger*innen der Wikipedia (sogenannte RCler) haben eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie entfernen Unfug, verwarnen Übeltäter*innen – und wenn das nicht hilft, melden sie die Personen auf der entsprechenden Wikipedia-Seite oder sperren sie selbst, sofern sie Administrator*innen sind. Die genaue Zahl dieser RCler lässt sich schwer beziffern, schließlich ist es ein Ehrenamt, das auch mal ruhen kann. Schätzungsweise sind es zwischen 30 und 50 Menschen, die in diesem Bereich aktiv sind. Zu jeder Tageszeit habe mindestens ein Dutzend Wikipedianer*innen die Spezialseite „letzte Änderungen“ permanent im Blick, auf der sämtliche Änderungen, die in der Wikipedia vorgenommen werden, gelistet werden. Hier helfen spezielle Tools, den Überblick zu behalten – wie Huggle, ein Programm, das basierend auf bestimmten Keywords neuen Bearbeitungen einen Score zuweist, wie verdächtig sie sind.

Es sind aber nicht nur die Spezialist*innen der Vandalismusbekämpfung, die helfen, die Wikipedia verlässlich zu halten. Alle Benutzenden mit eigenem Konto können sich individuelle Beobachtungslisten anlegen und dort Artikel verknüpfen, über deren Änderungen sie informiert werden möchten. Sogar eine Benachrichtigung per E-Mail ist möglich. Viele Wikipedianer*innen machen davon Gebrauch und legen solche Listen an, ganz nach ihrem jeweiligen Interessengebiet. So funktioniert das Schwarmprinzip des Freien Wissens auch zu seinem Schutz.

Einsatz gegen Manipulation keine Selbstverständlichkeit

Gerade die Abwehr von Manipulationsversuchen ist ein Thema, das viele in der Community beschäftigt. Denn zur Wahrheit gehört auch: „Menschen, die konstruktiv im Sinne der Wikipedia-Richtlinien über politische Themen schreiben und Manipulationen abwehren, können zusätzlichen Belastungen und sogar Angriffen ausgesetzt sein“, beschreibt Miriam Konert vom Team Unterstützung und Beratung bei Wikimedia Deutschland.

Auch das ist ein Grund, weshalb viele Wikipedia-Aktive nicht unter ihrem Klarnamen auftreten. Eine Anonymität, die natürlich gewahrt bleiben soll. Die Wikimedia Foundation wird als Betreiberin der Wikipedia zum Beispiel regelmäßig in Gerichtsverfahren aufgefordert, Informationen über Autor*innen herauszugeben, etwa Klarnamen oder IP-Adressen – und lehnt dies grundsätzlich ab.

Hilfe vom Wikipedia-Pionier

Zu den Ehrenamtlichen, die sich von Risiken nicht schrecken lassen und besonderen Einsatz im Kampf gegen rechte Einflussnahme zeigen, zählt der langjährige Wikipedianer KarlV. Ihm fiel schon 2005 ein Aufruf in der Jungen Freiheit ins Auge, die als Sprachrohr der sogenannten Neuen Rechten gilt: ‚Im Vergleich zu anderen Medien setzt sich bei Wikipedia das bessere Argument durch. Redakteure oder Zensoren gibt es nicht. Die dominante linke Repression hat keine Möglichkeiten, Diskussionsbeiträge zu unterdrücken. Gerade das Medium einer Enzyklopädie macht ein Handeln notwendig‘, hieß es dort. KarlV beschreibt seinen Einstieg in den Kampf gegen Desinformation und Manipulation so: „Ich dachte mir, dass ohne professionelle Hilfe und Fachwissen über die Strategien tagespolitischer Desinformation von neurechter Seite das Projekt Wikipedia hoffnungslos überfordert und auch etwas ausgeliefert sein würde“.

Seitdem klärt er beharrlich über die Strategien der Rechtspopulisten und Rechtsextremisten auf – unter anderem hat er Leitfäden für das Erkennen neurechter Manipulationen erstellt, die auf seiner Benutzerseite und seinen Unterseiten zu finden sind.

Vorfall „Sockenpuppenzoo“

KarlV hat auch (wie zwei weitere Wikipedianer) einen Vorfall dokumentiert, der unter dem Begriff „Rosa-Liebknecht Sockenpuppenzoo“ in die Wikipedia-Geschichte eingegangen ist: eine konzertierte Aktion, bei der damals über 800 sogenannte Sockenpuppen eingesetzt wurden, um in der Wikipedia großflächig und aggressiv Artikel gemäß der rechten Ideologie umzudeuten. Als Sockenpuppe wird ein zusätzliches Benutzerkonto eines angemeldeten Wikipedia-Aktiven bezeichnet. Ihre Nutzung ist in der deutschsprachigen Wikipedia umstritten und in vielen Fällen verboten.

Sockenpuppenzoo – Angriff auf Wikipedia

Mit dem Vorfall „Sockenpuppenzoo“ haben sich auch zwei Investigativjournalisten des SWR beschäftigt und einen umfassenden Podcast dazu veröffentlicht. In sechs Teilen gehen sie dem Versuch rechtsextremer Gruppen, die Wikipedia zu manipulieren, nach.

Die Folgen sind seit dem 16. Januar in der ARD Audiothek abrufbar.

Eine solche Aktion könnte sich heute allerdings nicht mehr eins zu eins wiederholen, so KarlV. „Damals war es leicht für eine Person, etliche Accounts zu generieren und diese vielfach einzusetzen. Mit dem Checkuser ist das in dieser Form nicht mehr möglich.“ Der Checkuser kann bei Verdacht auf erheblichen Missbrauch zum Einsatz kommen. Durch Abgleich der IP-Adressbereiche und der User Agents wird festgestellt, ob Bearbeitungen angemeldeter oder anonymer Benutzer dem gleichen Client zugeordnet werden können. Ein missbräuchliches Vortäuschen unterschiedlicher Identitäten stellt einen schwerwiegenden Regelverstoß dar und kann zu befristeten oder unbefristeten Sperren führen.

Salami-Taktik der neuen Rechten

Was man hingegen wisse – und sich bewusst machen müsse: „Es sind nicht dumme und plumpe Neonazis am Werk, die man leicht erkennen kann. Sondern es agieren intelligente rechtsextreme Studierende und Intellektuelle, die mit der Strategie einer ‚Kulturellen Hegemonie‘ Desinformation betreiben, um gezielt historische Tatsachen – und damit gesichertes und etabliertes Wissen – umzudeuten“, so der Wikipedianer. Zu dieser „Kulturellen Hegemonie“ gehört es, rechten Sprachgebrauch zu normalisieren und mainstreamfähig zu machen.

KarlV spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Geiselnahme von Begriffen“: „Rechtsextremisten geben sich als Konservative aus, Konservative werden als Linksradikale denunziert und Demokratie als Diktatur.“

Die Manipulationsversuche bestimmter Rechtsextremer in der Wikipedia bezeichnet er als Salami-Taktik: „Damit meine ich, dass man subtil hier und dort versucht, in Artikeln valide Informationen umzuschreiben, bzw. Desinformation einzupflegen.“ Ein Beispiel sei der Artikel zu Ernst Jünger. „Dort war ein neurechter Account unterwegs und hat Jüngers Biografie im neurechten Sinne so verändert, dass es zu deren Legendenbildung passte.“ Etwa: Jünger sei ein Freund der Juden gewesen, ein Hitler-Gegner, kein Wegbereiter des NS. KarlV hat sich in der Folge einen Arbeitsplan angelegt, um alle von diesem Account erstellten Artikel gründlich zu überarbeiten. 

Im Kampf gegen Einflussnahme sind Expert*innen gefragt

„Es gibt ‚Werkzeuge‘, mit denen Manipulateure der ‚schlaueren Art‘ arbeiten“, so KarlV. „Um diese Manipulationen zu erkennen, muss man Experte sein. Man muss Quellen nachprüfen und sie seriös einordnen können.“

Sein Fazit ist zugleich ein Aufruf an andere, sich mit ihrem Wissen einzubringen: „Die Wikipedia kann nur so gut sein, wie das Know-How der unzähligen Freiwilligen. Je mehr Experten aus einem Bereich freiwillig in Wikipedia arbeiten, desto zuverlässiger sind die Informationen in dem entsprechenden Bereich oder Gebiet.“

Wikipedia Speedruns: Der sportliche Wissenskick

Wikipedia ist mehr als eine Wissensquelle – es ist ein riesiges Netzwerk aus Artikeln, verbunden durch blaue Wikilinks. Genau hier setzt das Spiel Wikipedia Speedruns an. Ziel ist es, mit möglichst wenigen Linklinks von einem Startartikel zu einem Zielartikel zu gelangen. Ob von Chuck Norris zur Philosophie oder von der Kokosnuss zu den Pyramiden – die Regeln sind simpel, aber die Herausforderung ist groß. Verschiedene Spielmodi und tägliche Aufgaben sorgen für Abwechslung, während die Entdeckungsreise durch das Wikiversum wertvolles Wissen vermittelt.

Most Notable People: Die Weltkarte der Berühmtheiten

Eine interaktive Karte zeigt die Geburtsorte der „bemerkenswertesten Personen“ weltweit. Die Daten stammen aus Wikipedia und Wikidata und präsentieren für jeden geografischen Ort die Person mit dem höchsten Bekanntheitsgrad.

Von Nelson Mandela in Südafrika bis Knud Rasmussen in Grönland lassen sich historische und kulturelle Größen entdecken. Filter nach Kategorien wie Sport oder Wissenschaft und die Möglichkeit, den Globus frei zu bewegen, machen die Karte zu einer spannenden Entdeckungsreise.

Spielerisch oder interaktiv: Das Wikiversum bietet zahllose Wege, Wissen auf neue Weise zu erleben.

Jeweils siebzig Jahre nach dem Tod einer Person erlischt zum Jahresende das Urheberrecht an ihren Werken – seien es Arbeiten aus der bildenden Kunst, Musik, Literatur oder Architektur. Diesen Zustand nennt man auch Gemeinfreiheit oder auf Englisch „Public Domain“. Deswegen blicken wir traditionell Anfang Januar in den kunsthistorischen Kalender, diesmal auf die im Jahr 1954 Verstorbenen.

Frida Kahlos ausdrucksstarke Selbstportraits

Zunächst ist da Frida Kahlo – bekannt vor allem wegen ihrer Selbstportraits, die häufig mit Symbolen gespickt sind und sich durch den charakteristischen stoischen Blick der Malerin auszeichnen. Kahlos Schaffen, zunächst als „naiv“ verkannt, wird heute zwischen Surrealismus und magischem Realismus eingeordnet. Ab heute kann nicht nur endlich der Wikipedia-Eintrag über die mexikanische Malerin mit Abbildungen ihrer Werke versehen werden. Sondern wer zum Beispiel selbst T-Shirts mit Kahlos Bildern bedrucken möchte, kann diese auch verfremden und so in einen neuen Kontext setzen.

Henri Matisses tanzende Linien

Ebenfalls im Jahr 1954 verstarb der französische Maler Henri Matisse, wichtigster Vertreter des sogenannten Fauvismus. Auch seine Werke, bekannt für ihre starke Farbigkeit und die Suche nach der perfekten Linienführung, können ab sofort nicht nur Wikipedia-Einträge bebildern, sondern auch zur Grundlage neuer Schöpfungen werden – wie wäre es zum Beispiel mit einem kleinen Animationsfilm? Sowohl das hier abgebildete frühe Gemälde als auch die späten Scherenschnitte könnten dazu inspirieren.

Von musikalischer Avantgarde bis zu mathematischer Forschung

Neben den so unterschiedlichen Bildern von Frida Kahlo und Henri Matisse bereichern 2025 noch viele weitere Werke die urheberrechtliche Gemeinfreiheit: Von den „silbernen“ Operetten des Wieners Oscar Straus über die frühe Avantgarde des amerikanischen Komponisten Charles Ives oder der französischen Schriftstellerin Colette bis hin zu den Fotografien des ungarisch-US-amerikanischen Kriegsreporters Robert Capa oder den mathematischen Forschungsarbeiten des Briten Alan Turing – am Tag der Gemeinfreiheit gibt es auch in diesem Jahr großartige Beispiele menschlicher Kreativität zu entdecken. In der Wikipedia gibt es die vollständige Übersicht.

Ein Meisterwerk wartet auf neue Noten

Zum Schluss darf ein weiteres Meisterwerk nicht unerwähnt bleiben: Als Urheber der Oper Turandot – mit der zum Welt-Hit gewordenen Arie Nessun Dorma – ist Giacomo Puccini bekannt. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Gemeinschaftswerk: Puccini starb, bevor er die Oper vollendet hatte, so dass der heute weniger bekannte Komponist Franco Alfano die fehlenden Elemente auf der Grundlage der vorhandenen Skizzen ergänzte. Jetzt, wo auch Alfanos Urheberrechte abgelaufen sind, dürfen sich Komponist*innen eingeladen fühlen, der Geschichte von der grausamen Prinzessin selbst eine neue Note hinzuzufügen.

Lukas Mezger ist Wikipedianer und Rechtsanwalt. Bis 2022 war er Vorsitzender des Präsidiums von Wikimedia Deutschland.

„Wikipedia nutze ich mittlerweile seit 20 Jahren sehr aktiv. Es ist wichtig, dass Wissen an zentraler Stelle zur Verfügung gestellt wird.“ Es sind Kommentare wie diese, die deutlich machen, wie wichtig die Online-Enzyklopädie im Alltag vieler Menschen ist. Allein die deutschsprachige Wikipedia wird jeden Tag millionenfach aufgerufen – mit bald drei Millionen Artikeln ist und bleibt sie eine der größten und verlässlichsten Quellen für frei verfügbares Wissen im Internet.

Möglich machen das vor allem viele engagierte Ehrenamtliche, die Artikel schreiben und pflegen, umfangreiche Recherchen betreiben sowie Quellen und Nachweise beifügen und überprüfen. Um diese ehrenamtliche Arbeit zu fördern und auch die technischen Voraussetzungen dafür zu verbessern, führt Wikimedia Deutschland als Förderverein der Wikipedia am Ende jeden Jahres eine große Spendenkampagne durch.

Schöne Bescherung: Elon Musk ruft zum Boykott der Spendenkampagne auf

An Heiligabend hatte Elon Musk auf X dazu aufgerufen, die Spendenkampagne zu boykottieren. Der Aufruf hat jedoch glücklicherweise einen gegenteiligen Effekt gezeigt und nicht zuletzt viele Unterstützer*innen mobilisiert: „Wäre Hr. Musk dieses Jahr nicht gewesen, hätte ich es verpasst zu spenden. Also Danke an Elon :)“, schreibt ein Spender, „Wenn Musk gegen Wikipedia hetzt, ist das eine gute Erinnerung an Wikipedia zu spenden“, ein anderer.

Wenn Musk gegen Wikipedia hetzt, ist das eine gute Erinnerung an Wikipedia zu spenden
Spendenkommentar 2024

Dafür werden die Gelder eingesetzt

Auch in diesem Jahr haben wieder hunderttausende Spender*innen deutlich gemacht, dass ihnen der freie Zugang zu Wissen und unabhängigen Informationen im Netz wichtig ist. Insgesamt beteiligten sich 317.677 Menschen an der Kampagne. Die durchschnittliche Spende lag bei 28,56 Euro. Das Spendenziel von 9,3 Millionen Euro wurde nach 61 Tagen am 27. Dezember erreicht.

Dank der Spenden kann sich Wikimedia Deutschland auch im nächsten Jahr für Wikipedia, die ehrenamtlichen Communitys und die zahlreichen weiteren Projekte für Freies Wissen einsetzen. Dabei orientiert sich der Verein an neuen strategischen Zielen, die deutlich machen, welche gesellschaftlichen Veränderungen wir mit unserer Arbeit in der Welt bewirken wollen. Die Mittelverwendung zeigt detailliert, wie die Spenden im kommenden Jahr verteilt werden. Ein Teil der Gelder geht an die Wikimedia Foundation, die weltweit Wikipedia und damit verbundene Projekte betreibt, voranbringt und entwickelt. Die Jahrespläne von Wikimedia Deutschland und der Wikimedia Foundation enthalten weitere Informationen über die Aktivitäten in Deutschland und die internationalen Aktivitäten.

Ein Blick in die Spendenkommentare

Während der Kampagne nutzen viele Menschen auch die Möglichkeit, über einen Spendenkommentar ihre Wertschätzung auszudrücken. Hier eine Auswahl:

ganz großen Dank für Ihre/Eure großartige Arbeit an diesem herausragenden Projekt – Bildung für alle zugänglich zu machen!
Spendenkommentar 2024
Wikipedia ist ein unverzichtbarer Teil des Internets, d.h. es würde fehlen! Danke für die guten Dienste und Informationen das ganze Jahr über.
Spendenkommentar 2024
Ihr alle helft der Gemeinschaft mit wertvollen und unabhängigen Informationen. Ich danke euch dafür. Macht bitte weiter mit Freude und Leidenschaft für die Wahrheit.
Spendenkommentar 2024

Mehr Mitglieder und Dauerspender*innen

Erfreulich ist auch, dass sich immer mehr Menschen dazu entscheiden, Wikimedia Deutschland dauerhaft als Mitglied zu unterstützen. Im Zuge der Spendenkampagne sind 2477 neue Mitglieder hinzugekommen, damit stieg die Zahl der Vereinsmitglieder auf ca. 111.500. Darüber hinaus haben sich 30.571 Menschen für eine Dauerspende entschieden. Zusammen mit den Beiträgen der Mitglieder hilft dieses Engagement, uns finanziell nachhaltig aufzustellen.

Im Projekt Technische Wünsche optimiert Wikimedia Deutschland gemeinsam mit der Community und der Wikimedia-Foundation die Software hinter Wikipedia & Co. und erweitert sie um neue Funktionen. Schließlich müssen die technischen Voraussetzungen stimmen, damit die Ehrenamtlichen der Wikimedia-Projekte ihrer Arbeit bestmöglich nachgehen können – vor allem, was die Benutzungsfreundlichkeit der Wikipedia betrifft.

Ins Leben gerufen wurden die Technischen Wünsche 2013 vom Wikipedianer Raymond, der eine Umfrage in der Community zu Verbesserungsvorschlägen startete. Wikimedia Deutschland stieg kurz darauf in das Projekt ein und verstetigte die Community-Befragung, auf deren Grundlage seitdem kontinuierlich technische Verbesserungen vorangetrieben werden.

Als dauerhafte Einrichtung gibt es die Wiki-Seite Wunschparkplatz, wo Ehrenamtliche ihre Anliegen hinterlegen können. Jeweils vor einer Umfrage werden aus den gesammelten Wünschen mögliche Themenschwerpunkten erstellt und zur Wahl gestellt. Dem Schwerpunktthema, das die meisten Stimmen erhält, widmet sich das Produktentwicklungsteam der Technischen Wünsche von Wikimedia Deutschland dann in den folgenden zwei Jahren. Die technischen Verbesserungen, die dabei entstehen, dienen nicht nur der deutschsprachigen Community – schließlich wird an der Software MediaWiki gearbeitet, die allen Wikis weltweit zugrunde liegt.

And the winner is… Einzelnachweise!

Bei der Technische Wünsche-Umfrage 2024 standen zehn Themenfelder zur Auswahl – unter anderem ging es darum, die Uploadmöglichkeiten und Suchfunktionen der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons zu optimieren, oder an Tools zur Vandalismusbekämpfung zu arbeiten. Das Ergebnis: Mit großer Mehrheit entschieden sich die Abstimmenden für das Themenfeld „Einzelnachweise“, 53,54 % aller Teilnehmenden wünschten sich Verbesserungen in diesem Bereich. Die Umfrage Technische Wünsche findet dabei stets große Resonanz, auch 2024 stimmten wieder knapp 1000 Ehrenamtliche ab.

Einzelnachweise spielen eine entscheidende Rolle für die Arbeit der Wikipedianer*innen. Schließlich müssen alle Informationen in der Wikipedia belegt und überprüfbar sein, damit nur Wissen aus verlässlicher Quelle Eingang in die Online-Enzyklopädie findet. Die Ehrenamtlichen verwenden darauf viel Zeit und Sorgfalt. Allerdings gibt es in Bezug auf die Benutzungsfreundlichkeit noch Verbesserungspotenzial. Entsprechend beschäftigt das Thema die Community: Schon bei der Technische Wünsche-Umfrage 2022 wurde der Schwerpunkt „Wiederverwendung von Einzelnachweisen vereinfachen“ mit 48,18 % der Stimmen zum Gewinner. Eben damit hat sich das Team von Wikimedia Deutschland in den vergangenen zwei Jahren intensiv beschäftigt.

Großprojekt Subreferenzierung

Im Zentrum stand dabei die Frage: Wie lässt sich besser mit Einzelnachweisen umgehen, die fast identisch sind, sich aber in kleinen Details unterscheiden? Wenn in einem Wikipedia-Artikel zum Beispiel mehrfach aus demselben Werk zitiert wird, nur eben mit verschiedenen Seitenangaben, muss bislang jeder Nachweis einzeln aufgeführt werden – was eine lange, auch unübersichtliche Liste ergeben kann. Um dies zu verbessern, hat das Entwicklungsteam an sogenannten Subreferenzierungen gearbeitet.

Das Prinzip: „Unterhalb des Einzelnachweises, der mehrfach mit verschiedenen Details verwendet wird, stehen etwas eingerückt die verschiedenen Detailnutzungen, beispielsweise die Seitenzahlen eines Buchs – jeweils zurückverlinkt auf den entsprechenden Absatz im Artikel“, erklärt Johannes Richter, Community Communications Manager Technische Wünsche bei Wikimedia Deutschland. „Das erleichtert nicht nur den Ehrenamtlichen die Arbeit, es macht auch den Lesenden viel klarer, wie ein einzelnes Werk tatsächlich zitiert wurde.“

Auf gewonnener Expertise aufbauen

Einige Community-Mitglieder hätten diese neue Feature in einem Test-Wiki bereits ausprobiert, eingeführt werden könnte es im Laufe des Jahres 2025. Richter nennt die Subreferenzierung „das wahrscheinlich ambitionierteste Projekt, an dem wir je gearbeitet haben.“

Im Zuge der mittlerweile mehrjährigen Recherche zum Thema Einzelnachweise ist das Software-Team auf eine Reihe von Verbesserungsoptionen gestoßen, denen jetzt in den kommenden zwei Jahren nachgegangen werden könnte. Was genau innerhalb des neu gewählten Themenschwerpunkts Einzelnachweise in dedn Fokus rücken soll, wird jetzt in Abstimmung mit der Community herausgefunden. „Dazu führen wir in der Regel Folgebefragungen der Ehrenamtlichen durch, außerdem Usertests oder Recherchen auf Phabricator“, erklärt Johannes Richter. „Die Expertise, die wir in der Beschäftigung mit Einzelnachweisen bereits aufgebaut haben, wird uns auf jeden Fall helfen.“

Wussten Sie schon, dass … ?

Thursday, 19 December 2024 11:38 UTC

Wie feiern Menschen in anderen Ländern Weihnachten?

Was haben ein „kackender“ Holzklotz und eine Gewürzgurke gemeinsam? Und was hat es mit dem mysteriösen H0H 0H0 auf sich? Ein Blick in die Wikipedia verrät: Es handelt sich um Weihnachtsbräuche. Neben dem traditionellen Weihnachtsessen und Kirchgang gibt es weltweit noch viele andere ausgefallene Weihnachtstraditionen. Hier haben wir ein paar davon zusammengetragen.

Wer waren die bedeutendsten Politikerinnen der deutschen Geschichte?

Elisabeth Selbert, Frida Nadig, Helene Weber und Helene Wessel sind die so genannten Mütter des Grundgesetzes. Zusammen mit 61 Männern schrieben die vier Frauen 1948 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit. Natürlich gibt es noch weitere Politikerinnen, die sich für soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung, Gleichberechtigung und andere Themen eingesetzt haben. Viele dieser Frauenbiographien finden sich bei Wikipedia.

… 2024 das Jubiläumsjahr vom Künstler Caspar David Friedrich ist?

Am 5. September vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich geboren, er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Romantik. Seine Landschaftsmalereien haben die Kunstwelt nachhaltig geprägt und sind bis heute in vielen Museen zu sehen. Im Wikipedia-Artikel erfährt man mehr über sein Leben, seine Werke und seinen Einfluss auf die Kunstgeschichte . Und Auszüge davon auch schon hier.

Wissen Sie, was da gerade am Himmel los ist?

Alle Jahre wieder sind um diese Zeit des Jahres besonders viele Sternschnuppen zu sehen. Das glitzernde Spektakel am Nachthimmel, die Perseiden, beflügelt jährlich viele Menschen dazu, Sterngucker und Sternguckerinnen zu werden. Doch wo kommen sie her und warum heißen sie Perseiden? Warum tauchen sie immer zur gleichen Zeit auf und wie und wann können Sie die Sternschnuppenregen am besten sehen?

Wer will in den nächsten Wochen mit Olympia-Wissen punkten?

Um die Olympischen Spiele kommt aktuell wohl niemand herum. Die meisten dürften mitbekommen haben, dass mit Lukas Märtens erstmals seit 1988 wieder eine Goldmedaille an einen deutschen Schwimmer geht. Oder dass das Wasser in der Seine vielleicht doch nicht so sauber ist, wie es sein sollte, wenn man darin Schwimmwettbewerbe abhalten will. Dass Journalist*innen bisweilen bemühter darum sind, Doping-Fälle öffentlich zu machen, als die dafür eigentlich zuständige Welt-Anti-Doping-Agentur. Oder wie es sich so lebt in einem Olympischen Dorf. Kurzum: Die Spiele sind aus vielen verschiedenen Gründen Gesprächsthema – vielleicht ja auch in Ihrem Freundeskreis, beim Abendessen mit der Familie oder in der Mittagspause. In der ersten Ausgabe von W wie Wiki-Wissen gibt es aktuelle und historische Fakten sowie kurze kuriose Geschichten rund um das Thema Olympische Sommerspiele.

Wenn Freies Wissen vor Gericht steht

Monday, 16 December 2024 14:35 UTC

Wikimedia Deutschland hat Monsters of Law vor zehn Jahren gestartet, um juristische Fragen zu diskutieren, die einen Einfluss auf die Wikimedia-Projekte und den freien Zugang zu Wissen und Daten haben. Neben Wikimedia-General-Counsel Dr. Saskia Ostendorff waren bei dieser Folge mit dabei: Unser langjähriger rechtlicher Partner, der Jurist für Urheber- und Medienrecht Thorsten Feldmann. Moderiert hat das Gespräch Stephanie Beyrich. Sie ist Rechtsanwältin und Host des Podcasts (R)ECHT INTERESSANT! In der aktuellen Folge ging es um drei Fälle aus der Rechtsgeschichte der Wikipedia, die zeigen, dass das Urheberrecht freiem Wissen immer wieder im Weg steht.

Fall 1: Streitobjekt Briefmarken

Die Deutschen sind begeisterte Briefmarkensammler*innen. Eine der „größten und bedeutungsvollsten“ Briefmarkensammlungen der Welt liegt in Deutschland. Im Kommunikationsmuseum in Berlin. In der Wikipedia gibt es zahlreiche Artikel über berühmte Briefmarken. Über die One Penny Black erfahren wir etwa, dass sie 1840 die erste Briefmarke der Welt war. Bekannter dürften wohl die Blaue und die Rote Mauritius sein. Letztere erzielte mit einer Gesamtsumme von 10 Millionen Euro den höchsten Preis, der jemals bei einer Auktion für eine Briefmarke bezahlt wurde. Beide Wikipedia-Artikel zeigen auch Bilder der berühmten Marken. Denn Wissen vermitteln und aufnehmen funktioniert auch über Bilder. In vielen Wikipedia-Artikeln illustrieren daher Fotos die Texte über Personen, Gebäude, Kunstwerke oder Ereignisse.

Bei den „Herren im Bad“ hört der Spaß auf!

In Deutschland gibt die Post immer wieder sogenannte Wohlfahrtsmarken heraus. Mit jedem Kauf tun Menschen Gutes. Denn zum Porto-Wert jeder Marke erhebt die Deutsche Post AG – früher die Deutsche Bundespost – einen zusätzlichen Cent-Betrag. Die gesammelten Erlöse gehen jedes Jahr an Wohlfahrtsverbände. 2011 zierten bekannte Charaktere und Szenen aus Loriot-Comics die Marken: Herren im Bad, Das Frühstücksei, Auf der Rennbahn und Der sprechende Hund. Vicco von Bülow hatte die Motive für die Wohlfahrtmarken zur Verfügung gestellt. Fotos von diesen Marken fanden sich danach auch im freien Medienarchiv Wikimedia Commons. Da war es dann aber mit der Freigebigkeit vorbei. Die Tochter und Erbin des berühmten Satirikers klagte, weil sie ihre Rechte verletzt sah. Im deutschen Urheberrecht ist festgelegt, dass der urheberrechtliche Schutz von Werken erst 70 Jahre nach dem Tod eines oder einer Urheber*in ausläuft. Das heißt, die Erbenden nehmen nach dem Tod der urhebenden Person zunächst die Rechte wahr. Wenn das aber so klar ist, warum hatten die Wikipedianer*innen dann Bilder der Loriot-Marken veröffentlicht?

Die Post – (k)ein Amt?

Bis zum Prozess um die Loriot-Marken waren Gerichte der Ansicht gefolgt: Briefmarken der Deutschen Bundespost sind mit ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger amtliche Werke, denn sie sind Arbeitsergebnisse einer Behörde. § 5 des Urheberrechtsgesetz besagt, dass amtliche Werke nicht dem Urheberrecht unterliegen. Das machte die Wikimedia Foundation (WMF) im Prozess auch geltend. Sie ist die Betreiberin der Wikimedia Projekte und daher die beklagte Partei. Das Gericht stimmte der WMF jedoch nicht zu. Die Begründung: Es gibt die Deutsche Bundespost nicht mehr. Am 1. Januar 1995 war mit der zweiten Postreform aus der Bundesbehörde eine Aktiengesellschaft geworden. Eine Aktiengesellschaft ist kein Amt und kann daher keine amtlichen Werke produzieren, meinte das Landgericht Berlin. Die Bilder der Marken müssen daher aus Wikimedia Commons und damit auch den Wikipedia-Artikeln entfernt werden.

Sie wollen mehr zu den juristischen Hintergründen der drei Fälle erfahren?

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Fall 2: Streitobjekt Drohnenfotografie

Das freie und offene Medienarchiv Wikimedia Commons führt aktuell über 111 Millionen frei nutzbare Medien. Darunter sind frei lizenzierte Erklärvideos von Terra X, Infografiken zu diversen Themen und vor allem: Fotos. Jede*r kann die Medien für Präsentationen, den Unterricht, eine Webseite, Publikation oder Social Media nutzen.

Gemacht haben diese Bilder Ehrenamtliche, die freiwillig und unentgeltlich verschiedene Medien mit der Welt teilen. So auch eine Gruppe von Wikipedianer*innen vom Lokal K aus Köln, die sich auf Aufnahmen mit Fotodrohnen spezialisiert hat. Denn gerade Gebäude erschließen sich noch einmal ganz anders aus der Vogelperspektive. Andere Elemente oder gestalterische Mittel werden so sichtbar.

Grundsätzlich ist es erlaubt, auch urheberrechtlich geschützte Werke zu fotografieren und diese Fotos zu teilen, wenn die Panoramafreiheit anwendbar ist. Diese Schrankenbestimmung im deutschen Urheberrecht erlaubt es uns allen von öffentlichen Wegen aus Fotos von urheberrechtlich geschützten Werken zu machen und sie zu verbreiten. Die Voraussetzung:  Ein Werk muss dauerhaft in der Öffentlichkeit bleiben – nicht am selben Ort, aber in der Öffentlichkeit.

Der bekannteste Streitfall zu dieser Schrankenbestimmung ist das sogenannte Kussmund-Urteil. Der Hintergrund: Der Reiseveranstalter AIDA wollte einem Ausflugsveranstalter untersagen, ein Foto zu nutzen, das der vom Kussmund auf dem Bug eines AIDA-Schiffs gemacht hatte. Das Urteil: Der Kussmund befindet sich an wechselnden Orten in der Öffentlichkeit, aber er ist auf dem Bug des Schiffs dauerhaft in der Öffentlichkeit. Die Nutzung des Bildes war daher erlaubt.

Was hat Panoramafreiheit mit Wikimedia-Projekten zu tun?

Im Kussmund-Urteil von 2017 befand der Bundesgerichtshof: Die Panoramafreiheit endet dort, wo die gewöhnliche Straßenperspektive aufgegeben wird. Wer ein öffentliches Gebäude also von einer Leiter aus fotografiert, kann sich nicht mehr auf die Ausnahmebestimmung berufen. Die Wikipedianer*innen vom Lokal K haben daher schon vermutet: Diese Grenze der Panoramafreiheit beschneidet auch ihre Freiheit, öffentliche Gebäude aus der Luft zu fotografieren und die Fotos frei zur Verfügung zu stellen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2024 bestätigt das nun – leider. Die Drohnenfotograf*innen müssen nun im Einzelfall klären, ob ein öffentliches Werk oder Gebäude, das sie von der Straße aus fotografieren können, noch urheberrechtlich geschützt ist und sie es deswegen nicht mit der Drohne fotografieren dürfen.

Wann endet der urheberrechtliche Schutz eines Werkes?

In Deutschland ist das erst 70 Jahre nach dem Tod des oder der Architekt*in der Fall. Weil die Schutzdauer sich auf das Sterbedatum der Person bezieht, kann also auch ein vor rund 100 Jahren fertiggestelltes Gebäude heute noch dem Urheberrecht unterliegen. Bauten aus jüngerer Zeit werden noch für viele Jahrzehnte nur aus dem Blickwinkel fotografiert werden dürfen, den wir jeden Tag selbst von der Straße aus sehen – oder aus Perspektiven, zu denen die allgemeine Öffentlichkeit Zugang hat. Schade!

Fall 3: Streitobjekt Himmelsscheibe von Nebra

Gemeinfreie Werke dürfen ohne Bezahlung für alle Zwecke genutzt werden. Wikipedianer*innen könnten also eigentlich ein Foto eines gemeinfreien Kunstwerks in einem Museum machen, hochladen und für Artikel nutzen. Klingt einfach, oder?

Doch so simpel ist es nicht immer. Von 2015 bis 2018 klagte das Reiss-Engelhorn-Museum bis zum Bundesgerichtshof, um Fotos gemeinfreier Werke aus ihrer Ausstellung auf Wikipedia zu verbieten – mit Erfolg. Der Fall half der Wikimedia-Bewegung aber, auf europäischer Ebene für eine Änderung des Urheberrechts zu argumentieren. Denn wir konnten glaubwürdig machen, dass das BGH-Urteil den Zugang zu gemeinfreiem Kulturerbe erheblich erschwert. Dank europäischer Regelungen, konkret Artikel 14 der DSM-Richtlinie und dann § 68 des deutschen Urheberrechts, ist mittlerweile klar: An Reproduktionen gemeinfreier Werke können keine neuen Rechte entstehen. Alles klar? Keineswegs!

Kuriosität im deutschen Urheberrecht beschränkt Gemeinfreiheit

Die Himmelsscheibe von Nebra, eine der ältesten Himmelsdarstellungen, ist gemeinfrei und im Landesmuseum für Vorgeschichte in Sachsen-Anhalt ausgestellt. Es gibt ein Foto davon, das 2002 von Juraji Liptak im Auftrag des Landes erstellt wurde. Das Land Sachsen-Anhalt untersagt, dass Fotos von diesem Foto auf Wikimedia Commons veröffentlicht werden – obwohl darauf die gemeinfreie Himmelsscheibe zu sehen ist. Und obwohl das Fotografieren gemeinfreier Werke eigentlich erlaubt ist.

Das Land beruft sich aber auf § 71 UrhG: Wer ein gemeinfreies Werk erstmals öffentlich wiedergibt, erhält ein 25-jähriges Verwertungsrecht. Deshalb verschickte Sachsen-Anhalt 2023 eine Takedown Notice an Wikimedia, nachdem ein*e Wikipedianer*in ein Foto vom Foto der Himmelsscheibe in das freie Medienarchiv Wikimedia Commons hochgeladen hatte.

Amtliches Werk oder nicht?

Aber Obacht! Das Foto der Himmelsscheibe trägt den Copyright-Hinweis „Land Sachsen-Anhalt“. Es ist auch in der Liste abgedruckt, in der die Himmelsscheibe als Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes genannt ist. Wikimedia Deutschland argumentiert daher, dass es sich um ein „amtliches Werk“ gemäß § 5 Abs. 2 UrhG handelt. Solche Werke sind gemeinfrei. Amtliche Werke nach § 5 Abs. 2 UrhG sind Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind. Und genau das ist geschehen. Indem das Foto in die UNESCO-Liste mit dem Verweis auf das Land Sachsen-Anhalt aufgenommen wurde, wird deutlich: Das Foto von der Himmelsscheibe von Nebra ist ein Werk, welches im amtliches Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden ist

Ob sich ein Gericht dieser Argumentation anschließt? Das ist noch offen.

Warum Wissensgerechtigkeit viel Arbeit ist

Monday, 16 December 2024 10:51 UTC

Die vielen Sprachversionen der Wikipedia haben eins gemeinsam: Sie leben und wachsen nur Dank des ehrenamtlichen Engagements vieler Menschen im internationalen Wikimedia-Movement. Während an der deutschsprachigen Wikipedia vor allem Ehrenamtliche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mitarbeiten, setzt sich die Community der französischen Sprachversion aus Aktiven aus über 20 Ländern und drei Kontinenten (Afrika, Nordamerika und Europa) zusammen. Sie alle teilen zwar die französische Sprache, sind aber durch unterschiedliche kulturelle und historische Kontexte geprägt.

130 Teilnehmende trafen sich jetzt im kanadischen Québec zur WikiConvention Francophone, dem größten Treffen der französischsprachigen Wikipedia-Community. Mit dabei war auch Eva Martin von Wikimedia Deutschland. Sie beleuchtet in diesem Blogbeitrag die Frage, vor welchen Herausforderungen die französischsprachige Wiki-Community steht und wie sie diese angeht.

Etablierte und aufstrebende Communitys

Die französische Wikipedia ist ein globales Projekt, doch ihre Demografie zeigt eine klare Schieflage: Etwa 70 % der Autor*innen stammen aus Frankreich, während 30 % aus West- und Nordafrika, Kanada, Belgien und der Schweiz kommen.

Französische Autor*innen dominieren somit Diskussionen über Richtlinien und Regeln, wodurch andere frankophone Perspektiven oft untergehen. Ein Beispiel: Bei Artikeln über Québec-Themen stellt sich häufig die Frage, ob europäisches oder Québec-Französisch verwendet werden soll. Stimmen aus Québec fehlen dann aber oft in diesen Debatten.

Präsenz-Veranstaltungen wie die WikiConvention bieten dringend benötigten Raum für Austausch und Zusammenarbeit. Persönliche Begegnungen helfen, Spannungen abzubauen, fördern gegenseitiges Verständnis und schaffen die Basis für gemeinsame Lösungen. Diese Verbindungen stärken die soziale Infrastruktur, die die digitale Arbeit der Freiwilligen auf ein stabiles Fundament stellt.

Hürden überwinden und Barrieren abbauen

Das Wissen aller Menschen soll in den Wiki-Projekten abgebildet werden. Um diese Vision des Movements zu verwirklichen, müssen wir als Wikimedia kulturelle und technologische Barrieren überwinden. Die Workshops und Diskussionen auf der WikiConvention Francophone boten wertvolle Einblicke, wie dieser Wandel realisiert werden kann.

Es wurden zudem drei zentrale Herausforderungen identifiziert, deren Lösungen das Gleichgewicht in den frankophonen Communitys nachhaltig fördern könnten.

Beurteilung von Quellen

Die Zuverlässigkeit von Quellen bleibt eine ständige Herausforderung. Administrator*innen, oft in Europa ansässig, haben teilweise Schwierigkeiten, nationale Zeitungen aus Ländern wie Côte d’Ivoire oder Senegal in ihrer Glaubwürdigkeit einzuordnen. Dies führt dazu, dass gültige Beiträge fälschlicherweise zurückgesetzt werden, was frustrierend für Autor*innen aus afrikanischen, frankophonen Communitys ist. Ein Ansatz könnte sein, durch mehr Austausch die regionalen Unterschiede besser einschätzen zu können.

Regionale Voreingenommenheit bei Relevanzkriterien

Die Relevanzkriterien von Wikipedia sorgen immer wieder für Diskussionen. Artikel über bedeutende afrikanische Persönlichkeiten werden von europäischen Autor*innen oft gelöscht, weil ihre Bedeutung nicht erkannt wird. Dies führt viele afrikanische Freiwillige dazu, sich auf kleinere Sprachversionen von Wikipedia zu konzentrieren, wo sie nach regionalen Kriterien arbeiten können.

Technologische Zugänglichkeit

Technologische Barrieren erschweren die Teilnahme, besonders für Beitragende aus Afrika, die hauptsächlich über mobile Geräte auf Wikipedia zugreifen. Schwierigkeiten mit Benutzeroberflächen, die für Desktop-Nutzer*innen entwickelt wurden, sowie begrenzte Internetzugänge, behindern das Bearbeiten von Artikeln. Da Community-Veranstaltungen oft über interne Wikipedia-Seiten organisiert werden, kommt es auch hier zu Einschränkungen. Trotz Fortschritten wie dem Offline-Webbrowser Kiwix und Verbesserungen der mobilen Oberfläche gibt es weiterhin großen Bedarf, den Zugang zu Wikimedia-Projekten zu erleichtern.

Diese Herausforderungen existieren übrigens über die französischsprachige Wikipedia hinweg: Zum Beispiel sind auch in der deutschsprachigen Wikipedia technische Barrieren immer wieder ein Problem. Hier werden regelmäßig die Überprüfbarkeit von Quellen und Relevanzkriterien diskutiert und verbessert. Das zeigt: Internationale Zusammenarbeit ist entscheidend, um regionsübergreifende Lösungen zu finden.

Zehntausende Fotos wurden auch in diesem Jahr wieder aus Deutschland bei den Wettbewerben Wiki Loves Monuments, Wiki Loves Earth und erstmals bei Wiki Loves Folklore eingereicht. Damit leisten die Ehrenamtlichen der Wikimedia-Communitys einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Denkmalschutz sowie zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. Alle bei Wikimedia Commons hochgeladenen Fotos stehen unter freier Lizenz und können so in den Wiki-Projekten, allen voran in der Wikipedia, genutzt und der ganzen Welt zugänglich gemacht werden.

Die Sieger*innen werden alljährlich im Rahmen einer feierlichen Gala geehrt – was nicht zuletzt eine schöne Gelegenheit für die Community bietet, sich persönlich zu treffen und auszutauschen. Diesmal fand die Ehrung am Nikolaustag in der Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland statt, wo rund 70 Mitglieder der Community und weitere geladene Gäste zusammen kamen – musikalisch eingestimmt vom Kitschchor Kreuzberg e.V., der den Abend immer wieder mit Acapella-Songs aus verschiedenen Liedkulturen bereicherte.

Bilder von beeindruckender Qualität

„Beeindruckend ist nicht nur die hohe Zahl der bei den Wettbewerben eingereichten Fotos, sondern auch, von welcher Qualität sie sind“, lobte Alice Wiegand, Vorsitzende des Präsidiums von Wikimedia Deutschland, in ihrer Videobotschaft. Aus den Bildern sprächen Sorgfalt, Mühe und ein hohes Bewusstsein für die Kunst der fotografischen Komposition.

Generell gab es bei der Preisverleihung – die zeitlich nahe an den Internationalen Tag des Ehrenamts angedockt war – viel Anerkennung für die Arbeit und den Einsatz der Ehrenamtlichen. Oliver Friederici, Staatssekretär für Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Berliner Senat, betonte, dass gerade auch das digitale Ehrenamt dazu beitrage, „Brücken zu bauen“ und „die Basis für kulturellen Austausch zu schaffen.“

„Wir haben in Deutschland über 600 Preise für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement. Mir sind allerdings nur wenige bekannt, die auch digitales Ehrenamt auszeichnen“, stellt die Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Katarina Peranić, fest. Schon von daher seien die „Wiki Loves“-Preise in den drei Fotowettbewerben etwas ganz Besonderes: „Das Engagement von Menschen zu würdigen, die sich digital engagieren, ist wichtig, weil es Vorbildcharakter hat.“

Die Grußbotschaften bei der Preisverleihung 2024

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Oliver Friederici, Staatssekretär, Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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Alice Wiegend, Vorsitzende des Präsidiums von Wikimedia Deutschland.

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Rainer Eglseder, Museumsleitung MASKEUM.

Preise und andere Wertschätzung

Jeweils die ersten drei Sieger*innen der Wettbewerbe Wiki Loves Monuments, Wiki Loves Earth und Wiki Loves Folklore bekamen bei der Preisverleihung, die von  Wikipedianerin Elya und Waltraud von Pippich moderiert wurde, ihre Urkunde überreicht. Außerdem gab es in diesem Jahr zwei Sonderpreise: Anlässlich des 10. Geburtstages des Kinderlexikons Klexikon wurde im Rahmen von Wiki Loves Monuments der Sonderpreis Kinderwelten für Fotos von Kulturdenkmälern und Bauwerken für eine junge Zielgruppe verliehen. Wiki Loves Earth lobte einen Extrapreis für Fotografien von Feldrainen und Feldgehölzen aus.

Gerahmt wurden die Laudationes, die Mitglieder der Community auf die Preisträger*innen hielten, jeweils durch einen wertschätzenden Gruß von Vertreter*innen von Institutionen. Ulrike Wendland, Leiterin der Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK), würdigte den Beitrag von Wiki Loves Monuments für den Erhalt des Baukulturerbes: „Eine Gesellschaft braucht Erinnerungsmale“, so Wendland. Gerade für die nächsten Generationen sei es wichtig, dass die Wettbewerbsbilder auch jene Bauwerke digital festhielten, die aus verschiedenen Gründen physisch verloren gehen könnten: „Deshalb hört Denkmalpflege nie auf.“

Susanne Baumann, Bundesgeschäftsführerin beim Naturschutzbund (NABU), hob hervor, wie Wiki Loves Earth mit Naturaufnahmen die zunehmend bedrohte biologische Vielfalt nicht nur sichtbar, sondern wirklich erlebbar mache. Was zum bewussteren Umgang mit Natur beitrage: „Wir schützen nur, was uns nahegebracht wird.“

Elisabeth Tietmeyer, Direktorin des Museums Europäischer Kulturen, nahm den Wettbewerb Wiki Loves Folklore – der 2024 erstmals auch von der deutschsprachigen Community veranstaltet wurde – zum Anlass für einen spannenden Exkurs über den Begriff „Folklore“ und führte aus, dass darunter eben auch Formen populären Erzählens zu verstehen seien: Sagen, Märchen, mündliche Überlieferungen. Eine Tradition, an die der Fotowettbewerb mit seinen Bildern von Brauchtum oder Festen anknüpft.

Wikimedia Commons frei nutzen

Alle Fotos der Wiki Loves-Wettbewerbe werden auf Wikimedia Commons hochgeladen – der weltweit größten Sammlung freier Medien. Dort stehen mittlerweile über 108 Millionen gemeinfreie und frei lizenzierte Fotos, Audio- und Videodateien zur Verfügung. Und das Beste daran: Diese Inhalte können nicht nur in alle Wiki-Projekte eingebunden, sondern auch von jedermann jederzeit und überall genutzt werden.

Wikimedia Commons

5 Praxistipps für die Bildersuche in Wikimedia Commons

Dabei sein ist alles

Die Preisverleihung wurde auch in diesem Jahr wieder live gestreamt. Im lokalen Raum Neu-Ulm traf sich die Wiki -Community zum Public Viewing, die Ehrenamtlichen von Wikipedia:Hannover schauten gemeinsam bei der Weihnachtsfeier die Aufzeichnung der Veranstaltung.

Für die meisten Ehrenamtlichen, die sich bei den Wettbewerben engagieren, geht es dabei nicht in erster Linie ums Gewinnen: „Ich finde grundsätzlich, dass die Wiki-Projekte eine gute Sache sind, die Preise sehe ich eher als schönen Nebeneffekt, als zusätzlichen Anreiz“, so der Wikipedianer Jojoo64, der den 2. Platz bei Wiki Loves Monuments errang. „Vor allem geht es mir darum, mich für Freies Wissen zu engagieren.“

So sieht es auch die Wikipedianerin Würmchen, die bei Wiki Loves Folklore den 3. Platz belegte: „Es motiviert einfach, sich mit anderen Fotografen zu messen, im sportlichen Wettbewerb, ohne Konkurrenzgedanken.“ Wikipedianer Mölchlein – der das diesjährige Siegerfoto bei Wiki Loves Folklore schoss – erzählt über seine Motivation: „Die Wikipedia dient mir schon lange als Quelle für Informationen. Über eine Bannerwerbung bin ich auf den Wettbewerb Wiki Loves Earth aufmerksam geworden und habe im gleichen Jahr auch an Wiki Loves Monuments teilgenommen – für mich eine willkommene Möglichkeit, aktiv zu einem Projekt beizutragen, das ich bis dahin nur passiv genutzt hatte.“ Beide finden, dass die Fotowettbewerbe helfen, „zumindest einen kleinen Teil einer sich rasant verändernden Welt festzuhalten.“

„Ich wünsche mir mehr Anerkennungsformate für das digitale Engagement“, schließt Stiftungs-Vorständin Katarina Peranić: „Auch um aufzuzeigen, wie wir im digitalen Wandel Menschen unterstützen können, die sich in ihrer Freizeit unentgeltlich engagieren.“

Video: Die Preisverleihung 2024 ansehen

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Wie fing Deine persönliche Geschichte mit Wikivoyage an? 

DerFussi: Das muss 2004 gewesen sein, im Urlaub natürlich. Ich bin in einem Internetcafé in Kambodscha auf das Vorgängerprojekt WikiTravel gestoßen und fand das Konzept ziemlich cool. Also fing ich an, dort regelmäßig beizutragen, vor allem, wenn ich irgendwo auf Reisen war. 2006 – ich war mittlerweile Admin auf WikiTravel.de – kam die Nachricht, dass die Seite an einen kommerziellen Anbieter verkauft werden soll, der vielleicht Werbung schalten würde. Die Zukunft war ungewiss.

Themenspecials auf Wikivoyage: Mekong, Laos, Kambodscha

Welche Konsequenzen habt ihr daraus gezogen? 

Einige Admins und Autoren der deutschen Community hatten die Idee: Warum spalten wir uns nicht mit einem eigenen Wiki-Reise-Projekt ab? Die Lizenz erlaubte es, also gründeten wir mit zehn Leuten den Verein Wikivoyage. Wir haben einen Server gemietet, ein Wiki aufgesetzt und die deutschsprachigen Artikel von WikiTravel kopiert. Als Wikivoyage sind wir dann im Dezember 2006 an den Start gegangen. 2012 haben wir einen Vertrag mit der Wikimedia Foundation geschlossen und die Namensrechte übertragen – seitdem sind wir offizielles Schwesterprojekt.

Wofür steht Wikivoyage?

Wir stellen aktuelle, freie Informationen über Reiseziele bereit, die von Community-Mitgliedern live vor Ort recherchiert und up to date gehalten werden. Anders als die Wikipedia bieten wir Empfehlungen zu Hotels, Restaurants, Bars, Clubs – im Grunde wie jeder Reiseführer. Der Bereich Sehenswürdigkeiten ist meistens auch in der Wikipedia abgebildet, allerdings ohne Öffnungszeiten und Kontaktinformationen zu jedem Objekt. Die finden sich auf Wikivoyage. Aufgrund unserer Empfehlungen können wir natürlich nicht komplett neutral sein. Es gibt schon die Maßgabe, bei den Beschreibungen sachlich zu bleiben, aber eine Liste von Hotels ist zum Beispiel in irgendeiner Form von den Autoren kuratiert.

Wie groß ist die deutschsprachige Community?

Geführt werden im Wiki einige hundert Ehrenamtliche, die in den vergangenen drei Monaten mindestens einen Edit gemacht haben. Der harte Kern derjenigen, die permanent aktiv sind, ist natürlich kleiner, um die 50 Menschen, würde ich schätzen. Zumindest per Nutzernamen kenne ich alle! Die englische Community ist um einiges größer.

Sehenswürdigkeiten auf Wikivoyage: Bandenburger Tor, Berlin, Deutschland

Hast Du als Autor bei Wikivoyage einen Schwerpunkt?

Ich bereise vor allem Südostasien. Das aktuellste Beispiel für meine Arbeit ist der Eintrag über Railay Beach, in meinen Augen einer der schönsten Strände Thailands. Er befindet sich auf einer abgelegenen Halbinsel, abseits der Touristenpfade, und steht gerade zur Abstimmung, „Reiseziel des Monats“ auf Wikivoyage zu werden, das von der Community gewählt wird. Davor war ein größeres Projekt von mir ein Artikel über LGBT in Singapur – mit viel fachlichem Background über die Geschichte und die gegenwärtige Rechtslage, und natürlich mit Empfehlungen zu gay-freundlichen Bars und Hotels. Überhaupt habe ich mir als Mitglied der User Group Wikimedia LGBT+ auf die Fahne geschrieben, weitere Länderartikel zu dem Thema zu verfassen. Hier fehlen noch viele Inhalte.

Was bietet Wikivoyage außer praktischen Informationen – und wie ist das Projekt inzwischen gewachsen?

Es gibt auf Wikivoyage eben nicht nur Einträge zu Reisezielen, sondern auch spezifische Themenartikel. Sei es eine Übersicht über die deutschen Eisenbahnmuseen für die Eisenbahnfreaks, seien es einzelne Artikel zu Wanderwegen oder bestimmten Reiserouten. Wir schreiben nicht nur speziell über Orte. Heute gibt es über 20.500 Artikel im Hauptnamensraum, angefangen hat Wikivoyage 2006 mit 2.900 Artikeln, die aus Wikitravel lizenzgerecht übernommen wurden. Bereits ein Jahr später waren es mit 6.000 Artikeln mehr als doppelt so viele.

Hast Du keine Angst, dass Deine Lieblingsorte zu touristisch werden könnten, wenn Du sie auf Wikivoyage empfiehlst?

Nein, so denke ich nicht. Wenn ich dorthin reise, bin ich ja selbst Teil des Tourismus. Die Beschwerde, ein Ort sei „zu touristisch“, habe ich zwar selbst schon vorgebracht, im Fall von Bali. Aber mir ist bewusst, dass ich Teil des Systems bin. Ich freue mich eher, eine Empfehlung für einen abgelegenen und schönen Ort abgeben zu können und hoffe, dass die Leute ihn mit Respekt behandeln – aber hinfahren sollen sie schon.

Hintergrundinformationen auf Wikivoyage: Besakih Tempel, Bali, Indonesien

Wo sind noch weiße Flecken in Wikivoyage, was ist gut abgedeckt?

Ausführlich beschrieben ist natürlich Deutschland, auch Ägypten ist durch einen Power-User gut abgedeckt, Südostasien so gut es geht durch mich. Dünn wird es leider bei vielen der afrikanischen Ländern, selbst bei einigen südamerikanischen. Da könnten wir noch viel Hilfe gebrauchen. Auf meiner persönlichen To-Do-Liste steht noch Japan – und Bhutan als eine ganz andere Welt, die mich immer schon gereizt hat.

Was empfiehlst Du Leuten, die jetzt Lust bekommen haben, bei Wikivoyage mitzumachen?

Am besten dort anfangen, wo man selbst zuletzt im Urlaub war. Einfach mal bei Wikivoyage reinschauen, vielleicht findet sich ja eine Information, die aktualisiert werden muss, oder eine Passage, die verbessert werden kann. Das ist der beste Einstieg.

Lange war die Engagementstrategie angekündigt, nun wurde sie im Kabinett beschlossen – trotz des Bruchs der Ampel-Koalition, denn die Strategie ist ein Beschluss der Bundesregierung, und diese besteht ja weiter.

In den Engagementberichten der vergangenen Jahre zeichnete sich immer mehr ab, dass Digitales Ehrenamt zunehmend als eigene Engagementform erkannt wurde – also nicht nur die Unterstützung klassischer Ehrenamtsformen durch digitale Werkzeuge, sondern eine ganz andere Art, sich zivilgesellschaftlich mit digitalen Projekten zu beschäftigen oder sich für diese einzusetzen.

Dass Digitales Ehrenamt in der Engagementstrategie nun eine angemessene Berücksichtigung findet, ist ein wichtiger Schritt. Denn egal ob Beiträge zu Wikipedia oder Wikimedia Commons, die Weiterentwicklung Freier Software, der selbstlose Betrieb digitaler Infrastrukturen, digitale Bildungsarbeit oder der Einsatz für mehr Open Data, all dies stützt sich auf den ehrenamtlichen Einsatz Tausender Aktiver in Deutschland, die täglich im Interesse der Allgemeinheit dazu beitragen.

Vielversprechende Leitlinien, aber unklarer Weg zur Umsetzung

Auch die Leitlinien für die Engagementpolitik der Bundesregierung wirken auf den ersten Blick vielversprechend. Freiwilliges Engagement wird dort als wesentliche Säule der Demokratie bezeichnet, das jedoch eigenständig und eigensinnig betrieben werden und keinesfalls zur Substitution staatlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge und des Sozialstaats herangezogen werden soll. Vielfalt im Ehrenamt, unabhängig von typischen Diskriminierungsfaktoren, wird als explizites Ziel genannt.

Grundlage künftiger Engagementpolitik soll eine solide, empirisch belegte Wissensbasis sein, um alle Facetten freiwilligen Engagements angemessen fördern zu können.

Verschiedene Maßnahmen könnten konkreter sein

An einzelnen Punkten macht die Strategie jedoch den Eindruck, bislang noch einen verengten Blick auf das gesamte Spektrum bürgerschaftlichen Engagements und vor allem des Digitalen Ehrenamts zu haben. Zwar wird der Einsatz gegen Mis- und Desinformation als Form ehrenamtlicher Betätigung genannt, der Beitrag von Projekten wie Wikipedia als Anlaufpunkte für gesichertes Wissen wird jedoch gar nicht erwähnt. Engagierte sollen off- und online gegen Anfeindungen und Angriffe geschützt werden, und mit Vorhaben im Rahmen des Projekts „Demokratie Leben!“ sind auch Maßnahmen hierfür angekündigt.

Der Entwurf für ein Digitale-Gewalt-Gesetz als wichtiger Beitrag für solch einen Schutz liegt jedoch auch über ein Jahr nach Veröffentlichung des ursprünglichen Eckpunktepapiers noch nicht vor – und wird auch in der Strategie nicht als Maßnahme genannt. Auch die aufgeführten Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und Teilhabe wirken bislang noch unkonkret, ihre praktische Ausgestaltung unklar.

Digitales Ehrenamt hat deutlich mehr Facetten

Auch das Digitale Ehrenamt umfasst ein deutlich weiteres Spektrum, als die Engagementstrategie vermuten lässt. Richtig erkannt ist das enorme Transformations- und Innovationspotenzial von Engagement für die Gesellschaft. Die Beispiele dieses transformativen digitalen Engagements erschöpfen sich in der Strategie jedoch in der Aufzählung von „Social Innovation“, der Auseinandersetzung mit Fragen des Datenschutzes,  der Vermittlung digitaler Kompetenzen und wenigen anderen Beispielen. So wichtig diese Themen auch sind, werden wichtige andere Ausprägungen nur am Rande oder gar nur indirekt in der zitierten Literatur erwähnt.

Auch das ist Digitales Ehrenamt: Freiwillige der Wikipedia-Community fotografieren in den von Wikimedia Deutschland geförderten lokalen Community-Räumen Gegenstände für das Medienarchiv Wikimedia Commons oder bieten Veranstaltungen und Workshops für die interessierte Öffentlichkeit an.

Jahrelange Beiträge des Digitalen Ehrenamts bleiben unbeachtet

Die Forderung, mehr Informationen als Freies Wissen und Open Data verfügbar zu machen, scheint sich beispielsweise nur auf die Erstellung von Apps und Anwendungen auf Basis dieser Daten zu beschränken, um die Bedürfnisse marginalisierter Gruppen besser zu befriedigen, die für marktübliche Lösungen zu wenig Relevanz haben. Einerseits wird damit übersehen, dass solche Anwendungen und Beispiele seit über zehn Jahren in Ehrenamtsgruppen wie dem Netzwerk Code for Germany entwickelt wurden und werden.

Selbstlose Beiträge für die Verwaltungsdigitalisierung

Diese Anwendungen sollen aber ausdrücklich nicht allein auf dem Rücken der Ehrenamtlichen betrieben werden, die, wie die Strategie richtig herausstellt, vielfach gar nicht in klassischen Vereinsstrukturen arbeiten, mit denen sie die notwendigen Mittel für den Betrieb einwerben könnten.

Viele dieser Projekte wie die Portalsysteme politik-bei-uns.de oder Meine Stadt Transparent als niederschwellige Zugänge zu Ratsinformationsdokumenten wurden als Freie Software und als lebendes Beispiel entwickelt, wie offizielle Stellen diese Aufgaben selbst übernehmen und diese Anwendungen betreiben sollten.

Die Übernahme dieser selbstlos entwickelten Projekte scheitert bislang jedoch in der Regel an mangelnder strategischer Weitsicht der eigentlich zuständigen öffentlichen Stellen.

Mehr digitale Kulturdaten, mehr Wissenstransfer

Andererseits wird mit dieser Sichtweise auch der riesige Schatz Freien Wissens nicht berücksichtigt, der bislang noch gar nicht für die Wiederverwendung in Ehrenamtsprojekten zur Verfügung steht. Das betrifft beispielsweise Dokumente und Digitalisate von Kulturgedächtnisinstitutionen, deren Urheberrecht abgelaufen ist und die prinzipiell in Projekten wie Wikipedia, aber auch in Kulturvermittlungsprojekten einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden sollten.

Auch Beiträge Ehrenamtlicher in Form von Softwareprojekten oder Anregungen zur Modernisierung der öffentlichen IT-Infrastruktur, die eine umfassendere Veröffentlichung staatlicher Informationen als Open Data zum Ziel haben, wurden bislang in den Digitalisierungsstrategien von Bund, Ländern und vielen Kommunen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Diese Fehlstellen sollten unbedingt adressiert und in konkreten Maßnahmen verbessert werden.

Digitales Ehrenamt lebt vom sozialen Miteinander: Mehr physische Orte für diesen Austausch!

Die digitalen Engagementformen werden in der Strategie vor allem für den ländlichen Raum als „Kompensationsfunktion für mangelnde Engagementformen vor Ort“ bezeichnet – so als würden sie allesamt rein vor dem persönlichen Rechner und entkoppelt von einem sozialen Zusammenkommen an physischen Orten stattfinden. Zwar ist es richtig, dass digitale Zugänge andere Formen ehrenamtlichen Miteinanders und Einsatzes ermöglichen, für die sich vor Ort keine kritische Masse fände. Diese Möglichkeiten sind wertvoll und erschließen Möglichkeiten, die sich früher nicht in dieser Form boten.

Persönlicher Austausch wie hier in München ermöglicht es, Digitales Ehrenamt in seinen vielen Facetten auch weiteren Interessierten bei Veranstaltungen und Workshops zugänglich zu machen und zum Mitmachen einzuladen!

Warum Räume für das Ehrenamt unverzichtbar sind

Digitales Ehrenamt profitiert immens davon, wenn es als gemeinsame soziale Aktivität an physischen Orten stattfinden kann. Die Strategie hebt richtigerweise in ihrer Einleitung persönlichen Kontakt und sozialen Austausch als wichtigen Faktor für Zusammenhalt und gegenseitiges Lernen hervor und problematisiert den Rückgang von Orten der Begegnung insbesondere im ländlichen Raum.

Dem Bedarf aufsuchbarer Räume für gemeinsames Engagement misst die Strategie jedoch nicht die gebotene Wichtigkeit zu und verweist hier beispielsweise auf Quartierszentralen in kommunaler Hand. Ein Mangel selbstbestimmt von Ehrenamtlichen betriebener und verwalteter Räume wird nicht nur negative Folgen für Ehrenamt im Allgemeinen, sondern auch für digitales Engagement haben.

Mehr Förderung für Begegnungsorte

Wikimedia Deutschland fördert derzeit sechs lokale Räume in Deutschland, die explizit als solch ein Ort für gemeinsamen Austausch und die Förderung Freien Wissens dienen sollen. Neben der Artikelarbeit in der Wikipedia fotografieren dort Freiwillige beispielsweise auch Objekte und Gegenstände für die Mediendatenbank Wikimedia Commons, digitalisieren historische Dokumente oder richten sich mit Veranstaltungen und Workshops an die interessierte Öffentlichkeit.

In der Fläche und insbesondere an Orten, wo es aufgrund nur weniger Aktiver oder hohen Mietpreisen schwer fällt, Anlaufpunkte nach dem Muster von Hack- und Makespaces selbst zu tragen, können solche Räume nur durch eine angemessene Förderung entstehen. Wichtig ist hier, die Eigenständigkeit und Eigensinnigkeit dieses Engagements zu bewahren und eine Indienstnahme oder Vereinnahmung durch Förderer durch geeignete Strukturen von Anfang an auszuschließen.

Ein erster Schritt – jetzt müssen die Maßnahmen konkreter werden

Dass Digitales Ehrenamt überhaupt als eigene Ehrenamtsform in der Engagementstrategie vorkommt und als solche gewürdigt wird, ist ein wichtiger erster Schritt. Wichtig ist es nun, das Spektrum und die Bedürfnisse dieser Engagementform zu schärfen und in die in der Strategie angestrebten Wissensbasis aufzunehmen. Eine Reihe von Maßnahmen lässt sich bereits jetzt konkreter ausgestalten und auf diese Bedürfnisse anpassen.

Bezahltes Wikipedia-Schreiben in der Belletristik

Monday, 12 September 2022 20:02 UTC

Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind. Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.

Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen 2012 bringt es der Roman auf den Punkt:

Auf deutsch etwa:

„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“

Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören. Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten Mehrwert zu bieten.

Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012 richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden Community im Jahr 2022.

(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)

Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu „verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.

Die Lyrik der Wikipedia-Auskunft

Monday, 18 July 2022 17:15 UTC

Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr teilhaben.

Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere mich noch einmal und deklamiere:

Honda Motorrad,
6-Zylinder,
6 Vergaser,
Blockmotor quer,
luftgekühlt.

Alle Daten fehlen!
Keine Daten vorhanden.
Warum?

Die Frage stammte von einer nicht angemeldeten Person, die am 17. Juli um 16:19h mit der IP 2003:D4:2713:1F50:F120:9BAE:47CF:6C2A unterwegs war.

Beitragsbild: 2016-08-05 Tokaido Seki Juku Kameyama City Mie,東海道五十三次 関宿 DSCF6949☆ von: 松岡明芳 Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.

Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt

Semantic Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki abhängig. Weitere wichtige Änderungen:

  • Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions eingesetzt.
  • Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht vorhanden ist.
  • Weiters wird nun Cargo unterstützt, es lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
  • Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
  • Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte speichern zu lassen.
  • Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.

Die MediaWiki Stakeholder’s Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der Software voranzutreiben.

Interessante neue semantische Erweiterungen gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und Metatags:

Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht, die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller Erfolg.

Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der schönen Fabra i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40 Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen teil.

WikiPRedia

Tuesday, 23 November 2021 17:31 UTC

Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal, die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und Spottdrossel.

Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste: ein Gedicht.

Wikipredia

Die Regeln
existieren und doch nicht
nach Mondstand

Die Ethik
absolut seit Anbeginn
nein denn ja

Die Praxis
gesperrt verworfen gelöscht
freigeschaltet

Wikipredia
Darwinismus der Agenturen
Überleben des Dreistesten

Allein mit der Madonna zum Hasen

Thursday, 30 September 2021 19:49 UTC

Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)

Wikipedia-KNORKE erwähnte ich ja an dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas besonderes: Auf ins Museum!

In Berlin gastiert gerade die Darmstädter Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des 16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren. Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.

Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur Sonderausstellung "Holbein in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen, sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der besseren Kunstausstellungen.



Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt. Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing - vermutlich in der Martinskirche als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt, ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?

Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das Darmstädter Gemälde. Eine Sensation,  da die Kunstkennerschaft vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die originale der beiden bestätigten.

Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes (beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".

Hans Holbein der Jüngere: Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532. Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz

Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London. Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.

Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu entdecken.

Wen wählen in das Board der Wikimedia Foundation?

Friday, 20 August 2021 21:03 UTC

Vorweg, für die Eiligen

Meine Wahlvorschläge

  • Top 4: Douglas Ian Scott, Iván Martínez, Adam Wight, Dariusz Jemielniak
  • Top 8: Rosie Stephenson-Goodknight, Lorenzo Losa, Farah Jack Mustaklem, Gerard Meijssen
  • Wählbar: Reda Kerbouche, Pavan Santhosh Surampudi, Ravishankar Ayyakkannu

Wichtige Links

Vote now für das Wikimedia-Board

Für die nicht so Eiligen

Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.

In der Ferne betrachtete ich die Türme des Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg: Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.

Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich, unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.

Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu machen.

Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl. Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken. Diese Gedanken bedurften des Kontextes.

Was ist die Wikimedia Foundation?

Die Wikimedia Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik, ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte, ein Endowment von 90 Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen US-Dollar.

Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel oder legen Inhalte in den Projekten an.

Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich – niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu lassen.

Was ist das Board of Trustees?

Das Board of Trustees ist das ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16 Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite Communitywahl bestimmt.

Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450 Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe. Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.

Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte machen und besetzt die Geschäftsführung.

Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend. Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell und kompetent zu beenden.

Welche Kriterien habe ich?

Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten. Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“

Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können. Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen können.

Wählenswert: Adam Wight. Bild: Recent selfie. Von: Adamw Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Welche Kandidaten?

Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.

Die Urgesteine

Dariusz Jemielniak – Professor of Management, daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.

Rosie Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women in red, you name it. Bei überraschend vielen der Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie Stephenson-Goodknight beteiligt.

Gerard Meijssen – gefühlt war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.

Mike Peel – langjähriges Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Ravishankar Ayyakkannu – Mr. Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google) zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und Berufstätigkeit dort durchführte.

Wählenswert: Dariusz Jemielniak Bild: Dr. Dariusz Jemielniak – Wikimedia Foundation Board von: VGrigas (WMF) Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Im Wikiversum aktiv


Reda Kerbouche – Aktiv bei Wikimedia Algeria, Founding member der Wikimedia of Tamazight User Group. Lebt in Europa.


Lorenzo Losa – Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.


Farah Jack Mustaklem
– Software Engineer, einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft, andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.

Douglas Ian Scott – Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania 2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser kennenlernte – und begeistert war.

Iván Martínez – langjährig engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.

Pavan Santhosh Surampudi – Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell etwas von Communities.

Adam Wight – Programmierer, Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.

Vinicius Siqueira – in Wiki Movimento Brasil

Newbies

Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.

Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur

Wen werde ich wählen?

Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden bevorzugt.

Die Top 4

  • Douglas Ian Scott
  • Iván Martínez
  • Adam Wight
  • Dariusz Jemielniak

Top 8

  • Rosie Stephenson-Goodknight
  • Lorenzo Losa
  • Farah Jack Mustaklem
  • Gerard Meijssen

Wählbar

  • Reda Kerbouche
  • Pavan Santhosh Surampudi
  • Ravishankar Ayyakkannu

Wer wird wählen

Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben, kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein. Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.

Das Wahlsystem

Es gilt das Präferenzwahlsystem. Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.

Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für geeignet, hört man auf zu nummerieren.

Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“ gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus. Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die „2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.

Zur Wahl

Geht es hier.

Beitragsbild: Die Apostel wählen einen zwölften Zeugen als Ersatz für Judas. Aus dem Rabbula-Evangeliar.

Wiki Loves Jules Verne. Mit Wikipedia in Braunschweig.

Tuesday, 17 August 2021 08:28 UTC


Mensch-Maschine Braunschweig


Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert. Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am Bahnsteig. 

Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren.  Eine Frau entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der angezeigten 32.“

Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium, die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?

Illustration aus dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de Neuville & Léon Benett


Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt. Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen Kindheit:


„Meine Mutter nannte dann immer eine Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […] Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir, zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden, Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker. […] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“

Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist, sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?




Forschung Maschinenbau Braunschweig


Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir „Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.

Braunschweig. Bahnhofsvorplatz.


VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich Willkommen.“



Vor allem aber  fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte  keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber, offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie frisch aus der Packung genommen.

Wegbier. In Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber stilgerecht,


Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt. Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle, sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.

Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend, wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr; geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:

„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000 Beschäftigte in 250 Unternehmen der Hochtechnologie[106]“

Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste ist Braunschweig  die innovationsfreudigste Region der EU vor Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules Verne.


Jules Verne


Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules Verne und Gesprächen zu Wikipedia.

Volker Dehs bestreitet das halbe Programm


Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den 1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.

Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden, waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind. Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.

Haus der Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.



Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem beeinflusst waren

Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste. Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.

Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang, dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang, Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden. Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr. (*Affiliate Links)

Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es (fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese vor allem dem Zweck zu reisen.

Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.

Die Phantastische Bibliothek


Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler. Thadewald verstarb 2014. Er lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit, seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend. Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des Programms.

Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen: Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die Berichte  werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden wollen und in die Zukunft denken.

So als Beispiel: Nanotechnische Ideen in der Science Fiction



Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.

Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen schreiben.

Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist, dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.


Mensch Maschine Normal


Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“ vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws] telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10 Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?





Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.

Weiterlesen


Mit Wikipedianern kann man nicht nur Verne lesen, sondern auch Cocktails mischen: Ramos Gin Fizz für die Enzyklopädie.

Oder man läuft mit Wikipedianern durch den Wedding:Tanz auf dem Guglhupf, Automatenmaden und die „brutalism appreciation society“ im #wedding

Mehr zu Future Life bei der phantastischen Bibliothek: Future Life. 

Zum Jules-Verne-Club

Die Wikipedia-Seiten zur Veranstaltung: Wikipedia:Wiki Loves Jules Verne

Beiträge zur Veranstaltung im Wikipedia-Kurier und im Blog von Wikimedia Deutschland.

Der grüne Strahl im Gesamttext bei zeno.org: Der grüne Strahl

Alle Iberty-Posts zur Kultur stehen unter: Kultur in Iberty!

Anmerkungen


Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:

„Nichts gegen das große Geld und die wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle, Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss. Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)


 

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Berlin celebrates old school #wikipedia15

Tuesday, 17 August 2021 08:13 UTC

I still remember the time when real life meetings for Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one really want to meet these strange other people from the Internet? How would they be? Could they even talk in real life or would they just sit behind a laptop screen staring on it for hours?

My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!) sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen. These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice evening.

WP15 Germany Berlin 01
Bild: By Sargoth, CC BY-SA 3.0

So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the old school way. Half improvised, organized by our dearest local troll user:Schlesinger on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come and what would happen except some people having a good time.

And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg seven people promised to come, in the end we were almost twenty. Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we just talked and laughed, talked about history and future.  Actually, mostly we talked about future.

WP15 Germany Berlin 03
Bild: By Sargoth, CC BY-SA 3.0

About the Wikipedian above 30, who has just started a new a university degree in archaeology, the question whether the Berlin community should have its own independent space, industrial beer, craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the future, who should come to the open editing events, how to work better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there, looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.

No frustration, almost no talk about meta and politics, just Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old school. So good.

WP15 Berlin Torte angeschnitten

Die Verschwundenen

Tuesday, 17 August 2021 08:13 UTC

Crossposting eines Posts von mir aus dem Wikipedia Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere Menschen.

Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind und gearbeitet haben.

Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten - fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden. Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr fleißige Autorin? Wer weiß?


 Viele Wikipedianerinnen und Wikipedianer sind derzeit inaktiv.

Anlässlich des Projektes WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat, musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.



Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße. Ein Mammutwerk von Gtelloke, dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.


Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung Invalidenstraße von Gtelloke
Lizenz: CC-BY-SA 3.0



Da ist der Artikel zum Wedding selber. Angelegt 2002 von Otto, dessen letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes! Licht und Liebe''

Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64, auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.

Der Leopoldplatz; angelegt von Frerix, der in den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine Diskussion verwickelt wurde.  Zu seinen wenigen Beiträgen gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg. Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine, die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv ist.

Da wäre das Wahrzeichen des Weddings. Die Alte Nazarethkirche. Der Artikel stammt vor allem von 62.246.210.30.


Bild: Leopoldplatz, Ev. Alte Nazarethkirche, 1832–35 von Karl Friedrich Schinkel von Schliwiju

Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte in seiner Frühzeit von WHell, engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den späteren Jahren durch Peterobst – aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten 80.226.238.197, von Georg Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht unregelmäßig), Flibbertigibbet 2006 , 79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine. Weiter ausgebaut von Onkel Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und hielt sich im Wesentlichen daran.

Da ist der Volkspark Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005, aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut, umfassend überarbeitet 2007 von 84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka. Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014, die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.


Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in Berlin, Wedding (Mitte). Von: Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv, Magadan, Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.

Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen. Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine,  Fridolin freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns kamen.

Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind, rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.

Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon zumindest ein Admin gebannt.

Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen einen Genozid an Deutschen verübt hätten.

Der ganze Bericht kann hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht aufklären und nicht Propaganda verbreiten!

IeS: Blog ist zurück

Friday, 16 April 2021 21:38 UTC

Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen, sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.

Wahl: Oversighter-Wahlen

Friday, 16 April 2021 21:11 UTC

Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel Erfolg!

Gab es in der DDR Spaghetti?

Friday, 26 March 2021 09:39 UTC

Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite zur Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und logischen Extremsports.

Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad (1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo: 102.



Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:

 "Warum gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft bestätigt worden. Warum?"

Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die immerhin folgendes ergab:

* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli, darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen, Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce Carbonara!


Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild: Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian Ammon, Lizenz: CC-BY-SA 3.0
 
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti, Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika des geteilten Deutschlands.

Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber? Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?

Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische "Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30 Minuten gekocht.

Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als "Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte man darauf, daß sie nicht hohl sind"

Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.

Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen" waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.

Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern auch Pasta.

Philip Dawe, The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade (1773) - 02
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild: Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade, 1773.

In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed and even spoke in an outlandishly affected and epicene manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch: "Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.

Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern ist nun wiederum im Englischen der Macaroni penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.


Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil, nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South Georgia von Liam Quinn, Lizenz: CC-BY-SA 2.0

Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann? Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert. Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.


Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 6204 - Napoli - Fabbrica di maccheroni
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild: Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo: 6204. 


Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu "Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab? Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu recherchieren.

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Eine Investigation: Es gibt kein Mirácoli Carbonara mehr.

Coolest Wikipedia Tool 2020: Pywikibot

Thursday, 7 January 2021 17:31 UTC

Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.

Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger vereisen ließ.

Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener, Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.

„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz! Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.

Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu erfrieren.

Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es nur scheißkalt. Ich gehe.“

Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den Link.

Southgeist: https://www.youtube.com/watch?v=zYM4k_LD_9w – Tools sind doch was für Dich

Hüpfburg: click

Hüpfburg: Das ist Wikipedia. Was soll ich damit?

Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast nur Technik und kreative Sachen.


Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll gehen?

Southgeist: Schau doch mal.

Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären kaputt.

Hüpfburg: I like the music.

Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.

Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen? In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber, was für Tools vorkommen.

Die coolest Tools

Ich erzählte.

Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser (Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer noch ihre Seiten“), Proofread Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“), Listen to Wikipedia („Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den Event integrieren“), AbuseFilter („Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools. („Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)

Pywikibot

Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch können – nur schneller.

Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt – und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich ausbremst.

Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die heutigen Wikipedistas.

DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast 20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“

Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft aber nur selten fundamental Neues.

Change Musiker to Musiker*innen

„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine wichtige Aufgabe erfüllt.

DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle ‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse. Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“

DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“

Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun und die sind superfreundlich dort.“

DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“

„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris, Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“ sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer noch keinen Artikel von ihr.“

Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“

Ruhe. Hüpfburg dachte.

„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen. Vielleicht ist es einen Versuch wert.“

(Beitragsbild: Brødmaskin med striper i mange farger von: Øyvind Holmstad Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International