Bisher lief das so: Die Wikimedia Foundation in den USA ist die
größte und erste Wikimedia-Organisation. Sie ist Betreiberin der
Wikimedia-Projekte und die Zentrale der Wikimedia-Organisationen
und -Gruppen, die sich auf der ganzen Welt aufgrund ihrer
Begeisterung für Freies Wissen gebildet haben. Die Foundation hat
bislang stets die globalen Entscheidungen getroffen, allerdings
wurden damit nicht immer die Bedürfnisse der
Wikimedia-Länderorganisationen berücksichtigt. Damit diese
Entscheidungen zukünftig gerechter und nachhaltiger getroffen
werden, wird nun auf die Entwicklung dezentraler
Governance-Strukturen gesetzt. Nicole Ebber ist Leiterin des Teams
Governance und Movement Relations bei Wikimedia Deutschland und
erzählt uns mehr über die Bedeutung dieser Entwicklung – für das
Movement und die Welt des Freien Wissens.
Hallo, Nicole! Wie kam es zu dem Gedanken, sich
innerhalb des Wikimedia Movements anders aufzustellen bzw.
gerechter zu organisieren?
Der Gedanke entstand bereits 2013, 2014, als Wikimedia
Deutschland das Projekt “Chapters Dialogue” durchgeführt hat, in dem wir
uns mit allen Wikimedia-Mitgliederorganisationen weltweit
ausgetauscht haben. Da stand bereits die Frage im Raum, wie wir
bessere Entscheidungen im Sinne jener treffen, die sie am meisten
betreffen oder wie Ressourcen sinnvoller verteilt werden können.
Ende 2016 startete dann offiziell ein großangelegter
Strategieprozess unter der damaligen Geschäftsführerin der
Wikimedia Foundation, Katherine Maher. Ein Ziel war auch, in die
Zukunft von Wikimedia über Wikipedia hinauszublicken. Die Bewegung
sollte sich intern stärken, um gemeinsam eine kraftvolle Zukunft
für Freies Wissen zu gestalten. Ein Ergebnis dieses Prozesses von 2018 bis 2020 waren
10 Handlungsempfehlungen – eine davon: Gerechtigkeit in der
Entscheidungsfindung. Damit sollen Beschlüsse nicht nur zentral bei
der Wikimedia Foundation liegen, sondern auch dezentralisiert und
repräsentativer werden.
Welche Vorteile bringt ein dezentraler Ansatz in der
Bewegung und warum kann das für jede Organisation ein guter Weg
sein?
Es ist wichtig, diejenigen einzubeziehen, die von Entscheidungen
betroffen sind, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Und dadurch,
dass unser weltweites Movement so groß und divers ist und sich aus
vielen Teilen der Welt zusammensetzt, ist es besonders wichtig. Ein
Beispiel, das verdeutlicht, wie eine zentrale Entscheidung
schiefgehen kann, war der Branding-Prozess der Wikimedia Foundation
vor einigen Jahren. Die Foundation beschloss, sich in “Wikipedia
Foundation” umzubenennen. Dies führte zu starken Protesten
innerhalb der Community. Letztendlich musste die Entscheidung
zurückgenommen oder zumindest auf Eis gelegt werden, nachdem
bereits viel Geld investiert worden war. Eine frühere Einbindung
der Community und eine dezentrale Entscheidungsstruktur hätten
wahrscheinlich dazu beigetragen, sowohl finanzielle als auch
emotionale Belastungen zu vermeiden. Ich denke, eine größere und
frühe Beteiligung in Entscheidungsprozessen fördert ein stärkeres
Engagement und Verantwortungsbewusstsein für jede Form von
Organisation.
Vom 19. bis 21. April fand in Berlin der Wikimedia
Summit statt. Mit dabei waren 170 Wikimedianer*innen aus über 60
Ländern. Was macht dieses Zusammentreffen so besonders für das
Movement?
Der Wikimedia Summit ist der Ort, an dem sich einmal im Jahr
Vertreter*innen der Affiliates, also der Länderorganisationen und
anderer Zusammenschlüsse wie die Wikimedia User Groups treffen, um
gemeinsam an der Zukunft der Bewegung zu arbeiten. Die
Veranstaltung ist jedoch kein klassisches Konferenzformat, wo Leute
vorher Vorträge einreichen und im Anschluss auf der Bühne stehen.
Es handelt sich um ein wirkliches Arbeitstreffen, bei dem alle
Teilnehmer*innen drei Tage lang aktiv mitmachen. Vor der
Veranstaltung gibt es u. a. Vorbereitungsmeetings und Materialien
zum Lesen. Beim Summit selber teilen sich dann die Teilnehmer*innen
in Arbeitsgruppen auf, die in interaktiven Formaten Vorschläge zur
zukünftigen Zusammenarbeit erarbeiten. Die Arbeitsgruppen kommen im
Laufe des Wochenendes regelmäßig zusammen, präsentieren ihre
Fortschritte, geben Feedback zu den Ergebnissen und arbeiten dann
daran weiter, sodass sie am Ende gemeinsame Resultate schaffen.
Im Mittelpunkt stand auf dem Summit die gemeinsame
Arbeit an der sogenannten Movement Charta. Um was für ein Dokument
handelt es sich dabei?
Die Charta ist ein grundlegendes
Dokument für die Zukunft unseres Movements, das von einem Komitee
aus Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden der Wikimedia-Organisationen
erarbeitet wird. Sie definiert das Rahmenwerk, die Werte,
Prinzipien und Kriterien für Entscheidungen und Prozesse im
Movement. Ein zentraler Aspekt ist die Etablierung eines Global
Council, einem globalen Rat, der Entscheidungen treffen und das
Movement mit all den Ehrenamtlichen und Wikimedianer*innen
repräsentieren soll. Die Charta legt auch fest, dass
Entscheidungen, die nicht global getroffen werden müssen, auf
lokale oder regionale Ebenen übertragen werden können.
Welches waren zum Ende der Veranstaltung die wichtigsten
erarbeiteten Inhalte bzw. Entwicklungen zur Charta?
Wir haben auf dem Wikimedia Summit mit 170 Teilnehmer*innen und
drei Tagen langer intensiver Arbeit tatsächlich handfeste
Ergebnisse erzielt, sodass man auch sieht, wow, die Mühe hat sich
gelohnt! Es wurde eine beeindruckende Einigkeit erzielt, die sich
in 46 breit unterstützten Charta-Statements widerspiegelt. Das
Movement Charter Drafting Committee wird diese Statements sowie das
Feedback aus den nicht-anwesenden Communitys prüfen und teilweise
in die finale Version der Charta einfließen lassen. Zusätzlich zur
Charta-Erstellung ist auf dem Summit auch die Gründung einer Gruppe
gelungen, die ein neues Konzept für zukünftige Treffen der
Wikimedia-Organisationen entwickeln wird. Wir haben viele Jahre
lang als Wikimedia Deutschland den Summit ausgerichtet und wollen
diese Verantwortung weitergeben, damit die Diversität des Movements
besser repräsentiert wird.
Was motiviert euch zu diesem Schritt?
Da wir in unserer Movement-Strategie Prinzipien wie Zugang,
Partizipation und Gerechtigkeit verankert haben, passt die
Veranstaltung, wie sie bisher durchgeführt wurde, nicht mehr dazu.
Bislang wurden Entscheidungen über Themen, Zahl der
Teilnehmer*innen, Programmgestaltung und Outputs letztendlich von
Wikimedia Deutschland und in Absprache mit der Wikimedia Foundation
getroffen, ohne ausreichende Beteiligung der anderen Affiliates
oder Community. Wenn wir unsere Entscheidungsstrukturen
gleichberechtigter gestalten wollen, gehört die Ausrichtung und
Planung von Arbeitstreffen konsequenterweise auch dazu.
Inwieweit haben die Aktivitäten des Wikimedia Movements
eine Auswirkung auf die Wissensgerechtigkeit weltweit?
Unsere Vision ist ein globales Wissen, das nicht von
Machtstrukturen und Privilegien geprägt ist, sondern von einer
breiten Palette an Stimmen und Erfahrungen. Wenn wir es schaffen,
ein gerechteres Movement aufzubauen, können wir nicht nur bisher
marginalisierte Communitys stärken, sondern auch unsere eigene
Offenheit und Vielfalt erweitern. Diese Veränderungen sind nicht
nur für das Movement wichtig, sondern haben das Potenzial, die
gesamte Welt zu bereichern und zu verbessern.
Das Museum für Naturkunde in Berlin verfügt über eine
gigantische Sammlung. Schätzungsweise umfasst sie rund 30 Millionen
Objekte, genau gezählt wurde das nie. Was auch bedeutet: Es liegen
noch Berge an Informationen in den Beständen der Kulturinstitution,
die darauf warten, erschlossen zu werden. Genau daran arbeitet das
Museum im Rahmen eines ambitionierten Zukunftsplans.
Eine Säule dieses von Bund und Land geförderten Vorhabens ist
die Sammlungserschließung und -entwicklung. „Dabei geht es eben
nicht nur darum, Bilder von Objekten digital verfügbar zu machen“,
erklärt Sabine von Mering, biologische Datenwissenschaftlerin im
Forschungsbereich „Zukunft der Sammlung des MfN. Vielmehr sei das
Ziel „eine offene Forschungsinfrastruktur zu schaffen, die allen
Interessierten zugänglich ist“. Um dies zu erreichen, nutzt
von Mering zusammen mit Kolleg*innen die Potenziale von Linked Open
Data. „Wir müssen die institutionellen Datensilos aufbrechen, die
Daten frei verfügbar machen und international zusammenarbeiten“,
ist die studierte Botanikerin überzeugt: „Dann sind viele spannende
Analysen zu Netzwerken möglich“.
Ein Sammler*innen-Projekt als
Ausgangspunkt
Am Museum für Naturkunde Berlin hat von Mering dazu ein
Sammler*innen-Projekt ins Leben gerufen. Grundlage dieses
Forschungsunternehmens – das aus dem hauseigenen Innovationsfonds
gefördert wurde – ist ein internes Wiki des MfN, das Informationen
zu rund 600 historischen Sammler*innen mit Bezug zur enthält:
Wissenschaftler*innen, Präparator*innen, Illustrator*innen.
„Personen“, erklärt von Mering, „sind die zentrale Einheit im
Wissensnetz und als Anknüpfungspunkt hoch relevant.“ An sie ließen
sich andere Entitäten andocken: Objekte in Sammlungen,
Publikationen, Archivalien, Fotos – und natürlich andere Personen.
„Diese Vernetzung war unser ursprüngliches Interesse“, so die
Wissenschaftlerin.
Als Pilotdatensatz wurde das interne Sammlerwiki im Rahmen eines
Edit-a-thons im September 2022
noch per Hand in Wikidata übertragen. „Wikidata ist mehrsprachig,
maschinen- und menschenlesbar und kollaborativ – und deswegen ein
sehr nützliches Tool für unsere Arbeit“, betont von
Mering. Dadurch, dass den Personen nach dem Prinzip der Linked
Open Data ein eindeutiger Identifikator zugeordnet wird, lassen
sich die Verknüpfungen herstellen, die für die Forschung spannend
sind.
Zunächst einmal gilt das für die Sammlung des Museums selbst,
die auch Archiv und Bibliothek mit einbezieht: War Person X
vielleicht nicht nur Ornitholog*in, sondern hat daneben auch
Insekten gesammelt und Bücher geschrieben? Aber möglich wird
durch LOD vor allem auch „der Blick über den Tellerrand“, wie
Sabine von Mering beschreibt – eine Domänen-übergreifende
Verknüpfung: „Beispielsweise hat Person X auf Reisen auch
ethnologische Objekte gesammelt, die sich im Ethnologischen Museum
Berlin befinden. Oder die Person hat neben Insekten auch die
Wirtspflanzen der Tiere gesammelt, die im Herbarium des Botanischen
Gartens liegen – um nur die möglichen Berlin-Bezüge zu
veranschaulichen.“ Denn natürlich lassen sich mit Linked Open Data
solche Verknüpfungen weltweit herstellen.
Mehr Sichtbarkeit für Hidden
Champions
Für die Forschung bedeutet das einen enormen Gewinn. „Wenn wir
Sammlungsdaten inklusive Daten zu Personen mit Sammlungsbezug
zugänglich und nachnutzbar machen“ – den FAIR Data-Prinizipien
folgend –, „helfen sie uns als globale Wissensressource und offene
Forschungsinfrastruktur für alle dabei, viele offene Fragen zu
beantworten“, von Mering. Fragen etwa aus dem Themenspektrum
Biodiversitätsverlust, oder zu unterrepräsentierten Gruppen,
sogenannten „hidden champions“ – was etwa lokale Guides,
Sammler*innen oder Informant*innen sein können, aber auch Frauen,
die einen wichtigen Beitrag zur Forschung geleistet haben, deren
Verdienste jedoch Männern zugeschlagen wurden. Kurzum: Es geht
zentral auch darum, die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit dieser
„versteckten“, sprich: marginalisierten Menschen zu erhöhen.
Gefunden im Sammlerwiki: Eine dieser Hidden Champions ist die
Zoologin Bat-Sheva Aharoni, Q108309256, (im Bild mit ihrem Vater Israel Aharoni)
promovierte 1932 über die Muridae (kleine Nagetiere) Palästinas an
der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (heute
Humboldt-Universität). Das Foto zeigt sie in den Gängen der
zoologischen Sammlung der Hebräischen Universität Jerusalem.
Aufgenommen wurde das Foto vor 1947. Den Wikidata-Eintrag zu der
Zoologin hat Sabine von Mering angelegt.
Von den rund 600 Personen im internen Sammler-Wiki des Museums
für Naturkunde Berlin waren zum Beispiel nur 11 Frauen. Sabine von
Mering und ihr Team wissen, dass hier ein Bias vorliegt und es
tatsächlich viel mehr gewesen sein müssen, die einen Beitrag
geleistet haben. Entsprechend suchen die Wissenschaftler*innen in
der Folge des Sammler*innen-Projektes nun weitere Frauen mit Bezug
zum MfN. Das Problem: Über sie ist oft so wenig bekannt, dass jede
Recherche ein kleines Forschungsprojekt für sich bedeutet.
Zusammen mit der neuseeländischen Wissenschaftlerin und
Wikimedian Siobhan Leachman – die auf der Wikimania 2023 als „Wikimedia
Laureate“ ausgezeichnet wurde – hat von Mering zudem ein
Data-Paper zu Pflanzengattungen erstellt, die nach Frauen benannt
wurden. Innerhalb der Gattungen, die überhaupt den Namen von
Personen tragen, machen sie wiederum nur einen Bruchteil aus, ca.
700 haben die beiden zusammengetragen, bei Männern ist es ein
Zehnfaches. Ihr Datensatz, der auch über Wikidata verfügbar ist,
hilft wiederum, Verknüpfungen herzustellen – zwischen der
Pflanzengattung und der Namensgeberin, die vielleicht Botanikerin
war, Schriftstellerin oder eine Mäzenin, die wissenschaftliche
Arbeit unterstützt hat. Auch hier ist das Anliegen, die
Sichtbarkeit zu erhöhen.
Arbeit an kolonialen
Kontexten
Linked Open Data spielen am Museum für Naturkunde Berlin zudem
dort eine wichtige Rolle, wo es um die historische
Kontextualisierung und die Reflektion von Wissen im Zusammenhang
mit Kolonialgeschichte geht. Am Haus existiert ein „Center for the Humanities of
Nature“. Eine Gruppe von Historiker*innen,
Sozial-Anthropolog*innen oder auch Kulturwissenschaftler*innen
durchleuchtet die eigenen Bestände und liefert Daten, die zur
Aufarbeitung von Unrechtskontexten und Sammelpraktiken beitragen,
die oft mit dem Begriff „Raub“ präziser beschrieben sind.
Provenienzforschung, wie sie das MfN betreibt, bedeutet immer auch
das Ausloten von Grauzonen. „Viele Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler haben vielleicht nicht selbst geraubt, aber auch
koloniale Strukturen genutzt – das ist ein Erkenntnis- und ein
Lernprozess“, so Sabine von Mering.
Wie sich solche Verflechtungen auch in Wikidata abbilden lassen,
ist eine Frage, an der sie gegenwärtig unter anderem mit Lucy
Patterson – Projektmanagerin digitales Kulturgut bei Wikimedia
Deutschland e.V. – sowie dem Wissenschaftler Yann LeGall forscht,
der an der Technischen Universität Berlin in das Projekt „The Restitution of Knowledge“
involiviert ist. Die Überlegung ist: „Wie kontextualisiere ich,
dass der Kolonialbeamte aus Deutschland auch ein Plünderer war?“.
Oder: Wie lässt sich in strukturierten Daten der Unterschied
zwischen einer „klassischen“ Forschungsexpedition und einer
Strafexpedition („punitive expedition“) sichtbar machen –
Gewaltunternehmungen von Kolonialtruppen, in deren Zuge nicht
selten auch „gesammelt“ wurde?
Hans Dominik (rechts), Q879441, war ein Kolonialoffizier der Schutztruppe,
der als dienstältester Offizier in der Kolonie Kamerun ein brutales
und mörderisches Erbe hinterließ. Im Sammlerwiki wird auch
angegeben, dass er (wahrscheinlich geplünderte) Gegenstände in die
Sammlungen des Linden-Museums und des Ethnologischen Museums Berlin
eingebracht hat. Zu sehen ist er auf dem Foto in Kamerun, im
Hintergrund ist der Bismarck Brunnen in Buea zu sehen.
Mit kolonialen Fragen hat sich auch ein zweiter – diesmal
öffentlicher – Edit-a-thon am MfN beschäftigt, bei dem Menschen aus
neun Ländern gemeinsam Wikidata-Einträge zu Personen editiert
haben, die in der früheren deutschen Kolonie Kamerun tätig waren.
Mit dabei waren auch Teilnehmer*innen von verschiedene
Wikimedia-Usergroups, etwa aus Nigeria und Kamerun. „Wichtig ist“,
betont Sabine von Mering, „bei solchen Projekten nicht die
koloniale Perspektive zu replizieren und sich nur auf die bekannten
weißen Akteure zu fokussieren“. Das Ziel sei vielmehr, Daten
verfügbar zu machen, die gerade auch für die Menschen aus
Herkunfts-Communities einen Wert hätten, „um beispielsweise
Informationen über ihre Vorfahren zu gewinnen oder über die
Vorgänge in ihrem Land zur Kolonialzeit.“
Während des Edit-a-thons wurden in Wikidata aber auch Items zu
heute in Kamerun tätigen Botaniker*innen, Biolog*innen oder
Zoolog*innen erstellt – wobei sich allerdings ein Bias gezeigt hat,
der vielen Datenbanken gemein ist: „Sowohl für Frauennamen weltweit
als auch für Namen aus dem Globalen Süden existieren oft keine
Datenobjekte“, sagt von Mering. „Englische oder französische Namen
sind als Items selbstverständliche vorhanden, aber ein weiblicher
Vorname aus Nepal nicht.“ Umso wichtiger sei es, gerechte Wege zu
finden, um mehr Communities auch aus nicht-westlichen Ländern in
die gemeinsame Arbeit an Wikidata einzubinden.
Schnittstellen zwischen
Wikimedianer*innen und Institutionen
In der Forschungs-Community sei die freie Datenbank derweil
immer akzeptierter als „zentraler Ort für die Verknüpfung von
Informationen“, beobachtet die Datenwissenschaftlerin. Sie selbst
hat im Zuge des Sammler*innen-Projektes erfolgreich eine neue
Wikidata-Property beantragt, die Person und Institution verknüpft:
“collection items at”. Damit lässt sich nun die
Information weitergeben, dass von Person X Objekte nicht nur im
MfN, sondern beispielsweise auch im Ethnologischen Museum Berlin
vorhanden sind.
Generell sieht Sabine von Mering noch viel Potenzial für die
Nutzung von Linked Open Data in Kulturerbe-Institutionen. Wobei
daran natürlich stets die Frage von Ressourcen hinge. Auf
technischer Ebene sei viel Arbeit bei der Erschließung von Daten
nötig, „bei den vielen Schritten, die Informationen in Datenbanken
einzupflegen und zu prüfen.“ Eine vertrauensvolle Ressource zu
sein, sei gerade in Zeiten von Fake News das Wichtigste für eine
Forschungseinrichtung. Genauso aber gelte es, im Kontext von Linked
Open Data Fragen nach Wissensgerechtigkeit in den Blick zu nehmen,
sich global auszutauschen, Schnittstellen zwischen Wikimedians,
Forschenden und Institutionen weltweit zu schaffen. „Letztlich
können wir unsere 30 Millionen Objekte nicht allein erschließen“,
bilanziert Sabine von Mering. „Es ist sinnvoll, die globale
Community mit einzubinden.“
The overarching question when it comes to the topic of
data-collection is always: What is the right balance between
collection and protection of data? The crucial factor here
clearly is the intention: Is data collected to uncover or observe
discrimination? Then it should be collected. But if you start to
collect data about a massive group of people in their most
vulnerable situation – and without purpose: Don’t do it. As so
often, the emphasis lies within the context.
The collection of data: How data
about who we are influences our lives
Rahman referred with this comment to the UN Refugee Agency’s database which holds a massive
amount of biometric data, from refugees and displaced persons.
These are oftentimes collected with no justifiable reason and
without the knowledge of the persons concerned. She affirmed: there
is no need for a standing, ever growing database. She demanded to
only collect data in a privacy respecting way with full consent of
the people affected and with a clearly stated social purpose, e.g.
examination of structural discrimination.
Categorization of data in the
digital age
Data nearly always is categorized. Consequently, data concerning
human beings as well. With digitalisation, the habit of
categorizing per se may have not become particularly worse, as
European colonizers started categorizing people long before
digitalisation. But one could say that the matter now is maybe more
fixed and more extensive: with one click, you can share every
categorized data you collected and thus influence people’s lives in
a decisive way.
Videoaufzeichnung der Diskussion
(Englisch)
By playing the video you agree that YouTube and Google might
store and process your data. Please refer to Google’s Privacy Policy.
Discriminatory aspects of data
collections
Digital data is assigned to different people differently without
them even knowing, stated Rahman. She pointed to a very
specific example regarding this topic: the so-called Gangs Matrix in the UK. This database collected data
from young, mostly black men in the UK based on the unjustified
suspicion they might be members of a gang. This highly
discriminatory database influenced people’s everyday lives
negatively. For example, they were denied jobs because they were registered or
schools did not accept the children of those affected. The
justification for the collection of their data was in turn rooted
in racist prejudices.
Here lies the problem with collecting biometric data: it is
often deeply connected with various factors, such as a passport,
skin color or even a refugee status.
The entire book presentation and subsequent discussion can be
rewatched in this video
Zara Rahmans „Machine Readable
Me“: Wann Daten sammeln Schaden anrichtet
In welchen Datenbanken hinterlassen wir Spuren – mit oder ohne
unser Wissen? Wie werden diese Daten genutzt, um Individuen und
Gruppen zu kategorisieren und zu bewerten? Und welche – mitunter
diskriminierenden – Auswirkungen haben diese Bewertungen? Um diese
Fragen ging es bei der Präsentation von Zara Rahmans Buch “Machine
Readable Me”. In der Diskussion mit Aline Blankertz zeigte die
Autorin auf, wie mit Daten, die über Individuen gesammelte werden
Macht ausgeübt wird – weil sie zur Überwachung genutzt werden oder
bestimmen, ob wir staatliche oder private Dienstleistungen
erhalten.
Wie Datensammlungen unser Leben
beeinflussen
Die übergreifende Frage beim Thema Datensammlung ist immer: Was
ist die richtige Balance zwischen Sammeln von Daten und Schutz von
Daten? Entscheidend ist dabei immer die Intention: Daten sammeln,
um Diskriminierung aufzudecken und zu beobachten? Ja, natürlich!
Aber eine ziellose Sammlung von Daten einer großen
Menschengruppe in einer extrem verletzlichen Situation? Nein. Wie
so oft liegt die Betonung auf dem Kontext.
Rahman verwies mit dieser Bemerkung auf die Datenbank der UN Refugee Agency, die eine riesige
Menge biometrischer Daten hauptsächlich von geflüchteten Personen
enthält, und die ohne rechtfertigenden Grund gesammelt werden. Sie
betont: Es besteht keine Notwendigkeit für eine solche ständig
wachsende Datenbank. Rahman forderte, Daten nur unter Wahrung der
Privatsphäre und mit der vollen Zustimmung der Betroffenen zu
erheben und einen klar formulierten sozialen Zweck zu verfolgen, z.
B. die Untersuchung von struktureller Diskriminierung.
Kategorisierung von Daten im
digitalen Zeitalter
Daten werden fast immer kategorisiert. Folglich auch Daten, die
Menschen betreffen. Mit der Digitalisierung hat sich die Gewohnheit
des Kategorisierens vielleicht nicht neu erfunden, da europäische
Kolonisatoren schon lange vor der Digitalisierung damit begonnen
haben, Menschen zu kategorisieren. Aber man könnte sagen, dass die
Verbreitung der Daten heute einfacher und weitreichender ist: mit
einem Klick kann man alle kategorisierten Daten, die man gesammelt
hat, teilen und so das Leben der betroffenen Menschen entscheidend
beeinflussen.
Diskriminierende Aspekte von
Datensammlungen
Digitale Daten unterschiedlicher Personen werden unterschiedlich
behandelt, ohne dass die Betroffenen davon wissen, sagte Rahman.
Sie verwies auf ein ganz konkretes Beispiel zu diesem Thema: die
sogenannte Gangs Matrix in Großbritannien.
In dieser Datenbank wurden Daten von jungen, meist Schwarzen
Männern im Vereinigten Königreich gesammelt. Hauptsächlich aufgrund
des unbegründeten und ungerechtfertigten Verdachts, diese könnten
Mitglieder einer Gang sein. Die höchst diskriminierende Sammlung
persönlicher Daten beeinflusste den Alltag der Menschen negativ,
während die Rechtfertigung für die Erfassung ihrer Daten wiederum
auf rassistischen Vorurteilen beruhte. So wurden ihnen aufgrund
einer Eintragung Jobs verwehrt oder Schulen nahmen die Kinder der Betroffenen
nicht auf.
Hier liegt das Problem bei der Erfassung biometrischer Daten:
Sie sind eng mit verschiedenen Faktoren verknüpft, z. B. mit dem
Reisepass, der Hautfarbe oder sogar dem Flüchtlingsstatus.
Wiki Loves Folklore (WLF) ist
ein internationaler Fotowettbewerb der Wiki-Community, der die
Vielfalt der Volkskulturen unserer Welt feiert. Jedes Jahr vom 1.
Februar bis 31. März sind Menschen weltweit mit Interesse an der
Bewahrung von Kulturerbe dazu eingeladen, Impressionen rund um
traditionelle Feste, Aufführungen, Tänze, saisonale Events, Märchen
oder Sagen festzuhalten.
In den fünf Jahren des Bestehens hat WLF eine beeindruckende
Sammlung von knapp 80 000 Mediendateien aus 168 Ländern
zusammengetragen, zu denen rund 6500 engagierte Freiwillige einen
unschätzbaren Beitrag geleistet haben. Die Fotos werden unter
freier Lizenz bei Wikimedia Commons hochgeladen und können in der
Wikipedia und an anderen Stellen verwendet werden.
2024 hat sich erstmals auch die
deutsche Wiki-Community an „Wiki Loves Folklore“ beteiligt. „Die
weltweiten vielfältigen Aspekte des immateriellen Kulturerbes sind
eine wichtige Ergänzung zum Kultur- und Naturerbe, die wir schon
seit vielen Jahren mit den Wettbewerben Wiki Loves Monuments (WLM)
und Wiki Loves Earth (WLE) dokumentieren“, so die Wikipedia-Aktiven
Ailura und z thomas in einemInterviewzum Start des Events.
Und die Resonanz aus Deutschland
war groß: Knapp 800 Bilder und über 40 Videos sind bis zur
Wettbewerbs-Deadline am 31. März eingereicht worden. Die Motive
spiegeln die Vielfalt von Brauchtum in der
Bundesrepublik.
Die Spanne reicht von derNubbelverbrennung(ein Brauch des rheinischen Karnevals, bei dem
eine lebensgroße Strohpuppe als Verkörperung der Sünden verbrannt
wird) über dasAnnotopia Festival(ein Fantasy-Festival, das deutschlandweit an
mehreren Standorten gefeiert wird) bis zur festlichen Beleuchtung
zumRamadan in Köln-Ehrenfeld.
Jetzt ist die Jury am
Zug
Die hochgeladenen Fotos werden
zunächst von einerVorjurybewertet. Ende Juni trifft sich eine Jury aus
der Wiki-Community in Magdeburg, um daraus zehn Gewinnerbilder zu
küren. Bewertet werden die Bilder unter anderem auf die
Nützlichkeit des Bildes für die Wiederverwendung in der Wikipedia
und ihren Schwesterprojekten, die technische Qualität und die
Originalität. Wir sind gespannt auf das Ergebnis!
Dieser Artikel ist ursprünglich im Magazin
“ausbildungsplatz-aktuell” erschienen.
Autor oder Autorin bei der Wikipedia? Schreiben da nicht nur
alte Säcke und ewige Besserwisser? Nerds ohne Freunde? Nein, da
irrst du dich ziemlich! Immer mehr junge Leute finden den Weg zur
Enzyklopädie – nicht um zu lesen, sondern um sich zu beteiligen.
Die meisten von ihnen bearbeiten oder schreiben Artikel, andere
steuern Fotos bei oder erstellen Grafiken. Es gibt sehr viele
Möglichkeiten, bei der Wikipedia mitzumischen. Vielleicht bist auch
du ein Enzyklopädist?
Jungwikipedianer
Die jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich schon
vor längerer Zeit zu den sogenannten Jungwikipedianern
zusammengeschlossen. Sie haben eine eigene Seite im Universum der
Wikipedia, wo etwas lockerer diskutiert wird. Mit der Zeit ist dort
so manche Freundschaft entstanden. Um bei den Jungwikipedianern
mitmachen zu können, musst du unter 21 Jahre alt sein und dich mit
einem eigenen Benutzernamen anmelden. Du kannst auf den
Diskussionsseiten der Jungwikipedianer auch immer mal aufschlagen,
um Antworten auf deine Fragen zu bekommen.
Neugierig? Im Suchfeld der Wikipedia WP:JWP eintragen, dann bist
du bei den Jungwikipedianern
(Fun)Facts über die
Wikipedia
Die deutschsprachige Wikipedia hat fast 2,9 Millionen Artikel –
nie hatte ein Lexikon deutscher Sprache mehr Einträge. Zum
Vergleich: der berühmte „Brockhaus“ bringt es nur auf 300.000
Artikel. Würdest du die deutschsprachige Wikipedia ausdrucken,
ergäbe das eine Bibliothek mit 1.700 Bänden, bestehend aus circa
1,5 Milliarden Wörtern. Damit könntest du ganz schön angeben!
Das Besondere der Wikipedia ist unter anderem, dass es die
Enzyklopädie in mehr als nur einer Sprache gibt. Das war jetzt eine
gigantische Untertreibung, denn die Wikipedia liegt in aktuell 339
Sprachversionen vor! Es gibt sie unter anderem auf Afrikaans,
Esperanto, Nyanja (eine Sprache in Malawi) und Kalaallisut (eine
Sprache im Westen Grönlands). Die größte Wikipedia ist die auf
Englisch, was keine Überraschung ist. Aber welche Version liegt
wohl auf Platz 2? Wir verraten es dir: es ist die Wikipedia auf
Cebuano – das ist eine Sprache im Süden der Philippinen. Über sechs
Millionen Artikel sind dort schon zu bestaunen.
Mentorenprogramm
Bevor du in der Wikipedia so richtig loslegst, ist es auch
nützlich, die Seite des Mentorenprogramms zu kennen. Hier kannst du
als Newbie einen erfahrenen Ansprechpartner finden, der dir in Rat
und Tat zur Seite steht. Mit seiner – oder ihrer – Hilfe wirst du
die ersten Schritte in der Wikipedia erfolgreich überstehen.
Startseite
Eine sehr gute Seite mit einer Einführung in viele Bereiche
heißt: Wikipedia: Starthilfe. Neben Hilfen für Leser wirst du hier
schrittweise an deine ersten Bearbeitungen herangeführt. Du findest
hier auch einen Link zu Infos, was in Konfliktfällen zu tun ist.
Für den Anfang ist diese Seite eine richtig gute Orientierung.
Was Wikipedia alles nicht
ist
Von der Starthilfe-Seite aus kannst du viele weitere
Themenfelder anklicken, die du am besten immer mal wieder in den
Blick nimmst. Du lernst zum Beispiel, was Wikipedia alles nicht
ist, z.B. kein Newsticker, keine Werbeplattform und kein
Veranstaltungskalender. Und Wikipedia ist auch nicht der Ort, an
dem du Essays schreibst und deine originellen
Gedanken verbreitest. Denn ein Grundsatz der Enzyklopädie lautet:
Auf Wikipedia werden Theorien nicht ge- und erfunden, sondern
dargestellt, und zwar auf der Grundlage guter Quellen.
Neutrale Darstellung
Apropos Grundprinzipien. So viele von denen gibt es gar nicht,
aber ein Prinzip, auf das du immer achten solltest, ist die
sogenannte neutrale Darstellung. Standpunkte von Ideologen gehören
in kein Lexikon, sondern nur das, was aktueller Forschungsstand
oder allgemein anerkannt ist.
Benutzernamen
Doch nun frisch ans Werk! Rein theoretisch kannst du in der
Wikipedia unangemeldet editieren, also nur mit deiner IP-Adresse,
aber empfehlenswerter ist es, sich mit Benutzernamen anzumelden.
Beim Namen, also deinem Nick in der Wikipedia, kannst du deine
Fantasie spielen lassen; die wenigsten editieren mit ihrem
Klarnamen. Mit deinem Benutzernamen erhältst du eine eigene
Benutzerseite mit dazugehöriger Diskussionsseite. Die ist sehr
nützlich, wenn mal Meinungsverschiedenheiten auftreten oder sonst
etwas zu klären ist.
Das Mentorenprogramm der Wikipedia findest du, indem du WP:MP in
das Suchfeld eingibst.
Einfach zu finden unter: WP:START.
Immer mal wieder über das Suchfeld aufsuchen: WP:WWNI.
Weiteres zu diesem Thema unter WP:GP (Suchfeld).
Du brauchst Hilfe bei der Anmeldung? H:AM (Suchfeld)
aufrufen.
Die ersten
Bearbeitungen
Du brennst jetzt darauf, deinen ersten Artikel zu schreiben? So
viel Schwung tut gut – dir und der Wikipedia! Ratsam ist aber, erst
einmal einen schon vorhandenen Artikel zu bearbeiten. Eine
angesagte Band hat ein neues Album herausgebracht, das in der
Wikipedia noch nicht vermerkt ist? Die Einwohnerzahl deines
Heimatortes könnte mal auf den neuesten Stand gebracht werden? Nur
zu! Und wenn Du allmählich weißt, auf was zu achten ist, steht
deinem ersten eigenen Artikel nichts mehr im Wege.
Aber über was soll ich überhaupt
schreiben?
Eine gute und natürlich auch wichtige Frage! Wenn du genau
überlegst, werden dir schnell Themen einfallen, die dich
interessieren. Nicht alle Spieler deines Lieblingsvereins haben
einen Artikel? Du beschäftigst dich mit Biologie und willst über
Tiere und Pflanzen schreiben? Ganz im Gegenteil, eher
Computerspiele haben es dir angetan? Es ist immer ein Vorteil, wenn
man sich in einer Materie schon ein wenig auskennt und nach
seriösen Quellen nicht lange suchen muss. Zu beachten ist
allerdings, dass nicht alle Themen für die Wikipedia in Frage
kommen. Omas Hamster, in der Wikipedia ein sprichwörtliches
Beispiel, überspringt z.B. nicht die sogenannte Relevanzhürde. Wenn
du dir unsicher bist, wer oder was in das Lexikon gehört, kannst du
gerne andere Jungwikipedianer oder deinen Mentor um Rat fragen.
Frauen in Rot
Nur 18 Prozent aller Biografien in der Wikipedia sind Frauen
gewidmet – eine viel zu niedrige Zahl! Deshalb gibt es innerhalb
der Wikipedia die Initiative „Frauen in Rot“, die es sich zum Ziel
setzt, Frauen sichtbarer zu machen. Auch hier bist du gerne
gesehen: Wenn du über eine Menschenrechtsaktivistin, eine Malerin
oder ein Model einen Artikel anlegen willst, darfst du mit
Unterstützung rechnen. „Frauen in Rot“ bedeutet übrigens, dass
diese Frauen nur einen Rotlink haben, was bedeutet, dass der
Artikel fehlt. Sobald der Artikel geschrieben ist, wird der Link
blau.
Immer nützlich: die Seiten H:SB und H:NA (über Suchfeld).
Und unter WP:RELC (Suchfeld) kannst du einen „Relevanzcheck“
machen.
WP:FRAUROT freut sich über deinen Besuch.
Schreiben ist nicht dein Ding?
Kein Ding!
Auch als Fotograf oder Fotografin kannst du zu der
Online-Enzyklopädie beitragen und ein Teil der Bewegung sein, die
weltweit freie Inhalte und freies Wissen zur Verfügung stellt.
Fotos werden auf Wikimedia Commons (einfach mal bei Google
eingeben) hochgeladen. Dort findest du alles Weitere unter der
Überschrift „Mitmachen”.
Viel Spaß!
Lerne das größte Mitmach-Projekt
des Planeten kennen!
Du wolltest schon
immer mal wissen, wie die Wissens-Gigantin Wikipedia eigentlich
funktioniert und was sich hinter den
Kulissen abspielt?
Dann ist dies deine Challenge. In 30 E-Mails mit 30 Missionen
bekommst du Einblick in einen Kosmos aus Millionen Freiwilligen,
einer außerordentlichen Geschichte, globalen Strukturen und einem
Ziel: Das gesamte Wissen der Menschheit für alle
Menschen auf der Welt frei verfügbar zu machen.
Open Government Data, also Informationen der öffentlichen Hand,
die von allen zu jedem Zweck frei genutzt, wiederverwendet und
weiterverbreitet werden können, sind längst kein Nischenthema mehr.
Spätestens durch die Überarbeitung der
Open-Data-Richtlinie der Europäischen Union und die Durchführungsverordnung über
hochwertige Datensätze hat die EU klargestellt: Staat und
Verwaltung sollen ihren Wissensschatz wiederverwendbar
veröffentlichen, sofern nicht personenbezogene Informationen oder
Geheimnisse darunter fallen. Die europäischen Gesetzgeber haben
dabei in mehreren Rechtsakten ausdrücklich die bevorzugte
Verwendung bestimmter CC-Lizenzen empfohlen.
Woher die Vorbehalte gegen
CC-Lizenzen kommen
In Deutschland hält sich seit 2012 die Ansicht, dass staatliche
Stellen die CC-Lizenzen nicht verwenden können oder dürfen. Der
Grund dafür: Eine Studie im Auftrag des
Bundesministerium des Innern, die unter anderem behauptete,
dass bestehende, etablierte Lizenzen nicht passgenau für den
deutschen Rechtsrahmen seien. Sie empfahl die Entwicklung einer
eigenen Datenlizenz. Das Ergebnis war die „Datenlizenz
Deutschland“. Seither entwickelte Empfehlungen oder Vorgaben zur
Veröffentlichung staatlicher Informationen unter der „Datenlizenz
Deutschland“ greifen immer wieder auf die Thesen des Gutachtens von
2012 zurück. 2019 kam ein weiteres Gutachten im
Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen hinzu, das jedoch nur
Bezug auf die Creative-Commons-Lizenzversion 3.0 zu nehmen schien,
obgleich seit 2013 die aktuelle Lizenzversion 4.0 existiert, die
Kritikpunkte der Vorversion weitestgehend ausgeräumt hat.
Um die bestehenden Vorbehalte gegen die Verwendung von
CC-Lizenzen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und staatlichen
Akteur*innen mehr Rechtssicherheit zu verschaffen, hat Wikimedia
Deutschland daher die Anwaltskanzlei TaylorWessing beauftragt, zu
prüfen: Gibt es tatsächlich Gründe, die gegen die Nutzung von
CC-Lizenzen durch öffentliche Stellen in Deutschland sprechen? Denn
die Verwendbarkeit verschiedener Datensätze über nationale Grenzen
hinweg ist schließlich erklärtes Ziel von Open Data und auch der
Open-Data-Rechtsakte der EU. Das geht dann besonders gut, wenn Nutzende
vor der Wiederverwendung nicht erst verschiedenste nationale
Lizenzen analysieren müssen.
Wesentliche Erkenntnisse aus dem
neuen Rechtsgutachten
Die Vorgaben der europäischen Open-Data-Gesetzgebung
empfehlen durchgehend und explizit die Verwendung der
Creative-Commons-LizenzenCC BY 4.0 und CC0 1.0 „oder gleichwertiger
Lizenzen“
Nach deutschem Recht bestehen keine relevanten rechtlichen
Bedenken gegen die Verwendung der Creative-Commons-Lizenzen durch
die öffentliche Hand. Insbesondere die immer wieder
vorgebrachten Einwände wegen der Gewährleistungs- und
Haftungsklauseln haben keine praktische Relevanz.
Die Creative-Commons-Lizenzen bieten durch ihr „Drei-Schichten-Modell“ mit Kurzfassung,
ausführlichem Vertragstext und maschinenlesbarer Komponente ein
ausgereiftes Lizenzierungsmodell, das durch Auslegungshilfen und
laufende Rechtsprechung ein hohes Maß an Rechtssicherheit bei
der Verwendung bietet.
Die aktuellen zwei Varianten der Datenlizenz Deutschland
(DL-DE) bestehen nur in einer Kurzfassung, die offene Fragen
und Auslegungszweifel hinterlässt – insbesondere zur Frage, ob
sie aufgrund von Urheber- bzw. sonstigen Schutzrechten gelten oder
durch einen behördlichen Widmungsakt. Ihre Gleichwertigkeit zu
den Creative-Commons-Lizenzen kann angezweifelt werden.
Außerdem bestehen Zweifel am Bedarf für diese Lizenz, die in erster
Linie auf Datenpunkte ausgerichtet ist, welche jedoch nach
geltendem Recht gerade keinem Urheberschutz unterliegen.
Die Open-Data-Commons-Lizenzen kommen nur für die Lizenzierung
von Datenbanken in Betracht, so dass für die Lizenzierung
beispielsweise von Sprachwerken weitere Lizenzen notwendig sind.
Ein Mehrwert gegenüber der Verwendung der Creative-Commons-Lizenzen
ist nicht ersichtlich.
Für Kenner*innen der Rechtsdogmatik kommen diese Ergebnisse
wenig überraschend. Das TaylorWessing-Gutachten deutet an, dass die
Vorbehalte im Wesentlichen auf die 2012 vom BMI beauftragte Studie
zurückgingen. Allerdings wurden die CC-Lizenzen seit 2012
weiterentwickelt. Zum Zeitpunkt des Gutachtens lagen die
CC-Lizenzen noch in der Version 3.0 vor, die in die jeweiligen
nationalen Rechtsrahmen „portiert“ werden mussten. Mit der
aktuellen Version 4.0 ist dies nicht mehr notwendig. 2012 bestand
offenbar auch der staatliche Wunsch, eine Lizenz mit
verpflichtender Namensnennung durch amtliche Widmung anwenden zu
können, selbst wenn es sich bei dem zu lizenzierenden Gegenstand
gar nicht um urheberrechtlich geschütztes Material handelt.
Die verschiedenen existierenden Positionspapiere von
Arbeitsgruppen und staatlichen Stellen scheinen sich dabei stets
aufeinander und dann letztlich auf die BMI-Studie von 2012 zu
beziehen, ohne die dort aufgestellten Thesen zu hinterfragen –
beispielsweise, welche rechtliche Bindungskraft eine per
Widmungsakt einer deutschen Behörde angewandte Lizenz für
Wiederverwender*innen so lizenzierter Daten in Italien oder
Österreich haben soll.
Auch das immer wieder als Problem vorgebrachte Thema der
Amtshaftung scheint im Ergebnis keine Rolle zu spielen. Die
Creative-Commons-Lizenzen schließen zwar standardmäßig jegliche
Gewährleistung und Haftung aus – was im deutschen Rechtsraum nicht
zulässig ist. In der Konsequenz greift hier schlicht die
gesetzliche Regelung, die zu einer begrenzten Gewährleistung bzw.
Haftung der Daten bereitstellenden Stellen führt. Das
TaylorWessing-Gutachten macht auch einen Formulierungsvorschlag,
wie eine Behörde den Verzicht auf den in der Lizenz vorgesehenen
Gewährleistungs- und Haftungsausschluss erklären kann, um dies
eindeutig klarzustellen.
Die europäischen Empfehlungen sprechen indes eine klare Sprache:
Informationen der öffentlichen Hand sollen die vorgeschlagenen
CC-Lizenzen „oder gleichwertige Lizenzen“ verwenden. Der
Datenlizenz Deutschland fehlt jedoch eine nachvollziehbare
rechtliche Definition – inklusive der Beschreibung, auf welcher
Rechtsgrundlage sie auch außerhalb der Bundesrepublik und der
Rechtskraft eines behördlichen Widmungsakts gelten könnte. Sie
enthält außerdem keine maschinenlesbare Komponente, die eine
Gleichwertigkeit mit Creative Commons herstellen würde. Aus Sicht
von Wikimedia Deutschland bestärkt das Gutachten von TaylorWessing,
dass es keinen Anlass gibt, den Empfehlungen der EU nicht zu
folgen.
Wie lässt sich das Beste aus den eigenen Daten machen? Vor
dieser Frage stehen schon seit langem sämtliche der
Kulturerbe-Institutionen, die über die Ressourcen und das Knowhow
für die Digitalisierung ihrer Sammlungen verfügen. Wobei sich immer
mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass es nicht ausreicht,
Digitalisate der Sammlungen nur auf der Homepage zur Verfügung zu
stellen, wo gezielt suchende Interessierte sie finden und
downloaden können. Zumindest dann nicht, wenn eine Institution die
vollen Potenziale des Internets nutzen und sich die Frage stellt:
Was könnte mit digitalem Kulturerbe möglich werden – vor allem,
wenn es verlinkte offene Daten sind?
Wie das Prinzip Linked Open Data
funktioniert
Das Prinzip der Linked Open Data (LOD) steht für das Gegenteil
der unter Kulturinstitutionen lange verbreiteten Haltung,
Hüter*innen der Schätze zu sein. Es geht darum, Datensets offen
verfügbar zu machen – und zwar so, dass die Werke oder Artefakten,
die sie beschreiben, automatisiert aufgefunden werden können.
Gerade auch von Menschen, die nicht schon wissen, in der Datenbank
welcher Institution genau sie nach den Informationen, die sie
benötigen, suchen sollen.
Grundlage für Linked Open Data sind die Ideen und Techniken des
sogenannten Semantic Web. Tim Berners-Lee, Begründer des World Wide
Web, hat es so beschrieben: „Das Semantic Web ist eine Erweiterung
des herkömmlichen Webs, in der Informationen mit eindeutigen
Bedeutungen versehen werden, um die Arbeit zwischen Mensch und
Maschine zu erleichtern“ („The Semantic Web is an extension of the
current web in which information is given well-defined meaning,
better enabling computers and people to work in cooperation“). So
kann beispielsweise das Wort „Bremen“ in einem Webdokument um die
Information ergänzt werden, ob hier der Begriff des Schiffs-,
Familien- oder Stadtnamens gemeint ist. Was für den Computer
vormals nur Zeichenketten waren, wird auf diese Weise zu
berechenbarer Bedeutung.
Wenn wir von verknüpften Daten sprechen, meinen wir
strukturierte Daten, die mit anderen Daten verknüpft sind – was
bedeutet, dass die Verbindungen zwischen Datensätzen sowohl für
Maschinen als auch für Menschen verständlich sind. Diese
Verknüpfungen können zwischen bestimmten Dingen – zum Beispiel
Ereignisse, Personen oder Orte – hergestellt werden, auf die sich
die Datensätze beziehen. Tim Berners-Lee hat vier Gestaltungsprinzipien für Linked Data
beschrieben. Erstens: Die Verwendung von URIs (Uniform Resource
Identifiers), um den Dingen eindeutige Namen zu geben. Zweitens
sollten diese URIs mit Hilfe eines HTTP-Protokolls online
auffindbar gemacht werden. Drittens: Die Art und Weise, wie
Informationen über diese URIs bereitgestellt werden (unter
Verwendung von RDF und SPARQL für Abfragen) muss standardisiert
sein. Und schließlich sollten in diese Informationen Links zu
anderen URIs aufgenommen werden. Durch diese Verknüpfung werden
alle möglichen Dinge in einem Netz miteinander verbundener Daten –
einem so genannten Wissensgraphen – verlinkt.
Verknüpfte Daten sind besonders wertvoll, wenn sie nach dem
Konzept der offenen Daten kombiniert werden. Das heißt: Daten, die
für jeden offen und unter einer freien Lizenz zugänglich sind. Wo
schon verknüpfte Daten Datensilos aufbrechen, indem sie die
Verbindungen zwischen Datensätzen maschinenlesbar machen, bricht
die offene Lizenzierung dieser verknüpften Daten die Silos noch
weiter auf – indem sie es jedem ermöglicht, auf sie zuzugreifen,
sie wiederzuverwenden und somit auch zu verknüpfen und abzufragen.
Was zum Wachstum eines globalen Wissensgraphen beiträgt.
Entsprechend wertvoll ist das Prinzip
beispielsweise für Kultureinrichtungen, die im öffentlichen
Interesse Daten anbieten wollen, anstatt sie nur in geschlossenen
und proprietären Datenbanken zu verwahren oder ausschließlich über
eigene Interfaces anzubieten, wo sie nicht nachgenutzt werden
können.
Ein Bestimmungsmaß für die Qualität von LOD bieten die FAIR Guiding Principles for scientific data
management and stewardship, die 2016 als Artikel in der
Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden. FAIR steht als Akronym für die Auffindbarkeit
(Findability), Zugänglichkeit (Accessibility), Interoperabilität
(Interoperability) und Wiederverwendbarkeit (Reuse)
wissenschaftlicher Daten.
Wenn komplexe Realitäten
maschinenlesbar werden
Wie aber können Kulturinstitutionen Linked Open Data
aufbauen? Um verschiedene Menschen, Orte, Dinge oder Konzepte
in Daten zu repräsentieren und sie auffindbar zu machen, braucht es
eindeutige Referenzen. Das „Bildnis eines Musikers” (Portrait of a
Musician) von Leonardo da Vinci zum Beispiel ist auch unter dem
Titel „Bildnis eines jungen Mannes“ bekannt – und beide Titel sind
wiederum auch von anderen Künstler*innen verwendet worden, so wie
es eine Vielzahl von Gemälden namens „Madonna mit Kind“ gibt. Um
die eindeutige Zuordnung zu ermöglichen, braucht man eindeutige
Identifier – wiederum laut Tim Berners-Lee eines von vier
Prinzipien für Linked Data, die möglichst international anerkannt
sein sollten.
In der Bibliothekswelt – wo Einrichtungen vielfach über die
gleichen Titel verfügen und Leihen zwischen Bibliotheken gang und
gäbe sind – ergibt es schon seit langem Sinn, ein geteiltes System
von eindeutigen URIs zu haben. Das bekannteste Beispiel in
Deutschland ist in diesem Zusammenhang die Gemeinsame Normdatei
(GND) der Bibliotheken, die von der Deutschen Nationalbibliothek
(DNB), allen deutschsprachigen Bibliotheksverbänden, der
Zeitschriftendatenbank (ZDB) und zahlreichen weiteren Institutionen
kooperativ geführt wird. Ähnliche Normdateien – im Englischen
„authority files“ – existieren für Wissenscommunitys in
verschiedenen Ländern und Regionen genauso wie für verschiedene
Disziplinen und Wissensbereiche.
Um nun wiederum die Beziehung zwischen Datenobjekten („Items“)
zu beschreiben – etwa zwischen Künstler*in und Werk – braucht es in
der Welt der Daten eine Ontologie. Kurzgefasst: eine Methode, die
eingrenzt, wie die Welt in reduzierter Weise beschreibbar wird.
Schließlich bilden Daten die Realität nie in ihrer Gesamtheit ab,
sondern müssen sie bis zu einem bestimmten Grad vereinfachen. Ein
Beispiel für eine Ontologie ist der LIDO-Standard in Museen
(„Lightweight Information Describing Objects“), ein Schema zum
Austausch von Metadaten von Sammlungsobjekten. Es zielt darauf,
auch komplexere Zusammenhänge etwa bezüglich der Entstehung eines
Kunstwerks zu fassen – wenn ein Bild beispielsweise keinem
konkreten Jahr zugeordnet werden kann, weil es zu einem bestimmten
Zeitpunkt begonnen, aber erst später fertiggestellt wurde.
Die Beziehungen zwischen Datenobjekten müssen nach dem
LOD-Prinzip maschinenlesbar sein. Die Maschine muss verstehen,
worum es sich (um im Beispiel zu bleiben) bei Leonardo da Vinci und
seinen Kunstwerken handelt. Verdeutlich wird das über sogenannte
Triples aus Subjekt-Prädikat-Objekt. Über ein solches Triple lässt
sich etwa die Aussage treffen: Leonardo da Vinci ist ein Mensch.
Das Subjekt: Leonardo da Vinci. Das Objekt: Mensch. Das
Prädikat, das die Beziehung darstellt: ist ein. Auf diese
Weise werden Daten aus den verschiedensten Datenbanken rund um die
Welt durchsuchbar.
Wie Wikidata die Welt
verbindet
Zu diesen Datenbanken zählt seit 11 Jahren Wikidata, die freie
Datenbank von Wikimedia. Wikidata ist längst ein wichtiger Hub für
LOD geworden. Ein Ort, wo Normdateien aus allen Teilen des World
Wide Web zusammenkommen, Knotenpunkte bilden, aufeinander verweisen
und sich mit anderen URIs verlinken. Das Alleinstellungsmerkmal von
Wikidata ist genau diese Vernetzung disparater Datenquellen.
Als Beispiel soll das Wikidata-Item der mexikanischen Malerin Frida Kahlo
dienen. Ihr Wikidata-Eintrag ist gekennzeichnet mit der Nummer
Q5588. Diese Nummer entspricht in Linked-Open-Data-Begriffen dem
URI – ein online auffindbarer, eindeutiger und einzigartiger
Identifier. Die Triple-Statements, die Aussagen über Frida Kahlo
treffen, werden in der Wikidata-Terminologie nicht über
Subjekt-Prädikat-Objekt, sondern über „Item-Property-Value“
abgebildet. Wie die Aussage über ihre Staatsbürger*innenschaft:
„Country of Citizenship: Mexico“ (Item: Frida Kahlo, Property:
Citizen of, Value: Mexico). Um Statements noch spezifischer zu
machen, kommen sogenannte Qualifier ins Spiel. Der Aussage
„Cristina Kahlo y Calderón ist Frida Kahlos Schwester“ wird
hinzugefügt: „jüngere Schwester“.
Frida Kahlos Eintrag in Wikidata listet aber vor allem eine
große Zahl externer Identifier auf: von VIAF (Virtual International Authority File) über die
„National Library of Brazil“, die
„National Library of Chile“ und
die GND bis hin zu abseitigeren wie ihrer „Good Reads Author ID“ (mit 987 Followern) oder
Frida Kahlos „Twitter username“. Wer einen
Überblick bekommen möchte, in welchen Sammlungen rund um die Welt
die Werke von Frida Kahlo zu finden sind und welche Datenbanken
Informationen über die Künstlerin bieten, wird auf Wikidata
fündig.
Generell ist dies die Idee von Linked Open Data im Kontext von
Kultur: Daten global auffindbar zu machen – schließlich besitzt
Kultur globale Relevanz – und mit LOD z.B. die Verfolgung des Wegs
bestimmter Künstler*innen oder Autor*innen zu ermöglichen, gerade,
wenn sie in verschiedenen Ländern gearbeitet haben. Weiter gefasst
könnten auch die Bewegung von Kunstwerken zwischen Händler*innen
und Institutionen aufspürbar und nachvollziehbar werden. Auch von
solchen, die etwa in kolonialen Kontexten geraubt wurden – sofern
die Informationen über sie als LOD geteilt sind.
Wie Institutionen eine neue
Rolle einnehmen können
Linked Open Data bieten Kulturerbe-Institutionen im
Internet-Zeitalter die Möglichkeit, neue Verbindungen zur Welt
aufzubauen und neue Zugänge zu schaffen. Die Einrichtungen können
mit einem globalen Publikum in Kontakt kommen, das sich für die
Geschichten interessiert, die sie sammeln und bewahren, sie können
diese Geschichten global teilen und neue Formen der Kollaboration
erproben, sie können dafür sorgen, dass ihre Geschichten sich mit
den Geschichten der Welt verbinden. Daraus lassen sich wertvolle
Schlüsse und Erkenntnisse ziehen – nicht zuletzt über die eigene
Rolle. Die Kultureinrichtungen haben die Chance, eine neue Position
einzunehmen: als Akteur*innen in den globalen Commons.
Der erste Schreibwettbewerb in
der deutschsprachigen Wikipedia fand bereits im Oktober 2004 statt.
Die Resonanz darauf war so groß, dass die Community entschied, das
Event zweimal jährlich abzuhalten – jeweils im März und
September.
In den bisherigen Ausgaben
wurden knapp 2030 Artikel eingereicht, von denen sich rund die
Hälfte in der Top 10 des Wettbewerbs platzieren konnte. Außerdem
wurde ein Großteil der teilnehmenden Texte mit einem
Qualitätsprädikat bedacht – der Ritterschlag der Community für
besonders gelungene Artikel. Mehr als ein Viertel aller
Einreichungen sind inzwischen zum„exzellenten Artikel“geworden – die höchste Auszeichnung überhaupt
–, ein Sechstel wurde als„lesenswerter Artikel“eingestuft.
Aus diesem Pool der exzellenten
und lesenswerten Beiträge stammt auch jeweils der „Artikel des
Tages” auf derHauptseiteder freien Online-Enzyklopädie.
Auf dem Weg zur Top
10
Noch bis zum 31. März findet die
mittlerweile40.
Ausgabe des Schreibwettbewerbsstatt. Die Teilnehmer*innen können ihre Artikel
in drei Kategorien einreichen: „Natur und Technik”, „Kunst und
Kultur” sowie „Geschichte und Gesellschaft”. Für jede der
Kategorien wurden zwei Juror*innen aus der Community bestimmt.
Während des laufenden Wettbewerbs findet außerdem eineReview der Artikeldurch engagierte Wikipedianer*innen statt, die
hilfreiche Tipps geben. Denn obwohl es ein Wettbewerb ist, soll
nicht der Konkurrenzgedanke im Vordergrund stehen, sondern der Spaß
am Schreiben für die Wikipedia.
Nach Ablauf der Wettbewerbsfrist
erstellen die Juror*innen eine gemeinsame Rangliste der besten
Artikel aller Sektionen, aus der schließlich die Gewinner-Top-10
hervorgeht. Darüber hinaus wird auch einPublikumspreisvergeben. Zu gewinnen gibt es Büchergutscheine
oder eine Wikipedia-Powerbank.
Nosferatu und die Schwarze
Witwe
Unter den bisherigen
Einreichungen zum 40. Schreibwettbewerb finden sich beispielsweise
Artikel über dieSüdliche
Schwarze Witwe– eine
besonders gefährliche Giftspinne –, die Schweizer
Ringkampf-VarianteSchwingenoder dieUngarische Räterepublik, die vor 105 Jahren ins Leben gerufen
wurde.
Der Fotowettbewerb Wiki Loves Monuments findet jährlich im
September statt und wird von Mitgliedern der Wikimedia-Communitys
auf der ganzen Welt organisiert. Die Teilnehmer*innen fotografieren
historische Denkmäler und Kulturerbe-Stätten in ihrer Region und
laden sie unter freier Lizenz im Medienarchiv Wikimedia Commons
hoch. Erstmals war 2023 auch eine Wikimedia User Group der
afrikanischen Ethnie Igbo dabei.
Aufgrund des Engagements der über 4.700 Teilnehmenden aus 46
Ländern konnte Wikimedia Commons um knapp 219.000 Bilder wachsen.
Die Gewinner*innen der nationalen Wettbewerbe wurden bereits
ausgezeichnet (die Top-Bilder aus Deutschland finden Sie hier). Bis zu zehn Bilder aus
jedem dieser Wettbewerbe konnten für das internationale Finale
nominiert werden. Jetzt hat die Jury die schönsten Fotos gekürt.
Platz 2 ging nach Deutschland.
Platz 1
Der erste Platz kommt aus Ägypten. Die Aufnahme von den
Pyramiden von Gizeh hat die Fotografin Mona Hassan Abo-Agda
geschossen. Die Jury schreibt dazu: „Das Foto veranschaulicht den
Mehrwert von Kunstwerken zu bestehenden Monumenten und die
Synergie, die zwischen den beiden entstehen kann. Der Winkel und
die Entfernung des Bildes wurden sehr gut gewählt, um eine
ausgewogene und proportionale Szene zu schaffen.“
Platz 2
Diese Aufnahme zeigt das Schloss Marksburg in Braubach. Fotograf
Rolf Kranz hat mit seinem Foto auch die deutsche Wiki Loves
Monuments-Runde gewonnen. Die Marksburg hat die Zeit überdauert und
war Zeuge von Kriegen, politischen Intrigen und sozialen
Veränderungen in der Region. Die Gegenüberstellung der alten Burg
mit den modernen Industrieschornsteinen im Hintergrund hebt den
Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart hervor. Die Jury sagt
dazu: „Sehr gut ausbalanciert, dient die Linie des Rauches als
Verbindung zwischen den beiden Gebäuden und erzeugt den Effekt
einer Interaktion zwischen der Gegenwart (verkörpert durch die
Fabrik) und der Vergangenheit (verkörpert durch das Schloss).“
Platz 3
Der 3. Platz zeigt das Bergdorf Premana in Italen. „Das Foto
fängt die Synergie zwischen der natürlichen und der vom Menschen
geschaffenen Umgebung perfekt ein und veranschaulicht die Lage des
Dorfes in den Bergen. Der weiche Kontrast zwischen dem späten
Abendhimmel und den Lichtern des Hauses verleiht der Komposition
des Dorfes viel Wärme und Kraft“, so die Jury.
Platz 4 bis 15
Mitmachen bei Wiki Loves
Monuments 2024
Wer nun Lust bekommen hat, selbst die Kamera in die Hand zu
nehmen, kann sich schon mal in Vorfreude üben. Auch im Herbst 2024
rufen die Ehrenamtlichen der Wikipedia und des freien Medienarchivs
Wikimedia Commons wieder dazu auf, Aufnahmen von Denkmälern zu
machen und beim Wiki Loves Monuments-Wettbewerb einzureichen. Über
die Details berichten wir zeitnah hier im Wikimedia-Blog und auf
unseren Social Media-Kanälen.
Lust auf weitere tolle
Fotos?
Alle internationalen Gewinnerbilder sowie die nominierten
Beiträge der Wiki Loves Monuments-Wettbewerbe aus den vergangenen
Jahren finden Sie hier:
Transparenz, Bürgerbeteiligung und freier Zugang zu
Informationen sind grundlegende Aspekte für eine demokratische
Gesellschaft, die sich besonders gut durch digitale Anwendungen
realisieren lassen. Die Agora Digitale Transformation argumentiert
auf ihrer Website, dass die Stabilität der Demokratie
davon abhängt, wie digitale Technologien im Interesse der
Bürger*innen genutzt werden. Sie fordert daher ein Update dieser
Technologien. Auch Franziska Heine, neben ihrer Tätigkeit bei
Wikimedia Deutschland im Arbeitskreis gegen Internetsperren
und Zensur aktiv, sieht eine sorgfältige Digitalisierung als
Chance, um die Stabilität eines modernen demokratischen Staates zu
erhöhen.
Hallo Franziska, du hast lange die Software-Entwicklung
bei Wikimedia Deutschland geleitet, die offene und freie Software
baut. Du setzt dich schon lange für gemeinnützige Digitalisierung
ein – wenn du aus diesen beiden Perspektiven auf die aktuelle
Digitalpolitik blickst – was sollte sich ändern?
Eine offene, freie, selbstverwaltete digitale Infrastruktur wird
in Zukunft, mehr denn je, ein entscheidender Faktor für eine
erfolgreiche Wirtschaft, einen handlungsfähigen Staat und eine
freie Gesellschaft sein. Wir sind in Deutschland dafür sogar
bereits gut aufgestellt; nur wird das noch nicht ausreichend
genutzt. Es gibt inzwischen viele freie Software- und Datenprojekte
wie Nextcloud, Mastodon, OpenStreetMap, LibreOffice, Linux
Varianten und nicht zuletzt unsere eigenen Projekte wie Wikipedia
und Wikidata. Wesentliche Bestandteile einer freien und offenen
Infrastruktur sind ebenfalls vorhanden. Es gibt viele Freiwillige
im digitalen Ehrenamt, zum Beispiel bei der Wikipedia, die seit
Jahrzehnten beweisen, wie stabil und zuverlässig nicht-kommerzielle
Infrastrukturen betrieben werden können.
Was sich daher ändern muss, ist der politische Wille zur
digitalen Souveränität – dass wir uns nicht mehr bei digitalen
Belangen auf große kommerzielle Unternehmen verlassen, sondern
gemeinnützige Projekte einsetzen, die für mehr Sicherheit,
Transparenz und Beteiligung sorgen. Natürlich hängt da sehr viel
Arbeit und Investition dran, das bestehende System der proprietären
Abhängigkeit zu verlassen und den Mut zur digitalen Freiheit zu
haben. Gleichzeitig gibt es aber so viele gute Gründe, dieses
Abenteuer zu wagen, denn die Alternative ist eine Abhängigkeit von
Big Tech, größtmöglicher Intransparenz und das unkontrollierbare
Absaugen der Daten unseres Verwaltungsapparates und
Bürger*innen.
Welche Chancen bietet die Digitalisierung aus deiner
Sicht für die Demokratie?
Wenn Digitalisierung erfolgreich umgesetzt wird, ermöglicht sie
mehr Menschen den Zugang zu für sie relevanten Informationen. Es
können neue Werkzeuge entstehen, die ihnen ganz praktisch den
Alltag erleichtern, aber eben auch Behörden und staatliche
Institutionen in ihrer Arbeit effizienter und wirksamer machen.
Menschen können an mehr Prozessen auf die für sie passende Art
beteiligt werden. An Entscheidungsprozessen zum Beispiel oder
daran, ihre ganz konkrete Umwelt lebenswerter mitzugestalten. Ein
schönes Beispiel dafür sind die Projekte des CityLAB Berlin wie giessdenkiez.de, bei denen eine Kombination aus
Verwaltungsdaten, in diesem Fall Geoportal Berlin der
Senatsverwaltung, OpenStreetMap als Community Projekt und freie
Software gemeinsam mit der Kiez Community in der realen Welt einen
Beitrag leisten. giessdenkiez.de gibt Bürger*innen die Möglichkeit
Straßenbäume zu adoptieren und regelmäßig zu gießen, damit diese
nicht der durch den Klimawandel entstandenen Trockenheit zum Opfer
fallen. Das ist ein tolles Projekt der Stadt Berlin, das alle drei
Akteure digital miteinander verbindet.
Warum ist ein Thinktank wie die Agora Digitale
Transformation wichtig und was kann die Initiative zu einer
gelungenen Digitalpolitik beitragen?
Der Thinktank ist wichtig, weil er auf einzigartige Weise
Politik, Forschung, Verwaltung, Wirtschaft und die
Zivilgesellschaft zusammenbringt. Es ist der Initiative gelungen,
unglaublich tolle und kompetente Menschen aus all diesen Bereichen
im Thinktank zu versammeln. Das zeigte sich besonders eindrücklich
in der Interaktion und den Redebeiträgen während der
konstituierenden Sitzungen des Beirats. Dort werden die Konzepte
und Ideen der Projektarbeit des Thinktanks mit den Realitäten von
Ministerialbürokratie, zivilgesellschaftlichen Perspektiven und
wirtschaftlichen Gegebenheiten konfrontiert.
Der Rat der Agora Digitale Transformation ist nun am 12.
März, das erste Mal zusammengetreten – wie ist die erste Sitzung
gelaufen? Kannst du uns verraten, um welche Themenschwerpunkte es
ging?
Zunächst einmal haben wir das Team besser kennengelernt, das
über die letzten Monate aufgebaut wurde und seine Arbeit an
verschiedenen Projekten aufgenommen hat. Zwei der gestarteten
Projekte haben Einblicke in ihre Arbeit gegeben und die Mitglieder
des Beirats eingeladen, Fragen zu stellen und Feedback zu
geben.
Das Projekt “E-Valuate” beschäftigt sich damit, die Arbeit an
ministeriellen Projekten wirkungsorientierter zu gestalten und
mithilfe von OKRs messbarer zu machen. OKRs steht für Objectives
and Key Results, also Zielsetzungen und Schlüsselergebnisse und
stellt ein Management-Framework dar, das speziell auf die sich
permanent verändernden Rahmenbedingungen unserer modernen Welt
zugeschnitten ist. Das Projekt steht damit ganz unter dem Motto
„Lernender Staat“. Das zweite Projekt geht der Frage nach, wie viel
Geld die Bundesregierung in den letzten Jahren für die
Digitalisierung der Verwaltung ausgegeben hat. Auch dazu gab es
regen Austausch.
Jenseits dieser beiden Schwerpunkte haben wir uns in den Pausen
auch über zivilgesellschaftliche Perspektiven auf die
Verwaltungsarbeit, Zukunftsfragen des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks und spannende Podcasts unterhalten.
Was wirst du im Austausch mit den anderen
Ratsmitgliedern beitragen? Was wird deine Rolle sein?
Zum einen werde ich die Perspektive der Zivilgesellschaft
vertreten. In unseren Projekten tragen täglich viele Ehrenamtliche
dazu bei, das Wissen über unsere Welt zu dokumentieren und allen
zugänglich zu machen. Gleichzeitig haben sie in ihrer
Zusammenarbeit über zwei Jahrzehnte Strukturen und
Aushandlungsprozesse entwickelt, die transparent und zutiefst
demokratisch sind und teilweise sehr komplexe Herausforderungen
lösen. Ich würde mir wünschen, dass dieser Aspekt der Arbeit, die
in unseren Projekten geleistet wird, mehr Aufmerksamkeit bekommt,
weil ich glaube, dass sie als Modelle für eine resiliente
Demokratie dienen können.
Zum anderen bringe ich unsere Expertise in der nachhaltigen
Entwicklung von Open-Source-Softwarelösungen mit. Wikipedia und
Wikidata sind lebende Beispiele dafür, dass es möglich ist, offene
und freie Software-Systeme nachhaltig zu entwickeln und zu
betreiben. Wir gehören noch immer zu den 10 meistbesuchten
Webseiten der Welt, unsere Daten werden von allen großen digitalen
Innovationen der letzten Jahrzehnte genutzt. Unter anderem von
Google, persönlichen Assistenten und generativer KI, basierend auf
Large-Language-Modellen. Wir sind sozusagen der lebende Beweis
dafür, dass es weder notwendig noch richtig ist, auf proprietäre
Softwarelösungen zu setzen und diesen Punkt werde ich natürlich
stark machen, wenn es um die Digitalisierung der Verwaltung
geht.
Der dritte Aspekt sind freie und offene Daten: Wenn wir unsere
Demokratie transformieren wollen, dann gehört der Freie Zugang zu
den Daten, die unsere Demokratie produziert, dazu. Wir haben mit
der freien Wissensdatenbank Wikidata und der Open-Source-Software
Wikibase inzwischen erprobt, wie gut das funktionieren kann.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Der Thinktank wird von der Stiftung Mercator gefördert und
arbeitet in verschiedenen Projekten an Lösungen für die Digitale
Transformation in den Themenfeldern “Lernender Staat”, “Digitale
Öffentlichkeit”, “Digitale Partizipation” und “Regierungshandeln &
Digitalisierung”. Die Ergebnisse werden dem Rat, der Feedback gibt,
über mehrere Sitzungen vorgelegt. Alle Projekte zielen darauf ab,
praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Politik zu
entwickeln.
Natürlich kann man die Wikipedia nicht einfach abschalten. Die
Online-Enzyklopädie ist ein Projekt der ehrenamtlichen Community.
Die handelt gemeinsam Regeln und Entscheidungen aus. So war es
auch, bevor am 21. März 2019 der freie und digitale Zugang zu
Wissen für einen Tag lahmgelegt wurde. In einem sogenannten
Meinungsbild sprach sich die
deutschsprachige Community mehrheitlich für diesen gravierenden
Schritt aus.
Aktivismus für ein freies
Internet
Der Grund: Am 26. März stand im EU-Parlament die Abstimmung über
die Urheberrechtsrichtlinie an. Artikel 13 (heute 17) sollte
Plattformen dazu verpflichten, Inhalte vor dem Hochladen auf
Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Die Community der
Ehrenamtlichen, Wikimedia Deutschland, zahlreiche Verbände sowie
Urheberrechtsexpert*innen befürchteten: Das könnte zu massiven
Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen, da solche Prüfungen
bei der Masse des täglich hochgeladenen Materials nur mit
automatisierten Upload-Filtern möglich wären. Das Problem daran:
Community kann Kontext, Filter nicht.
So lautete der Titel einer Kampagne, die Wikimedia Deutschland
bereits 2017 gestartet hatte. Denn Filter können zwar einen Inhalt
erkennen, nicht aber den Nutzungskontext korrekt bewerten. Die
technologische Entwicklung war und ist nicht so weit, dass Filter
zuverlässig Satire oder Parodien erkennen können. Oder – und das
ist besonders für die Wikipedia relevant – ein zulässiges Zitat aus
einem urheberrechtlich geschützten Text von einem
Urheberrechtsverstoß unterscheiden können. Die Community und
Wikimedia Deutschland sahen die freie Verbreitung von Wissen im
Internet gefährdet. Die Befürchtung war, dass massenhaft
rechtskonforme Inhalte in den Upload-Filtern hängen bleiben
würden.
Genauer hat es John Weitzmann, damals Justiziar bei Wikimedia
Deutschland, erklärt.
Wir haben daher im Rahmen unseres juristischen
Diskussionsformats MonstersofLaw mit
Rechtsexpert*innen und Politikschaffenden über die Risiken von
Upload-Filtern gesprochen und Argumente für eine
grundrechtsfreundliche Umsetzung der EU-Urheberrechtsrefom
diskutiert. Mit der Kaffeefilter-Aktion beim Parteitag der SPD in
Berlin am 7. Dezember 2017 haben wir Politikschaffende für die
grundrechtsgefährdenden Potenziale von Upload-Filtern
sensibilisiert.
Weithin sichtbar war eine Projektion, die wir am 4. April 2019
an das Bundeskanzleramt geworfen haben: Keine Uploadfilter –
Stehen Sie zum Koalitionsvertrag. Denn obwohl die Koalition aus
CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag zugesagt hatte, Plattformen
nicht zum Einsatz von Upload-Filtern zu verpflichten, hatte die
Bundesregierung dem Entwurf zur EU-Urheberrechtsreform zugestimmt.
Die Richtlinie der EU verpflichtet zwar nicht explizit zum Einsatz
von Upload-Filtern. Die Vorgaben in Artikel 17 machten sie aber
unabdingbar. Und nachdem in Brüssel die Reform des Urheberrechts
beschlossen worden war, ging es um die Umsetzung in nationales
Recht. In einem offenen Brief gemeinsam mit dem
Digitalverband Bitkom, dem Verbraucherzentrale Bundesverband, dem
Chaos Computer Club und verschiedenen Wirtschaftsverbänden haben
wir die Bundesregierung dazu aufgefordert, eine zukunftsgerichtete
Digital- und Urheberrechtspolitik auf nationaler Ebene zu
gestalten.
Haben die Proteste etwas
bewirkt?
Dass über 100.000 Menschen wegen eines digitalpolitischen Themas
auf die Straßen gehen und über 5 Millionen Menschen eine Petition
gegen Upload-Filter unterzeichneten, hatte es bis dahin noch nicht
gegeben – und auch seitdem nie wieder. Und die Proteste haben
Wirkung gezeigt, wie Felix Reda, Urheberrechtsexperte und von 2014
bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments, beschreibt.
Die Demonstrationen und die Kritik von zivilgesellschaftlichen
Institutionen haben dazu geführt, dass etwa in Deutschland die
Umsetzung von Artikel 17 in nationales Recht vergleichsweise
grundrechtsfreundlich erfolgt ist.
Felix Reda —
Urheberrechtsexperte
Denn das deutsche Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz legt
fest, dass „mutmaßlich erlaubte“ Inhalte nicht automatisch
gefiltert werden dürfen. Als mutmaßlich erlaubt gelten Inhalte, die
weniger als die Hälfte eines fremden Werks enthalten, dieses mit
anderen Inhalten verbinden oder erlaubte Nutzung enthalten – wie
ein Zitat oder eine Parodie. Als mutmaßlich erlaubt gelten auch
Uploads, in denen nur in geringfügigem Maß andere Inhalte genutzt
werden. Geringfügig sind laut Gesetz bis zu 160 Zeichen eines
Textes, 15 Sekunden von einem Video oder Musikstück und bis zu 125
Kilobyte von einem Foto, einer Grafik oder einem Bild.
Die Proteste haben auch dazu beigetragen, dass Artikel 17 im
finalen Gesetzentwurf überarbeitet wurde – im Sinne der Nutzenden.
Die europäischen Gesetzgeber haben den Passus ergänzt, dass legale
Inhalte nicht gesperrt werden dürfen. Eine frühere Version von
Artikel 17, die diese Schutzvorkehrung nicht enthielt, hatte das
Europaparlament infolge der Proteste abgelehnt.
Felix Reda —
Urheberrechtsexperte
Außerdem legte Polen vor dem Europäischen Gerichtshof Klage
gegen Artikel 17 ein. In seinem Urteil gab das Gericht der Klage
zwar nicht statt, aber:
Das Urteil des EUGH hat die Grundrechte eher gestärkt. Es hat
Artikel 17 zwar nicht für unvereinbar mit Grundrechten erklärt,
aber geurteilt, dass Filter nur so genutzt werden dürfen, dass sie
offensichtlich illegale Inhalte sperren.
Felix Reda —
Urheberrechtsexperte
Was aus den Upload-Filtern
geworden ist
Wie genau große Plattformen Upload-Filter einsetzen, ist
meistens nicht nachvollziehbar. Dass massenhaft Inhalte in den
Filtern hängen bleiben, ist nicht zu erkennen.
Wenn man sich die Transparenzberichte von Tech-Giganten wie Meta
und Co. anschaut, die diese aufgrund des DSA veröffentlichen
müssen, dann sieht man: Artikel 17 ist sehr selten die Grundlage
für die Sperrung von Inhalten. Die Plattformen moderieren Inhalte
vor allem nach ihren Terms of Service. Wenn ein Uploadfilter eine
legale Nutzung Parodie nicht erkennt, führt das seltener zu einer
vollständigen Sperrung, sondern eher zur Demonetarisierung, die
Werbeeinnahmen werden also der falschen Person zugeordnet. Das ist
für Content Creator zwar ebenfalls ärgerlich, aber ein weniger
großes Problem für die Meinungsfreiheit.
Felix Reda —
Urheberrechtsexperte
Meistens entfernen Plattformbetreibende Inhalte, weil es sich um
Hassrede, Bedrohungen, Betrug oder Verletzung der Privatsphäre bzw.
des Datenschutzes handelt. Sperrungen aufgrund von
Urherrechtsverstößen kommen vergleichsweise selten vor.
Dass die EU-Urheberrechtsreform das Internet kaputt macht, wie
manche Protestierende befürchteten, ist nicht eingetreten. Das
liegt auch an den vielfältigen Aktionen und Protesten. Sie haben
dazu geführt, dass die Mitgliedsstaaten der EU dazu verpflichtet
wurden, Schutzvorkehrungen zu treffen, damit legale Inhalte gar
nicht erst gesperrt werden.
Stefan Mey präsentierte zunächst sein Buch, das die Vielfalt
nicht-kommerzieller Projekte als “digitale Gegenwelt zu den
kommerziellen Tech-Giganten” beschreibt. Trotz ihrer Transparenz
und Nutzerorientierung bleiben diese Projekte oft hinter den
Angeboten großer Konzerne zurück. Mey identifizierte fehlende
finanzielle Ressourcen und stabile Infrastrukturen als
Hauptprobleme. Er betonte: „Stabile Infrastrukturen wie große
Rechenzentren fehlen, wodurch die alternativen Anwendungen nicht
immer reibungslos laufen.“
Herausforderungen und
Lösungsansätze
Die Diskussion verdeutlichte, dass staatliche Institutionen mehr
tun müssen, um nicht-kommerzielle Projekte zu fördern. Katharina
Nocun betonte die Bedeutung staatlicher Unterstützung für die
Entwicklung gemeinnütziger Software. Tobias B. Bacherle kritisierte
die komplizierten Ausschreibungsverfahren, die großen Konzernen
zugutekommen. Eine Lösung könnte laut Stefan Mey in Kooperationen
zwischen kleineren Unternehmen und Open-Source-Entwicklern liegen.
Er fügte hinzu: „Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung kann
auch entstehen, wenn kleinere Unternehmen, die ebenfalls mit
Big-Tech Konzernen hadern, Kollaborationen mit Open Source
Entwicklern eingehen.“
Bewusstsein für digitale
Souveränität schaffen
Es wurde diskutiert, dass fehlendes Bewusstsein für digitale
Souveränität ein zentrales Problem darstellt. Die Bedeutung dieses
Themas muss sowohl von Unternehmen als auch von der Bevölkerung
erkannt werden. Hier besteht noch Aufklärungsbedarf, um ein
Umdenken zu erreichen.
Förderung und politische
Maßnahmen
Abschließend wurde betont, dass konkrete Maßnahmen und
Förderungen notwendig sind, um nicht-kommerzielle Projekte zu
stärken. Dies kann durch finanzielle Unterstützung, aber auch durch
politisches Engagement und Sensibilisierung für digitale
Souveränität geschehen. Katharina Nocun erinnerte daran: „Dass
aktuell von staatlicher Seite eher kommerzielle Dienstleister
genutzt werden, ist auch ein Regulierungsversagen.“
Fazit: Eine andere digitale Welt
ist möglich
Die Diskussion bei Wikimedia Deutschland verdeutlichte die
Herausforderungen und Chancen nicht-kommerzieller Projekte im
digitalen Raum. Es liegt an allen Beteiligten, gemeinsam Lösungen
zu finden und eine digitale Welt zu schaffen, die auf Prinzipien
wie Transparenz, Freiheit und Selbstbestimmung basiert.
Die gesamte Podiumsdiskussion im
Video:
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Mehr zu den
Panelteilnehmer*innen:
Stefan Mey ist Buchautor und investigativer
IT-Journalist. Er interessiert sich dafür, welche Auswirkungen
digitale Umstände auf eine Gesellschaft haben und hat sich von
Anfang an für die Frage von Macht und Gegenmacht im Internet
interessiert. Mey kennt sowohl große IT-Konzerne als auch viele
unbekannte Projekte der digitalen Gegenwelt von innen.
Katharina Nocun ist Publizistin und ehemalige
Politikerin. Sie war von Mai bis November 2013 politische
Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland und leitete bei
Campact unter anderem die Kampagne „Schutz für Edward Snowden in
Deutschland“. Seit 2012 veröffentlichte Nocun vornehmlich Artikel
zu digital politischen Themen und seit 2020, häufig gemeinsam mit
der Sozialpsychologin Pia Lamberty, Sachbücher und Artikel zu
Verschwörungstheorien und Esoterik.
Tobias B. Bacherle ist ein deutscher Politiker
(Bündnis 90/Die Grünen) und seit 2021 Mitglied des Deutschen
Bundestages. Für seine Fraktion ist Bacherle Mitglied im
Auswärtigen Ausschuss und Ausschuss für Digitales. Bacherle ist
entschiedener Gegner der sogenannten Chatkontrolle.
Moderation: Tobias Schmid ist Informations- und
Kommunikationswissenschaftler und Moderator, dessen Arbeit sich
darum dreht, die digitale Transformation besser zu verstehen. Als
Moderator legt er Wert darauf, eine angenehme und rücksichtsvolle
Atmosphäre zu schaffen, damit sich Publikum und Gäste während des
Diskurses wohlfühlen.
Neue Folge von „Wissen. Macht.
Gerechtigkeit.“: Wer bricht die Macht der IT-Konzerne?
Um die Frage, wem das Internet gehört, geht es auch in der
aktuellen Folge des Podcasts „Wissen. Macht. Gerechtigkeit.“ in
Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk Kultur. Autor Stefan Mey,
der Informatiker und KI-Kritiker Jürgen Geuter alias tante und die
Autorin und Forscherin Zara Rahman diskutieren, wie Wikipedia,
Mastodon, Firefox oder Signal das Internet fairer, freier und
demokratischer machen.
Mit den #100WomenDays setzen sich die
Ehrenamtlichen der Wikipedia seit 2019 für mehr Gleichberechtigung
und die Stärkung der weiblichen Präsenz in der freien
Online-Enzyklopädie ein. Innerhalb von 100 Tagen sollen möglichst
viele Biografien über Frauen geschrieben werden, die bislang noch
keinen Wikipedia-Eintrag besitzen, obwohl sie Bemerkenswertes
geleistet haben – sei es in der Kunst, der Wissenschaft, im Sport,
als Unternehmerinnen oder in anderen Bereichen.
Spitzenplatz für
Sportlerinnen
Das Ziel der #100WomenDays, bis
zum Internationalen Frauentag am 8. März mindestens 100 Artikel zu
frauenbezogenen Themen entstehen zu lassen, ist schon im
vergangenen Jahr mit 1.416 neuen Texten weit übertroffen worden.
Bei der jetzt zu Ende gegangenen fünften Ausgabe wurde ein neuer
Rekord aufgestellt: 1.841 Artikel sind hinzugekommen. Ergänzt
werden sie durch eine„Hall of Femmes“mit Bildern aus dem freien Medienarchiv
Wikimedia Commons.
Dengrößten Anteilmachen in diesem Jahr die Biografien verdienter
Sportlerinnen aus (473), gefolgt von bildenden Künstlerinnen (255)
und Wissenschaftlerinnen (160). Immerhin zwei Adelige und drei
Herrscherinnen finden sich ebenfalls in der Statistik der
fünften#100WomenDays. Die
meisten Beschriebenen stammen aus den Niederlanden (312), den
Vereinigten Staaten (200) sowie Deutschland (187), der Großteil der
Frauen (217) wurde in den 1990er Jahren geboren.
Paint it blue
Fehlende Frauenbiografien – in
der deutschsprachigen Wikipedia „Frauen in Rot“ und international
aufgrund der rot markierten fehlenden Links „Women in Red“ genannt
– werden auf dergleichnamigen Projektseitegesammelt. Dort ist im Live-Ticker
auch die Entwicklung der Zahlen zu beobachten: Aktuell machen die
Frauen-Biografien in der deutschsprachigen Wikipedia 17,8 Prozent
aus – gegenüber 2019 ein Zuwachs von 1,8 Prozent. Seit 2009 hat
sich der Gender-Gap in Biografien insgesamt um 3 Prozentpunkte
verringert. Eineeigene Statistik-Seitedokumentiert außerdem den Anteil der Biografien
von non-binären, inter- und transgeschlechtlichen Personen in der
Wikipedia.
Einladung zum
Mitmachen
Die #100WomenDays wurden
ursprünglich von der Kölner Wikipedia-Community rund um dasLokal
Kinitiiert, um auf die
Unterrepräsentanz von Frauen-Biografien und frauenbezogenen Themen
in der Wikipedia aufmerksam zu machen und dem aktiv gegenzusteuern.
Mittlerweile machen aber auch viele Aktive aus anderen Regionen
Deutschlands mit. Allein in der aktuellen Runde haben rund 100
Ehrenamtliche Artikel zu #100WomenDays beigetragen. Im Schnitt hat
jeder davon 19 Artikel geschrieben.
Diese weiteren Initiativen und
Projekte machen sich ebenfalls für mehr Sichtbarkeit von Frauen in
der Wikipedia stark – und zwar ganzjährig:
WomenEdit
Bei regelmäßigen Treffen von Wikipedianerinnen wird gemeinsam
editiert – vor Ort und online. In Berlin jeweils am ersten
Mittwoch im Monat in der Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland
und am dritten Mittwoch im Lokalen Wikipedia-Raum WikiBär. In
Erlangen trifft sich WomenEdit
üblicherweise am zweiten Montag im Monat in der
Stadtbibliothek.
Women in Red
Der deutschsprachige Teil des internationalen kollaborativen
Projekts „Women in Red“ hat zum Ziel, so viele
rote Links auf fehlende Frauenbiografien in der Wikipedia wie
möglich in blaue umzuwandeln.
FemNetz
Das FemNetz ist ein Netzwerk von unterschiedlichen
Wikipedianer*innen und Schreibgruppen. FemNetz spinnt stärkende
Verbindungen zwischen interessierten und engagierten Schreibenden
aller Geschlechter.
wiki:wo:men
Der Arbeitskreis wiki:wo:men trifft sich monatlich in Stuttgart.
Eingeladen sind alle Menschen, die Interesse am Thema „Frauen in
der Wikipedia“ haben – egal, ob Wikipedianer*innen oder Neulinge.
Die Treffen finden in der Regel an jedem 3. Freitag im Monat
statt.
Workshop-Reihe 60 Minuten – Gender &
Diversity in der Wikipedia
Die Online-Workshop-Reihe dient dem länderübergreifenden Austausch
(Deutschland, Österreich, Schweiz) zu Fragen rund um Gender und
Diversity in der Wikipedia – an jedem 4. Montag im Monat von 19 bis
20 Uhr.
Mentorinnennetzwerk
FemSupport
Das feministische Support-Netzwerk bietet kollegiale Unterstützung
für Frauen, die bei Wikipedia aktiv werden wollen, sich aber im
Dschungel der Hilfeseiten und Video-Tutorials (noch) nicht
zurechtfinden.
Berlinale FilmFrauen
Edit-a-thon
Der Edit-a-thon findet jährlich am ersten Berlinale-Wochenende in
Berlin statt und bringt mehr Biografien über Filmfrauen aller
Sparten in die Wikipedia: von der Regisseurin bis zur Tonmeisterin.
Hier gibts einen
lesenswerten Rückblick auf den Berlinale Edit-a-thon 2024.
Wiki Riot Squad Berlin
Im Rahmen von Schreibwerkstätten und Edit-a-thons werden Wikipedia-Artikel diskutiert und
bearbeitet – der Fokus liegt dabei auf möglichen Gender Bias, also
einer verzerrten Wahrnehmung durch sexistische Vorurteile und
Stereotype.
Art+Feminism
Diese Gemeinschaft von Aktivist*innen setzt sich dafür ein,
Informationslücken im Zusammenhang mit Geschlecht, Feminismus und
Kunst zu schließen, beginnend mit Wikipedia.
Who writes his_tory?
Dieses Schweizer Projekt hinterfragt die Reproduktion von Wissen
und struktureller Diskriminierung im Internet und vor allem auf
Wikipedia. In der Schweiz sind außerdem Les sans pagEs (französischsprachig)
und die Künstler*innengruppe Femme Artist Table FATart aktiv.
Durch die Diskussion führte Medienjournalistin Vera Linß. Was
mit Vielfalt als Zielgröße für eine Reform des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) gemeint sei, wollte sie von
Thorolf Lipp wissen. Was Vielfalt ist und wie man sie realisiert,
müsse der zentrale Gegenstand der Reformdebatte im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein, so der Herausgeber des
Buches. Lipp verwies darauf, dass die Beiträge im Sammelband
verschiedene Bezugspunkte für diese Debatte gäben: Vielfalt der
Perspektiven, der Akteur*innen, aber auch der Formate.
Warum ist Vielfalt so
wichtig?
Die kurze Antwort lautet: Ohne Vielfalt kein Public Value. Es sei nicht ausreichend für ein
öffentlich-rechtliches Mediensystem, zu behaupten, es produziere
Inhalte, die dem Gemeinwohl dienen, sagte Lipp. Die gesamte
Institution müsse sich am Gemeinwohl orientieren. Indem sie sich
der Vielfalt verschreibt und flache Hierarchien sowie
Barrierefreiheit in den Strukturen etabliert werden.
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Von der Theorie in die Praxis –
Wie kann Vielfalt gelingen?
Lipp vertrat die These, dass man angesichts des enormen
Kulturwandels den Mut haben sollte, ein weißes Blatt Papier aus der
Schublade zu ziehen und sich die Frage zu stellen: Wenn wir heute
ein öffentlich-rechtliches Mediensystem neu aufsetzen würden, wie
würde das aussehen? Es brauche von Anfang an die Beteiligung der
Bürger*innen, strukturelle Reformen innerhalb der Sendeanstalten
und im Zuge dessen die Etablierung von neuen Institutionen und
Verfahren. Man brauche eine Plattform mit möglichst vielen
verschiedenen Perspektiven und dementsprechend einer großen
Vielfalt.
Mit der Erweiterung des Panels um Tabea Rößner (MdB, Bündnis
90/Die Grünen), C. Cay Wesnigk (Drehbuchautor und Filmproduzent)
und Laura-Kristine Krause (Mitglied des ZDF-Fernsehrats für den
Bereich Internet und Co-Founderin von More in Common) taten
sich weitere Anregungen und Perspektiven zum Thema Rundfunkreformen
auf.
Die Digital- und Medienpolitikerin Rößner betonte, dass ohne
einen höheren Rundfunkbeitrag keine Reform durchgeführt werden
könne. Insbesondere mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im
Osten Deutschlands sei Vielfalt wichtiger denn je. Die
Verantwortung dafür sieht Rößner bei der Medienpolitik.
Wir müssen uns überlegen: Was soll der Auftrag sein?
Tabea Rößner
Aus Sicht von Laura-Kristine Krause erfülle der ÖRR seinen
Auftrag, wenn er als gemeinsamer Informations- und
Diskursraum fungiere. „In einer Demokratie ist es ganz wichtig,
einen gemeinsamen Informations- und Diskursraum zu haben“, so
Krause. Mit Blick auf die Frage, wie Vielfalt zu realisieren sei,
warf sie ein, dass Bürger*innen nicht unbedingt selbstmitmachen wollten. Wichtiger sei es, dass sie in
Medienformaten vorkommen. Laut einer Studie von More in Common beteiligen sich
demokratiezufriedene Menschen eher als Menschen, die mit der
Demokratie unzufrieden sind. Dies führt unter anderem zu
einem starken Gefühl des Nicht-Gesehen-Werdens. Folglich laufe man
hier Gefahr, in eine Art Selbstverstärkung zu laufen.
Freie Lizenzen als Teil der
Rundfunkreformen?
Der Produzent Cay Wesnigk sprach sich für die Nutzung der
sogenannte MEDIFO-Lizenz aus. Die Lizenzbedingungen
erläutert er in seinem Sammelbandbeitrag „Ein innovatives
Lizenzmodell stärkt das Gedächtnis unserer Demokratie”. Die Lizenz
mache Formate des ÖRR länger nachnutzbar. Entscheidend für die
Akzeptanz dieser Lizenz sei aber, dass die Medienschaffenden besser
vergütet werden. Denn sie müssen es sich leisten können, dass ihre
Werke in Online-Mediatheken kostenfrei zur Verfügung stehen. Eine
CC-Lizenz sei hingegen für Inhalte des ÖRR nicht möglich, da diese
keine angemessene Vergütung garantieren, meinte Wesnigk. Die
MEDIFO-Lizenz lasse aber offen, ob jemand unter CC-Lizenz
veröffentlichen möchte.
Thorolf Lipp ergänzte: “Ich finde, es macht total Sinn“ und betont,
dass CC-Lizenzen vor allem für Trailer und Ausschnitte sinnvoll
sind, die auf der Wikipedia hochgeladen werden können und so
wiederum die Reichweite erhöhen.
Die französische
RegisseurinClaire
Burgerhat mit ihrem
“Langue Étrangère” am Wettbewerb der diesjährigen Berlinale
teilgenommen. VonEva Hillerwar die digital restaurierte
Fassung ihres Essayfilms “Unsichtbare Tage oder Die Legende von den
weißen Krokodilen” in der Reihe “Retrospektive” zu sehen. Die
dänische FilmemacherinBrigitte
Staermosewiederum hat
auf dem Festival die vielbeachtete Dokumentation “Afterwar”
gezeigt. Was diese drei Filmemacher*innen außer ihrer Teilnahme an
der Berlinale aber noch gemeinsam haben: Über sie – und viele
weitere weibliche und nicht-binäre Filmschaffende – existieren
jetzt endlich auch Artikel in der deutschsprachigen
Wikipedia.
Den Gender-Gap in Wikipedia
verringern
Vom 16. bis 18. Februar fand der
diesjährige Berlinale Edit-a-thon statt, eine Initiative des
Wikipedia-Projekts WomenEdit mit Unterstützung von Wikimedia
Deutschland. Das Ziel dieser seit einigen Jahren am ersten
Festivalwochenende veranstalteten Schreibwerkstatt ist es,
möglichst vielen Frauen* im Film und ihren Werken Sichtbarkeit in
der Online-Enzyklopädie zu verschaffen. Schließlich sind die
Biografien von Frauen* und non-binären Menschen in der Wikipedia
noch immer unterrepräsentiert. Beispielsweise sind insgesamtknapp 36 Prozent der Biografien im Filmbereich
über Frauen(was aber
deutlich am Beruf Schauspiel liegt). Im Bereich Kamera sind es
gerade einmal 6,7 Prozent.
Wobei viele Ehrenamtliche der
Wiki-Community seit Jahren mit Erfolg daran arbeiten, dass sich
dieser Gender-Gap verkleinert. Der Berlinale Edit-a-thon,
organisiert von den Wikipedianerinnen Grizma und Reisen8, ist ein
strahlkräftiges Beispiel dafür.
Wikipedia als Anlaufstelle für
Filminteressierte
28 Freiwillige haben vor Ort in
Berlin am Edit-a-thon teilgenommen, weitere sieben
Community-Mitglieder waren remote dabei. Insgesamt
entstandenfast
100 neue Artikelüber
Filmfrauen* und ihre Werke:
Zu 39 Personen wurden neue
Artikel angelegt, 47 Filmtitel (von “Afterwar” bis “Yoake no
subete”) fanden ihren Weg in die Wikipedia. Ein beachtlicher und
wichtiger Beitrag – schließlich ist die Online-Enzyklopädie oft
eine der ersten Anlaufstellen für Filminteressierte und
Journalist*innen. Finden sich im Netz keine leicht zugänglichen
Informationen, werden Frauen* in der Filmbranche schnell übersehen.
Gerade für weibliche Filmschaffende, die noch am Anfang ihrer
Karriere stehen, ist ein Wikipedia-Artikel enorm hilfreich, um
Öffentlichkeit zu bekommen. Immer vorausgesetzt natürlich, dass die
Relevanzkriterien erfüllt sind.
Leichter Einstieg für neue
Freiwillige
Beim Berlinale Edit-a-thon waren
auch 2024 wieder alle Geschlechter willkommen, die einen
respektvollen und sensiblen Umgang mit feministischen und diversen
Themen wahren. Teilgenommen haben nicht nur langjährig erfahrene
Community-Mitglieder, sondern auch viele Neu-Wikipedianer*innen,
die “mit großem Enthusiasmus sofort nach der Einführung in die
Artikelarbeit eingestiegen sind”, wie Organisatorin Grizma erfreut
berichtet. Sogar eine österreichische Teilnehmerin habe den weiten
Weg aus Graz auf sich genommen, um erstmals an der Schreibwerkstatt
mitzuwirken.
“Durch den persönlichen Bezug zur Community (‘Wikipedia wird von
echten Menschen gemacht!’) und die mündliche Erklärung mit
parallelem Zeigen am Beamer und Fragemöglichkeiten finden gerade
Neue mit geringer Technikaffinität leichter den Einstieg in die
Wikipedia-Arbeit als über Hilfeseiten oder Videos.”
Co-Organisatorin
reisen8
WomenEdit: Immer offen für alle
Interessierten
Für viele ist ein Event wie der
Berlinale Edit-a-thon der perfekte Start, um sich auch langfristig
als Freiwillige in der Wikipedia zu engagieren. “Mit einigen
Teilnehmer*innen sind wir auch nach dem Edit-a-thon noch im
Austausch, viele haben zugesagt, mal bei WomenEdit reinzuschauen,
zwei waren sogar schon dabei”, erzählt Grizma.
Für Interessierte, die tiefer in
die Welt von Wikipedia eintauchen möchten, steht das regelmäßige
Format WomenEdit in Berlin und Erlangen stets offen. Hier können an
jedem 1. und 3. Mittwoch des Monats FLINTA (Frauen, Lesben, inter,
trans und asexuelle Personen) aktiv an Wikipedia-Artikeln arbeiten
und ihre individuellen Themen und Anliegen einbringen.
Einsteiger*innen bekommen ihre Fragen von langjährigen
Community-Mitgliedern gern beantwortet. Die genauen Termine und
alle Infos unter:wmde.org/WomenEdit
Anton, unter welchen Bedingungen arbeitet Wikimedia
Ukraine aktuell?
Anton Protsiuk: In Kyiv, wo wir unser Büro haben, ist die
Situation ein bisschen zwiespältig. Einerseits arbeiten wir nach
wie vor unter Kriegsbedingungen, was bedeutet, dass es regelmäßig
russische Raketen- und Drohnenangriffe gibt. Erst kürzlich wurde
unser Büro von einem Raketeneinschlag in der Nähe in
Mitleidenschaft gezogen, glücklicherweise ist nur ein Fenster zu
Bruch gegangen, niemand wurde verletzt. Der Krieg ist Realität.
Andererseits gibt es auch eine Art Rückkehr zum Alltag, die
Menschen haben sich, so weit es eben möglich ist, mit der Situation
arrangiert, gehen zur Arbeit.
Wie sieht der Büroalltag bei WMUA aus? Ist das Kernteam
der Organisation zusammen geblieben?
Unser Büro ist klein, wir sind in einem Co-Working-Space in Kyiv
untergekommen, von wo aus ich auch gerade dieses Gespräch führe.
Wir brauchen aber auch nicht viel Platz, unser Kernteam, das
geblieben ist, besteht aus sieben festen Mitarbeitenden, von denen
wiederum weniger als die Hälfte in Kyiv leben. Wie bei anderen
Wikimedia-Organisationen wird auch viel Arbeit von einem größeren
Netz aus Freiwilligen geleistet, die uns bei unseren Projekten
unterstützen, vor allem remote. Da reden wir von ein paar Dutzend
engagierten Leuten, von denen viele fast täglich involviert sind.
Die meisten der Menschen, mit denen wir vor Beginn der russischen
Vollinvasion gearbeitet haben, sind nach wie vor an Bord, aber
natürlich hat der Krieg auch hier Auswirkungen.
Was meinst Du konkret?
Manche haben die Ukraine verlassen und sind bis jetzt nicht
zurückgekehrt, vor allem Menschen mit kleinen Kindern. Andere haben
sich zur Armee gemeldet. Gerade jetzt gehen wieder viele an die
Front, um diejenigen abzulösen, die schon so lange kämpfen. Bei
WMUA fokussieren wir uns aber natürlich nicht nur auf den Krieg,
wir haben Programme wieder aufgenommen und teilweise sogar
ausgebaut, die wir vor dem 24. Feburar 2022 gestartet hatten. Wir
halten Konferenzen ab, veranstalten Community-Treffen.
Welche Projekte haben momentan Priorität?
Wir haben vor dem Angriffskrieg eine Reihe von Zielen definiert, die noch immer Bestand
haben – darunter Kampagnen oder Artikel-Wettbewerbe zu
organisieren, die helfen, die Wikipedia und andere
Wikimedia-Projekte anzureichern, neue Freiwillige für die
Wikimedia-Projekte zu gewinnen, besonders aus unterrepräsentierten
Communitys, und unsere bestehende Community zu unterstützen. Auf
der Liste steht auch der Punkt „Advocacy“, bei dem es darum geht,
Gesetzesinitiativen in der Ukraine anzustoßen, die dem Freien
Wissen dienen. Zum Beispiel setzen wir uns für Panoramafreiheit
ein. Allerdings hat das im Moment keine Priorität. Die ukrainischen
Politiker haben gerade andere Sorgen.
Welche Veranstaltungen plant ihr gerade?
Eins unserer Standbeine ist der Fotowettbewerb „Wiki Loves
Earth“ (WLE) rund um Naturerbe, den wir sowohl international als
auch für die Ukraine ausrichten. Ebenso laden wir zu „Wiki Loves
Monuments“ (WLM) ein – zwar nur national, aber die ukrainische
WLM-Ausgabe ist eine der größten weltweit. Außerdem laufen die
Planungen für unsere jährliche Wiki-Konferenz, die eine besondere
wird: Wir feiern in diesem Jahr den 20. Geburtstag der ukrainischen
Wikipedia, ein Anlass, zu dem die gesamte Community zusammenkommt,
wenn auch nur hybrid. Alle Menschen in einem Raum zu versammeln,
wäre nicht sicher. Schon im vergangenen Jahr haben wir eine Serie
von kleineren Meet-ups und auch die Wiki-Konferenz an verschiedenen
Orten der Ukraine abgehalten, sowohl virtuell, als auch analog
teilweise in Schutzräumen, nur für den Fall, dass irgendetwas
passiert.
Wie unterstützt ihr die Community?
Zu Beginn der russischen Vollinvasion, in der schwierigsten
Zeit, haben wir der Community geholfen, konkrete materielle Hilfe
zu finden. Inzwischen hat sich die Situation stabilisiert, es gibt
mehr staatliche Stellen, die Unterstützung leisten. Wir fokussieren
uns deswegen wieder mehr auf unsere Kernmission, Freies Wissen zu
fördern. Zum Beispiel mit unserer jährlichen „Wiki Science
Competition“, die ukrainische Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler unterstützt, oder mit unserem „Wiki Education
Program“, das sich an Erziehende und Pädagogen richtet. Hier bieten
wir Community-Mitgliedern zum Beispiel Trainings zu Themen wie
Desinformation an, dazu hatten wir eine Reihe von Webinaren.
Haben die Freiwilligen mittlerweile wieder mehr Zeit,
sich in den Wikimedia-Projekten zu engagieren?
Das kommt darauf an. Um Dir ein konkretes Beispiel zu geben: Die
Preisverleihung für die „Wiki Science Competition“ wollen wir
hybrid abhalten, analog und online, weswegen ich zuletzt viel mit
den Planungen beschäftigt war, wie sich der Livestream am besten
umsetzen lässt. Zuvor haben uns dabei zwei Mitglieder der Community
unterstützt – aber beide können diesmal nicht teilnehmen, weil sie
sich den ukrainischen Streitkräften angeschlossen haben. Deswegen
müssen wir jetzt nach anderen Menschen mit entsprechendem
technischen Knowhow suchen. Nur ein kleines Beispiel unter
vielen.
Wikimedia Russland musste am 19. Dezember 2023 aufgelöst
werden. Seid ihr in Kontakt mit ehemaligen Mitarbeitenden des
Chapters? Bestehen generell Verbindungen zu Wikimedianer*innen oder
user groups, die in ihren Ländern unter Risiko arbeiten, zum
Beispiel in Belarus?
Nein, Wikimedia Ukraine steht als Organisation nicht in Kontakt
mit Wikimedians aus Russland oder Belarus, wir arbeiten auch nicht
an diesem Thema. Ich persönlich habe Empathie für alle Wikimedians,
die Verfolgung ausgesetzt sind, egal, in welchen Ländern – aber
gleichzeitig verfügen wir nur über begrenzte Zeit und Energien.
Diese Ressourcen wollen wir lieber dafür einsetzen, ukrainische
Wikimedians zu unterstützen. Natürlich verfolgen wir, was in
Russland vorgeht, ein Vorfall wie die Auflösung des russischen
Chapters ist auch für ukrainische Journalisten ein Thema. Und es
gibt einzelne ukrainische Wikimedians, die Kontakte unterhalten.
Aber für uns als Organisation hat die Ukraine Priorität.
Welchen Stellenwert nimmt der Kampf gegen Propaganda und
Desinformation aktuell ein?
Ein Beispiel: Der Messenger-Dienst Telegram ist in der Ukraine
auch ein großes Newsportal, ähnlich wie Facebook oder andere
Plattformen. Gerade deswegen ist es wichtig, ein grundlegendes
Verständnis dafür zu haben, wie Nachrichten dort kuratiert werden,
was vertrauenswürdig ist und was nicht. Dazu haben wir ein Training
für die Community angeboten. Schließlich betrifft das Thema mehr
oder weniger direkt die Wikipedia: Es geht darum, was als Quelle
für Wikipedia dienen kann. Und zugleich reden wir über einen
größeren Kontext von Informationskompetenz generell.
Wo konnten Erfolge erzielt werden?
Die ukrainische Wikipedia-Community mit ihren Hunderten
Freiwilligen war und ist sehr erfolgreich darin, Desinformation zu
bekämpfen und Barrieren gegen Fake News zu errichten. Die Artikel
werden fortlaufend gecheckt, ehrenamtliche Administratoren helfen
dabei, die Inhalte zu überwachen. In Kriegszeiten sind zusätzliche
Administratoren angeworben worden, nach einem viel simpleren
Community-Prozedere als sonst – einfach, um flexibler darin zu
sein, Falschinformation und Vandalismus abzuwehren. Es wird also
viel unternommen, sowohl von der Community, als auch von uns als
Organisation.
Was ist ein Beispiel für Desinformation?
Da gibt es eine breite Spanne. Angefangen bei simplem
Vandalismus, wo Leute versuchen, Informationen aus
Wikipedia-Artikeln zu entfernen oder falsche Behauptungen
hinzuzufügen. Das lässt sich relativ leicht erkennen und beheben,
das ist nicht das größte Problem. Schwieriger wird es dort, wo die
Ukraine noch immer durch eine neokoloniale Linse betrachtet wird –
als Teil der früheren Sowjetunion und des russischen Reichs. Das
ist oft in kleineren Sprachausgaben der Wikipedia der Fall.
Bestimmte Personen, die eigentlich aus der Ukraine stammen, werden
dort als Russen bezeichnet. Das ist im klassischen Sinne keine
Desinformation, aber dennoch ein verzerrtes Bild. Auch deswegen
beschränken wir uns nicht darauf, gegen Falschinformationen
vorzugehen…
Sondern?
Wir bemühen uns, generell mehr verlässliche Informationen über
die Ukraine in anderen Sprachversionen zugänglich zu machen. Die
englische Wikipedia ist diesbezüglich gut entwickelt, die deutsche
zählt zu den besten überhaupt – aber es gibt ja insgesamt über 300
Sprachausgaben. Wir versuchen, zum Beispiel in der georgischen oder
slowakischen Wikipedia Artikel über die Ukraine zu fördern – unter
anderem mit unserer jährlichen Kampagne „Cultural Diplomacy Month“,
bei dem wir Artikel über alle möglichen Themen rund um ukrainische
Kultur anregen.
Welche Rolle spielt der 24. Februar für euch? Sind
irgendwelche Aktionen geplant?
Nein, nicht speziell zum 24. Februar. Es gibt andere wichtige
Daten, die sich 2024 jähren und auf die wir uns fokussieren. Wir
blicken zurück auf zehn Jahre des russischen Kriegs gegen die
Ukraine, denn dieser Krieg begann 2014 mit der Annexion der Krim.
Und ebenfalls jährt sich zum zehnten Mal die Maidan-Revolution, die
mit der Forderung nach demokratischen Reformen in der Ukraine viele
Entwicklungen angestoßen hat. Rund 100 Menschen haben während der
Proteste ihr Leben verloren, darunter der ukrainische Wikipedianer
Ihor Kostenko. Er wurde 2014 noch
posthum als „Wikimedian of the Year“ von Jimmy Wales ausgezeichnet,
dem Gründer der Wikipedia. Wir wollen versuchen, seinen zehnten
Todestag entsprechend zu ehren.
Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein
Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren
umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal
intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und
mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach
mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der
deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man
die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind.
Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am
Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem
Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger
peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.
Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen
Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein
Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu
unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es
geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen
2012 bringt es der Roman auf den Punkt:
Auf deutsch etwa:
„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können
etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys
Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber
verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber
beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen
entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine
PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der
das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich
schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade
schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu
nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder
hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu
fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“
Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen
Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber
professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen
Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören.
Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten
Mehrwert zu bieten.
Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der
Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012
richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden
Community im Jahr 2022.
(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie
Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto
versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)
Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich
heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint
es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem
jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit
dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu
„verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach
einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und
in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.
Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft
Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal
lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr
teilhaben.
Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere
mich noch einmal und deklamiere:
Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die
Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im
Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren
wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins
herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher
Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und
besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den
wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.
Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt
Semantic
Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich
mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun
technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki
abhängig. Weitere wichtige Änderungen:
Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions
eingesetzt.
Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind
nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht
vorhanden ist.
Weiters wird nun Cargo unterstützt, es
lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die
Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind
andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte
speichern zu lassen.
Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf
eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.
Die MediaWiki Stakeholder’s
Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere
Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und
die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die
Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die
offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas
andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es
geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in
Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der
Software voranzutreiben.
Interessante neue
semantischeErweiterungen
gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und
Metatags:
Semantic Breadcrumb
Links – mittels Attributen können Breadcrumbs erstellt
werden, die eine Hierarchie erzeugen, ohne Unterseiten erstellen zu
müssen.
Semantic Cite – unabhängig
von der Cite
Erweiterung, ermöglicht das seitenübergreifende Verwenden von
Zitaten und eine automatische/manuelle Quellenliste.
Semantic
Interlanguage Links – automatische Sprachanzeigen (gibt es
diese Seite in anderen Sprachen?) in Wikis mit Interwikis.
Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat
Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für
Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen
beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht,
die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes
voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und
Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht
schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller
Erfolg.
Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der
schönen Fabra
i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40
Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen
teil.
Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal,
die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert
ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses
Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist
noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition
eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und
Spottdrossel.
Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste:
ein Gedicht.
Wikipredia
Die Regeln existieren und doch
nicht nach Mondstand
Die Ethik absolut seit
Anbeginn nein denn ja
Die Praxis gesperrt verworfen
gelöscht freigeschaltet
Wikipredia Darwinismus der
Agenturen Überleben des
Dreistesten
Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)
Wikipedia-KNORKEerwähnte ich ja an
dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und
Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen
unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas
besonderes: Auf ins Museum!
In Berlin gastiert gerade die Darmstädter
Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem
Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und
Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des
16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren.
Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des
exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.
Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor
dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine
Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur
Sonderausstellung "Holbein
in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die
Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber
engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen
Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige
Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von
Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen,
sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der
besseren Kunstausstellungen.
Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten
Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des
Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des
Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation
war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir
staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem
Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied
zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt.
Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing -
vermutlich in der Martinskirche
als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus
Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum
Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum
spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen
über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt,
ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die
Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des
Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?
Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und
einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner
Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen
bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur
eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter
lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der
Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das
Darmstädter Gemälde. Eine Sensation, da die Kunstkennerschaft
vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes
ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein
sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der
Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die
Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich
später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem
ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen
naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die
originale der beiden bestätigten.
Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes
(beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus
unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das
Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".
Hans Holbein der Jüngere:
Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532.
Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen
Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz
Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden
Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der
Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der
Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer
Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist
Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise
fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch
mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete
wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London.
Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann
noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum
nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue
Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.
Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu
entdecken.
Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich
die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und
sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene
Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde
Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.
In der Ferne betrachtete ich die Türme des
Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der
Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im
Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg:
Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg
vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den
Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder
die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später
über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.
Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die
Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die
Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich,
unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes
Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig
ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.
Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte
ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der
Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der
Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über
Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu
sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr
Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch
damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu
machen.
Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl.
Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch
das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia
steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der
Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken.
Diese Gedanken bedurften des Kontextes.
Was ist die Wikimedia Foundation?
Die Wikimedia
Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie
zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und
Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik,
ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien
passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte,
ein Endowment von 90
Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen
US-Dollar.
Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia
Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich
kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie
ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben
keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel
oder legen Inhalte in den Projekten an.
Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer
Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich –
niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell
aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze
Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu
lassen.
Was ist das Board of Trustees?
Das Board of Trustees ist das
ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16
Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze
besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite
Communitywahl bestimmt.
Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450
Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board
eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick
über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe.
Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine
bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.
Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich
hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner
Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte
machen und besetzt die Geschäftsführung.
Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der
Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend.
Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief
Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen
Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf
dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die
Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell
und kompetent zu beenden.
Welche Kriterien habe ich?
Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien
erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie
sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen
eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten.
Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur
Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das
erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die
Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“
Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts
der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich
Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die
nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können.
Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine
allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr
spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht
kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu
stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen
können.
Welche Kandidaten?
Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier
Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie
Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele
Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die
fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.
Die Urgesteine
Dariusz
Jemielniak – Professor of Management,
daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der
intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.
Rosie
Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women
in red, you name it. Bei überraschend vielen der
Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie
Stephenson-Goodknight beteiligt.
Gerard Meijssen – gefühlt
war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht
der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.
Mike Peel – langjähriges
Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in
der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.
Ravishankar Ayyakkannu – Mr.
Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der
Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google)
zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht
nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und
Berufstätigkeit dort durchführte.
Lorenzo Losa –
Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.
Farah Jack Mustaklem – Software Engineer,
einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den
Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir
persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft,
andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.
Douglas Ian Scott –
Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania
2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am
Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser
kennenlernte – und begeistert war.
Iván Martínez – langjährig
engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich
hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.
Pavan Santhosh Surampudi –
Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell
etwas von Communities.
Adam Wight – Programmierer,
Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des
Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und
Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.
Vinicius Siqueira – in Wiki
Movimento Brasil
Newbies
Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene
Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte
oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren
Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.
Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur
Wen werde ich wählen?
Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des
Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das
Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden
bevorzugt.
Die Top 4
Douglas Ian Scott
Iván Martínez
Adam Wight
Dariusz Jemielniak
Top 8
Rosie Stephenson-Goodknight
Lorenzo Losa
Farah Jack Mustaklem
Gerard Meijssen
Wählbar
Reda Kerbouche
Pavan Santhosh Surampudi
Ravishankar Ayyakkannu
Wer wird wählen
Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem
Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig
angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben,
kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein.
Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu
erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen
Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es
hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.
Das Wahlsystem
Es gilt das Präferenzwahlsystem.
Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders
fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele
andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten
eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit
war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.
Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach
Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat
danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für
geeignet, hört man auf zu nummerieren.
Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“
gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus.
Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die
„2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden
weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele
Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.
Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am
Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich
öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die
nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert.
Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im
Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am
Bahnsteig.
Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner
Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren. Eine Frau
entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen
Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der
angezeigten 32.“
Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere
Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten
Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem
Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium,
die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von
Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?
Illustration aus
dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de
Neuville & Léon Benett
Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils
Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover
ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt.
Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche
Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr
normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen
Kindheit:
„Meine Mutter nannte dann immer eine
Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les
ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch
aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs
berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […]
Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene
Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir,
zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der
Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich
verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem
Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu
grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden,
Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das
alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker.
[…] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“
Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist,
sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?
Forschung Maschinenbau Braunschweig
Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht
normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir
„Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig
hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als
gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.
Braunschweig.
Bahnhofsvorplatz.
VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich
wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem
Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle
und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich
Willkommen.“
Vor allem aber fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie
unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte
keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die
irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass
selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten
gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber,
offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser
gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen
darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie
frisch aus der Packung genommen.
Wegbier. In
Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber
stilgerecht,
Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben
gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt.
Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle,
sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.
Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und
hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins
Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend,
wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen
auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr;
geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die
Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:
„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste
Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine
hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem
Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region
Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus
über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000
Beschäftigte in 250 Unternehmen der
Hochtechnologie[106]“
Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten
Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste
ist Braunschweig die innovationsfreudigste Region der EU vor
Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier
lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules
Verne.
Jules Verne
Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und
vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem
vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der
Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde
bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten
ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules
Verne und Gesprächen zu Wikipedia.
Volker Dehs
bestreitet das halbe Programm
Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den
1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau
eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war
als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum
ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen
können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in
die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere
niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.
Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er
als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure
und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren
Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in
Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich
gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die
Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden,
waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind.
Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht
besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.
Haus der
Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.
Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor
Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder
eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern
durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne
eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der
göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine
sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich
bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich
Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann
nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem
beeinflusst waren
Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die
Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden
wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste.
Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen
zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so
viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.
Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der
Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der
Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde
später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang,
dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer
weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang,Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich
habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden.
Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer
Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur
die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in
anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser
Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews
darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr.
(*Affiliate Links)
Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk
gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es
(fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne
Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese
vor allem dem Zweck zu reisen.
Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.
Die Phantastische Bibliothek
Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar
mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek
Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang
Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler.
Thadewald verstarb 2014. Er
lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch
persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit,
seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit
mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit
schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht
lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend.
Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des
Programms.
Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia
Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei
hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen:
Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der
Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers
zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die
Berichte werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von
Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden
wollen und in die Zukunft denken.
Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten
Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist
gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die
Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.
Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes
Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek
ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine
große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen
schreiben.
Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch
gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im
Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman
nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was
so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie
Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt
logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach
links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue
Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist,
dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.
Mensch Maschine Normal
Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket
meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese
Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“
vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die
Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws]
telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten
Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen
Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin
besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10
Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?
Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In
seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in
Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer
Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.
Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem
Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:
„Nichts gegen das große Geld und die
wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer
Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in
Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping
Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter
Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder
Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle,
Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt
es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien
beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man
in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss.
Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr
voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal
schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen
Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von
struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)
*Dieser Post enthält Affiliate Links zu geniallokal. Es
handelt sich dabei um Werbung. Ich bekomme eine kleine Provision,
wenn ihr dort bestellt, und ihr habt bei den Guten
bestellt.
I still remember the time when real life meetings for
Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one
really want to meet these strange other people from the Internet?
How would they be? Could they even talk in real life or would they
just sit behind a laptop screen staring on it for hours?
My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in
Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!)
sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen.
These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and
personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the
movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice
evening.
So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the
old school way. Half improvised, organized by our dearest local
troll user:Schlesinger
on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come
and what would happen except some people having a good time.
And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg
seven people promised to come, in the end we were almost twenty.
Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian
active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a
half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia
Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we
just talked and laughed, talked about history and future.
Actually, mostly we talked about future.
About the Wikipedian above 30, who has just started a new a
university degree in archaeology, the question whether the Berlin
community should have its own independent space, industrial beer,
craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the
temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending
machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the
future, who should come to the open editing events, how to work
better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there,
looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather
not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia
to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.
No frustration, almost no talk about meta and politics, just
Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be
active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old
school. So good.
Crossposting eines Posts von mir aus demWikipedia
Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere
Menschen.
Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal
weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten
Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen
spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und
Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind
und gearbeitet haben.
Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias
kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie
armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten -
fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden.
Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter
einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und
Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor
allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder
verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von
Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im
Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie
unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an
einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass
sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die
Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr
fleißige Autorin? Wer weiß?
Viele Wikipedianerinnen und
Wikipedianer sind derzeit inaktiv.
Anlässlich des Projektes
WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele
Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele
Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher
fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer
sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir
bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat,
musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter
Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren
dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört
haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre
Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend
war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in
Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um
diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas
Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der
Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige
Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding
in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.
Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße.
Ein Mammutwerk von Gtelloke,
dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast
ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.
Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung
Invalidenstraße von Gtelloke
Da ist der Artikel zum Wedding selber.
Angelegt 2002 von Otto, dessen
letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann
maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich
auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu
Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren
Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im
November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur
Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite
zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König
ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes!
Licht und Liebe''
Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64,
auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und
acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die
Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von
berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute
noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin
freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel
etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.
Der Leopoldplatz;
angelegt von Frerix, der in
den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur
eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine
Diskussion verwickelt wurde. Zu seinen wenigen Beiträgen
gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage
der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in
Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg.
Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine,
die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv
ist.
Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend
wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte
in seiner Frühzeit von WHell,
engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher
Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der
letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich
möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den
Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten
Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den
späteren Jahren durch Peterobst –
aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur
Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner
und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten
80.226.238.197, von Georg
Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht
unregelmäßig), Flibbertigibbet
2006 ,
79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine.
Weiter ausgebaut von Onkel
Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und
vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit
der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und
hielt sich im Wesentlichen daran.
Da ist der Volkspark
Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005,
aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut,
umfassend überarbeitet 2007 von
84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka.
Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014,
die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.
Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin
Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in
Berlin, Wedding (Mitte). Von:
Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch
heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und
Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv,
Magadan,
Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.
Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur
einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen.
Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an
den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich
weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir
angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine, Fridolin
freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt
sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns
kamen.
Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über
Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der
serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen
haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind,
rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.
Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah
sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon
zumindest ein Admin gebannt.
Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder
genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit
gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp
behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen
einen Genozid an Deutschen verübt hätten.
Der ganze Bericht kann
hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl
traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht
aufklären und nicht Propaganda verbreiten!
Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen,
sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es
nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.
Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die
Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry
und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel
Erfolg!
Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite
zur
Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen
stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder
auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine
ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und
logischen Extremsports.
Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad
(1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo:
102.
Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:
"Warum
gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit
Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach
Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir
auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft
bestätigt worden. Warum?"
Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die
immerhin folgendes ergab:
* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten
sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli,
darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der
DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere
Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in
vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die
westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als
Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war
Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde
Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen,
Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce
Carbonara!
Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild:
Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian
Ammon, Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an
exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti,
Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika
des geteilten Deutschlands.
Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber?
Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?
Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige
Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische
"Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen
Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl
Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni
werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30
Minuten gekocht.
Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal
Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als
"Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte
man darauf, daß sie nicht hohl sind"
Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur
bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine
Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar
schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.
Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine
Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch
Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das
frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen"
waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts
entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.
Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus
Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für
junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische
europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber
anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern
auch Pasta.
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild:
Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade,
1773.
In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni
für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed
and even spoke in an outlandishly affected and epicene
manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch:
"Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch
die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.
Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern
ist nun wiederum im Englischen der Macaroni
penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.
Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil,
nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South
Georgia von Liam Quinn,
Lizenz: CC-BY-SA
2.0
Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann?
Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia
of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen
Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge
unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert.
Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ
problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da
maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte
stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im
Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form
des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter
anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum
trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild:
Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di
maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo:
6204.
Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR
zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern
plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die
Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in
der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu
"Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der
DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab?
Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in
vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es
ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu
recherchieren.
Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten
Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines
davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.
Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer
Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich
ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so
fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger
vereisen ließ.
Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener,
Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter
verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der
Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die
Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen
und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über
der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.
„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz!
Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns
problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie
antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte
Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner
ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.
Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein
sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette
wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das
Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir
Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu
erfrieren.
Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am
Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der
Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im
Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße
Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es
nur scheißkalt. Ich gehe.“
Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video
erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia
Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für
die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den
Link.
Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast
nur Technik und kreative Sachen.
Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll
gehen?
Southgeist: Schau doch mal.
Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner
Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären
kaputt.
Hüpfburg: I like the music.
Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.
Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen?
In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom
Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber,
was für Tools vorkommen.
Die coolest Tools
Ich erzählte.
Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser
(Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot
generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer
noch ihre Seiten“), Proofread
Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“),
Listen to Wikipedia
(„Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer
kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den
Event integrieren“), AbuseFilter
(„Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I
like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools.
(„Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)
Pywikibot
Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders
gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem
Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf
dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können
prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch
können – nur schneller.
Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch
muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als
ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl
gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum
Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein
Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt –
und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen
automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich
ausbremst.
Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem
Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle
Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die
sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von
Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia
war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was
Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die
Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die
heutigen Wikipedistas.
DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind
solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast
20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist
der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“
Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert
erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten
Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie
bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit
gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft
aber nur selten fundamental Neues.
Change Musiker to Musiker*innen
„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu
urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine
wichtige Aufgabe erfüllt.
DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle
‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse.
Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“
DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so
strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie
einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an
die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki
aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“
Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun
und die sind superfreundlich dort.“
DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das
wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch
nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da
haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter
dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich
noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine
gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die
Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende
Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“
„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und
die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle
Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris,
Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“
sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der
Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer
noch keinen Artikel von ihr.“
Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“
Ruhe. Hüpfburg dachte.
„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen
auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia
anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen.
Vielleicht ist es einen Versuch wert.“