Das vorliegende interdisziplinäre Gutachten wurde vom
ZDF-Verwaltungsrat initiiert. Es soll aufzeigen, wie das ZDF
künftig unter den Bedingungen der digitalen Transformation seinen
Auftrag besser erfüllen kann. Besonders begrüßenswert: Die
Gutachter*innen messen dem Thema Offenheit große Bedeutung bei. Sie
empfehlen die freie Lizenzierung möglichst vieler Inhalte durch den
Abbau rechtlicher Hürden. Damit greift das Gutachten eine zentrale
Forderung von Wikimedia Deutschland und des Wikipedia-Projekts
„Wiki Loves Broadcast” auf. Zwischen
den Wikipedianer*innen, der Sendung Terra X vom ZDF und Wikimedia
Deutschland gibt es seit Jahren ein Kooperationsprojekt, bei dem
freie Inhalte für die Wikipedia, andere freie Lernumgebungen und
den Schulkontext zur Verfügung gestellt werden. Das Gutachten nennt
dies Kooperation ausdrücklich als Beispielprojekt. Es ist sehr
erfreulich zu sehen, dass die Bedeutung von öffentlich-rechtlichen
Inhalten unter freier Creative-Commons-Lizenz zunehmend erkannt
wird.
Warum ist das
wichtig?
Öffentlich-rechtliche Inhalte, die unter freien Lizenzen
veröffentlicht werden, ermöglichen es, dass Informationen für alle
zugänglich und nutzbar sind – ohne rechtliche Hürden oder
finanzielle Barrieren. Das fördert den freien Wissensaustausch und
die Weiternutzung, etwa in der schulischen Bildung. Dies ist ein
zentraler Baustein für eine offene und demokratische Gesellschaft.
In dem Gutachten heißt es dazu:
Offen zur Verfügung gestellte Inhalte und Software können dazu
beitragen, digitale Öffentlichkeiten und die Zukunftsfähigkeit
eines diversen Mediensystems zu stärken.
Foto: Jan-David Franke (WMDE) CC BY-SA
4.0
Das
Podium bei der Vorstellung der Potenzialanalyse im Zollernhof:
Moderator Wulf Schmiese, die Autorinnen und Autoren Prof. Christina
Elmer, Prof. Dr. Leyla Dogruel, Prof. Dr. Tobias Gostomzyk, Prof.
Dr. Katharina de la Durantaye, Prof. Dr. Frank Lobigs,
ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler und die
ZDF-Verwaltungsratsvorsitzende Malu Dreyer (v.l.n.r.)
Wikimedia Deutschland und Wiki Loves Broadcast setzen sich seit
Langem dafür ein, dass öffentlich-rechtliche Wissens- und
Bildungsinhalte unter freier Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht
werden. Das erhöht nicht nur die Reichweite und Nutzbarkeit dieser
Inhalte. Denn frei lizenziert können sie in das freie Medienarchiv
Wikimedia Commons und in die Wikipedia eingehen und dann frei
weiter genutzt werden. Das fördert auch die Kreativität in unserer
Gesellschaft und leistet außerdem einen wichtigen Beitrag gegen
Desinformation.
Die Rolle der
Ehrenamtlichen
Die Arbeit der Wikipedia-Ehrenamtlichen bei
Wiki Loves Broadcast ist dabei ein essentieller Baustein. In
gemeinsamen Projekten mit Wikimedia Deutschland kooperiert Wiki
Loves Broadcast seit Jahren erfolgreich mit prestigeträchtigen
Formaten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie der
bereits genannten Wissenssendung Terra X oder auch der tagesschau
(ARD). Diese Projekte unterstreichen den Mehrwert von frei
nachnutzbaren Wissens- und Bildungsinhalten für Schule und
Gesellschaft. Dafür bieten die Ehrenamtlichen unter anderem
Schulungen für öffentlich-rechtliche Redaktionen und
Distributions-Teams an, sichten mögliche Inhalte und verantworten
die Einbindung der Videos in relevante Wikipedia-Artikel. Gemeinsam
mit der Redaktion von Terra X wurde Wiki Loves Broadcast 2021 dafür
mit der WikiEule ausgezeichnet.
Unsere Lieblingsstelle im
Gutachten
Im Gutachten heißt es: “Wichtig ist, die Rechte für eine
Verwertung unter freien Lizenzen vor Aufnahme der Produktion
einzuholen. Die Möglichkeit, die Inhalte unter freien Lizenzen zu
veröffentlichen, sollte daher integraler Bestandteil der
Konzeptualisierung von Produktionen sein. Das ZDF sollte anstreben,
das Portfolio an freien Inhalten sukzessiv zu vergrößern. Dabei
sollte es für die zukünftige Rechteklärung Prozesse entwickeln, die
„Open Content“ als Standard setzen und unterstützen. Diese Prozesse
sollten alle Phasen der Konzeption, Produktion und Verwertung
betreffen – von der Entwicklung des Konzepts und anderen Elementen
der Vorproduktion bis zur Produktion, Primärverwertung und
nachgelagerten Nutzung für Bildungszwecke und auf Wikipedia und
vergleichbaren Angeboten.”
Wenn das ZDF diese und ähnliche Empfehlungen umsetzt hieße das:
Mehr hochwertig produzierte Wissensinhalte können über die
Ausstrahlung hinaus in freien Wissensprojekten wie der Wikipedia
weiterleben und auch in anderen Kontexten wie in der Bildung
genutzt werden. Abzuwarten bleibt nun, wie der Sender mit dem
Gutachten umgeht und ob er die Vergütung der Kreativen angemessen
anpasst und die freie Lizenzierung von Wissens- und
Bildungsinhalten die Regel wird. Das Gutachten des ZDF ist ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass es zu
weiteren Diskussionen und konkreten Maßnahmen führt, um den Zugang
zu Wissen und Bildung für alle zu verbessern.
Die Ideen der Aufklärung, die rationale Vernunft und die
naturwissenschaftliche Revolution fallen zeitlich mit kolonialer
Unterdrückung und Rassismus zusammen. Diese Ambivalenz diskutierten
die Politikwissenschaftlerin Nikita Dhawan von der TU Dresden, die
Wikipedianerin Kelly Foster und der Forscher und Künstler
meLê yamomo von der University of
Amsterdam. Jan-David Franke, Projektmanager für Politik und
öffentlicher Sektor bei Wikimedia Deutschland, hat die Session
moderiert und zieht ein ambivalentes Fazit: „Mit der Aufklärung
geht zwar auch ein belastetes historisches Erbe einher. Wir sollten
sie trotzdem nicht beiseite legen und die Prinzipien Gleichheit,
Menschenrechte und Demokratie vor denjenigen verteidigen, die die
Aufklärung zur Legitimation von Unterdrückung, Kolonialismus und
Chauvinismus heranziehen. Die Wikipedia kann dabei eine wichtige
Rolle spielen, wenn sie sich weiter kritisch reflektiert und die
sich daraus ergebenden Erkenntnisse ernst nimmt.“
Was nimmt eine Wikipedianerin
von der Konferenz mit?
Katsumo war neben anderen Ehrenamtlichen bei der
Konferenz dabei: „Zwei Momente haben mich besonders beeindruckt:
die multimediale Installation von meLê yamomo und der Vortrag von
Nikita Dhawan. Yamomos Installation hat mir gezeigt, dass Wissen
nicht isoliert im Kopf entsteht, sondern durch den Körper und den
Dialog mit anderen. Faszinierend fand ich die Beispiele, wie in
einigen Kulturen Wissen durch Gesänge weitergegeben wird – eine
lebendige und körperliche Form des Erinnerns.“
Bedenkenswert fand sie auch das Argument, „dass es kein ,reines’
Wissen gibt, da alles bereits von kolonialen Einflüssen geprägt ist
und wir dennoch die positiven Werte der Aufklärung wie Gleichheit
und Menschenrechte gegen einen ,normativen Nihilismus’ verteidigen
sollten.“
Fosters Schlussfolgerung: Die Aufklärung ist zugleich Gift und
Medizin. Sie zitierte dazu einen Satz des Schwarzen Bürgerrechtlers
W.E.B. Dubois, der mich berührt hat: ,Die Enzyklopädie ist niemals
fertig’ – ein Motto, das sich Wikipedia einrahmen
könnte!“
Katsumo,
Wikipedianerin
Barcamp zu bedrohtem
Wissen
Am Nachmittag stellten die Teilnehmenden ihre eigenen Fragen ins
Zentrum und diskutierten sie beim Who Owns-Free-Knowledge-Barcamp.
Ein Barcamp ist immer auch ein Risiko. Man weiß nie, wer welche
Fragen beisteuert – und ob sie auf Interesse stoßen. So blickt
Barcamp-Organisator Dominik Scholl, Leiter des Teams Kultur und
marginalisiertes Wissen bei Wikimedia Deutschland, auf das Workshop
Format:
„Wir haben festgestellt, dass dieses Format für einige
Teilnehmende noch komplett neu war. Trotzdem haben sich nach sechs
Stunden Konferenz noch viele aktiv daran beteiligt. Es war toll zu
sehen, zu welchen Themen und Fragen-Sessions angeboten wurden: Wie
lassen sich Forschungs- und Kulturdaten aus den USA retten? Wie
können wir mit dem Spannungsverhältnis zwischen Sichtbarkeit und
Verwundbarkeit marginalisierter Gruppen umgehen?“
Bedrohte Daten, bedrohtes
Wissen
Um die Rettung von Forschungs- und Kulturdaten ging es in der
Session des Historikers Henrik Schönemann. Er beschrieb, wie er mit
anderen Engagierten im Projekt Safeguarding Research Data and
Cultural Heritage versucht, so viele Daten wie möglich zu
retten. Aktuell entzieht die amerikanische Regierung immer mehr
öffentlichen Einrichtungen Mittel, so dass diese ihre
IT-Infrastruktur nicht aufrechterhalten können und Speicherplatz
aufgeben müssen. Oder sie zwingt öffentliche Institutionen,
Informationen zu löschen oder politisch motiviert zu ändern. Um die
dadurch bedrohten Wissensbestände zu schützen, sammelt die Gruppe
Informationen über bedrohte Daten und sichert sie bei Bedarf.
Franziska Kelch aus dem Kommunikationsteam von Wikimedia
Deutschland war dabei und schildert ihre Erkenntnis:
„Dank der technologischen Entwicklungen können wir in enormem
Umfang Wissen speichern oder vermitteln. Aber wer die Technologien
kontrolliert, kann diese Wissensbestände auch vernichten. Wir
müssen daher besser darauf achten, wer Infrastrukturen des Wissens,
Forschungseinrichtungen oder Kulturinstitutionen kontrolliert und
Mechanismen gegen Missbrauch entwickeln. Wir müssen außerdem
Projekte wie die Wikipedia erhalten. Denn sie gehört nicht einer
Person, einem Unternehmen oder einem Staat, sondern wird von einer
globalen Community selbst betrieben, die offen ist für die Teilhabe
der Vielen.“
Eine Lobrede auf
Wikipedia
Das Erbe des Kolonialismus, technologische Infrastruktur und die
Politik zum Gemeingut. Die Konferenz hat gezeigt, dass ihr
Verhältnis zueinander auch in Zukunft prägen wird, wie wir Wissen
produzieren und rezipieren. Die Konferenz am Weizenbaum Institut
hat die Beteiligten aus Forschung und Praxis zusammengebracht. Hier
weiterhin im Austausch zu bleiben, begrüßen die Teilnehmenden sehr
– trägt das eigene Engagement doch zu einem größeren gemeinsamen
Ziel bei. So fasst Katsumo trefflich zusammen: „Eigentlich waren
die Beiträge, bei aller Kritik, implizit eine Lobrede auf die
Wikipedia und motivierten mich, bei diesem großartigen Projekt
weiterhin enthusiastisch mitzumachen.“
Grundsätzlich begrüßenswert aus der Perspektive von freiem
Wissenszugang: Open Source und offene Standards haben einen hohen
Stellenwert bekommen. Wenn beides in eine fachlich fundierte
Strategie eingebettet wird, kann neben einer besseren
Digitalisierung von Staat und Verwaltung auch die Arbeit an
Projekten wie der Wikipedia gestärkt werden. Denn offene Standards
und Open-Source-Infrastrukturen begünstigen das Tauschen und Teilen
von frei wiederverwendbaren Inhalten.
Das Informationsfreiheitsgesetz
bleibt!
Die Union ist mit ihrer Forderung, das IFG abzuschaffen, nicht
durchgekommen. Nachdem es breiten Protest aus der Bevölkerung, von
Journalist*innen, Wikimedia Deutschland und vielen weiteren
Verbänden gab, soll das Gesetz nun reformiert werden – mit
„Mehrwert für Bürger*innen und Verwaltung“. Das ist die
Gelegenheit, ein bundesweites Transparenzgesetz umzusetzen. Die
Initiative Transparenzgesetz hat einen Entwurf
vorgelegt. Denn das bisherige IFG war lückenhaft und sorgte
oftmals für Mehraufwände bei Behörden. Diese mussten amtliche
Informationen aus schlecht digitalisierten Unterlagen heraussuchen.
Ein echtes Transparenzgesetz sorgt nicht nur für besseren Zugang zu
staatlichen Informationen. Es schafft auch die notwendigen
Organisationspflichten für eine einfach abrufbare
Informationsverwaltung der öffentlichen Hand auf dem strategischen,
organisatorischen und technischen Stand der Zeit.
Ehrenamtsförderung – wie digital
wird sie?
Die Unionsparteien stehen dem Ehrenamt traditionell sehr nahe.
Das schlägt sich auch im Koalitionsvertrag nieder. Union und SPD
wollen ehrenamtliches Engagement „stärken und schützen“. Geplant
ist ein „Zukunftspakt Ehrenamt“. Das ist begrüßenswert. Aber denken
die Koalitionspartner dabei auch an Menschen, die ehrenamtlich
Software entwickeln, Datenprojekte umsetzen oder Wissen in der
Wikipedia teilen? An die
Anerkennung des digitalen Ehrenamts in der Engagementstrategie
der Bundesregierung sollte nun gezielte Förderung anschließen. Auch
eine Modernisierung des Zweckkatalogs im Gemeinnützigkeitsrecht ist
vorgesehen. Wir meinen: Es wird Zeit, dass die Erstellung
gemeinwohlorientierter Plattformen, Apps oder Software explizit als
gemeinnützig genannt werden. Bei Gesetzen zur Regulierung von
Plattformen sind zudem sachgerechte Sonderregeln für
gemeinwohlorientierte Internet-Strukturen nötig, etwa niedrigere
Haftungsrisiken.
DigitalPakt 2.0 soll endlich
auch digitale Kompetenzen fördern
Die Grundvoraussetzungen dafür, dass digitale Bildung
funktioniert, sind neben der Infrastruktur auch die digitalen
Kompetenzen von Lehrkräften. Hier ist der neue DigitalPakt ein
wichtiges Signal. Denn die Mittel können künftig in die
Lehrkräftebildung und Unterrichtsentwicklung fließen. Bedarfe aus
der Lehrerschaft und Bildungsverbänden wurden offenbar gehört und
adressiert. Für existierende Projektvorhaben aus dem DigitalPakt
Schule ist die Verlängerung des Abrechnungszeitraums um zwei
weitere Jahre eine große Entlastung. Eine langfristige Finanzierung
digitaler öffentlicher Bildungsinfrastrukturen sollte allerdings
weiterhin vorangebracht werden.
Gesellschaftliche Teilhabe durch
die Förderung digitaler Kompetenzen.
Wir begrüßen eine altersübergreifende Offensive zur Stärkung der
digitalen Kompetenzen. Denn das Erlernen eines sicheren und
kritischen Umgangs mit digitalen Tools und Medien ist für alle
Altersklassen wichtig. Umsetzen will die Bundesregierung dieses
Ziel mit „Start-ups, Wirtschaft, öffentlichen Bildungsträgern und
Sozialverbänden“. Im Sinne eines gerechten Zugangs zu
Bildungsangeboten sollten die entstehenden Materialien und Angebote
für alle frei zugänglich und nutzbar sein. Das funktioniert, indem
alle Inhalte und Tools unter freien Lizenzen (CC für Dokumente, EUPL für Software) veröffentlicht
werden. Gleichzeitig sollten die Bildungspolitiker*innen der
Koalition dafür sorgen, dass Menschen den digitalen Raum aktiv
mitgestalten können. Im Rahmen der digitalen Offensive sollten
daher auch vermittelt werden, wie man freie, offene Infrastrukturen
wie das Fediverse und Mastodon und freie, kollaborative Plattformen
wie die Wikipedia nutzt.
Wissenschaftskommunikation –
denkt an freies Wissen!
Laut Koalitionsvertrag wollen SPD und Union eine „unabhängige
Stiftung für Wissenschaftskommunikation und -journalismus“ gründen.
Das ist ein wichtiger Schritt. Da öffentliche Forschung und
Wissenschaftskommunikation mit öffentlichen Mitteln finanziert
werden, sollten sie allen Interessierten frei zur Verfügung stehen.
Das funktioniert ,indem die Prinzipien von Open Science und Open
Access in der Forschung gefördert werden. Denn nur wenn
Publikationen frei lizenziert sind, können Forschungsergebnisse und
Wissenschaftskommunikation auch in die Wikipedia einfließen. Die
freie Enzyklopädie kann so auch ein barrierefreier Multiplikator
für Wissenschaftskommunikation sein.
Offene Bildung ist kein
Thema
Offene Bildungsmaterialien (OER) können im digitalen Raum von
allen genutzt, verändert und weiterverbreitet werden. Das
erleichtert Zugang zu Wissen. Auch wenn es seit 2022 eine
OER-Strategie des Bundes gibt, aus der bislang bereits einige
Förderlinien hervorgegangen sind, vermissen wir ein Bekenntnis, die
Strategie mitsamt zukünftig relevanter Förderlinien
weiterzuentwickeln. Insbesondere im Kontext generativer KI-Systeme
im Bildungsbereich haben sich neue Fragen zur Erstellung,
Verbreitung, aber auch Auffindbarkeit von OER (beispielsweise über
automatisierte Metadatengenerierung) ergeben, die dringend weiter
bearbeitet werden sollten. KI in der Bildung ohne
Offenheitsanspruch und Gemeinwohlorientierung schafft
Abhängigkeiten von proprietären Anbietern.
Absichtserklärung zu Open Source
noch ohne klares Zielbild
Die Ankündigung „Ziele für Open Source“ realisieren zu wollen,
ist gut, bleibt aber zu unklar. Eine Digitalstrategie, die
beispielsweise MS-Office durch LibreOffice ersetzen möchte, würde
zu kurz greifen. Denn es geht nicht nur darum, Lizenzzahlungen zu
reduzieren oder örtlichen Unternehmen gegenüber internationalen
Großkonzernen zu bevorzugen. Damit Vorhaben wir das
Onlinezugangsgesetz in die Praxis umgesetzt werden können und
Bürger*innen den Staat als leistungsfähig und verlässlich
wahrnehmen können, braucht es staatliche Steuerung. Freie Software
kann eine wichtige Grundlage dafür sein, dass Informationen künftig
als wiederverwendbare Daten anstatt als Office-Dokumente abgelegt
werden. Durch die Verwendung von Lizenzen wie der EUPL kann
sichergestellt werden, dass die damit geschaffenen Ergebnisse auch
langfristig als Gemeingut erhalten bleiben. Aus den Kapiteln zu
Wirtschaft, Forschung und Staatsmodernisierung wird allerdings
deutlich, dass vor allem eine „Vorreiterrolle in KI“
herbeigewünscht wird, die vor allem auf die Anwendung generativer
KI-Systeme hinauszulaufen scheint. Da sollte die Bundesregierung
ihren Blick deutlich Richtung freiem Zugang zu Informationen und
offener Infrastrukturen weiten und das bislang viel zu wenig
beachtete Feld regel- und logikbasierter KI-Systeme als Chance für
einen eigenen, strategisch vielversprechenderen Weg begreifen.
Gerade jetzt, wo sich die massive Abhängigkeit Deutschlands von
Tech-Konzernen besonders deutlich zeigt, gilt es, offene,
unabhängige und der Gesellschaft dienende Internetinfrastrukturen
zu stärken. Laut Koalitionsvertrag sei es ein wichtiges Ziel
„digitale Infrastrukturen zu schützen und auszubauen“ – damit sind
Mobilfunk- und Glasfasernetze gemeint. Das Potenzial, den Ausbau
dieser Infrastrukturen staatlich zu steuern und damit einerseits
Mehrfachausbau und andererseits weiße Flecken auf der Landkarte zu
vermeiden, scheint dabei unberücksichtigt zu bleiben. Auch die
Internetdienste, die auf diesen Basisinfrastrukturen aufbauen,
finden sich im Koalitionsvertrag nicht wieder. Sie sollen offenbar
weiter allein dem Markt überlassen bleiben. Dabei läge im Aufbau
dezentraler Kommunikationsräume wie dem Fediverse und Mastodon eine
gewichtige Chance, Gegenmodelle zu den bisherigen zentralisierten
Plattformen zu schaffen, die wie im Falle von X nach einer
Übernahme nach den Vorstellungen einzelner CEOs umgestaltet und
missbraucht werden können.
„Künstliche Intelligenz“ als
Zauberformel für Verwaltungsmodernisierung?
Egal ob in der Finanzverwaltung, Verwaltungsmodernisierung oder
der Justiz, überall soll „KI“ für Produktivitäts- und
Modernisierungsschübe sorgen. Die „KI-Offensive“ mit dem
„100.000-GPU-Programm“ legt den Schluss nahe, dass mit „Künstlicher
Intelligenz“ ausschließlich generative Systeme wie Chatbots gemeint
sind. Das Problem: Sie produzieren Fehler, weil sie lediglich
wahrscheinliche und plausibel erscheinende Aussagen treffen. Für
eine Wissensnation wie Deutschland wäre es fatal, sich lediglich
auf dieses Feld zu konzentrieren und dem energie- und
ressourcenintensiven Wettbewerb der bestehenden großen Player
hinterherzulaufen. Stattdessen sollten wir uns auf logikbasierte
KI-Systeme auf der Basis sogenannter Wissensgraphen konzentrieren. Denn sie können
Ergebnisse liefern, die verlässlichen, beweisbaren und logischen
Regeln folgen – bei vergleichsweise minimalem Energie- und
Ressourcenaufwand. Wikidata ist ein bewährtes, praktisches
Beispiel, wie so ein System in der Praxis aussehen und zum Wohle
aller dienen kann. Die offene und freie multilinguale
Wissensdatenbank, die von einer globalen Community ständig
erweitert und gepflegt wird, wächst ständig. Sie ist mit aktuell
über 116 Millionen strukturierten Dateneinträgen die größte ihrer
Art. Mit einem Fokus auf Wissensgraphen wie Wikidata und
logikbasiert auswertbare Informationen des Staates würde die
Koalition überfällige Grundlagen für eine gelingende
Verwaltungsdigitalisierung schaffen.
Kein Kompass für die
internationale Digitalpolitik
Um wettbewerbsfähig zu sein mit den großen, finanzstarken
internationalen Playern, braucht Digitalpolitik eine offene,
kollaborative Herangehensweise. Ein Vorschlag dafür ist die
EuroStack-Initiative. Sie will
erreichen, dass Europa von den Ressourcen über Netze bis zu
Cloud-Infrastrukturen, Software und Daten eigenständig wird. Sie
bleibt in der Ausgestaltung bislang jedoch diffus und fokussiert
sich stark auf das Ziel der „Digitalen Souveränität“. In der Praxis
wird das häufig mit staatlicher Souveränität gleichgesetzt –
mit den nicht immer wünschenswerten Begleiterscheinungen wie dem
Denken innerhalb territorialer Grenzen und einer Abschottung nach
außen hin.
Begrüßenswert sind dennoch die in groben Strichen festgehaltenen
Bekenntnisse zu Grundrechten und grundrechtskonformer
Plattformregulierung, der Fortführung internationaler
Digitaldialoge und der Mitarbeit in internationalen Gremien.
Deutlicher hätte das Bekenntnis dazu ausfallen können, verschiedene
Gruppen in Multistakeholder-Dialoge einzubeziehen. Denn in
Deutschland gibt es traditionell eine starke, ehrenamtlich aktive
digitale Zivilgesellschaft. Sie hat in den vergangenen Jahren viele
praktische Erfahrungen damit gesammelt, woran
Digitalisierungsprojekte des Staats scheitern. Trotzdem bleibt ihre
Stimme bei der Erarbeitung von Digitalstrategien bis heute häufig
ungehört.
Wir sind gespannt auf die
Umsetzung
Die Koalitionär*innen beschreiben ihre Digitalpolitik mit
vieldeutigen Begriffen. Die Rede ist von Souveränität, Innovation
und gesellschaftlichem Fortschritt. Was genau damit gemeint
ist, ist an vielen Stellen noch unklar. Wir meinen,
Digitalpolitik ist zuerst Gesellschaftspolitik. Sie sollte im
öffentlichen Interesse aktiv gestaltet werden und das Gemeinwohl in
den Mittelpunkt stellen. Und dazu gehören politische Maßnahmen, die
freien Zugang zu Daten, Forschung, Software, Bildung und digitalen
Kulturgütern ermöglichen. Spannend wird es daher zu beobachten, wie
konsequent die Koalition ihr Bekenntnis zu offenen Standards und
Open Source in der Realität umsetzt – und ob die geplanten
Infrastrukturinvestitionen auch in öffentliche und demokratisch
kontrollierte digitale Infrastrukturen fließen werden.
Nicole
und Till kamen im März 2010 gleichzeitig zu Wikimedia
Deutschland, das damals noch ein kleiner Verein mit einem
überschaubaren Team in einem Berliner Altbau war. Seither haben
beide maßgeblich dazu beigetragen, Wikimedia Deutschland zu dem zu
machen, was es heute ist – eine Organisation mit über 111.00
Vereinsmitgliedern und 200 Mitarbeitenden, die eine feste Größe im
digitalpolitischen Bereich und Open Source Softwareentwicklung
geworden ist.
Nicole hat sich früh für globale Zusammenarbeit und die Rolle
des Vereins auf dem internationalen Parkett sowie die strategische
Weiterentwicklung stark gemacht. Bei der globalen Wikimedia-Strategie 2030 spielte sie
als Leiterin des Projektteams eine zentrale Rolle bei der
Entwicklung von zehn
Handlungsempfehlungen und Prinzipien für die weltweite
Bewegung. Zwölfmal war sie maßgeblich am Wikimedia Summit beteiligt – dem
internationalen Treffen der Wikimedia-Organisationen in Berlin. Was
einst mit Veranstaltungsorganisation begann, entwickelte sich zu
einer kuratorischen Rolle, in der Nicole entscheidend dazu beitrug,
die globale Bewegung zu stärken. Mittlerweile hat sie auch
gemeinsam mit ihrem Team bei Wikimedia Deutschland die
Verantwortung für die Zusammenarbeit der Entscheidungsgremien des
Vereins übernommen. Till baute das Fundraising von Wikimedia
Deutschland von Grund auf auf und machte es zu der tragenden Säulen
des Vereins. Unter seiner Leitung wurde das Fundraising-Team
professionalisiert – heute steht Wikimedia Deutschland hinter einer
der erfolgreichsten Spendenkampagnen Deutschlands: der jährlichen
Wikipedia-Bannerkampagne im Herbst. Tills Arbeit hat nicht nur
finanzielle Stabilität geschaffen, sondern auch mehr
Handlungsspielraum für die Förderung Freien Wissens eröffnet.
Hallo Nicole! Hallo Till! Ihr habt vor 15 Jahren bei
Wikimedia Deutschland angefangen – wie kam es dazu? Was hat euch
damals hergeführt?
Nicole: Ich hatte meine Diplomarbeit über
Creative-Commons-Lizenzen im NGO-Management geschrieben und gehörte
zu den ersten, die diese Lizenzen in Deutschland bekannt gemacht
haben. Ich habe ehrenamtlich Barcamps und andere
Web-2.0-Veranstaltungen organisiert und war gut vernetzt in der
netzpolitischen Szene. Der Job als Projekt- und Eventmanagerin, der
damals bei Wikimedia Deutschland ausgeschrieben war, passte da wie
angegossen.
Till: Vor Wikimedia habe ich bei der German Toilet Organization gearbeitet – eine kleine
NGO ohne richtiges Budget damals. Aber: Rechnungen müssen bezahlt
werden. Also habe ich mich bei Wikimedia als Fundraiser beworben.
Pavel Richter, der damalige Geschäftsführer, meinte: Wenn ich
Fundraising für Toiletten hinbekomme, bin ich bestens geeignet für
Wikimedia.
Was wolltet ihr in eurer Kindheit oder Jugend mal werden? Und
findet ihr Facetten davon heute in eurer Arbeit wieder?
Nicole: Tierärztin natürlich – oder irgendwas mit Pferden! Auf
den ersten Blick ist das ganz weit weg. Aber Empathie, Geduld und
Sorgfalt braucht es auch bei Wikimedia Deutschland, um gute Arbeit
zu machen.
Till: Puh, als Kind wollte ich Müllfahrer werden,
hinten auf dem Trittbrett durch die Stadt cruisen. Später
Langzeitstudent – aus Neugier und Lernlust. Und zumindest diesen
Teil lebe ich heute etwas – denn unsere test- und
erkenntnisorientierte Vorgehensweise im Fundraising ist auch
Ausdruck des kontinuierlichen Lernen
Auf welche besonderen Momente oder Projekte bei
Wikimedia Deutschland seid ihr besonders stolz?
Nicole: Es gab echt viele Highlights in den letzten 15
Jahren. Für mich gehört das Projekt Chapters
Dialogue von 2013-2014 eindeutig dazu! Wikimedia ist eine
Organisation, die weltweit mit unterschiedlichen Wikimedia-Gruppen
und -Organisationen vertreten ist. Alles zusammen nennen wir die
Wikimedia-Bewegung oder Movement. Um
die Vernetzung und Zusammenarbeit zu stärken, haben wir mit dem
Chapters Dialogue fast alle weltweiten
Wikimedia-Organisationen sowie die Gründer-Organisation Wikimedia
Foundation zu ihren Bedürfnissen, Sorgen und Wünschen interviewt.
Der daraus entstandene Bericht war ein ehrlicher Status Quo der
internationalen Zusammenarbeit im Movement. Viele Fragen von damals
– etwa zu Machtverhältnissen und finanzieller Gerechtigkeit – sind
bis heute relevant.
Till: Ein besonderer Moment war die intensive Debatte
in den Jahren 2011/2012 über die Struktur der internationalen
Wikimedia-Bewegung. Im Zentrum stand die Frage: Soll nur die
Wikimedia Foundation in San Francisco – die zentrale Organisation,
die die Rechte an Wikipedia hält und die Server betreibt –
Spendenkampagnen auf Wikipedia durchführen dürfen? Oder auch die
unabhängigen Wikimedia-Organisationen in anderen Ländern? Wikimedia
Deutschland hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eigene
Fundraising-Kampagnen umgesetzt. Dieses Recht stand plötzlich zur
Diskussion. Gemeinsam mit vielen anderen Engagierten habe ich dafür
gekämpft, dass wir es behalten dürfen. Wir haben ein überzeugendes
Positionspapier erarbeitet und
unsere Argumente in zahlreichen Onwiki-Diskussionen und Gesprächen
mit der Wikimedia Foundation eingebracht. Am Ende mit Erfolg. Dass
wir heute unabhängig Spenden sammeln können, ist ein großer Gewinn:
Es sichert uns nicht nur finanzielle Stabilität, sondern gibt uns
auch die Freiheit, Freies Wissen auf unsere Weise
mitzugestalten.
Screenshot von Wikimedia Deutschland Spendenkampagne 2012
Nicole
(links) beim Chapter Dialogue Abschluss in 2014.
Ihr kennt euch jetzt 15 Jahre – wie hat sich der jeweils andere
in dieser Zeit verändert?
Nicole: Also Tills Humor ist immer noch spot on! Das
Augenzwinkern auch in herausfordernden Situation hat er behalten,
das finde ich sehr erfrischend. Ich schätze es, wie analytisch und
sachlich er arbeitet – bei einem Job, in dem es um Millionenbeträge
und das Vertrauen hunderttausender Menschen geht. Und dabei bleibt
er völlig bescheiden. Diese gelassene Ernsthaftigkeit bewundere ich
sehr. Und: Wir haben beide viel mehr graue Haare als 2010!
Till: So richtig sehe ich keine Veränderung, außer den
vielen Erfahrungen natürlich. Nicole brennt weiterhin fürs
Movement, versprüht Begeisterung und bringt ganz viel Motivation
mit – auch bei Rückschlägen. Wenn du inhaltlich mit so einem höchst
diversen und anspruchsvollen internationalen Movement zu tun hast,
brauchst du viel Empathie und Ausdauer. Ihre positive Energie war
schon immer da, und sie trägt sie bis heute.
Warum ist es so wichtig, sich für Freies Wissen einzusetzen?
Nicole: Meine Grundannahme ist – und das ist auch das, was mich
täglich seit 15 Jahren antreibt – dass die Demokratisierung von
Wissen sowie die breite Teilhabe an belegtem Wissen zu einer
Gesellschaft führt, die besser informierte Entscheidung treffen
kann – oder zumindest könnte! Freies Wissen kann ein
Demokratieverstärker sein. Unseren Auftrag als Bewegung für Freies
Wissen verstehe ich also als einen gesellschaftlichen. Und er ist
hochpolitisch!
Till: Wikipedia ist ein einzigartiges Projekt – ohne sie wäre
das Internet deutlich ärmer. Gerade in Zeiten von Desinformation
und schwindendem Vertrauen in klassische Medien gewinnt Wikipedia
an gesellschaftlicher Relevanz. Unsere Aufgabe im Fundraising ist
es, Menschen in Deutschland die Möglichkeit zu geben, sich mit
einer Spende für freies, verlässliches Wissen zu engagieren. Man
kann sagen: Es war nie wichtiger als jetzt.
Welche besonderen Erfahrungen nehmt ihr aus den letzten 15
Jahren mit?
Nicole: Alles verändert sich und genau das macht’s spannend.
Mein Aufgabenfeld hat sich ständig weiterentwickelt: von Events
über internationale Strategie bis zu Governance. Auch Wikimedia
Deutschland ist gewachsen – von zehn auf fast 200 Mitarbeitende.
Offen für Wandel zu bleiben und aktiv mitzugestalten, war und ist
zentral für mich. Und trotz aller Routinen – Meetings, E-Mails,
Dokumente – ist der Job für mich nie langweilig geworden. Im
Gegenteil: Er fühlt sich heute noch mehr denn je wie ein Traumjob
an.
Till: Als wir damals angefangen haben, waren wir keine zehn
Leute. Man hat schnell viel Verantwortung übernommen und konnte
dadurch richtig viel aufbauen und mitgestalten. Diese ersten Jahre
waren total prägend: So viele Weichen wurden gestellt, so viele
grundlegende Entscheidungen getroffen. Klar, wir haben auch Fehler
gemacht, aber genau das war ein großes Learning für mich: Wenn man
sich wirklich gestalten will und reinhängt, kann man richtig was
bewegen. Dieses Mindset prägt mich bis heute.
Was treibt euch weiterhin an? Was wünscht ihr euch für
die Zukunft bei Wikimedia Deutschland?
Nicole: Der Einsatz für freies Wissen ist heute
politischer denn je – ob beim Schutz offener Infrastrukturen, dem
Zugang zu verlässlicher Information, dem Erhalt digitaler
Gemeingüter oder in Fragen von Diversität und Inklusion. In Zeiten
von Desinformation und Dominanz großer kommerzieller Plattformen
ist eine unabhängige Wikimedia-Community wichtiger denn je. Deshalb
freue ich mich, weiterhin meinen Teil beizutragen – gemeinsam mit
den besten Kolleg*innen und einer weltweiten Bewegung, die sich
nicht unterkriegen lässt.
Till: Im Kontrast zur millionenfachen Nutzung
spenden nur wenige Menschen für Wikipedia. Mich treibt an, mehr
Menschen davon zu überzeugen. Auch wenn wir jedes Jahr besser
werden, gibt es noch viel Potenzial. Ich wünsche mir, noch besser
zu verstehen, was sie abhält – und wie wir diese Hürden abbauen
können. Die Idee, dass eine der größten Websites der Welt
gemeinschaftlich geschrieben und finanziert wird, begeistert
mich bis heute.
Wiki Loves Monuments (WLM) ist ein
internationaler Fotowettbewerb, der sich auf die Dokumentation von
Denkmälern, historischen Gebäuden und Kulturgütern konzentriert.
Das Hauptziel von Wiki Loves Monuments ist es, das Bewusstsein für
den Schutz und die Dokumentation des kulturellen Erbes zu schärfen.
Dazu werden qualitativ hochwertige Fotografien gesammelt und unter
einer freien Lizenz in der Datenbank Wikimedia Commons
veröffentlicht. Diese Fotos stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung
und können in Wikipedia-Artikeln und anderen Projekten verwendet
werden.
Die internationalen
Gewinnerbilder
Knapp 240.000 Fotos aus 56 Ländern wurden im vergangenen Jahr
bei Wiki Loves Monuments eingereicht. Im März hat die Jury ihre
Wahl getroffen und die schönsten Bilder ausgezeichnet. Hier kommen
die Top 5. (Alle ausgezeichneten Bilder liegen auf Wikimedia Commons).
5.
Platz: Ein Foto vom Mercado do Bolhão – Markt in Porto,
Portugal
Die Gewinnerbilder aus
Deutschland
Rund 16.000 Fotos wurden beim diesjährigen Fotowettbewerb Wiki
Loves Monuments in Deutschland eingereicht. Eine Jury aus der
Wiki-Community prämierte die eindrucksvollsten Aufnahmen von
Kultur- und Baudenkmälern. Erstmals wurde 2024 auch der Sonderpreis „Kinderwelten“
vergeben. Alle Preisträger des Fotowettbewerbs finden Sie auf der
offiziellen Wikipedia-Seite von Wiki Loves
Monuments Deutschland. Das sind die drei Seigerbilder:
3. Platz
Wiki Loves Monument Deutschland: Ruine Burg Raueneck.
Wikimedia Commons frei
nutzen
Alle Fotos der Wiki Loves-Wettbewerbe werden auf Wikimedia
Commons hochgeladen – der weltweit größten Sammlung freier Medien.
Dort stehen mittlerweile über 108 Millionen gemeinfreie und frei
lizenzierte Fotos, Audio- und Videodateien zur Verfügung. Und das
Beste daran: Diese Inhalte können nicht nur in alle Wiki-Projekte
eingebunden, sondern auch von jedermann jederzeit und überall
genutzt werden. Wie Sie auf Wikimedia Commons nach Bildern suchen,
erfahren Sie hier.
Wiki Loves Earth (WLE) ist ein
internationaler Fotowettbewerb, der sich dem Schutz und der
Dokumentation von Naturerbestätten und Naturlandschaften widmet.
Ähnlich wie bei Wiki Loves Monuments werden qualitativ hochwertige
Bilder gesammelt und unter einer freien Lizenz auf Wikimedia
Commons veröffentlicht. Ziel ist es, das Bewusstsein für die
Bedeutung von Naturschutzgebieten und Naturdenkmälern zu stärken
und eine umfangreiche Bilddokumentation der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
Die Gewinnerbilder aus
Deutschland
In Deutschland wurden in diesem Jahr insgesamt über 6.665 Fotos
bei „Wiki Loves Earth“ eingereicht. Eine Jury bewertete die
Beiträge und kürte die Gewinner in drei Kategorien:
Detailaufnahmen, Landschaftsaufnahmen und der Sonderkategorie Feldränder und
Feldgehölze. Auf der offiziellen Wikipedia-Seite von Wiki Loves Earth
Deutschland sind alle Gewinner*innen des Fotowettbewerbs
aufgeführt. Dies sind die jeweils drei schönsten Bilder, die in den
Kategorien „Landschaftsaufnahmen“ und „Detail“ prämiert wurden:
3. Platz
Wiki Loves Earth Deutschland (Landschaftsaufnahmen): Blick vom
Blumbergweg auf die Trockenmauern der ehemaligen Weinberge und den
artenreichen Magerrasen am Südhang des Spitzbergs.
3. Platz
Wiki Loves Earth Deutschland (Detailaufnahmen): Kupfer-Rosenkäfer
(Protaetia cuprea) im Naturschutzgebiet Dörscheider Heide im
Rhein-Lahn-Kreis.
Die internationalen
Gewinnerbilder
Dieses Jahr erreichte der internationale Wettbewerbs Wiki
Loves Earth mit der Teilnahme von 56 Ländern und Territorien
einen neuen Rekord. Insgesamt wurden über 80.100 Beiträge von mehr
als 3.800 Teilnehmern eingereicht. Hier sind jeweils die Top 3 in
den Kategorien „Landschaftsaufnahmen“ und „Detail“:
3. Platz
Wiki Loves Earth International (Detailaufnahmen):
Gottesanbeterinnen (Empusa Pennata, Türkei.
Der richtige Lizenzhinweis: So
funktionierts!
Bilder aus Wikimedia Commons können sowohl privat als auch
kommerziell frei verwendet werden. Wichtig ist jedoch, den
richtigen Lizenzhinweis anzugeben. Dabei hilft der
Lizenzhinweisgenerator.
Wiki Loves Folklore (WLF) ist
ein internationaler Fotowettbewerb mit dem Ziel, die Vielfalt der
Traditionen, Bräuche und Volkskulturen auf der ganzen Welt zu
dokumentieren. Der Wettbewerb wird von Freiwilligen aus der
Wikimedia-Community organisiert und hat zum Ziel, das reiche
kulturelle Erbe der Menschheit fotografisch festzuhalten und frei
zugänglich zu machen.
Die Gewinnerbilder aus
Deutschland
Zur ersten Ausgabe des deutschen Wiki-Fotowettbewerbs „Wiki
Loves Folklore“ wurden mehr als 2.600 Fotos zu Ritualen, Bräuchen
und Traditionen eingereicht. Die 50 besten Aufnahmen wurden
ausgezeichnet. Die drei Siegerfotos finden Sie hier:
Siegerfoto von Wikimedia Loves Folklore Deutschland: Der Schnitzer
Herbert Schafbauer erstellt eine Maske für den Kirchseeoner
Perchtenlauf in Kirchseeon, Bayern.
2. Platz
Wikimedia Loves Folklore Deutschland: Winteraustreibung „Schewe
Sunnesch“ in Gees (Gerolstein). Ein mit Stroh gefülltes Rad wird
brennend den Berg hinabgerollt. Vor dem brennenden Rad wird eine
Bahn aus Stroh ebenfalls in Brand gesetzt.
3. Platz
Wikimedia Loves Folklore Deutschland: Klaubauf Nasenzuzler mit
Fackel beim Kirchseeoner Perchtenlauf in Moos im Landkreis
Ebersberg, Bayern.
Die Gewinnerbilder
international
In diesem Jahr wurden weltweit insgesamt 41.038 Bilder von 1.921
Teilnehmern aus über 140 Ländern bei Wiki Loves Folklore eingereicht.
Ihre beeindruckenden Beiträge fangen das reiche und vielfältige
kulturelle Erbe der Welt auf eine wunderbare Weise ein. Hier sind
die drei internationalen Gewinnerfotos:
Am 1. April 2008 strahlte die BBC einen Film aus, der eine
biologische Sensation zeigte: Eine Kolonie Pinguine, die das
Fliegen wieder erlernt hatte. Die Filmemacher hatten echte
Adeliepinguine per Computeranimation zum Fliegen gebracht.
Im Jahr 1905 berichtete das Berliner Tagblatt über eine
Diebesbande, die unter dem US-Finanzministerium einen Tunnel
gegraben und die Gold- und Silbervorräte gestohlen hatte. Die
Scherzmeldung verbreitete sich schnell in Europa und den USA.
1957 behauptete eine britische Radioreportage, dass Nudeln in
der Schweiz an Bäumen wachsen und begleitete eine Familie zur
Nudelernte. Damals war Pasta in
England kaum verbreitet. Aus diesem Grund – und weil der Reporter
ein respektierter Journalist war – fielen zahlreiche Hörer*innen
auf den Scherz rein.
1995 berichtete die Zeitschrift Discover von einer neuen Tierart
– irgendwas zwischen Maulwurf und Nacktmull. Der Heißköpfige
Nackteisbohrer hat eine hohe Körpertemperatur und einen heißen Kopf
und kann daher Gänge durch’s Eis bohren. Der Name des Entdeckers,
Aprile Pallazzo, heißt auf Deutsch Aprilscherz.
1962 erföffnete der schwedische Fernsehsender SVT den
Zuschaenden, dass sie mit einer Nylonstrumpfhose ihrem
Schwarz-Weiß-Fernseher ein Farbbild entlocken können. Der Moderator
warf dabei mit so vielen Technischen und physikalischen Erklärungen
um sich, dass viele Zuschauende den Scherz glaubten.
Listen sammeln, sortieren und archivieren ist Ihr Ding? Dann
könnte es Ihnen Spaß machen, zu Wikipedia, Wikimedia Commons oder Wikidata beizutragen! Lernen Sie, wie es geht!
Mit der 30-Tage-Wikipedia-Challenge entdecken Sie Schritt für
Schritt den Kosmos der Wikimedia-Projekte und werden
ans Mitmachen herangeführt.
In unserer Serie „W wie Wiki-Wissen“ tauchen
wir ein in die faszinierende Welt der deutschsprachigen Wikipedia
mit ihren über
drei Millionen Artikeln. Wir bringen euch verblüffende,
skurrile und wissenswerte Fakten – sei es zu historischen
Jahrestagen, bedeutenden Ereignissen oder aktuellen Diskussionen.
Perfekt als Gesprächsstoff für das Abendessen, den Plausch in der
Mittagspause, Familienfeiern oder jede andere Gelegenheit, bei der
fundiertes Wikipedia-Wissen beeindruckt!
Die Benutzeroberfläche mit dem Namen Vector 2022 wurde von der Wikimedia Foundation
in einem dreijährigen Prozess entwickelt. Sie bietet sowohl
Lesenden als auch der Community zahlreiche Neuerungen: Layout und
Navigation wurden angepasst, neue Elemente wie ein permanentes
Inhaltsverzeichnis eingeführt und der Stil der gesamten Seite
verändert. All das soll zu einer besseren Lesbarkeit beitragen und
den Zeitaufwand für Scrollen, Suchen und Navigieren reduzieren. Wer
aktiv in der Wikipedia mitarbeitet, kann ab sofort ein
übersichtlicheres Benutzermenü nutzen, das leichter zu bedienen
ist.
Diese Neuerungen kommen mit
Vector 2022
Permanentes Inhaltsverzeichnis:
In Artikeln besser navigieren
Das Inhaltsverzeichnis wurde in die linke Seitenleiste
integriert und fährt jetzt beim Scrollen durch die Artikel mit.
Lesende sehen somit jederzeit, in welchem Abschnitt sie sich gerade
befinden und können leichter zwischen einzelnen Abschnitten
springen.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit dem Inhaltsverzeichnis.
Mit der verbesserten Suchfunktion wird es einfacher,
Wikipedia-Artikel zu finden. Sie liegt nun zentral über jedem
Artikel, bietet eine Autovervollständigung und zeigt ein
Vorschaubild sowie eine Kurzbeschreibung der gefundenen Artikel
an.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit verbesserter Suchfunktion
Besseres Leseerlebnis dank neuer
Inhaltsbreite
Die Wikipedia-Artikel haben ab sofort eine maximale Zeilenlänge.
Studien haben gezeigt, dass die Begrenzung der Inhaltsbreite zu
einem besseren Leseerlebnis und einer besseren Erfassung des
Inhalts führt. Die Textblöcke sind jetzt schmaler und somit
kompakter und besser lesbar. Neben der Standardvariante ist eine
breite Darstellung weiterhin verfügbar.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit maximaler Zeichenlänge.
Dark Mode: Entlastung für die
Augen
Schon seit vielen Jahren zählt der Dark Mode zu den
meistgewünschten Funktionen von Wikipedia-Nutzer*innen. Jetzt ist
die dunkle Anzeige auch für Lesende verfügbar, die diese mit einer
Auswahl der Farbe „Dunkel“ im Menü „Erscheinungsbild“ in der
rechten Navigationsleiste aktivieren können. Die Funktion
verbessert durch eine Umgebung mit geringen Kontrasten die
Barrierefreiheit und verringert die Belastung der Augen für Lesende
und die Communitys der Wikimedia-Projekte. Sie steht auch mobil zur
Verfügung.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit Dark-Mode
Einklappbare Menüs:
Konzentration auf den Inhalt
Je nach Vorliebe können die Menüs ein- und ausgeklappt werden.
Wer Artikel gern ohne jede Ablenkung lesen möchte, kann zum
Beispiel das umfangreiche linke Seitenmenü ausblenden. Gleiches
gilt für das Hauptmenü, über das man direkt zu den Themenportalen
oder zu wichtigen Bearbeitungsfunktionen gelangt. Auch das
Inhaltsverzeichnis des jeweiligen Artikels ist ein- und
ausklappbar.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit ausgeblendetem Seitenmenü
Sprachauswahl leichter
finden
Viele Menschen lesen Wikipedia-Artikel in mehr als einer
Sprachversion. Damit der Wechsel zwischen bis zu 300
Sprachversionen leichter wird, ist die Sprachauswahl jetzt in die
Titelzeile der Artikel gewandert.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit Sprachauswahl
Fixierte Kopfzeile: Weniger
Scrollen
Für eingeloggte Wikipedia-Autor*innen bleibt der neue Header
dauerhaft sichtbar, während sie weiterscrollen. Die fixierte
Kopfzeile bietet ständigen Zugriff auf wichtige Funktionen wie die
Versionsgeschichte eines Artikels, die Diskussionsseite und
verschiedene Bearbeitungsfunktionen – man muss jetzt nicht mehr zum
Anfang der Seite zurückkehren, sondern kann ohne Unterbrechung
lesen oder bearbeiten.
Screenshot der neuen Benutzeroberfläche
von Wikipedia mit fixierter Kopfzeile
Jahrelange Entwicklung mit
weltweiter Beteiligung
„Vector 2022“ wurde von der Wikimedia Foundation in den USA
entwickelt und ist seit 2023 in den allermeisten
Wikipedia-Sprachversionen aktiv, allen voran der englischsprachigen
Wikipedia. Das neue Design ist das Ergebnis einer Vielzahl von
Gesprächsrunden mit Gruppen und Freiwilligen aus der weltweiten
Wikimedia-Bewegung und tausenden Rückmeldungen von Nutzenden.
Besonders wichtig dabei: die Barrierearmut. Von Anfang an wurde mit
dem Feedback von Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen an
den neuen Features gearbeitet. Tests mit der Amerikanischen
Blindenstiftung mit verschiedenen Bildschirmlesegeräten ergaben
deutliche Verbesserungen durch die neue Benutzeroberfläche.
Vector 2022 – Hilfestellung und
FAQ
Wer sich mit den Feinheiten des neuen Benutzeroberfläche
vertraut machen möchte, findet weitere Informationen auf dieser
Hilfeseite. Dort gibt es auch eine
Übersicht über die Entwicklungsgeschichte der Benutzeroberfläche
sowie weiterführende Links, u .a. zu einer Dokumentation des Projektes
sowie einem FAQ, das die
Wikimedia-Foundation zusammengestellt hat.
3.000.000 Seiten Wissen – eine
Gemeinschaftsleistung
In der Community stieg die Spannung in den letzten Wochen enorm.
Viele Autor*innen beobachteten den Countdown zum nächsten
Meilenstein genau. Wenn viele gleichzeitig auf Veröffentlichen
klicken, ist es nicht mit 100%iger Sicherheit klar, welcher Artikel
tatsächlich der Dreimillionste ist. Um zu einem möglichst genauen
Ergebnis zu kommen, wird der offizielle Meilensteinartikel
gemeinschaftlich ermittelt. Dies geschieht mit Hilfe einer Spezial-Seite, die die Artikel zählt.
Tatsächlich sind innerhalb von einer Minute elf Artikel erschienen,
zwei sogar in derselben Sekunde. Mit wenigen Millisekunden
Vorsprung ist der Artikel zum Animationsfilm Grand Prix of Europe der Dreimillionste
geworden.
Natürlich ist es etwas Besonderes, den dreimillionsten Artikel in
der deutschsprachigen Wikipedia angelegt zu haben. Vor allem freut
mich aber, dass Wikipedia diesen Meilenstein erreicht hat und
weiterhin wächst.“
Benutzer
Superanton, Autor des dreimillionsten Artikels
Auf die Frage, ob er es darauf angelegt hatte, den
dreimillionsten Artikel zu schreiben, gibt Superanton zu, dass dem
so sei: „Ich habe kurz zuvor in der englischsprachigen Wikipedia
den Artikel zum Film gelesen und gesehen, dass es noch keinen
Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia gibt. Daher habe ich ihn
kurzfristig angelegt. Als mir dann auffiel, dass Wikipedia kurz vor
dem dreimillionsten Artikel stand, habe ich tatsächlich mit dem
Abschicken gewartet, um vielleicht genau diesen Meilenstein zu
treffen. Offenbar hatte ich Glück.“
Franziska Heine, geschäftsführende Vorständin von Wikimedia
Deutschland, gratuliert der gesamten ehrenamtlichen
Wikipedia-Community zu diesem Meilenstein: „Jeder einzelne Artikel,
jede erstellte Grafik, jedes hochgeladene Foto zeugt vom
unermüdlichen Engagement unserer Community. Gerade in Zeiten von
Desinformation ist die Wikipedia als Quelle für verlässliche,
faktenbasierte Informationen bedeutender denn je.“
2009: Der 1.000.000. Artikel (über den Botaniker
Ernie Wasson) wird veröffentlicht.
2016: Der 2.000.000. Artikel (über das Mineral Michenerit) wird veröffentlicht.
2025: Der 3.000.000. Artikel – ein bedeutender Schritt
auf dem Weg zu einer noch umfassenderen Enzyklopädie.
Seit der Gründung der deutschsprachigen Wikipedia hat sich die
Zahl der Artikel stetig erhöht. Die Anzahl täglich neu erstellter
Artikel erreichte 2013 ihren Höhepunkt. Die Anzahl der aktiven
Mitwirkenden, die an der Verbesserung und Erweiterung der Inhalte
mitarbeiten, beträgt aktuell ca. 6000 mit mehr als fünf Edits im
Monat und ca. 50.000, die mindestens eine Bearbeitung im Monat
machen. Mit der steigenden Zahl der Artikel steigt auch der
Aufwand, diese aktuell und Instand zu halten. Die Community ist auf
neue, dauerhaft Beitragende angewiesen.
Die
30-Tage-Wikipedia-Challenge
Wer wissen will, wie Wikipedia und Co. funktionieren, erfährt
dies mit 30 E-Mails und 30 Missionen. Die Challenge zeigt, wie
Millionen von Freiwillige Wikipedia gestalten, welche Geschichte
dahinter steckt und wie alle gemeinsam an einem Ziel arbeiten: das
Wissen der Menschheit für alle frei zugänglich zu machen.
Am Samstag war Internationaler Frauentag und das Finale der
#100womendays. Das Ziel des Schreibprojekts: An hundert Tagen
im Vorfeld des Weltfrauentags soll mindestens ein Wikipedia-Artikel
pro Tag entstehen, der die Leistungen von Frauen sichtbar macht.
Dieses Ziel hat die Community schon längst übertroffen: Im
vergangenen Jahr entstanden 1841 neue Artikel. Am Samstag stand der
Zählerstand der diesjährigen Runde auf 2726. Darunter 2582
Biografien und 144 Artikel zu frauenbezogenen Themen. Es sind
Artikel zu ganz unterschiedlichen Personen entstanden:
Sportlerinnen, Politikerinnen, Aktivistinnen, Autorinnen,
Medizinerinnen, Comiczeichnerinnen oder Künstlerinnen.
131 Wikipedia-Aktive haben mitgemacht. Darunter hat
Wikipedianerin Itti die meisten Artikel erstellt: 286 –
größtenteils zu Künstlerinnen verschiedenster Disziplinen, aber
auch Widerstandskämpferinnen, Nonnen und Hexen aus den
Niederlanden.
Neben
den 2726 Artikeln wurden auch etliche Fotografien zu den Biografien
hinzugefügt.
Hallo Itti, wie bist du darauf gekommen, speziell über
Niederländerinnen zu schreiben?
Itti: Im August 2023 fand eine GLAM-on Tour-Veranstaltung in
Potsdam, im Museum Barberini statt.Das Thema war
Impressionismus in den Niederlanden. Im Anschluss haben
Alraunenstern und ich angefangen Artikel zu niederländischen
Malerinnen zu schreiben. Daraus entstanden bereits im letzten
Jahr viele Artikel, die in die 100-Women-Days eingeflossen sind. So
hat Alraunenstern im letzten Jahr 103 und ich 193 Artikel
beigesteuert. Gemeinsam haben wir erreicht, dass die Niederlande
die „Nationenwertung” angeführt haben. In diesem Jahr haben wir
unseren Einsatz erneut aufgenommen: Nachdem die Artikel über die
bildenden Künstlerinnen recht erschöpfend behandelt waren, haben
wir noch Widerstandskämpferinnen, Bildhauerinnen, Fotografinnen,
Dichterinnen, Stifterinnen, Schauspielerinnen des 17., 18. und 19.
Jahrhunderts, Tänzerinnen, Kauffrauen, Nonnen, Hexen und viele
weitere Frauen für die Wikipedia erschlossen.
Was fasziniert dich an der Artikelarbeit zu diesen
Frauen?
Es ist spannend, sich auf die Kultur eines Landes zu
konzentrieren. Ich habe festgestellt, wie klein die Welt ist, wenn
sich Verbindungen zwischen den Personen, über die ich schreibe, –
seien es persönliche, aber auch geschäftliche, soziale und
politische, entwickeln. Die Menschen, die einem zunächst fremd
sind, entfalten faszinierende Lebensgeschichten. Es ist auch
spannend, wie sich Themen, sei es die Schauspielerei, über die
Jahrhunderte entwickelt haben: wer hat von wem gelernt? Wie war die
Ausbildung organisiert? Wie wurde Wissen weitergegeben?
Gleichzeitig habe ich sehr viel über die Geschichte der
Frauenrechtsbewegung erfahren: man lernt die handelnden Frauen
kennen, die Frauen, die die Anfänge gestaltet haben, die Frauen,
die den Staffelstab aufgenommen haben, die Frauen, die erreicht
haben, dass Frauen z. B. das Wahlrecht erringen konnten, dass sie
in politische Ämter gewählt wurden. Aber auch zu sehen, dass dieser
Kampf bis heute andauert, zum Beispiel beim Kampf um das
Abtreibungsrecht.
Ich habe festgestellt, wie klein die Welt ist, wenn sich
Verbindungen zwischen den Personen, über die ich schreibe, – seien
es persönliche, aber auch geschäftliche, soziale und politische,
entwickeln. Die Menschen, die einem zunächst fremd sind, entfalten
faszinierende Lebensgeschichten.
Warum machst du bei den 100womendays mit?
Es ist mir ein Anliegen, gezielt etwas für die Sichtbarkeit von
Frauen zu tun. Frauen haben immer Vielfältiges und auch Spannendes
geleistet, leider wurden sie oft nicht gesehen. So wurden viele
Kunstwerke von Malerinnen ihren Vätern, Brüdern oder Ehemännern
zugeschrieben. Aber es ist auch sehr lustig und motivierend, mit
anderen zusammenzuarbeiten, um den täglichen Artikelzähler in
„unermessliche” Höhen zu treiben. Vor allem, wenn man dann noch die
Liste anführt ;). Bereits im Vorfeld hatte ein geschätzter Kollege
mir den „Fedehandschuh“ hingeworfen und so haben wir einen fairen
Wettstreit aufgenommen. He3nry ist ebenfalls mit einer tollen
Leistung von 208 Artikeln in den 100 Tagen auf
Platz zwei gelandet.
Die Artikelarbeit muss ja viele Stunden und Tage Zeit
gekostet haben. Was hat dir dieser Einsatz gebracht?
Nun, ich kann inzwischen niederländisch recht gut lesen und auch
verstehen, wenn jemand nicht zu schnell spricht, was ich im letzten
Sommer an einer niederländischen Teilnehmerin der Wikimania
ausprobieren durfte. Das hat mir doch allergrößte Freude
bereitet.
Wir gratulieren Itti und allen, die bei den 100womendays
mitgemacht haben, herzlich zu diesem Erfolg!
GLAM – Galleries, Libraries,
Archives, Museums
In institutionellen GLAM-Kooperationen schreiben Freiwillige der
Wikimedia-Projekte Artikel für die Wikipedia, machen Fotos für
Wikimedia Commons oder nutzen vorhandenes Material, um es der
Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Diese Form der Zusammenarbeit
zwischen Community und Kultur- oder Gedächtnisinstitution findet
sowohl vor Ort in Workshops, als GLAM On Tour oder in Form einer
Wikipedianische KulTour – vor
Ort oder aber digital von zu Hause aus statt.
Open Data als Schlüssel für
Zugang, Vernetzung und Transparenz
Wissen, Daten und Software, die in Verwaltungen oder Ministerien
entstehen, werden mit öffentlichen Mitteln finanziert. Sie sollten
daher auch der Öffentlichkeit zur freien Wiederverwendung zur
Verfügung stehen. Wikipedianer*innen können dieses Wissen in der
freien Enzyklopädie teilen. Aber auch Forschende, Journalist*innen
oder Verwaltungen selbst profitieren davon, wenn mehr Informationen
gut auffindbar und frei zugänglich sind.
Rechtsanspruch auf
Open Data
Wir brauchen ein Bundestransparenzgesetz, das öffentliche
Institutionen dazu verpflichtet, Informationen von sich aus
öffentlich und digital bereitzustellen. Wenn Verwaltungen Daten von
sich aus offen, maschinenlesbar und vernetzt zur Verfügung stellen,
schafft das Transparenz. Sie fördert Vertrauen in Regierungs- und
Verwaltungshandeln und trägt zur Modernisierung der Verwaltung bei.
Das Transparenzgesetz schaffte es in der vergangenen Legislatur nur
bis zu einem Entwurf und sollte sofort erneut begonnen werden.
„Öffentliches Geld,
öffentliches Gut“
Was maßgeblich mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde, muss
der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen. Doch dafür braucht es
entsprechende rechtliche und politische Rahmenbedingungen.
Wikimedia Deutschland setzt sich dafür ein, dass Archivinhalte,
öffentlich beauftragte Software, digitalisierte Bestände von
Kulturinstitutionen und vieles mehr für alle frei nutzbar sind.
Freie Software
priorisieren
Der Staat sollte auf Freie Software setzen. Sie ist ein
wiederverwendbares öffentliches Gut und die öffentliche Hand
fördert so gemeinwohlorientierte IT-Strukturen, Transparenz sowie
die eigene Unabhängigkeit von Tech-Giganten. Menschen, die
beispielsweise ehrenamtlich Softwareprojekte oder Apps entwickeln,
können diese Software ebenfalls nutzen.
Weitere Informationen zu offenen
Daten und freien Lizenzen
Die freie Enzyklopädie Wikipedia verdeutlicht es jeden Tag:
Digitale Ehrenamtsarbeit erbringt einen unschätzbaren
gesellschaftlichen Nutzen. Im letzten Jahr wurde das digitale
Ehrenamt erstmals als eigenständige Engagementform in der
Engagementstrategie der damaligen Bundesregierung genannt. Am
Gemeinnützigkeitsrecht hat die Regierung aber trotzdem nichts
geändert. Viele tausend Menschen engagieren sich außerdem
ehrenamtlich für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und
Demokratie. Unser Ziel ist es, eine gemeinwohlorientierte
Digitalisierung zu fördern, die auf den Prinzipien Offenheit,
Transparenz, Teilhabe, Zugang sowie dem Schutz der Grund- und
Menschenrechte basiert.
Digitales Ehrenamt
fördern
Die ehrenamtliche Entwicklung von Software, Apps oder
Plattformen und anderer digitale Projekte wie OpenStreetMap oder
Wikipedia erzeugen täglich gesellschaftlichen Mehrwert. Sie werden
in der Abgabenordnung bisher nicht als gemeinnützig anerkannt.
Dabei sind sie Infrastrukturen für das Gemeinwohl und verdienen als
solche Anerkennung und Förderung.
Reform des
Gemeinnützigkeitsrechts
Viele tausend Menschen engagieren sich ehrenamtlich für
Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Sie brauchen
Rechtssicherheit. Politisches Engagement im Sinne des Vereinszwecks
sollte daher als gemeinnützig anerkannt werden.
Weitere Informationen zur
Förderung von digitalem Ehrenamt
Wenn Wissen, Daten und Software digital frei verfügbar sein
sollen, braucht es entsprechende digitale Infrastrukturen – zum
Beispiel in der Verwaltung. Um die systematische Veröffentlichung
offener Daten zu ermöglichen, muss die Politik verschiedene Hebel
in Bewegung setzen, um die notwendige Basis für eine moderne
Verwaltung zu legen. Punkt eins aus der Agenda: Eine solide Daten-
und IT-Grundlage auf dem Stand der Technik. Das schafft nicht nur
die Grundlage dafür, Informationen aus Behörden als Open Data
bereitzustellen. Behörden können so zudem die Potenziale deutlich
vereinfachter interner Verfahren nutzen.
Digitalisierung als
Führungsaufgabe
Für eine moderne Verwaltung braucht es zunächst strategische
Ziele mit klarer Verantwortlichkeit, einem langfristigen Budget und
Erfolgskontrollen.
Kompetenzaufbau in
der Verwaltung
Um die öffentliche Hand zum Aufbau der notwendigen
Infrastrukturen für die automatisierte Bereitstellung offener Daten
zu befähigen, muss der interne Aufbau von IT-Kompetenz als
strategische Aufgabe gesehen werden.
Weitere Informationen zu Open
Data und Verwaltungsdigitalisierung
Digitale Bildung braucht mehr
als Internet und Whiteboards
Wikimedia Deutschland setzt sich für freien Zugang zu Wissen
ein, indem wir Wikimedia Projekte und Ehrenamtlich fördern – aber
auch darüber hinaus. So zum Beispiel im bildungspolitischen
Bereich. Im Sinne einer freien und digitalen Weiterverwendung von
Wissen fordern wir von Politikschaffenden, dass offene
Bildungsmaterialien in der Lehrkräfteausbildung und im Unterricht
fest verankert werden. Offene Bildungsangebote und -infrastrukturen
können kostenlos genutzt, für eigene Bedarfe angepasst,
vervielfältigt und weitergegeben werden. Sie sind die Grundlage für
einen freien Zugang zu Bildung und fördern damit
Chancengerechtigkeit. Die Bundesregierung kann diese Formen von
Offenheit ermöglichen, indem sie entsprechende rechtliche,
finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen schafft. Sie sollte
sich daher im Koalitionsvertrag die folgenden Ziele setzen:
Digitalpakt 2.0
nachhaltig gestalten
Bildungspolitik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass
Schulen und Schulverwaltungen interne IT-Expertise aufbauen können
– für die Beschaffung geeigneter freier Softwarelösungen und für
deren Wartung. Es braucht nachhaltige Hardware ohne Produktbindung,
die unter Mitbestimmung der nutzenden Gruppen beschafft wird.
Offene
Bildungsmaterialien (OER) fördern
2022 hat der Bund mit der OER-Strategie einen wichtigen
Meilenstein gesetzt. Damit diese Strategie umgesetzt werden kann,
ist die finanzielle und rechtliche Unterstützung der OER-Community
notwendig.
Offene und
gemeinwohlorientierte Bildungsinfrastrukturen stärken
Die neue Führung im Bundesministerium für Bildung und Forschung
sollte den Auf- und Ausbau digitaler Bildungsinfrastrukturen mit
besonderem Schwerpunkt auf quelloffener, freier Hard- und Software
mit Investitionen fördern. Das stärkt das Gemeinwohl.
Digitalpolitik europäisch und
international gestalten
Digitalpolitik wird zunehmend auch auf internationaler oder
euopäischer Ebene gemacht. Der Digital Services Act, dessen
Regelungen auch die Wikipedia betreffen, ist nur ein Beispiel
dafür. Wir sind überzeugt, dass nur eine am Gemeinwohl orientierte
Digitalpolitik eine offene, freie und sichere digitale Zukunft
ermöglichen kann. Auf EU-Ebene müssen daher der Schutz
demokratischer Strukturen, die Förderung digitaler Gemeingüter, die
Einhaltung der Menschenrechte sowie die Bedürfnisse von
Internetnutzenden, Medienschaffenden und benachteiligten Gruppen im
digitalen Zeitalter im Vordergrund stehen. Die neue Bundesregierung
und der oder die neue Digitalminister*in sollte sich daher für
folgende Positionen stark machen:
Gemeinwohlorientierte digitale Infrastruktur
Wikipedia, OpenStreetMap, das Fediverse mit Mastodon und Co. –
das sind nur einige Beispiele für gemeinnützige und offene digitale
Projekte. Ebenso wie freie und offene Software brauchen sie mehr
Förderung und Schutz. Dafür sollte sich die neue Bundesregierung
auch auf europäischer Ebene einsetzen.
Stärkung der
Zivilgesellschaft
Wenn es um digitalpolitische Entscheidungen geht, sitzen oft die
großen Tech-Unternehmen mit am Tisch. Die Interessen der Nutzenden
digitaler Plattformen oder deren demokratische Kontrolle stehen
daher nicht automatisch im Mittelpunkt. Um die Interessen der
von uns als Nutzende und die Expertise aus der Zivilgesellschaft zu
vertreten, müssen ihre Vertreter*innen in internationalen Gremien
wirksam beteiligt werden.
Digital Knowledge
Act
Ein Digital Knowledge Act bestünde aus einem Bündel an
Regelungen, die es Wissens- und Bildungseinrichtungen ermöglichen,
ihrem Auftrag endlich auch online effektiv gerecht zu werden. Dazu
gehört zum Beispiel ein sekundäres Veröffentlichungsrecht für
Forschung. Damit könnte öffentlich finanzierte Forschung nicht mehr
nur zitiert, sondern auch verlinkt und von Forschern, Journalisten
und allen Bürgern abgerufen werden. Aber auch ein EU-weites Recht
auf elektronische Ausleihe. So könnten Bibliotheken Werke in
digitalen Formaten unter den gleichen Bedingungen wie Werke in
physischer Form ausleihen, was ihnen derzeit verwehrt ist.
Weitere Informationen zu
europäischer Digitalpolitik für Freies Wissen
Der erste Stolperstein wurde in
Deutschland 1992 verlegt. Eine Messingtafel auf einem Betonwürfel
ins Straßenpflaster vor dem Kölner Rathaus eingelassen. Damit
begann das ambitionierte, inzwischen enorm gewachsene und immer
noch andauernde Gedenk-Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Er möchte damit an die Opfer des
Nationalsozialismus erinnern. Die Stolpersteine werden meist vor
dem letzten frei gewählten Wohnsitz oder der letzten Wirkungsstätte
von Opfern des Nationalsozialismus verlegt. Inzwischen existieren
europaweit etwa 116.000 Stolpersteine.
Der Stolperstein für Teresa Savino im Parco del Quintino in der
italienischen Stadt Bergamo ist einer der vielen Stolpersteine
außerhalb Deutschlands. Savino versorgte mit einer Freundin
Menschen, die aus der Haft der Faschisten und Nationalsozialisten
geflohen waren. Sie wurde deswegen von einem deutschen
Militärgericht zu einer Haftstrafe verurteilt und kam 1944 nach
Hagenau. Sie musste Zwangsarbeit für die deutsche Industrie in
Ebersbach leisten und wurde am 22. April 1945 von alliierten
Streitkräften befreit. Teresa Savio starb nach einem Autounfall am
27. Mai 1945 im Göppinger Krankenhaus.
Natürlich gibt es zu den einzelnen Verlege-Orten in Deutschland
und Europa zahlreiche Listen in der Wikipedia. Im
Medienarchiv Wikimedia Commons sind viele der
Gedenksteine fotografisch dokumentiert, in der freien
Wissensdatenbank Wikidata existieren Einträge,
die unter anderem Angaben zu den Personen, Verlege-Daten oder den
geografischen Koordinaten enthalten. Die Stolpersteine scheinen gut
dokumentiert zu sein.
Allerdings waren diese Informationen bislang nicht oder nur
teilweise miteinander verknüpft. Daher hat eine Gruppe von
Wikipedianer*innen um die Initiatoren Nortix08 und Cookroach das kollaborative Projekt mit dem
Arbeitstitel „Stolpersteine goes Wikidata“
angeschoben. Die Vision des Vorhabens ist es, alle Stolpersteine
und die Informationen zu Personen und Lage sowie die Bilder digital
verfügbar zu machen und miteinander zu verbinden. Und zwar „indem
wir die drei Welten Wikipedia, Commons und Wikidata thematisch
zusammenführen“, so Cookroach. Startschuss war eine Präsentation des Themas auf der
WikiCon 2024.
Als einen der Impulse für das Vorhaben beschreibt er den
Zukunftskongress 2024 in Nürnberg. Dort hätten
viele Teilnehmende beklagt, dass die einzelnen Communitys der
Wikimedia-Projekt oft mit Tunnelblick nebeneinander her arbeiten.
„Wir wollen mit unserem Projekt auch zeigen, dass es einen Mehrwert
für alle ergibt, in den drei Schwester-Projekten parallel ein Thema
voranzubringen“, erklärt Cookroach.
Wobei natürlich auch die Bedeutung der Stolpersteine eine Rolle
spielt: „Wenn man so ein Projekt angeht, sollte es eine klare
Message haben“, betont der Wikipedianer. Die Auseinandersetzung mit
dem Erbe des Nationalsozialismus, Erinnerungskultur im digitalen
Zeitalter und dem Gedenken an die Opfer sei gerade angesichts eines
zunehmend rechtspopulistischen Zeitgeistes auch ein Statement.
Die Dringlichkeit eines solchen Zeichens wurde Cookroach zuletzt
noch deutlicher bewusst bei Besuchen in der Gedenkstätte
Buchenwald, oder im Museum Auschwitz-Birkenau während der Wikimania 2024 in Katowice: „Wir
wollen vermitteln, dass wir Verantwortung für die Geschichte tragen
– we must never forget all these victims“. Zum Plan gehört es, in
einer späteren Projektphase jeder Person, der mit einem
Stolperstein gedacht wird, einen biografischen Eintrag in den Wikis
zu widmen – damit die Geschichten der Opfer nicht vergessen
werden.
Fortschritt dank Technik &
Community
Cookroach – dessen Leidenschaft es ist, „in Wikidata Objekte mit
Koordinaten zu versehen“ – begann schon vor einigen Jahren, die
Einträge der Stolpersteine in der freien Datenbank zu
vervollständigen. Über einen Kontakt zum lokalen Raum Wikipedia:Hannover lernte er Nortix08 kennen,
der sich in Niedersachsen mit den dortigen Stolpersteinen
beschäftigt. Aus dieser Begegnung entstand die Idee zum Projekt der
digitalen Verfügbarmachung der Messingtafeln – und zur Vernetzung
von Informationen zu den Steinen und den Menschen, an die sie
erinnern. Eins ist den Initiatoren wichtig: Es soll ein gemeinsames
Community-Projekt werden. Vorgestellt haben die beiden es erstmals
auf der WikiCon 2024.
„Stolpersteine goes Wikidata“ soll in drei Phasen verlaufen. Im
ersten Schritt geht es darum, sämtliche Stolpersteine als Objekte
in der freien Datenbank anzulegen. „Damit wir diese Arbeit nicht
komplett händisch erledigen müssen, nutzen wir das Tool OpenRefine, mit dem sich mehrere Objekte gleichzeitig
anlegen lassen“, erklärt Cookroach. „Allein in Frankfurt am Main
gibt es etwa 2.000 Stolpersteine, jeder davon sollte als
Daten-Objekt circa 16 Eigenschaften besitzen, die in einem Schema
vereinbart wurden.“ Die entsprechenden Wikipedia-Listen einzeln
abzutippen, würde enorm viel Zeit in Anspruch nehmen. „Mit
technischen Hilfsmitteln und in gemeinsamer Arbeitsteilung im Team
geht es aber voran.“
Seit Cookroach im Mai 2024 begann, die Stolperstein-Datenobjekte
anzulegen, „hat sich ihre Zahl in Wikidata auf heute fast 36.000
verdoppelt – und wir haben ja gerade erst begonnen! Das war nur im
Team schaffbar“. Das Ziel der ersten Projektphase sei es, etwa 50
Prozent der aktuell rund 116.000 Stolpersteine anzulegen.
Optimierbare
Suchergebnisse
Die zweite Phase soll sich – voraussichtlich ab 2026 – auf
Wikimedia Commons fokussieren. Das Ziel ist, die vorhandenen und
noch hochzuladenden Bilder der Stolpersteine neu zu sortieren und
in Kategorien zu ordnen. „Bislang sind die Stolpersteine in Commons
nach Städten oder Gemeinden gruppiert. Aber man findet unter 2000
Bildern aus Frankfurt am Main nicht ein bestimmtes“, so Cookroach.
Der Plan: „Wir ordnen jedem Bild die strukturierten Daten des zuvor
angelegten Wikidata-Objekts zu und geben jedem Stolperstein eine
Kategorie, zum Beispiel: ‚Stolperstein für Person X in Stadt Y‘“.
Der große Vorteil: Bei einer Namenssuche in Suchmaschinen sind die
entsprechenden Bilder dadurch schneller auffindbar.
Die angelegten Commons-Kategorien können dann mit Hilfe der
Vorlage „Wikidata Infobox“ mit den
dazugehörigen Datenobjekten verbunden werden. Die Vorlage enthält
weitere Informationen und Verknüpfungen – zum Beispiel zu
Biografien oder Wikipedia-Artikeln. „Das erhöht die Suchrelevanz
erheblich und schafft eine Verbindung zwischen den Projekten”,
beschreibt Cookroach. Bezüglich der Recherche zu den Biografien ist
er optimistisch: „In vielen Orten existieren regionale Vereine und
Initiativen, die Informationen zu den Stolpersteinen sammeln und
veröffentlichen. Zusätzlich sind wir dabei, ein umfangreiches
Quellenverzeichnis zur Recherche zusammenzustellen, das wir dann
allen Autoren zur Verfügung stellen können.“ Dazu zählen Websites
wie yadvashem.org, arolsen-archives.org oder holocaust.cz.
Zukünftige Wikis
mitgestalten
Die dritte Phase soll frühestens Ende 2026 beginnen, sobald auch
bei Commons ungefähr 50 Prozent der Stolpersteinbilder
kategorisiert und strukturiert sind. Sie umfasst Angebote an die
Community zu Verbesserungen in der Wikipedia: „Das
Vorlagen-basierte Erstellen von Tabellen steht als Option ebenso
zur Diskussion wie Visualisierungen mit Hilfe von Tools und
Karten“, so Cookroach. „Selbst eine Webanwendung in Form einer App
könnte sich daraus entwickeln – wir sind da offen.“
Jeder Teilabschnitt des Projekts soll transparent via Dashboards
dokumentiert werden, was unter anderem zukünftigen Beteiligten
helfen kann, sich schnell einzuarbeiten. Denn natürlich sind
Mitstreiter*innen willkommen, die sich an den einzelnen Phasen von
„Stolpersteine goes Wikidata“ beteiligen wollen. Arbeit gibt es
genug: „Neben der Quellenrecherche zu den fehlenden Biografien muss
auch einiges händisch erledigt werden, zum Beispiel die Verlinkung
der Quellen, die Kontrolle der Koordinaten oder die Verknüpfungen
zu bereits vorhandenen Datenobjekten wie Personen, Straßen und
Gebäuden”, beschreibt Cookroach. „Wie in der Wikipedia haben auch
wir uns im Projekt Qualitätskriterien gesetzt, die es zu erfüllen
gilt.“
Worauf es Cookroach und dem mittlerweile 10-köpfigen Projektteam
ankommt: „Unser Projekt soll ein Leuchtturm dafür sein, wie man mit
der Wiki-Technologie Sinnvolles zu einem Thema entstehen lassen
kann. Wir möchten Andere inspirieren, sich mit ihren eigenen Themen
ebenso zu engagieren und über den Tellerrand hinauszublicken“. Ob
das gelinge, werde sich spätestens zur WikiCon 2027 zeigen, wo die
Ergebnisse dann vorgestellt werden sollen. Derweil entwickelt
Cookroach schon weitere Ideen: „Warum nicht auch alle Gedenkstätten
digital abbilden, oder die Orte der Zwangsarbeit sichtbar machen?
Wir haben viele Pläne. Aber jetzt erstmal Schritt für Schritt.“
Doomscrolling nennt sich stundenlanges Scrollen durch Feeds und
Videos mit negativen Nachrichten in den sozialen Medien.
Anschließend fühlt man sich erschöpft und leer und selten hat man
wirklich etwas gelernt. Zudem hat man dafür gesorgt, dass die
Plattform dank der Algorithmen noch mehr negative Inhalte und
Werbung anzeigt, die scheinbar zu einem passen. Das muss nicht mehr
sein, denn jetzt gibt es WikiTok.
So funktioniert
WikiTok
Scrennshot WikiTok, Wikimedia
Deutschland
Die Seite von GitHub Entwickler Isaac Gemal vereint, wie der
Name schon sagt, TikTok und Wikipedia: WikiTok nutzt die Schnittstelle zur
Wikipedia, die Wikipedia-API, um Artikel in einem vertikalen
Scroll-Interface bereitzustellen.
Jeder Artikel wird mit einem Bild aus dem entsprechenden
Wikipedia-Eintrag angezeigt. Passend zur Aufmerksamkeitsspanne der
Nutzenden kann schnell weiter gescrollt werden – oder, wer mehr
erfahren möchte, klickt auf den jeweiligen Artikel.
Die Abfolge der Artikel ist zufällig – keine Chance für
Algorithmen. Gemal argumentiert, dass es wichtig sei, einen Ort zu
haben, der frei von manipulativen Mechanismen ist. Eine
Entscheidung, ganz im Sinne der Wikipedia.
Die von Gemal entwickelte Software ist Open Source: jede und
jeder darf sie nutzen, bearbeiten und weiterentwickeln. Gibt man
WikiTok in den AppStores ein, finden sich einige Apps, die das
WikiTok Prinzip nutzen.
Viel Spaß im Wikipedia-Rabbit-Hole auf Tiktokisch!
Data Reuse Days 2025: Mit
offenen Daten weltweit nützliche Anwendungen fördern
Namibia, Portugal, Kanada – insgesamt 267 Teilnehmer*innen aus
der ganzen Welt nahmen an dem zweiwöchigen Online-Event teil. Sie
wollten wissen, wie sie den vielfältigen Datenschatz von Wikidata
für eigene Projekte nutzen können. Die Bandbreite der Themen war
groß. Bei den 28 Sessions wurde keine wichtige Frage zur Nutzung
von Wikidata-Daten ausgelassen.Vor allem war die Veranstaltung ein
Fest der offenen Daten und der praktischen Anwendungen, die durch
ihre Wiederverwendung entstehen. Drei nützliche Beispiele stellen
wir vor.
Was ist Wikidata?
Wikidata ist eine offene, frei
bearbeitbare Datenbank, die strukturierte Daten über die Welt
sammelt – von Orten und Persönlichkeiten bis hin zu
wissenschaftlichen Konzepten. Anders als herkömmliche Datenbanken
hat Wikidata jedoch die Struktur eines Wissensgraphen, in dem
Informationen nicht in starren Tabellen, sondern als miteinander
verknüpfte Knoten gespeichert sind. Dies ermöglicht komplexe
Abfragen wie „zeige alle Nobelpreisträger, die in Berlin
geboren wurden“. Dank offener Daten kann Wikidata flexibel in
vielen Projekten eingesetzt werden.
Andrew McAllister: Schreiben
ohne Sprachbarriere
Andrew ist Datenanalyst für Wikidata bei Wikimedia Deutschland
und Open-Source-Enthusiast. Wenn er nicht mit Daten
jongliert, engagiert er sich unter anderem bei activist.org, einer Plattform für progressiven
politischen Wandel. Auf den Data Reuse Days 2025 stellte er
Scribe vor, eine Tastatur-Anwendung, die das Schreiben in einer
Fremdsprache erleichtert.
Wer eine Fremdsprache lernt, kennt das Problem: Man muss ständig
nach Wortbedeutungen oder Verbformen suchen. Daher entwickle ich
zusammen mit einer Gruppe die Scribe-Keyboard-App. Sie bringt
Informationen – zum Beispiel zur Konjugation – direkt in die
Tastatur eines Smartphones
Damit das funktioniert, braucht die App eine zuverlässige Quelle
für Sprachwissen – und das bietet Wikidata. Dort sind nicht nur
Wörter gespeichert, sondern auch Informationen darüber, wie sie
sich verändern. Zum Beispiel steht dort nicht nur „laufen“, sondern
auch, dass es in der ersten Vergangenheit „lief“ heißt oder dass
„Sonne“ im Deutschen ein weibliches Wort ist. Wikidata kennt so
viele Sprachen, weil Ehrenamtliche aus der ganzen Welt daran
mitarbeiten. Wenn ein neues Wort und Informationen zu dessen
Wortformen hinzukommen,wächst die Sammlung und hilft so auch den
Nutzenden der Scribe-App.
Die Daten zu den Wörtern werden in der App gespeichert, so dass
sie auch ohne WLAN-Empfang verfügbar sind.
Die Wikidata-Community hat das Projekt von Anfang an unterstützt,
und es ist großartig, nun die Fortschritte zu präsentieren. Mein
wichtigster Rat an Entwickler*innen: Baut auf Wikidata! Es bietet
einen offenen Datenschatz, der sonst nur großen Unternehmen
vorbehalten wäre. Und vergesst nicht, der Community etwas
zurückzugeben – gemeinsam können wir noch so viel mehr
erreichen.
Volker Krause: Reisen mit
Überblick
Volker ist seit über 20 Jahren in der KDE-Community aktiv und
ein echter Open-Source-Tüftler. KDE ist eine Gemeinschaft von
Programmierern, Künstlern und vielen anderen, die freie Software
entwickeln. Volker arbeitet gerne an intelligenten Lösungen rund
ums Reisen – vom Routing im öffentlichen Nahverkehr bis hin zu
Wetter- und Katastrophenwarnungen. Auf den Data Reuse Days stellte
er die KDE Itinerary App vor.
Ich entwickle seit über 20 Jahren Freie Software. Die Itinerary App
ist ein Reiseassistent. Die App verwaltet Buchungen von Zügen,
Flügen, Hotels und Veranstaltungen – alles auf Basis offener Daten
und ohne Tracking.
Als Volker mit anderen von KDE 2017 mit der Arbeit an der App
begannen, stießen sie schnell auf ein Problem: Auf den QR-Codes von
Tickets standen Identifikationsnummern, die Flughäfen oder
Bahnhöfen zugeordnet sind. Diese Nummern waren oft schwer
zuzuordnen. Wikidata war die perfekte Lösung, weil dort viele
dieser Nummern und dazugehörige Informationen schon gespeichert
waren.
Wenn wir eine Nummer in Wikidata nicht finden konnten, haben wir
sie einfach selbst hinzugefügt oder Fehler korrigiert – was bei
geschlossenen Datensätzen viel schwieriger ist. Seitdem nutzen wir
Wikidata regelmäßig für die Itinerary App und für andere
Datenbereiche.
In dem auf den Data Reuse Days vorgestellten Anwendungsfall ging
es um die Anzeige der offiziellen Logos und Farben der ÖPNV-Linien
in der App. Ein visuelles Detail, das enorm wichtig für die
Orientierung der Nutzenden ist. In der App sind diese Logos zum
Beispiel bei der Routenplanung oder in der Fahrplananzeige
sichtbar, so dass man auf einen Blick weiß, welche Linie man nehmen
muss.
Die Abbildung der korrekten Logos war nicht ganz einfach, da
ÖPNV-Linien oft ähnliche oder sogar gleiche Namen haben können. Zum
Beispiel können Buslinien in mehrere Städten „Linie 42“
heißen. Hinzu kommt, dass die Linien in vielen verschiedenen
Systemen unterschiedlich identifiziert werden – zum Beispiel durch
Nummern, Farben oder spezielle Codes. Wenn man also nur den Namen
einer Linie kennt, ist es schwierig zu sagen, welche Farbe oder
welches Logo dazu gehört.
Um dieses Problem zu lösen, hat das KDE-Team Wikidata und
OpenStreetMap kombiniert. Wikidata enthält viele Informationen über
die verschiedenen Linien und ihre Identifikatoren, und
OpenStreetMap hilft dabei, die geografische Lage der Linien zu
bestimmen. So konnte sichergestellt werden, dass die richtige Farbe
und das richtige Logo für eine Linie angezeigt werden, auch wenn es
ähnliche Linien in anderen Städten oder Regionen gibt. Ein gutes
Beispiel dafür, wie durch die Verknüpfung offener Datenquellen eine
zuverlässige Lösung geschaffen werden kann.
Besonders spannend an den Data Reuse Days ist die thematische
Vielfalt. Man entdeckt odt ähnliche Herausforderungen in der
Datenmodellierung. Mein wichtigster Rat für Entwickler*innen: Nutzt
offene, editierbare Datensätze! Wikidata und OpenStreetMap sind für
mich immer die erste Anlaufstelle. Ich kann ihre Daten nicht nur zu
nutzen, sondern auch verbessern.
Magnus Manske: Freie Filme für
alle
Magnus Manske ist eine Wikidata- und Wikipedia-Legende! Bereits
2001 programmierte er die erste Version der Software, die später
als
MediaWiki bekannt wurde und Wikipedia zugrunde liegt. Auch heute noch ist
er ehrenamtlich unterwegs und baut spannende Non-Profit-Tools – zum
Beispiel
WikiFlix, eine freie Filmdatenbank für gemeinfreie Filme.
Die Data Reuse Days zeigen eindrucksvoll, welchen Mehrwert
vorhandene Daten haben, wenn sie richtig kombiniert werden. Viele
Nutzungsmöglichkeiten hätten sich die ursprünglichen Urheber der
Daten nie träumen lassen, aber jede neue Anwendung erhöht den Wert
freier Daten für alle.
Ein gutes Beispiel dafür ist WikiFlix, das Magnus auf den Data
Reuse Days 2025 vorgestellt hat. Der freie Streamingdienst
präsentiert tausende Filme und dazugehörige Informationen in einer
vertrauten Oberfläche. Wie bei Netflix nur mit gemeinfreien Filmen!
Wikidata enthält derzeit rund 31.000 Einträge zu Filmen. Wenn ein
Film unter Public
Domain steht – also frei genutzt werden darf – ist diese
Information oft direkt im Dateneintrag zum Film vermerkt. Die
Filmdateien sind auf Plattformen wie Wikimedia Commons, YouTube oder
Internet Archive verstreut. WikiFlix bringt sie an einem Ort
zusammen – mit Hilfe so genannter Identifier. Ein Identifier
ist eine eindeutige Bezeichnung, oft eine Kombination aus Zahlen
und Buchstaben, die einen Film (oder eine Person, ein Kunstwerk
usw.) in einer Datenbank eindeutig identifiziert. Die Datenbank von
WikiFlix synchronisiert sich stündlich mit Wikidata. Sobald jemand
einen Identifier aus einem Filmarchiv zu einem Filmeintrag in
Wikidata hinzufügt, erscheint dieser kurze Zeit später auch in
WikiFlix.
Mein wichtigster Rat an Entwickler*innen: Lasst eure Daten frei!
Selbst kleine Datensätze können großen Mehrwert bringen. Und wenn
ihr ein Problem löst, fragt euch: Kann das noch allgemeiner gedacht
werden? Könnten andere diese Lösung ebenfalls nutzen? Wikidata ist
einzigartig – eine offene, vernetzte Wissensbasis über alles,
regelmäßig gepflegt von einer Community. Durch die Verknüpfung mit
externen Identifikatoren lassen sich Daten aus verschiedenen
Quellen kombinieren und völlig neue Zusammenhänge erschließen. Das
macht Wikidata so mächtig.
Natürlich gab es noch viel mehr spannende Anwendungen, die auf
den Data Reuse Days vorgestellt wurden. Sie alle hatten eins
gemeinsam: Durch kreative Kombinationen von Daten wurden Mehrwerte
für Menschen auf der ganzen Welt geschaffen.
Für alle, die die Data Reuse Days verpasst haben und erfahren
wollen, welche Apps noch vorgestellt wurden: Die gesamte
Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann hier jederzeit noch
einmal angeschaut werden:
Wer Lust bekommen hat, weitere spannende Beispiele zu entdecken
oder gleich mit Wikidata arbeiten möchte, findet mehr Informationen
auf unserem Wikidata Entwickler*innen
Portal.
Das Ereignis warf schon monatelang seine Schatten voraus. Von
Reisen8 freundlichst ermuntert, meldete ich mich im November 2024
zum Berlinale
Edit-a-thon an. Und nun ist er schon Geschichte. Und muss, wenn
nicht „in die Geschichtsbücher“, so doch in mein eigenes,
persönliches Geschichtsbuch – und in diesen Blog. Aber es ist in
diesen Tagen so wahnsinnig viel passiert! Womit fange ich bloß
an?
Ich könnte meinen Bericht natürlich mit dem gemeinsamen Essen im
Maman (nicht: Samadhi!) beginnen. Der Raum füllte sich schnell mit
Wikipedia-Begeisterten, die Stimmung war gut und so entschied ich
mich für das Gericht „Long Life“. Es war schön, Benutzerinnen
kennenzulernen, die mir bisher nur onwiki bekannt waren, oder
diejenigen wiederzusehen, die ich von
WikiCons kannte. Nach dem Essen noch einen kleinen
Touri-Spaziergang zum Brandenburger Tor und zum Reichstag. Nur:
Alles der Reihe nach erzählen – ist das nicht langweilig?
Also dann vielleicht starten mit dem Besuch der Filmtonmeisterin
und Klangkünstlerin Claudia Mattai del Moro bei uns im Edit-a-thon!
Das war spannend: eine Tonmeisterin, die am Filmset dafür
verantwortlich ist, den O-Ton einzufangen! Wie viel Aufwand das ist
– und wie wenige Frauen in Tonberufen tätig sind („Wir töpfern
nicht“)! Es gibt die unterschiedlichsten Gewerke allein beim Ton:
Mischtonmeisterin, Geräuschemacher, Sounddesignerin,
Synchron-Aufnahmetonmeister, Soundeditorin, Synchron-Editor… Ich
weiß nicht: Mit einem Programmpunkt beginnen, der erst mal nichts
mit Wikipedia zu tun hat?
Besser den Spontanworkshop von Kaethe17 an den Anfang stellen:
Produzieren von Audioaufnahmen der Namen von Filmschaffenden und
Filmtiteln. Die Aussprache deutscher Namen mögen für uns banal
wirken, für internationale Gäste der Berlinale sind sie wichtig.
Genauso wie für uns die Artikulation von Namen anderer Sprachen,
auch über die Berlinale hinaus. Für die Nachwelt hier ein Ergebnis dieser
Einführung (Danke, Osenji!). Die angeregte Diskussion über das
Projekt Gesprochene Wikipedia
könnte ich auch erwähnen. Oder einleiten mit dem Kernthema, dem
Editieren?
Denn natürlich gab es ein frohes Schaffen an den „digitalen
Endgeräten“, viel Austausch, gegenseitige Hilfestellung, neue
Einsichten und Erkenntnisse. Gar nicht so leicht war die Wahl eines
geeigneten Artikelthemas, und zwar nicht, weil es so wenige
Möglichkeiten gibt, sondern so viele! Außerdem eine bereichernde
Erfahrung: nicht über wechselseitige Edits an einer Seite arbeiten,
sondern den Artikel im persönlichen Gespräch durchgehen, an
Formulierungen feilen und sich auf Tippfehler hinweisen. Es gibt
für Wikischaffende eine Welt jenseits des stillen Kämmerleins,
jenseits von Tastatur und Bildschirm! Quasi wie nebenbei gab es
gemeinsame Planungsüberlegungen zu Wikipedia im
Ingeborg-Bachmann-Jahr 2026, ganz ohne lange Diskussionsbeiträge
und E-Mails. Oder die überraschende Erkenntnis, dass auf manchen
Seiten die Aufrufzahlen von Bildern abnehmen, je weiter unten sie
stehen, und dass das Hinweise darauf sein können, wie weit Artikel
gelesen werden. Das hieße aber zu sehr ins Detail gehen. Der Beginn
muss catchy sein!
Der gesellige Ausflug einer Kleingruppe am Samstagabend ins
„Krematorium Wedding“ wäre was. Beeindruckende Architektur,
heutzutage glücklicherweise mit neuer Nutzung als „silent green
Kulturquartier“. Das „Krematorium“ strahlte durch
Lichtinstallationen in tausend Farben. Und es gab einen abgespacten
Berlinale-Kurzfilm an der achteckigen Kuppel der „Urnenhalle“ zu
sehen. Filmgucken im Liegen – nett! Oder überhaupt: Dass manche
ohne Kinokarte während des Edit-a-thons noch an eine gelangt sind
und sich, wer schon ein Ticket hatte, unverhofft in einer anderen
Vorstellung wiederfand! Oder als Schiplagerheide und ich nach dem
Besuch von Tykwers „Das Licht“ auf dem Weg zum Hotel quasi durch
die Filmkulisse gelaufen sind!
Natürlich sollte man unbedingt die gute Organisation von Reisen8
und Grizma und der Wikimedia-Geschäftsstelle
erwähnen und das leckere Essen dort! Aber das wäre mehr was fürs
Ende.
Die Teilnehmenden am Berlinale Edit-a-thon 2025
reisten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und sogar
Griechenland an – darunter erfahrene Wikipedianer*innen mit über
20.000 Edits ebenso wie engagierte Anfänger*innen. Das gemeinsame
Ziel der Gruppe: Die Wikipedia um möglichst viele Einträge zu
weiblichen Filmschaffenden zu bereichern.
Über 60 neue Artikel auf Deutsch, Alemannisch, Französisch und
Russisch kamen bei der Schreibwerkstatt zusammen, die in dieser
Form bereits im sechsten Jahr stattfand. Darunter Einträge zu
aktuellen Berlinale-Filmen mit Frauenbezug wie der
Hildegard-Knef-Doku „Ich will alles“, oder zu weiblichen
Filmschaffenden wie Elke Biesendorfer aus dem
Berlinale-Eröffnungsfilm „Das Licht“. Dazu entstanden Fotos von den Stars
auf dem Roten Teppich, oder der neuen Festivalchefin Tricia Tuttle,
die jetzt auf Wikimedia Commons unter freier Lizenz zur Verfügung
stehen.
Frauen im Filmton: Edit-a-thon
setzt Fokus auf mehr Sichtbarkeit
Am Samstag machten sich die 31 Wikipedianer*innen dann in der
Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland in Berlin an die Arbeit.
Grizma und Reisen8, die beiden Initiatorinnen der
Veranstaltung, gaben eine Einführung zur Themen-Suche sowie zum
Einbinden fertiger Artikel auf den Seiten des Edit-a-thons.
Ein Schwerpunkt des diesjährigen Edit-a-thons lag auf Frauen,
die beim Film im Bereich Ton tätig sind. Deswegen besuchte die
Schweizer Tonmeisterin Claudia Mattei del Moro den
Edit-a-thon und erzählte von ihrer Arbeit, ihrer Ausbildung und dem
immensen Gendergap in ihrem Berufsfeld. Eine Inspiration für die
Teilnehmer*innen – unter anderem ist die Wikipedia jetzt um einen
Eintrag zur Sounddesignerin Rana Eid reicher.
Austausch, Vernetzung und neue
Skills: Ein erfolgreicher Edit-a-thon
„Kleine und große Fragen wurden an diesem Wochenende geklärt:
Wie schreibt man über nicht-binäre Personen? Was tun, wenn jemand
in all meine Artikel Qualitätsbausteine setzt?“, erzählt Reisen8.
Besonders erfreulich in ihren Augen: „Diesmal war auch für die
Fortgeschrittenen etwas Praxisnahes dabei: Wie eine Tondatei mit
der Aussprache eines Filmtitels oder Namens erzeugt, bearbeitet,
hochgeladen und in Artikel eingebaut wird, das wussten selbst die
meisten Erfahrenen zu Beginn der Veranstaltung noch nicht.“ Die
Wikipedianerin Kaethe17 führte Schritt für Schritt durch
diesen Prozess, an dem sich online auch die japanische Userin
Wadakuramon beteiligte. Anhören
können Interessierte sich die Ergebnisse hier.
Mit den Tondateien wird jetzt auch weitergearbeitet: Namen von
Filmfrauen und Filmtiteln, die eine Französisch-Muttersprachlerin
im Kontext der Veranstaltung eingesprochen hat, werden bei der Veranstaltung
“Frauenzimmer” im lokalen Raum WikiMuc weiterverarbeitet und in
die entsprechenden Artikel eingebaut.
Neben dem Inhaltlichen war aber vor allem die Vernetzung ein
großes Ziel des Edit-a-thons, betont Reisen8: „Ein Löschantrag, der
auf einen gerade erst entstandenen Artikel gestellt wurde, war dank
der anwesenden Community schnell vom Tisch. Neue Projekte wurden
verabredet, Strategien besprochen. So viele Menschen, die wir jetzt
persönlich kennen und bei Konflikten um Unterstützung bitten können
– wenn das kein Gewinn ist!“
Vier
Wikipedianerinnen hören dem Vortrag von Claudia Mattai del Moro
beim Edit-a-thon zu.
Wikipedianer Psittacuso hat vom 14. bis 16. Februar am
Berlinale Edit-a-thon teilgenommen. In seinem Erlebnisbericht
schildert er, wie er diese Erfahrung erlebt hat.
Die österreichische Kernphysikerin und Pionierin der Radiochemie
ist ein Paradebeispiel für den Matilda-Effekt: Sie trug wesentlich
zur Entdeckung der Kernspaltung bei, den Nobelpreis erhielt jedoch
ihr Kollege Otto Hahn.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts kritisierte die
Frauenrechtlerin und Journalistin Matilda Joslyn Gage, dass
wissenschaftliche Leistungen von Frauen oft übersehen oder ihren
männlichen Kollegen zugeschrieben würden. Die
Wissenschaftshistorikerin Margaret Rossiter nannte dieses Phänomen
später den Matilda-Effekt.
Die britische Biochemikerin erlebte Ähnliches. Für die
Entdeckung der DNA Doppelhelix wurden allein die Molekularbiologen
Francis Crick und James Watson mit dem Nobelpreis für Medizin
ausgezeichnet. Dabei war sie es, die die Theorie zur DNA-Struktur
bestätigte. Die Männer nutzten die unveröffentlichten Daten
Rosalind Franklins ohne deren Erlaubnis.
Die amerikanische Informatikerin und Mathematikerin ist die
unbekannte Heldin der Mondlandung. Während den meisten nur Neil
Armstrong und vielleicht noch Buzz Aldrin ein Begriff ist, war sie
es, die den Computercode entwickelte, der die Mondlandung erstmals
ermöglichte.
Aktuell beträgt der Anteil von Frauenbiografien in der
deutschsprachigen Wikipedia 18,2 Prozent. Seit 2009 hat sich der
Gender Gap bei Biografien
insgesamt um 3,6 Prozentpunkte verringert. Dies ist unter anderem
zahlreichen Projekten zu verdanken, in denen Ehrenamtliche gezielt
an Artikeln über Frauen arbeiten.
Die fehlenden Frauenbiografien – aufgrund der rot markierten
fehlenden Links „Women in Red“ (und in der deutschsprachigen
Wikipedia Frauen in Rot) genannt – werden auf der gleichnamigen
Projektseite gesammelt. Dort kann auch die Entwicklung der Zahlen
im Live-Ticker verfolgt werden. Eine eigene Statistikseite
dokumentiert außerdem den Anteil von Biografien nicht-binärer,
inter- und transgeschlechtlicher Menschen in der Wikipedia.
Die amerikanische Chemikerin entwickelte Anfang des 20.
Jahrhunderts die erste Methode um Lepra zu heilen. Sie starb,bevor
sie ihre Ergebnisse veröffentlichen konnte. Der Chemiker Arthur L.
Dean tat dies stattdessen, ohne ihren Namen zu nennen. Erst 1922
wurde Balls Leistung öffentlich gewürdigt.
Sie möchten, dass Forscherinnen die Anerkennung erhalten, die
sie verdienen, und haben Interesse daran, zu Wikipedia, Wikimedia Commons oder Wikidata beizutragen? Lernen Sie, wie es geht!
Mit der 30-Tage-Wikipedia-Challenge entdecken Sie Schritt für
Schritt den Kosmos der Wikimedia-Projekte und werden
ans Teilnahme herangeführt.
In der Reihe W wie Wiki-Wissen präsentieren wir spannende,
kuriose oder überraschende Fakten aus den Tiefen der 3.000.000
Artikel der deutschsprachigen Wikipedia. Das können Informationen
zu Jahres- oder Gedenktagen, großen Ereignissen oder aktuellen
Debatten sein. Für das Gespräch beim Abendessen, den Smalltalk in
der Mittagspause, die Unterhaltung bei der Familienfeier – und alle
anderen Gelegenheiten, bei denen man mit Wiki-Wissen glänzen
kann.
Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein
Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren
umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal
intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und
mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach
mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der
deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man
die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind.
Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am
Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem
Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger
peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.
Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen
Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein
Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu
unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es
geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen
2012 bringt es der Roman auf den Punkt:
Auf deutsch etwa:
„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können
etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys
Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber
verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber
beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen
entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine
PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der
das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich
schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade
schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu
nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder
hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu
fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“
Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen
Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber
professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen
Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören.
Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten
Mehrwert zu bieten.
Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der
Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012
richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden
Community im Jahr 2022.
(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie
Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto
versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)
Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich
heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint
es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem
jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit
dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu
„verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach
einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und
in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.
Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft
Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal
lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr
teilhaben.
Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere
mich noch einmal und deklamiere:
Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die
Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im
Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren
wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins
herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher
Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und
besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den
wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.
Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt
Semantic
Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich
mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun
technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki
abhängig. Weitere wichtige Änderungen:
Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions
eingesetzt.
Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind
nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht
vorhanden ist.
Weiters wird nun Cargo unterstützt, es
lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die
Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind
andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte
speichern zu lassen.
Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf
eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.
Die MediaWiki Stakeholder’s
Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere
Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und
die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die
Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die
offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas
andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es
geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in
Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der
Software voranzutreiben.
Interessante neue
semantischeErweiterungen
gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und
Metatags:
Semantic Breadcrumb
Links – mittels Attributen können Breadcrumbs erstellt
werden, die eine Hierarchie erzeugen, ohne Unterseiten erstellen zu
müssen.
Semantic Cite – unabhängig
von der Cite
Erweiterung, ermöglicht das seitenübergreifende Verwenden von
Zitaten und eine automatische/manuelle Quellenliste.
Semantic
Interlanguage Links – automatische Sprachanzeigen (gibt es
diese Seite in anderen Sprachen?) in Wikis mit Interwikis.
Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat
Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für
Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen
beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht,
die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes
voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und
Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht
schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller
Erfolg.
Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der
schönen Fabra
i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40
Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen
teil.
Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal,
die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert
ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses
Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist
noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition
eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und
Spottdrossel.
Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste:
ein Gedicht.
Wikipredia
Die Regeln existieren und doch
nicht nach Mondstand
Die Ethik absolut seit
Anbeginn nein denn ja
Die Praxis gesperrt verworfen
gelöscht freigeschaltet
Wikipredia Darwinismus der
Agenturen Überleben des
Dreistesten
Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)
Wikipedia-KNORKEerwähnte ich ja an
dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und
Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen
unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas
besonderes: Auf ins Museum!
In Berlin gastiert gerade die Darmstädter
Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem
Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und
Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des
16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren.
Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des
exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.
Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor
dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine
Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur
Sonderausstellung "Holbein
in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die
Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber
engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen
Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige
Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von
Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen,
sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der
besseren Kunstausstellungen.
Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten
Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des
Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des
Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation
war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir
staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem
Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied
zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt.
Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing -
vermutlich in der Martinskirche
als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus
Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum
Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum
spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen
über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt,
ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die
Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des
Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?
Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und
einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner
Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen
bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur
eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter
lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der
Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das
Darmstädter Gemälde. Eine Sensation, da die Kunstkennerschaft
vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes
ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein
sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der
Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die
Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich
später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem
ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen
naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die
originale der beiden bestätigten.
Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes
(beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus
unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das
Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".
Hans Holbein der Jüngere:
Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532.
Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen
Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz
Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden
Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der
Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der
Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer
Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist
Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise
fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch
mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete
wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London.
Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann
noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum
nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue
Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.
Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu
entdecken.
Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich
die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und
sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene
Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde
Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.
In der Ferne betrachtete ich die Türme des
Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der
Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im
Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg:
Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg
vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den
Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder
die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später
über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.
Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die
Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die
Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich,
unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes
Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig
ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.
Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte
ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der
Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der
Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über
Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu
sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr
Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch
damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu
machen.
Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl.
Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch
das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia
steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der
Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken.
Diese Gedanken bedurften des Kontextes.
Was ist die Wikimedia Foundation?
Die Wikimedia
Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie
zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und
Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik,
ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien
passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte,
ein Endowment von 90
Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen
US-Dollar.
Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia
Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich
kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie
ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben
keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel
oder legen Inhalte in den Projekten an.
Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer
Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich –
niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell
aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze
Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu
lassen.
Das Board of Trustees ist das
ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16
Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze
besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite
Communitywahl bestimmt.
Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450
Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board
eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick
über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe.
Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine
bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.
Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich
hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner
Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte
machen und besetzt die Geschäftsführung.
Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der
Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend.
Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief
Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen
Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf
dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die
Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell
und kompetent zu beenden.
Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien
erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie
sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen
eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten.
Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur
Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das
erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die
Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“
Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts
der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich
Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die
nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können.
Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine
allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr
spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht
kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu
stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen
können.
Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier
Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie
Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele
Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die
fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.
Die Urgesteine
Dariusz
Jemielniak – Professor of Management,
daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der
intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.
Rosie
Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women
in red, you name it. Bei überraschend vielen der
Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie
Stephenson-Goodknight beteiligt.
Gerard Meijssen – gefühlt
war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht
der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.
Mike Peel – langjähriges
Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in
der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.
Ravishankar Ayyakkannu – Mr.
Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der
Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google)
zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht
nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und
Berufstätigkeit dort durchführte.
Lorenzo Losa –
Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.
Farah Jack Mustaklem – Software Engineer,
einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den
Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir
persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft,
andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.
Douglas Ian Scott –
Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania
2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am
Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser
kennenlernte – und begeistert war.
Iván Martínez – langjährig
engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich
hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.
Pavan Santhosh Surampudi –
Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell
etwas von Communities.
Adam Wight – Programmierer,
Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des
Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und
Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.
Vinicius Siqueira – in Wiki
Movimento Brasil
Newbies
Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene
Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte
oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren
Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.
Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur
Wen werde ich wählen?
Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des
Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das
Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden
bevorzugt.
Die Top 4
Douglas Ian Scott
Iván Martínez
Adam Wight
Dariusz Jemielniak
Top 8
Rosie Stephenson-Goodknight
Lorenzo Losa
Farah Jack Mustaklem
Gerard Meijssen
Wählbar
Reda Kerbouche
Pavan Santhosh Surampudi
Ravishankar Ayyakkannu
Wer wird wählen
Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem
Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig
angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben,
kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein.
Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu
erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen
Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es
hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.
Das Wahlsystem
Es gilt das Präferenzwahlsystem.
Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders
fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele
andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten
eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit
war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.
Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach
Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat
danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für
geeignet, hört man auf zu nummerieren.
Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“
gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus.
Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die
„2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden
weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele
Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.
Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am
Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich
öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die
nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert.
Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im
Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am
Bahnsteig.
Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner
Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren. Eine Frau
entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen
Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der
angezeigten 32.“
Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere
Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten
Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem
Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium,
die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von
Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?
Illustration aus
dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de
Neuville & Léon Benett
Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils
Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover
ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt.
Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche
Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr
normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen
Kindheit:
„Meine Mutter nannte dann immer eine
Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les
ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch
aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs
berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […]
Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene
Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir,
zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der
Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich
verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem
Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu
grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden,
Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das
alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker.
[…] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“
Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist,
sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?
Forschung Maschinenbau Braunschweig
Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht
normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir
„Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig
hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als
gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.
Braunschweig.
Bahnhofsvorplatz.
VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich
wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem
Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle
und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich
Willkommen.“
Vor allem aber fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie
unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte
keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die
irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass
selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten
gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber,
offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser
gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen
darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie
frisch aus der Packung genommen.
Wegbier. In
Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber
stilgerecht,
Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben
gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt.
Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle,
sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.
Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und
hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins
Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend,
wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen
auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr;
geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die
Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:
„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste
Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine
hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem
Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region
Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus
über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000
Beschäftigte in 250 Unternehmen der
Hochtechnologie[106]“
Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten
Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste
ist Braunschweig die innovationsfreudigste Region der EU vor
Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier
lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules
Verne.
Jules Verne
Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und
vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem
vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der
Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde
bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten
ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules
Verne und Gesprächen zu Wikipedia.
Volker Dehs
bestreitet das halbe Programm
Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den
1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau
eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war
als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum
ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen
können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in
die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere
niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.
Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er
als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure
und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren
Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in
Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich
gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die
Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden,
waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind.
Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht
besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.
Haus der
Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.
Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor
Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder
eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern
durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne
eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der
göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine
sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich
bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich
Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann
nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem
beeinflusst waren
Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die
Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden
wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste.
Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen
zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so
viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.
Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der
Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der
Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde
später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang,
dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer
weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang,Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich
habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden.
Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer
Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur
die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in
anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser
Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews
darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr.
(*Affiliate Links)
Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk
gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es
(fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne
Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese
vor allem dem Zweck zu reisen.
Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.
Die Phantastische Bibliothek
Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar
mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek
Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang
Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler.
Thadewald verstarb 2014. Er
lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch
persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit,
seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit
mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit
schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht
lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend.
Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des
Programms.
Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia
Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei
hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen:
Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der
Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers
zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die
Berichte werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von
Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden
wollen und in die Zukunft denken.
Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten
Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist
gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die
Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.
Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes
Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek
ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine
große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen
schreiben.
Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch
gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im
Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman
nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was
so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie
Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt
logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach
links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue
Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist,
dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.
Mensch Maschine Normal
Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket
meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese
Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“
vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die
Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws]
telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten
Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen
Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin
besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10
Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?
Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In
seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in
Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer
Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.
Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem
Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:
„Nichts gegen das große Geld und die
wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer
Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in
Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping
Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter
Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder
Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle,
Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt
es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien
beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man
in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss.
Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr
voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal
schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen
Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von
struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)
*Dieser Post enthält Affiliate Links zu geniallokal. Es
handelt sich dabei um Werbung. Ich bekomme eine kleine Provision,
wenn ihr dort bestellt, und ihr habt bei den Guten
bestellt.
I still remember the time when real life meetings for
Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one
really want to meet these strange other people from the Internet?
How would they be? Could they even talk in real life or would they
just sit behind a laptop screen staring on it for hours?
My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in
Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!)
sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen.
These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and
personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the
movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice
evening.
So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the
old school way. Half improvised, organized by our dearest local
troll user:Schlesinger
on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come
and what would happen except some people having a good time.
And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg
seven people promised to come, in the end we were almost twenty.
Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian
active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a
half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia
Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we
just talked and laughed, talked about history and future.
Actually, mostly we talked about future.
About the Wikipedian above 30, who has just started a new a
university degree in archaeology, the question whether the Berlin
community should have its own independent space, industrial beer,
craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the
temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending
machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the
future, who should come to the open editing events, how to work
better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there,
looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather
not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia
to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.
No frustration, almost no talk about meta and politics, just
Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be
active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old
school. So good.
Crossposting eines Posts von mir aus demWikipedia
Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere
Menschen.
Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal
weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten
Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen
spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und
Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind
und gearbeitet haben.
Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias
kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie
armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten -
fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden.
Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter
einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und
Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor
allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder
verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von
Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im
Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie
unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an
einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass
sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die
Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr
fleißige Autorin? Wer weiß?
Viele Wikipedianerinnen und
Wikipedianer sind derzeit inaktiv.
Anlässlich des Projektes
WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele
Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele
Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher
fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer
sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir
bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat,
musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter
Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren
dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört
haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre
Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend
war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in
Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um
diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas
Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der
Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige
Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding
in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.
Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße.
Ein Mammutwerk von Gtelloke,
dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast
ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.
Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung
Invalidenstraße von Gtelloke
Da ist der Artikel zum Wedding selber.
Angelegt 2002 von Otto, dessen
letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann
maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich
auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu
Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren
Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im
November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur
Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite
zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König
ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes!
Licht und Liebe''
Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64,
auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und
acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die
Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von
berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute
noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin
freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel
etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.
Der Leopoldplatz;
angelegt von Frerix, der in
den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur
eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine
Diskussion verwickelt wurde. Zu seinen wenigen Beiträgen
gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage
der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in
Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg.
Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine,
die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv
ist.
Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend
wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte
in seiner Frühzeit von WHell,
engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher
Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der
letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich
möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den
Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten
Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den
späteren Jahren durch Peterobst –
aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur
Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner
und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten
80.226.238.197, von Georg
Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht
unregelmäßig), Flibbertigibbet
2006 ,
79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine.
Weiter ausgebaut von Onkel
Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und
vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit
der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und
hielt sich im Wesentlichen daran.
Da ist der Volkspark
Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005,
aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut,
umfassend überarbeitet 2007 von
84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka.
Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014,
die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.
Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin
Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in
Berlin, Wedding (Mitte). Von:
Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch
heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und
Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv,
Magadan,
Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.
Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur
einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen.
Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an
den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich
weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir
angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine, Fridolin
freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt
sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns
kamen.
Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über
Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der
serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen
haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind,
rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.
Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah
sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon
zumindest ein Admin gebannt.
Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder
genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit
gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp
behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen
einen Genozid an Deutschen verübt hätten.
Der ganze Bericht kann
hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl
traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht
aufklären und nicht Propaganda verbreiten!
Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen,
sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es
nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.
Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die
Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry
und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel
Erfolg!
Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite
zur
Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen
stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder
auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine
ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und
logischen Extremsports.
Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad
(1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo:
102.
Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:
"Warum
gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit
Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach
Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir
auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft
bestätigt worden. Warum?"
Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die
immerhin folgendes ergab:
* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten
sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli,
darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der
DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere
Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in
vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die
westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als
Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war
Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde
Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen,
Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce
Carbonara!
Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild:
Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian
Ammon, Lizenz: CC-BY-SA
3.0
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an
exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti,
Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika
des geteilten Deutschlands.
Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber?
Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?
Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige
Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische
"Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen
Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl
Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni
werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30
Minuten gekocht.
Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal
Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als
"Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte
man darauf, daß sie nicht hohl sind"
Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur
bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine
Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar
schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.
Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine
Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch
Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das
frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen"
waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts
entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.
Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus
Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für
junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische
europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber
anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern
auch Pasta.
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild:
Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade,
1773.
In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni
für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed
and even spoke in an outlandishly affected and epicene
manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch:
"Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch
die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.
Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern
ist nun wiederum im Englischen der Macaroni
penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.
Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil,
nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South
Georgia von Liam Quinn,
Lizenz: CC-BY-SA
2.0
Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann?
Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia
of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen
Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge
unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert.
Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ
problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da
maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte
stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im
Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form
des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter
anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum
trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild:
Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di
maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo:
6204.
Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR
zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern
plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die
Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in
der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu
"Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der
DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab?
Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in
vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es
ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu
recherchieren.
Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten
Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines
davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.
Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer
Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich
ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so
fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger
vereisen ließ.
Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener,
Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter
verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der
Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die
Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen
und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über
der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.
„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz!
Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns
problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie
antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte
Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner
ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.
Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein
sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette
wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das
Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir
Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu
erfrieren.
Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am
Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der
Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im
Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße
Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es
nur scheißkalt. Ich gehe.“
Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video
erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia
Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für
die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den
Link.
Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast
nur Technik und kreative Sachen.
Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll
gehen?
Southgeist: Schau doch mal.
Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner
Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären
kaputt.
Hüpfburg: I like the music.
Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.
Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen?
In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom
Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber,
was für Tools vorkommen.
Die coolest Tools
Ich erzählte.
Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser
(Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot
generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer
noch ihre Seiten“), Proofread
Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“),
Listen to Wikipedia
(„Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer
kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den
Event integrieren“), AbuseFilter
(„Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I
like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools.
(„Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)
Pywikibot
Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders
gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem
Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf
dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können
prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch
können – nur schneller.
Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch
muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als
ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl
gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum
Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein
Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt –
und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen
automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich
ausbremst.
Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem
Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle
Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die
sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von
Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia
war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was
Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die
Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die
heutigen Wikipedistas.
DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind
solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast
20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist
der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“
Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert
erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten
Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie
bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit
gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft
aber nur selten fundamental Neues.
Change Musiker to Musiker*innen
„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu
urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine
wichtige Aufgabe erfüllt.
DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle
‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse.
Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“
DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so
strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie
einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an
die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki
aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“
Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun
und die sind superfreundlich dort.“
DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das
wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch
nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da
haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter
dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich
noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine
gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die
Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende
Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“
„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und
die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle
Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris,
Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“
sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der
Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer
noch keinen Artikel von ihr.“
Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“
Ruhe. Hüpfburg dachte.
„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen
auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia
anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen.
Vielleicht ist es einen Versuch wert.“