Mit der Nationalen Bildungsplattform möchte das Bildungsministerium eine Art digitale Meta Plattform etablieren, die bestehende Bildungsangebote bündelt und verfügbar macht. Sowohl Individuen als auch Bildungseinrichtungen sollen bundesweit Zugang zu digitalen Lehr- und Lernangeboten haben. Außerdem können Zeugnisse und Zertifikate zentral gesammelt und nach Bedarf freigegeben werden. 

Eine Studie im Auftrag von Wikimedia Deutschland hat allerdings deutliche Kritikpunkte an dem Millionenprojekt hervorgebracht. So folgt die Plattform einem Verständnis von Bildung und Lernen, das Bildung als Dienstleistung und Ware und rein zum Erwerb arbeitsmarktrelevanter Qualifikationen versteht. Pädagogische Fragen haben bei der bisherigen Planung offensichtlich kaum eine Rolle gespielt. Außerdem fehlen Governance-Strukturen – beispielsweise ist nicht klar, welche Daten an welchen Orten gespeichert werden oder nach welchen Kriterien der Algorithmus die Sichtbarkeit von Lernangeboten vorschlägt. 

Kleine Anfrage an die Bundesregierung eingereicht

Aufgrund der Ergebnisse der Studie hat Wikipedia Deutschland im November 2022 einen kompletten Neustart oder zumindest eine Reform des Projektes gefordert. Doch was ist seitdem passiert? Plant die Bundesregierung aufgrund der Studienergebnisse den Projektplanungsprozess zu verändern und anzupassen? Werden die Empfehlungen aus der Studie Eingang in die weitere Arbeit zur Entwicklung der Nationalen Bildungsplattform finden?

Diese und zahlreiche weitere Fragen liegen der Bundesregierung aktuell in Form einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE vor. Hoffentlich werden diese bald beantwortet.

Mehr zum Thema

Podiumsdiskussion und Vorstellung der Studie „Offen und gerecht – Wird die Nationale Bildungsplattform ihr Versprechen einlösen?“

Die von Wikimedia Deutschland initiierte Studie „Werte und Strukturen für die Nationale Bildungsplattform“ untersucht unter anderem, welche Standards für Lernen durch technologische Entscheidungen gesetzt werden. Am 8. November 2022 haben wir die Studie vorgestellt und sie im Rahmen einer prominent besetzten Podiumsdiskussion diskutiert. 

By clicking on the play icon, you consent to YouTube or Google processing your data. To find out which data is processed by YouTube, please read YouTube’s Privacy Policy.

Außerdem Lesenwert

Rückblick im Wikimedia-Blog: Neustart oder Reform? Die Nationale Bildungsplattform auf dem Prüfstand

netzpolitik.org: Studie kritisiert geplante Nationale Bildungsplattform

News4teachers: Wikimedia fordert, den Aufbau der 630 Millionen Euro teuren Nationalen Bildungsplattform zu stoppen – bis die Ziele geklärt sind

The post Nationale Bildungsplattform: Kleine Anfrage an die Bundesregierung appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Am 29. November 2022 war es soweit: Die vierte Ausgabe der Schreibwerkstatt #100WomenDays startete mit dem Ziel, bis zum Internationalen Frauentag am 8. März durch mindestens 100 neue Frauenbiografien in der Wikipedia die Online-Enzyklopädie anzureichern. Ausgangspunkt dafür ist das Wissen über den bestehenden Gender Gap in der Wikipedia. Lediglich 17,3 % der bestehenden Biografieartikeln in der deutschsprachigen Wikipedia befassen sich mit dem Leben und Wirken von Frauen. 
Die diesjährige Ausgabe des Projekts übertraf nicht nur das selbst gesteckte Ziel, sondern auch die Ergebnisse der vergangenen Jahre. Schon am sechsten Aktionstag wurde die Marke von 100 neuen Artikeln geknackt; zum Projektende konnte mit 1416 neuen Frauenbiografien das Vorjahresergebnis um 226 Artikel überboten werden.

Stärkster Zuwachs bei Artikeln über Sportlerinnen und Künstlerinnen

Die Kategorie mit dem stärksten Zuwachs war die der Sportlerinnen (440 Artikel), gefolgt von Künstlerinnen (280) und Wissenschaftlerinnen (197). Doch auch die Kategorien der Berufspilotinnen, Geistlichen und Informatikerinnen haben Dank #100womendays viele wertvolle Neuzugänge zu verzeichnen.

Der Aktionszeitraum startete mit der Biografie zu Femke Gerritse, ihres Zeichen Radrennfahrerin aus den Niederlande, und fand mit der US-amerikanischen Biologin Maria Elena Zavala seinen Abschluss. Dazwischen fanden  beispielsweise die Französin Fanny Loinger, deren Einsatz als Widerstandskämpferin 400 jüdische Kinder vor der Deportation rettete, Spaniens erste Universitätsstudentin Matilde Padrós und die marshallische Schriftstellerin und Klimaaktivistin Kathy Jetn̄il-Kijiner Einzug in die Online-Enzyklopädie. Auch wenn Einträge über US-amerikanische Frauen die diesjährige #100WomenDays dominieren (244 Artikel), sind auch Frauen aus Deutschland stark vertreten. Sie machen mit 192 Einträgen den zweitgrößten Teil der neuen Frauenbiografien aus. Darunter sind unter anderem die Astronomin Wilhelmine Witte, deren Mondglobus von König Friedrich Wilhelm IV. auf Anraten von Alexander von Humboldt für die Königliche Kunstkammer erworben wurde und die Fotografin Rose Hajdu, die 2009 den Stuttgarter Hauptbahnhof vor dem geplanten Teilabriss im Zuge des Bauprojekts Stuttgart 21 fotografisch dokumentierte.

Wer nun Lust bekommen hat, sich die 1416 neuen Einträge zu Gemüte zu führen, kann das hier tun. In den umfangreichen Statistiken gibt es noch viele weitere Infos, zum Beispiel über die teilnehmenden Wikipedianer*innen. 

Schreibaktion #100WomenDays 2023 im WikiMUC
Amrei-Marie, Editathon-wikimuc-100womendays 3, Ausschnitt von anonym, CC BY-SA 4.0

Die Erfolgsgeschichte der #100womendays

2019 initiierte der lokale Wikipedia-Raum Lokal K in Köln die erste Ausgabe der #100WomenDays. Seitdem hat sich die Schreibaktion zu einer wahren Erfolgsgeschichte entwickelt: Wurden zum Start 585 neue Artikel geschrieben, waren es im Jahr darauf schon doppelt so viele. Im dritten Jahr verfasste die Community beeindruckende 1.190  Beiträge über Frauen. 

Nicht nur der diesjährige neue Artikel-Rekord kann gefeiert werden. Auch immer mehr Wikipedianer*innen machen mit. Dieses Jahr boten zum Beispiel auch die lokalen Community-Räume WikiBär in Berlin und WikiMUC in München neben der Online-Arbeit auch Edit-a-thons vor Ort an, an denen gemeinsam geschrieben wurde. Besonders für neue Interessierte eine tolle Möglichkeit, niedrigschwellig in die Welt der Wikipedia einzusteigen.

Feministische Arbeit das ganze Jahr über

Der Weltfrauentag und das Projekt #100WomenDays sind also immer ein guter Anlass, in der Wikipedia für mehr Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Frauen zu sorgen. Die feministische Arbeit der Community setzt sich aber auch unterjährig fort. Wikimedia Deutschland schätzt und unterstützt Initiativen, die sich diesem Thema annehmen. Die Schließung des Gender Gaps in der Wikipedia sowie feministisches Schreiben über diesen Hinaus setzen wichtige Schritte hin zu Wissensgerechtigkeit, der sich die globale Wikimedia-Bewegung als Ziel verschrieben hat. 

Diese Initiativen und Projekte machen sich u. a. für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Wikipedia stark:

WomenEdit
Women in Red 
FemNetz 
wiki:wo:men
Who writes his_story
Art+Feminism
Berlinale FilmFrauen Edit-a-thon

The post Neuer Rekord für #100WomenDays: Wikipedia um 1416 Frauenbiografien reicher appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Die öffentliche Vergabe ist ein wichtiger Hebel für die Entwicklung von Inhalten wie Software, Gutachten, Daten, Studien, Beratungsergebnisse und mehr. Allein im ersten Halbjahr 2021 vergaben Bund, Länder und Kommunen knapp 28 Mrd. Euro in Form von Dienstleistungsaufträgen; gleichzeitig ist bekannt, dass knapp drei Viertel des Vergabevolumens für IT-Dienstleistungen und IT-Technik ausgegeben werden. Wikimedia Deutschland setzt sich dafür ein, dass diese zahlreichen in öffentlichem Auftrag erstellten Inhalte möglichst frei verfügbar und nachnutzbar werden. Dies ist insbesondere auch sozial nachhaltig, wie wir in unserer Stellungnahme zum Vergabetransformationspaket des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erläutern. Der Volltext findet sich am Ende dieses Artikels.

Vergabe ökologisch und sozial nachhaltig transformieren mit freien Inhalten

Das Vergabetransformationspaket setzt eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um mit dem „Ziel, die öffentlichen Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu professionalisieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen. Die öffentliche Beschaffung und Vergabe soll wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet und die Verbindlichkeit gestärkt werden […]“ Ein Fokus liegt dabei auf ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Freie Inhalte tragen wesentlich zu ökologischer und vor allem auch sozialer Nachhaltigkeit bei, weswegen sie prinzipiell in der Vergabe klar begünstigt werden sollten.

Unsere langjährige Forderung ist, dass öffentliches Geld stets öffentliches Gut hervorbringen sollte, um so das Gemeinwohl zu fördern. Die zentralen Argumente für Verbotsrechte (wie z.B. das Urheberrecht oder die Leistungsschutzrechte), die die Nachnutzung verbieten oder einschränken, greifen für im staatlichen Auftrag erstellte Inhalte nicht: Diese Rechte sollen sicherstellen, dass diejenigen, die Inhalte erstellen, zunächst eine Exklusivität über deren Nutzung erhalten und sich z. B. über den Verkauf von Lizenzen finanzieren können. Eine solche Refinanzierung brauchen Behörden nicht, da sie Steuermittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten. Diese Tatsache sollte bei der Erstellung von Inhalten im Auftrag der öffentlichen Hand berücksichtigt werden. Ausschließlichkeitsrechte und andere Einschränkungen sollten sich daher auf eng definierte Sachverhalte beschränken.

Daten für Linked-Open-Data-Ökosystem weiterverwendbar machen

In der Praxis ist es auch im Jahr 2023 üblicherweise nicht der Fall, dass Behörden die Produkte ihrer Vergabe verfügbar machen. Über die Gründe können wir oft nur mutmaßen: Gibt es unliebsame Ergebnisse, die lieber nicht ans Licht kommen sollen? Will der Dienstleister den gleichen Inhalt an anderer Stelle noch einmal verkaufen? Oder weiß man es nicht so recht und daher ist es bequemer, Inhalte nicht verfügbar zu machen? Jedenfalls zeigen verschiedene Beispiele, dass öffentliche Stellen oft technische oder rechtlich-formale Argumente ins Feld führen, um Inhalte der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Diese Argumente müssen dann in langwierigen Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Dabei geht es anders: Die Europäische Kommission hat 2019 beschlossen, dass sie ihre eigenen Materialien unter offenen Lizenzen veröffentlicht. Und mit ihrem Projekt kohesio macht sie alle Daten zur EU-Regionalförderung sogar so umfassend nachnutzbar, dass sie Teil des gesamten Linked-Open-Data-Ökosystems werden und dadurch jegliche Dritt-Anwendung, die mit Linked Open Data arbeitet, ohne weiteres auch alle Informationen zu EU-geförderten Projekten integrieren kann.

Der Zugang zu öffentlich beschafften Inhalten sollte nur dort eingeschränkt sein, wo die Vorteile von exklusiven Immaterialgüterrechten die Vorteile des freien Zugangs überwiegen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Geheimnisschutz erforderlich ist oder auch, wenn im Rahmen von Wirtschaftsförderung die exklusive Vermarktbarkeit von Inhalten erwünscht ist. Allerdings ist auch hier im Einzelfall erforderlich, zu untersuchen, ob die Beschaffung von proprietären Inhalten tatsächlich die effektivere Wirtschaftsförderung ist als die von freien Inhalten, auf deren Grundlage weitere Produkte, Dienstleistungen und Inhalte entstehen können. Führen solche Abwägungen zu einer eingeschränkten Verfügbarkeit, sollte die Begründung möglichst transparent und detailliert veröffentlicht werden.

Freie Inhalte für mehr Nachhaltigkeit

Offene und freie Inhalte sind gut geeignet, um die im Vergabetransformationspaket genannten Ziele zu erreichen: Sie ermöglichen einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen, die für die Erstellung dieser Inhalte notwendig sind (Personentage, Produktionskapazitäten, Energie), da sie nur einmal aufgewandt werden müssen. Wenn etwa eine Landkarte nach ihrer öffentlich veranlassten Erstellung frei zugänglich und nachnutzbar ist, muss dieselbe Art von Darstellung für andere Nutzungskontexte nicht noch einmal neu erstellt oder einzeln nachlizenziert werden. Ähnliches gilt für freie und offene Software, die nicht erneut entwickelt werden muss, weil sie beliebig oft eingebunden und nachgenutzt werden kann, oder auch für Bildungsmaterialien, die ohne weiteren Aufwand an Rechteklärung und Nachlizenzierung bzw. – im schlimmsten Falle – Neu-Erstellung vervielfältigt, weitergereicht und iterativ an neue Bedürfnisse angepasst werden dürfen.

Dabei ist es auch sozial nachhaltig, gesellschaftliche Potenziale zu schonen und Inhalte dauerhaft verfügbar zu machen, denn eine solche freie Nachnutzbarkeit gewährt allen gleichermaßen Zugang. Die Zivilgesellschaft und auch finanzschwache Unternehmen können so das in freien Inhalten vermittelte Wissen weiter nutzen, auch wenn sie selbst nicht die Ressourcen haben, um diese Inhalte zu erstellen bzw. für deren Erstellung aufzukommen. Aus ökonomischer Perspektive schafft dies mehr Wettbewerb aufgrund einer für viele zugänglichen Grundlage, was wiederum einer Konzentration von Wissen, von finanziellen Ressourcen und allgemein den Konzentrationstendenzen gerade digitaler Märkte entgegenwirkt. Wenn öffentlich finanzierte Geodaten frei zur Verfügung stehen, können nicht nur große Technologieunternehmen sie für Kartendienste verwenden, sondern auch viele weitere Organisationen, die keine teuren Lizenzen bezahlen können. Diese können alternative Kartendienste oder auch andere Produkte entwickeln, die diese Kartendienste komplementieren.

Vergaberecht nur ein Teil des Puzzles

Eine Anpassung des Vergaberechts ist ein wichtiger Hebel, um öffentlich finanzierte Inhalte frei verfügbar zu machen, doch nicht der einzige. Gleichzeitig setzen wir uns für eine Anpassung von § 5 des Urheberrechtsgesetzes ein, um die von Behörden direkt erstellten Inhalte prinzipiell frei nachnutzbar zu machen. Es gibt somit verschiedene Gesetze, die dazu beitragen können, dass das im öffentlichen Auftrag erstellte Wissen möglichst breit geteilt wird.

Stellungnahme Wikimedia Deutschland zum Transformationsgesetz

The post Vergabe transformieren: Warum staatliche Vergabe klar auf freie Inhalte setzen sollte appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Serhii Petrov hat die ostukrainische Metropole Charkiw selbst zum ersten Mal im Frühjahr 2021 besucht und als lebendige, junge Stadt erlebt. Zum Zeitpunkt des Interviews herrschte dort Luftalarm. Laut Statistik entfallen auf die Region Charkiw 17 % des gesamten russischen Beschusses der Ukraine. 

Serhii, wie sind Sie mit Wikimedia und der Wikimedia-Community in Kontakt gekommen?  

Bis zum 24. Februar 2022 habe ich als Content Manager in einem kleinen Unternehmen in Charkiw gearbeitet. Außerdem engagiere ich mich als Aktivist, in den Jahren 2013, 2014 war ich einer der Koordinatoren des Euromaidan in Charkiw. Zur Wikipedia trage ich seit Mai 2009 bei – was ursprünglich den korrupten Charkiwer Politikern Hennadii Kernes und Michail Dopkin zu verdanken ist (Kernes starb im Dezember 2020 an einer COVID-Erkrankung – Anm. d. Verf.). Ersterer war Sekretär des Stadtrats von Charkiw, der zweite unser damaliger Bürgermeister. Die beiden hatten beschlossen, eine wichtige Straßenbahnlinie im Zentrum Charkiws abzuschaffen, wogegen sich öffentliche Proteste regten. Im Zuge dieser Auseinandersetzung habe ich mich bei Wikipedia angemeldet und meinen ersten Artikel über die Straßenbahn in Charkiw geschrieben. Durchaus im Bemühen, die Situation neutral darzustellen.  

In der Folge war ich eher Beobachter der Wikipedia, bis ich mich 2011 wieder stärker engagiert habe. Im gleichen Jahr wurde ich auch in den Vorstand von Wikimedia Ukraine gewählt, als Vertreter der Region Charkiw. Damals überschritt die ukrainische Wikipedia gerade die Marke von 300.000 Artikeln. Ende 2011 habe ich damit begonnen, interessierten Anfängerinnen und Anfängern beizubringen, wie sie die Wikipedia bearbeiten können – möglichst fehlerfrei.

Ist die Region Charkiw noch immer Ihr Hauptthema in der Wikipedia?

Charkiw ist meine Heimatregion, ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich lebe heute noch dort. Meine erste Sprache war Russisch, erst 2007, als ich mit 18 Jahren eine sehr bewusste Entscheidung treffen konnte, bin ich ins Ukrainische gewechselt. Das ist seitdem die Sprache, in der ich denke, die ich ausschließlich spreche – und in der ich mich auch in den Wikimedia-Projekten engagiere. Allerdings schreibe ich heute nicht mehr so viele Artikel. Ich habe mich auf zwei Felder spezialisiert: zum einen überwache ich als eine Art Wikipedia-Polizist, dass es keine Verstöße gegen das Urheberrecht und die Community-Regeln gibt. Zum anderen arbeite ich in Mediensammlung Wikimedia Commons an der Kategorisierung von Bildern.

Wie ist die Situation gegenwärtig in Charkiw? Wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt?

Nur für den Kontext: während wir sprechen, findet gerade ein Luftangriff auf Charkiw statt, im Hintergrund heulen die Sirenen – aber daran sind wir hier mittlerweile gewöhnt. Der große Angriff Russlands hat mich persönlich auch nicht überrascht. Den Anstrengungen des vormaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschko (der von 2014 bis 2019 regiert hat, Anm. d. Verf.) haben wir es zu verdanken, dass der Krieg bis dato auf bestimmte Gebiete in den Regionen Donezk und Luhansk begrenzt blieb. Als Analyst der NGO „Analytical Center Maidan Monitoring“ habe ich mich aber schon früh mit verschiedenen Szenarien befasst, wie Russland versuchen könnte, die Ukraine entweder in einen Satellitenstaat wie Belarus zu verwandeln, oder in einen föderalen Bezirk seines eigenes Territoriums. Es war klar, dass dieser Krieg kommen würde. Die Frage war nur, wann. Bereits in der Nacht zum 24. Februar bin ich in dem Wissen eingeschlafen, dass die Start- und Landebahnen der Flughäfen von Charkiw und Dnipro gesperrt waren und der russische Luftraum entlang der Grenze zur Ukraine zur Flugverbotszone erklärt worden war. Mir war klar, dass etwas passieren würde. 

Um 5 Uhr morgens bin ich in meiner Wohnung am Stadtrand in Saltovka Nord aufgewacht. Von dort sind es bis Russland kaum 30 Kilometer. Bereits gegen 7 Uhr morgens waren in Charkiw Explosionen zu hören, die ukrainischen Truppen trafen vor Charkiw auf die Russen, und am Ende des Tages verlief die Kontaktlinie entlang der Ringstraße, zwei Kilometer von meinem Haus entfernt. Zunächst habe ich die Situation hauptsächlich beobachtet, später beschloss ich, in einen anderen Teil von Charkiw zu ziehen. Die Stadt zu verlassen, kam für mich nicht infrage, weil ich auf jede erdenkliche Weise helfen wollte. In der Folge musste ich mehrere Male die Wohnung wechseln, teilweise hatten wir keinen Strom und keine Heizung, es gab Probleme mit der Wasserversorgung.  

War unter diesen Umständen an Arbeit zu denken? 

Unsere NGO „Analytical Center Maidan Monitoring“ wurde von den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden um Unterstützung dabei gebeten, per Foto und Video die Zerstörung der zivilen Infrastruktur zu dokumentieren. Mit Journalistenausweisen und kugelsicheren Westen ausgestattet, waren wir fast zwei Monate lang jeden Tag unterwegs.

Vom ersten Tag an war mein Entschluss, über die Angriffe auf Charkiw zu berichten. Ich wollte gegen die Desinformation angehen, dass die Stadt kapituliert habe. Tatsächlich hat sie sich aufopferungsvoll verteidigt. Ich muss gestehen, dass mich diese beinahe täglichen Fahrten zu den Stätten der Zerstörung sehr erschöpft haben, in der Folge litt ich unter einem posttraumatischen Syndrom. Aber es war wichtige Arbeit. Auf der Grundlage unserer Dokumentation konnten wir einen umfangreichen Bericht über die Auswirkungen des russischen Raketenterrors in Charkiw erstellen. Bis zum August 2022 haben wir eine Ausstellung über das zerstörte Charkiw mit dem Titel „Fracture” erarbeitet, die Ende des Monats in Prag und anschließend in der ukrainischen Stadt Berezhany sowie im Schloss Zbarazh in der gleichnamigen Region präsentiert wurde. 

Können Sie schätzen, wie viele Fotos Sie gemacht haben? 

Schwer zu sagen. Anfang April hatten wir etwa 150 Objekte dokumentiert, Ende August wohl um die 450 – jeweils mit einer Vielzahl von Fotos. Dazu gehören Krankenhäuser, Kraftwerke, Gaspipelines, Verkehrsstationen, Bildungseinrichtungen, Lagerhäuser und Wohngebäude. In Charkiw wurden beispielsweise mehr als 50 medizinische Einrichtungen beschädigt. Dabei  war die Stadt für die Russen nie von großer Bedeutung, es ging ihnen eher darum, die gesamte Region so unbewohnbar wie möglich zu machen. Momentan setzen wir unsere Arbeit fort und erfassen jetzt Städte wie Izyum, wo vor dem Krieg über 50.000 Menschen gelebt haben. Jetzt sind es 15.000. Allerdings kehren viele zurück, obwohl die Gegend stark vermint ist und die Zerstörung mehr als 70 Prozent beträgt. Die größte Frage ist nun, was im Winter passieren wird. Sämtliche Wärmekraftwerke sind beschädigt, und es ist nicht vorauszusehen, wie die Versorgungslage sich entwickeln wird. 

Wann haben Sie nach der Invasion zum ersten Mal mit der Wikimedia-Community Kontakt aufgenommen? 

Ich stehe seit dem Morgen des 24. Februar in Kontakt mit den Ehrenamtlichen. Wir haben einen separaten Chat mit Wikipedianern eingerichtet, die nicht offline gegangen sind und die sich nicht hinter Pseudonymen verbergen, über den wir kommunizieren. Es gab online auch  regelmäßige Wiki-Treffen. Zwei Drittel der Charkiwer Community haben die Stadt verlassen, zum Teil in Richtung Westukraine, und die meisten von ihnen werden nicht zurückkehren. Vermutlich niemand, ihre Häuser sind zerstört. 

Ich selbst versuche seit Kriegsbeginn, nach bestem Wissen und Gewissen zu editieren. Seit dem Sommer 2022 noch aktiver, ich komme auf mehr als 100 Edits pro Monat. Ich bearbeite Artikel und lade viele meiner Fotos auf Wiki Commons hoch, was ich noch forcieren möchte. Während Charkiw unter ständigem Beschuss stand, hielt ich es nicht für ratsam, Bilder zu veröffentlichen. Das hätte zusätzliche Gefahren und Risiken mit sich gebracht, weil die Russen darüber eventuell Ziele hätten identifizieren können, die sie noch nicht getroffen hatten. Mittlerweile ist diese Bedrohung geringer. 

Ist die Wikimedia-Community in Charkiw im Zusammenhang mit den Wiki-Treffen und der steigenden Nachfrage nach Informationen in der Gesellschaft gewachsen?

Auch das weiß ich nicht mit Sicherheit. In den ersten Monaten nach dem 24. Februar ging es hauptsächlich darum, dafür zu sorgen, dass alle überleben und die bestehende Community nach besten Kräften unterstützt wird. Erst im Sommer haben wir wieder begonnen, über die Weiterentwicklung von einigen unserer Projekte nachzudenken. Wie beispielsweise den Wettbewerb “WikiKharkivshchyna”, den wir zwischen 2018 und 2020 veranstaltet haben. Die Zielgruppe waren Mitarbeitende von Bibliotheken. Aufgrund von verschiedenen bürokratischen Hindernissen und niedrigen Gehältern sind viele Mitarbeitende von Archiven, Bibliotheken und Museen nicht motiviert genug, zur Wikipedia beizutragen. Das wollten wir mit “WikiKharkivshchyna” ändern, und daran würden wir gerne anknüpfen. Die Frage ist allerdings, ob wir Strom haben werden. 

Unterhalten Sie derzeit Partnerschaften mit anderen Organisationen?

Am stabilsten waren und sind unsere Beziehungen zur regionalen wissenschaftlichen Bibliothek in Charkiw. Ich habe ein gutes Verhältnis zum Direktor dieser Einrichtung. Allerdings sind konkrete gemeinsame Projekte derzeit nicht spruchreif. Wir arbeiten auch mit einer weiteren Bibliothek in Charkiw zusammen, bei der mittlerweile ein Mitglied der Wikipedia-Community angestellt ist. Das Befüllen der Wikipedia gehört dort zu seinen Aufgaben. 

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? 

Das Gute ist ja, dass wir in Charkiw mittlerweile überhaupt wieder über die Zukunft sprechen! Natürlich wünschen wir uns, dass wir bis Ende 2023 den Sieg erringen können – das bedeutet für mich den Abzug der Russen aus allen nach dem 24. Februar besetzten Gebieten. Sollte es so kommen, wäre wiederum unsere Analyse und Dokumentation gefragt. Mal sehen. Momentan plane ich eine Reihe von Webinaren – als Vorbereitung für die Teilnahme an Wikimedia-Projekten wie dem Wikimarathon. 

Interview: Oksana Rodikova

Weiterlesen:

Hier finden Sie weitere Beiträge aus der Blogreihe „Wikimedia & Wikipedia in der Ukraine“:

The post Wikimedia & Wikipedia in der Ukraine #4: Erfahrungen und Perspektive der ukrainischen Wikimedia-Community appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Die aktuelle Ausgabe der Wikimedia-Reihe „Monsters of Law“ befasst sich mit der Frage, wie §5 des Urheberrechtsgesetzes jetzt geändert werden muss. Direkt zum Video.

Wenn beispielsweise ein Artikel mit einem Foto des Planeten Erde bebildert wird, wird meist eines von zwei besonderen Bildern dafür verwendet: Das Blue-Marble-Foto, oder „Earthrise“, das Motiv der über dem Mondhorizont aufgehenden Erde. Diese Fotos sind ikonisch und haben einen eigenen Wikipedia-Artikel. Vor allem aber stammen die Fotos von NASA-Raumfahrenden – also US-Regierungsbeschäftigten. Sie können daher frei verwendet werden – denn die NASA ist eine US-Bundesbehörde, deren Fotos nicht dem US-Copyright unterworfen werden. Außerhalb der USA besteht zwar grundsätzlich urheberrechtlicher Schutz solcher Inhalte, dieser wird jedoch durch die US-Regierung nicht durchgesetzt. Die starke Nutzung etwa dieser NASA-Bilder zeigt, welche Vorteile sich aus der Regelung für das Gemeinwohl ergeben.

In Deutschland gibt es eine Regelung in dieser Form nicht – ganz im Gegenteil. Vor knapp  zehn Jahren hat Mathias Schindler bei der re:publica auf die unbefriedigende Regelung zu amtlichen Werken aufmerksam gemacht. Das deutsche Urheberrechtsgesetz stellt nämlich in Absatz 1 des Paragraphen 5 klar, dass Gesetze, Verordnungen, amtliche Bekanntmachungen und Leitsätze nicht dem Urheberrecht unterliegen. Dieser Teil klingt erst einmal gut und ähnlich der Regelung in den USA. In den USA jedoch werden nicht nur Gesetze und Bekanntmachungen vom Urheberrecht ausgenommen, sondern alle Werke, die von Beamt*innen oder Angestellten der US-Regierung im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben erstellt werden. Also auch Datensätze, Videos, oder eben die von Raumfahrenden angefertigten Fotos.

Gedanken raten, was die Behördenleitung will 

In Deutschland dagegen diskutieren wir seit Jahren die Frage, ob beispielsweise eine CSV-Tabelle mit Informationen aus einem amtlichen Werk ebenfalls solch ein amtliches Werk darstellt oder nicht. Man könnte denken, dass die Frage einfach zu beantworten ist, denn mit Absatz 2 des § 5 UrhG es gibt sogar eine Regelung zu anderen Arten staatlicher Inhalte, jenseits von regelnden Texten wie Gesetzen, Verordnungen. Dieser Absatz erweitert die Freiheiten des Absatzes 1 auf alle „anderen amtlichen Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind“. Obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, als würden auch nach deutschem Recht letztlich alle Werke und sonstigen Inhalte aus staatlicher Produktion urheberrechtsfrei und damit frei nutzbar sein, schränkte paradoxerweise der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Recht ein: 

Denn nur was wirklich maximal weit verbreitet werden soll (aus der jüngeren Vergangenheit könnte man etwa an eine Warnung vor einem neuen Virus denken), ist laut BGH “zur allgemeinen Kenntnisnahme” im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG vorgesehen. Und aus “im amtlichen Interesse” folgert der BGH, dass es hier schlicht auf den Wunsch der jeweiligen Behördenleitung im Moment der Veröffentlichung ankommt. Ob für eine Behördenpublikation Urheberrechtsschutz besteht oder nicht, richtet sich also danach, welche Vorstellung etwa die Amtsleiterin im Kopf hat, wenn sie etwas zur Veröffentlichung freigibt. In keiner Weise kommt es dagegen laut BGH darauf an, ob diese Vorstellung von außen erkennbar ist, ob es irgendwelche Anzeichen gibt, was die Behördenleitung will oder nicht.

Dieser Absatz 2 erzeugt viel (Rechts-)Unsicherheit bei allen, die etwas urheberrechtlich Relevantes mit vom deutschen Staat produzierten Inhalten machen möchten. Doch selbst wenn offensichtlich klar ist, dass ein Inhalt nach Vorstellung der zuständigen Behördenleitung zur allgemeinen Kenntnisnahme gedacht ist, hält Absatz 2 noch zwei weitere Einschränkungen bereit: Diese Veröffentlichungen unterliegen dann nämlich – trotz fehlenden Urheberrechts – zusätzlich auch noch einem Änderungsverbot und einer verpflichtenden Quellenangabe

Wie könnte ein besserer Paragraph für amtliche Werke aussehen?

Die Zielsetzung des Änderungsverbotes ist aus staatlicher Perspektive im Grunde nachvollziehbar. Denn es stellt sicher, dass die ursprüngliche, offizielle Veröffentlichung unverändert und im gedachten Kontext nachvollziehbar ist. Dazu bräuchte es aber kein gesetzliches Verbot, das z.B. gleich alle Open-Data-Nutzungen vereitelt. Vielmehr könnte sich der Staat gegen missverständliche oder missbräuchliche Nutzung heute problemlos durch eine kryptographische Signatur des Originals absichern: Die amtliche Veröffentlichung würde vom Bund signiert werden, und nur das so signierte Dokument wäre nachvollziehbarerweise das, was von der behördlichen Stelle herausgegeben wurde. Der Vorteil daran: Durch einen Verzicht auf das Änderungsverbot würde die Weiterverwendung staatlicher Informationen als Open Data nicht mehr blockiert.

Auch die Voraussetzungen, dass staatlicherseits erstellte Inhalte nur dann rechtefrei sind, wenn ihre „allgemeine Kenntnisnahme […] im amtlichen Interesse“ ist, sollte aus dem Gesetz gestrichen werden. Bisher muss aufgrund dieser Anforderung stets die Absicht der veröffentlichenden Behörde interpretiert werden. 

Allerdings ist das Merkmal, dass es sich um veröffentlichte Inhalte handeln muss, sinnvoll. An dieser Stelle ist der Rahmen dessen, was zwingend zu veröffentlichen ist, dann durch Transparenzgesetze zu definieren. Was Behörden darüber hinaus eigenverantwortlich durch Veröffentlichung in den öffentlichen Raum geben, ist dann schlicht auf Basis dieses leicht steuer- und nachvollziehbaren Vorgangs urheberrechtsfrei und wiederverwendbar. 

Eine Erweiterung des Geltungsbereichs von § 5 auch auf alle amtlich beauftragten Fachtexte oder idealerweise jegliche amtlich beauftragten Werke, würde noch deutlich mehr Rechtssicherheit herstellen und dem Umstand Rechnung tragen, dass die Allgemeinheit die Erstellung auch dieser Auftragswerke durch ihre Steuern und Abgaben ermöglicht hat. Die Arbeit der dabei beauftragten Dritten muss natürlich angemessen vergütet werden, das steht außer Frage.

Eine weitere positive Konsequenz, die sich ergäbe, wenn auch amtlich beauftragte Werke von der Ausnahme im Urheberrecht erfasst wären: Den öffentlichen Kassen würden langwierige Gerichtsverfahren wegen letztlich meist erfolgloser „Zensurheberrecht“-Klagen erspart – so wie im Falle des Glyphosat-Gutachtens, der Afghanistan-Papiere oder ganz aktuell der Klage des Freistaates Bayern gegen Markus Drenger. Der hatte Daten wiederverwendet, die der Freistaat ohnehin in absehbarer Zeit als High Value Datasets unter Creative-Commons-Lizenz veröffentlichen müsste – und für die wir seit langem fordern, dass sie als Faktenbeschreibung unserer Realität gar nicht schutzfähig sein sollten.

(Das mit der Schutzfähigkeit von Fakten, bloß weil sie in Form von Datenbanken gesammelt vorliegen, ist jedoch eine weitere Baustelle. Sie geht weit über staatlichen Kontext hinaus und soll daher an dieser Stelle nur auf folgende Einsicht reduziert erwähnt werden: Die Einführung eines exklusiven “Datenbankherstellerrechts” in der EU Mitte der 1990er hat der europäischen Datenwirtschaft in keiner Weise genützt, wie die EU selbst inzwischen bei der Evaluation der entsprechenden EU-Richtlinie festgestellt hat. Davon ein andermal mehr.)

§ 5 gut, alles gut?

Es ist daher höchste Zeit, § 5 zu modernisieren. Wikimedia Deutschland fordert schon seit Jahren zumindest eine gesetzliche Vermutung, dass bei Fehlen anderslautender Hinweise amtlich erstellte Inhalte „andere amtliche Werke“ sind. Damit würde zumindest das Rätselraten um die Vorstellungen der Behördenleitungen beendet. Bei einem Parlamentarischen Frühstück des Bündnisses F5 auf Einladung des Digitalausschusses des Bundestags hat Urheberrechtsexperte Felix Reda konkrete Vorschläge zur Modernisierung gemacht.

Es bedürfte nur weniger Änderungen, um den Paragraph 5 auf den Stand der Zeit zu bringen:

  • Die Definition amtlicher Werke muss möglichst weit gefasst werden – im Zweifel durch ein „amtliche Werke genießen keinen urheberrechtlichen Schutz“.
  • Im amtlichen Auftrag erstellte Fachinhalte müssen solchen Werken gleichgestellt werden, die direkt von einer Behörde stammen.
  • Da heute bei jeglicher Art amtlicher Inhalte davon auszugehen ist, dass in der Gesellschaft potenziell ein Interesse vorhanden ist, mit diesen Inhalten umzugehen, gehört der Faktor „amtlichen Interesses an allgemeinen Kenntnisnahme“ gestrichen.
  • Angesichts des heute über das Internet für alle möglichen Zugriffs auf staatliche Repositorien, wird eine verpflichtende Quellenangabe obsolet. Auch die Ziele des bisherigen Änderungsverbots können durch digitale Signaturen genauso erreicht werden, ohne zugleich Open-Data-Prinzipien auszuhebeln. Quellenangabepflicht und Änderungsverbot sollten darum ebenfalls entfallen.

Damit wäre ein wichtiger Meilenstein erreicht für einen viel gemeinwohldienlicheren Umgang mit Inhalten, die vom Staat aus Mitteln der Allgemeinheit für die Allgemeinheit geschaffen werden.

Wikimedia-Reihe

„Monsters of Law“: Wo das Urheberrecht Open Data ausbremst

Was mit öffentlichem Geld finanziert ist, sollte allen frei zur Verfügung stehen. Das gilt auch für amtliche Werke. Allerdings sind nicht sämtliche Behördenpublikationen grundsätzlich gemeinfrei. Wie kann die aus den 1960ern stammende Regelung zu amtlichen Werken ins 21. Jahrhundert geführt werden? Diese Frage beleuchten wir in der aktuellen Ausgabe von „Monsters of Law“.

Unsere Gäste: Felix Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Dr. Saskia Ostendorff, Rechtsanwältin für Medien- und Urheberrecht. 

Die Vortragsfolien der Diskussion finden Sie hier bei Wikimedia Commons

The post Echt amtlich – wie §5 des Urheberrechtsgesetzes jetzt geändert werden muss appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Neben Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation Deutschland, Katja Langenbucher von der Goethe Universität Frankfurt am Main und Helga Springeneer vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz war auch Christian Humborg, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland, mit dabei. Auf dem Panel mit dem Titel „Digitale (Ohn-)macht von Verbraucherinnen und Verbrauchern” wurde vor allem diskutiert, wie Machtstrukturen im digitalen Raum entstehen und wie ihnen begegnet werden kann. Humborg brachte dazu die Perspektive communitybasierter, offener und gemeinwohlorientierter Plattformen wie Wikipedia ein.

Wie können Monopole aufgebrochen werden?

Zu Beginn der Diskussion verwies der Wikimedia-Vorstand darauf, dass ein zentraler Faktor für die Machtungleichheit im digitalen Raum die Monopolstellung einiger weniger Dienste und Plattformen sei. Echte Wahlfreiheit für Verbraucher*innen gäbe es so nicht. Der Staat könne hier aber gegensteuern, indem er die Nutzung von Alternativen fördere. Ein Instrument hierfür könnten steuerfinanzierte Gemeinwohl-Fonds sein, die Bund und Länder einrichten. “Warum werden Gemeindehäuser, Bibliotheken und Theater staatlich finanziert, aber Gemeinschaftsorte im Netz nicht?” fragte Humborg. Die Fonds sollten Vereinen und gemeinnützigen Körperschaften zur Verfügung gestellt werden. Mit den Mitteln könnten sie beispielsweise eine eigene Mastodon-Instanz aufsetzen und betreiben. Das wäre ein Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit von Monopolisten wie Facebook und Twitter, so Humborg.

Wie können staatliche Akteur*innen Verbraucher*innen besser schützen?

Ein weiteres Problem sei der Umstand, dass die digitalen Giganten intransparent agierten. Mehr Verbraucher*innenbildung und Medienkompetenz könnten da aber nur begrenzt helfen, erläuterte Humborg. Es sei nicht realistisch zu erwarten, dass Verbraucher*innen die hochkomplexen Technologien und Algorithmen verstünden, die in den Plattformen und Diensten stecken, die sie alltäglich nutzen. Es brauche mehr Aufsicht und Regulierung im Sinne der Verbraucher*innen, forderte der Wikimedia-Vorstand.  

Die Chance, diese zu realisieren, ergäbe sich laut Humborg aus dem Digital Services Act (DSA) und der Einrichtung des darin vorgesehenen Digital Services Coordinator (DSC). Es bildet die gesetzliche Grundlage, um mit der Regulierung von Facebook, Twitter, Amazon, TikTok und Co. zu beginnen. Im DSA sind unter anderem Regeln für die Meldung illegaler Inhalte und Transparenzpflichten bei Onlinewerbung definiert. Er legt fest, welche Rechte Nutzer*innen haben, um Moderationsentscheidungen anzufechten und welche Informationen Plattformen offenbaren müssen. 

Wichtige Weichenstellungen für den Digital Services Coordinator

Die DSA-Regeln für sehr große Plattformen (mit mehr als 45 Millionen Nutzenden im Monat) werden von der EU-Kommission durchgesetzt. Aber mit dem DSC schafft jedes Land ab 2024 auch ein nationales Instrument zur Durchsetzung für kleinere Plattformen und Suchmaschinen. Der DSC stimmt seine Arbeit mit den anderen Koordinator*innen und der Europäischen Kommission ab. So soll sichergestellt werden, dass der DSA in Europa einheitlich realisiert wird.

Die Strukturen, Aufgaben und Ressourcen, die jetzt mit dem DSC geschaffen werden, müssten klug durchdacht und der Bedeutung der Aufgabe angemessen sein, forderte Christian Humborg. Die wichtigste Voraussetzung sei die Kompetenz und Unabhängigkeit des DSC, betonte der  Verwaltungswissenschaftler. 

“Ich sehe die geplante Angliederung des DSC bei der Bundesnetzagentur als kurzfristig richtig, aber mittel- und langfristig als falsch an. Sie sollte nur für die Aufbauphase Bestand haben und der DSC nach einer vorher festgelegten Zeitspanne eigenständig werden”, forderte Humborg. Da der DSC die Kontrolle und Regulierung im Sinne der Verbraucher*innen unterstützen soll, müsse seine Tätigkeit außerdem in enger Absprache mit Vertreterinnen der Zivilgesellschaft und Wissenschaft erfolgen. Neben Unabhängigkeit seien Transparenz und der Aufbau eigener Datenkompetenz sowie eine inter-behördliche Arbeitsweise notwendig. “Das geht natürlich nur, wenn der DSC auch mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wird,” empfahl Christian Humborg.

The post Verbraucherschutz im Digitalen – Wie wir der Macht der Monopole begegnen können appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Zurück in die Zukunft: für ein freies, offenes Internet

12:37, Thursday, 19 2023 January UTC

Zurück zu den Wurzeln. So fühlt es sich in diesen Tagen an, Mastodon zu benutzen – und bestimmt geht es vielen anderen vor 1980 Geborenen ganz ähnlich. Mastodon erinnert daran, wie es war, als noch nicht fast alle Inhalte früher oder später unweigerlich auf den großen Plattformen landeten. Als das World Wide Web noch ein Ort der Visionen war und nicht Spielplatz von Inkubatoren und Investoren. Ein freies, offenes Internet – es zeigt sich jetzt deutlicher als je zuvor, dass wir mehr von diesem Geist brauchen.

Elon Musks Umgang mit Twitter markiert einen Höhepunkt des Techno-Feudalismus, ein Begriff, den Michael Moorstedt in der Süddeutschen Zeitung verwendete. Der reichste Mensch der Welt behandelt Angestellte in tayloristischer Tradition wie Produktivvieh, legt strategische Achterbahnfahrten hin und lässt uns noch staunend an seinen Überlegungen teilhaben. Leider auch an seiner politischen Einschätzung.

Ob Twitter überleben wird oder nicht und ob der Zusammenbruch demokratietheoretisch gut oder schlecht wäre, darüber gibt es kluge Debatten. Zweifelsfrei ist der Twitter-Crashkurs von Elon Musk aber eine großartige Chance – für das Netz und für die Demokratie. Es liegt an uns allen, diese Chance zu nutzen. Lasst uns umziehen in diesen freieren Teil des Internets. Lasst uns gemeinsam etwas gestalten, statt nur zu nutzen, was die kommerziellen Plattformen uns anbieten.

Software, die niemandem gehört

Mastodon bietet jetzt die Möglichkeit, das Versprechen eines gemeinschaftlichen, freien und offenen Internets auf weitere Bereiche auszudehnen. Eugen Rochko hat als Entwickler des Microblogging-Dienstes nicht nur erkannt, wie wichtig ein nicht kommerziell kontrollierter globaler Kommunikationsraum ist, sondern auch die praktischen Grundlagen dafür geschaffen. Mastodon und Twitter unterscheiden sich im Kern nicht dadurch, dass das eine mit Werbung ist und das andere ohne. Sondern durch die Eigentumsfrage. Mastodon ist eine freie Software, die niemandem gehört, und deren Dienst dezentral betrieben wird. Ihre vielen verschiedenen Instanzen werden von den vielfältigsten Personen und Körperschaften betrieben.

Mastodon ist Teil des Fediverse, also eines ganzen Netzwerkes unterschiedlicher Dienste, die alle auf freier Software basieren und im Rahmen einer Föderation verknüpft werden können. Eine Föderation ist das Gegenstück zu einer zentralen Organisation und zeichnet sich durch die Eigenständigkeit ihrer Teile aus. Diese sind weitgehend autonom und arbeiten gleichberechtigt zusammen. Auch andere Projekte nutzen dieses Prinzip. Wikimedia Deutschland hat Wikibase entwickelt, eine freie Software zur Verwaltung strukturierter Daten, in enger Abstimmung mit den Ehrenamtlichen.

Sowohl bei Mastodon als auch bei Wikibase können Vereine und Einzelpersonen ihre eigenen Instanzen anbieten. Trotz ihrer Autonomie können sich alle Nutzenden von Mastodon eine Timeline zusammenstellen, die Inhalte aus verschiedenen Instanzen enthält. Genauso können die Nutzenden von Wikidata alle Daten über sämtliche Wikibase-Instanzen hinweg verarbeiten.

Die Community moderiert selbst

Diese Dezentralität und Freiheit führen auch dazu, dass auf unterschiedlichen Mastodon-Instanzen unterschiedliche Regeln gelten können. Der Betrieb einer Instanz erfordert Serverkapazität und Moderation. In der aktuellen Debatte steht die Kostenübernahme für Serverkapazitäten im Vordergrund, während die Moderation größtenteils ehrenamtlich betrieben wird. Längst gibt es ein großartiges Beispiel dafür, dass die Moderation von Inhalten durch eine Community möglich ist – und dass sie sogar besser und zügiger funktionieren kann als bei den globalen Techkonzernen: Wikipedia.

Zur Moderation gehören Regeln und ihre Durchsetzung. Wer sich nicht an die Regeln hält, kann von der Mastodon-Instanz verbannt werden. Eugen Rochko hat im Interview mit dem Time Magazine einen sehr wichtigen Aspekt der Meinungsfreiheit hervorgehoben: “If you allow the most intolerant voices to be as loud as they want to, you’re going to shut down voices of different opinions as well. So allowing free speech by just allowing all speech is not actually leading to free speech, it just leads to a cesspit of hate”.

Zum besseren Verständnis von dem, was da gerade passiert, lohnt sich ein Blick auf die rechtspolitische Diskussion, was das Objekt staatlicher Regulierung bei Hate Speech und Volksverhetzung im Fediverse ist: die Föderation oder die einzelne Instanz? Je nach Betrachtungsweise differieren die Nutzendenzahlen und damit die sehr unterschiedlichen Regulierungsverpflichtungen. Da in der Föderation die Macht verteilt und nicht zentralisiert ist, sind wir für eine Regulierung auf Instanzenebene. Denn selbst wenn eine einzelne Instanz alles außerhalb des klar Verbotenen zulässt, können andere Instanzen entscheiden, die Verbindung zu dieser zu kappen.

Schwer nachvollziehbar sind die Klagen über die unzureichende Usability bei der Registrierung auf Mastodon. Die wenige Minuten dauernde Wahl einer Instanz geht als Zeitinvestition gegen Null angesichts der langen Nutzungsdauer. Das Verhältnis entspricht vermutlich der Zeitdauer des Wählens im Verhältnis zur Legislaturperiode der Gewählten.

Monopole werden demokratisiert

Am Interessantesten am aktuellen Twitter-Drama ist Musks Idee einer Finanzierung durch die Nutzenden anstatt einer reinen Werbefinanzierung. Die Entscheidung darüber, wie Technik und Moderation künftig finanziert werden, könnte sich zu einem Schlüsselmoment des digitalen Gerechtigkeitsdiskurses entwickeln. Die Werbefinanzierung ermöglicht allen mit digitalen Endgeräten und entsprechender Bandbreite den Zugang, zum Preis des Abflusses umfassender persönlicher Daten. Hingegen schafft die Finanzierung durch die Nutzenden selbst einen Exklusivitätsraum, in dem allerdings auch weniger Hass und Toxizität geduldet wird.

Das Fediverse kommt ohne Werbung aus und setzt noch viel auf Ehrenamt. Die vielen Instanzen machen das Internet bunt. Das ist ein zentraler Entwicklungsschritt in der Demokratisierung des Internets. Denn dieser Schritt zur bunten Vielfalt löst die Monarchien ab und kann eine neue Entwicklungsstufe im digitalen demokratischen Prozess bedeuten. Die Wahl der Mastodon-Instanz und ihre Nutzung sind ein Freiheitsrecht von Bürgerinnen und Bürgern im demokratischen Internet, das hoffentlich viele wahrnehmen.

Übrigens: Wikimedia Deutschland ist jetzt auch auf Mastodon. Exklusiv für Mitarbeitende des Vereins haben wir eine eigene Mastodon-Instanz eingerichtet – und auf unserem Account @wikimediaDE@social.wikimedia.de informieren wir über Neuigkeiten aus dem Verein und rund um Freies Wissen. Folgt uns gern und tauscht euch mit uns aus!

The post Zurück in die Zukunft: für ein freies, offenes Internet appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Jeden Februar verwandelt sich Berlin für zehn Tage in Europas Filmhauptstadt. Die Berlinale, dieses Jahr in ihrer 73. Auflage, macht aus dem Berliner Grau Berliner Glitzer. Etablierte Film-Größen wie Emma Thompson und Juliette Binoche geben sich die sprichwörtliche Klinke in die Hand, Newcomer*innen hoffen gespannt auf ihren Durchbruch. 

Auch wenn mit der US-Komödie „She Came to Me” von Rebecca Millers dieses Jahr eine Frau das Filmfestival eröffnet und die Jury unter Kristen Stewart als Präsidentin der internationalen Jury von einer Frau angeleitet wird – Frauen* stellen immer noch einen Bruchteil der teilnehmenden Filmschaffenden. 

Edit-a-thon will FilmFrauen in Wikipedia sichtbarer machen

Wikipedia als Online-Enzyklopädie ist immer auch Spiegel der Gesellschaft. So reflektiert sie den Umstand der vermeintlich fehlenden Frauen in der Filmbranche: Viele weibliche Filmschaffende verfügen über keinen entsprechenden Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia. Wikipedia ist aber oftmals eine der ersten Anlaufstellen für (Film-)Interessierte oder auch Journalist*innen. Finden sich im Netz also keine schnell und leicht verfügbaren Informationen, wie beispielsweise in Wikipedia, werden die weiblichen Kreative oftmals übersehen. 

Um das zu ändern, wird also jetzt selbst Hand an die Tastatur gelegt. Vom 17. bis zum 19. Februar organisiert die Initiative WomenEdit in Zusammenarbeit mit Wikimedia Deutschland im Rahmen der Berlinale einen Edit-a-thon. Dabei werden gemeinsam neue Artikel über Künstler*innen, Schauspieler*innen, Kollektiven und Filmemacher*innen geschrieben, die bislang noch keinen Wikipedia-Eintrag haben. Alle, die mithelfen wollen, die Sichtbarkeit von Frauen* in der Wikipedia zu erhöhen, sind herzlich eingeladen. Jeder Artikel ist ein Gewinn nicht nur für die weiblichen Filmschaffenden, sondern für die gesamte Filmindustrie. 

Mitmachen ausdrücklich erwünscht!

Wer dabei sein will braucht nicht viel: Lust am Lernen und ein Laptop sind die einzigen notwendigen Voraussetzungen. Wikipedia-Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Wie ein Wikipedia-Account angelegt und Artikel erstellt werden, zeigen erfahrene Wikipedianer*innen. Die Veranstaltung ist offen für Teilnehmende aller Geschlechter, sofern ein respektvoller und sensibler Umgang mit feministischen und diversen Themen gewahrt wird. 

Update: So erfolgreich war der Berlinale-Edit-a-thon 2023

Mehr als 50 neue Einträge über FilmFrauen und ihre Werke sind beim diesjährigen Berlinale-Edit-a-thon entstanden. Auch die Medien haben ausführlich über die Aktion berichtet. Hier geht’s direkt zum Rückblick.

Alle Infos im Überblick

Die Teilnahme am Edit-a-thon ist kostenlos. Wikipediavorkenntnisse sind erwünscht, jedoch nicht notwendig.

Wann?:
Freitag, 17. Februar, 18–21 Uhr,
Samstag, 18. Februar, 11–17 Uhr
Sonntag, 19. Februar, 11–14 Uhr

Wo?: Wikimedia Deutschland, Tempelhofer Ufer 23/24 in Berlin

Wikipedia-Projektseite: https://w.wiki/66kS

Anmeldung:
Interessierte können sich per E-Mail an womenedit@wikipedia.de oder über die Wikipedia-Projektseite anmelden. Wenn Sie online teilnehmen möchten, erhalten Sie weitere Informationen ebenfalls auf der Projektseite oder unter oben genannter E-Mail-Adresse.

The post Berlinale Edit-a-thon: Vorhang auf für mehr FilmFrauen in der Wikipedia appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Dateninstitut: Ehrenamtliche Expertise nutzen!

08:29, Thursday, 19 2023 January UTC

Auf dem Digitalgipfel im Dezember stellte die Gründungskommission des Dateninstituts ihren Empfehlungsbericht vor. Anhand von drei Use Cases wolle die Kommission Aufgaben und Arbeitsweise des Dateninstituts entwickeln, hieß es bei der Präsentation. Ein solcher bedarfsorientierter Ansatz mag in der Theorie sinnvoll sein. In der Praxis fehlt jedoch die Einbeziehung der unzähligen Erfahrungen, die Ehrenamtliche schon seit Jahren im Umgang mit Daten gesammelt haben – etwa bei Wikidata-Hackathons, einem der vielen „Code for“-Labs oder Jugend hackt. Das muss sich ändern, wenn das Dateninstitut den Zugang zu Daten nachhaltig verbessern will.

Mobilitätsdaten: Bitte kein weiteres Pilotprojekt!

Deutlich wird die fehlende Einbindung ehrenamtlicher Expertise vor allem bei dem ersten Use Case der Gründungskommission, der sich mit der freien Open-Source-Software „digitransit“ beschäftigt. Diese wurde ursprünglich auf Basis des ebenfalls freien Routenplaners OpenTripPlanners in Helsinki entwickelt und 2017 durch Freiwillige des digitalen Ehrenamts auf Deutsch übersetzt.

Beispielhafte Abfrage einer Fahrplanauskunft von Start zu Ziel in digitransit. Bild: Screenshot by User:-stk OpenStreetMap contributors, Digitransit Ulm example screenshot, CC BY-SA 2.0

Laut Vorschlag der Gründungskommission soll gemeinsam mit einer Kommune eine weitere digitransit-Instanz aufgebaut werden, um Erfahrungen zu sammeln. Digitransit verwendet den Open-Source-Routenplaner „OpenTripPlanner“, wie er auch in der OpenStreetMap für die Fuß-, Rad- und Autoroutenplanung zum Einsatz kommt. Bei digitransit werden zudem auch öffentlich verfügbare maschinenlesbare Bus- und Bahnfahrpläne für die Routenplanung genutzt. Auch Sharing-Scooter und -Räder, regelmäßige Mitfahrgelegenheiten oder gar Mitfahrbänke können so in die Mobilitätsauskunft integriert werden. Je mehr offene Daten verfügbar sind, desto größer das Potenzial.

Die bisherigen Implementierungen des Open-Source-Mobilitätsplaners – egal ob durch Ehrenamtliche oder im Rahmen von Förderprojekten – waren jedoch in Deutschland auf immer wiederkehrende Grundlagenprobleme gestoßen. So wurden beispielsweise mangelnde Auffindbarkeit von Daten oder unnötige Registrierungspflichten als Probleme genannt. Ein weiteres Pilotprojekt wird an den strukturellen Hürden wenig ändern. Stattdessen sollte das Dateninstitut die bereits gewonnenen Erkenntnisse aufbereiten und aus ihnen Handlungsempfehlungen entwickeln, wie diese Hürden systematisch abgebaut werden können.

Linked Open Data: Das Beispiel Wikidata

Wenn es darum geht, das Prinzip von Linked Open Data zu erklären und für andere Akteur*innen nachnutzbar zu machen, sollte das zu gründende Dateninstitut auch das Wikimedia-Projekt Wikidata als Beispiel heranziehen. Wikidata nimmt bereits seit über 10 Jahren eine Vorreiterrolle bei der praktischen Anwendung von Linked Open Data ein. Die Software Wikibase, auf der Wikidata beruht, wird bereits von vielen Akteuren in der Wissenschaft, im Bibliothekswesen und für Projekte der Europäischen Union eingesetzt.

Wikidata ist als Wissensgraph beispielsweise in der Lage, das Durchschnittsalter aller Mitglieder des 20. Deutschen Bundestags tagesaktuell auszugeben – und wer dem eigenen Sprachassistenzsystem diese Frage stellt, bekommt die Antwort in der Regel ebenfalls aus Wikidata. Das Linked-Data-Prinzip erlaubt auch eine Abkehr vom architekturell längst überholten Ansatz, Datensätze erst auf zentralen Plattformen (Hubs, Datenräumen, etc.) zusammenführen zu müssen, um sie in gemeinsamen Zusammenhang bringen zu können. Stattdessen kann und soll mit diesem Prinzip eine Vielzahl dezentraler Datenendpunkte abgefragt und ihre Daten gemeinsam in Bezug gebracht werden.

Die öffentliche Hand könnte von einer solchen Datenbereitstellung enorm profitieren. Die Anwendungsfälle sind vielfältig – möglich wäre zum Beispiel, statistische Informationen über Stadtquartiere automatisiert mit Raum- und Mobilitätsdaten zusammenzuführen, um Auswirkungen verkehrsplanerischer Vorhaben zu analysieren. Die hierfür notwendigen Daten sind in der Regel auch längst vorhanden, müssen bislang aber mit großem Aufwand oder durch externe Dienstleister händisch zusammengeführt und ausgewertet werden. Eine Datenorganisation nach Linked-Data-Prinzipien würde diese Zusammenführung und Auswertung automatisiert und durch die Verwaltung selbst ermöglichen.

Es gibt so viele großartige Datenprojekte, die von Ehrenamtlichen oder der organisierten Zivilgesellschaft entwickelt wurden. Unser Appell an die Gründungskommission des Dateninstituts: Statt immer neue Pilotprojekte anschieben zu wollen, nutzen Sie diese vielfältigen Erfahrungen und Expertisen!

Unsere Position zum geplanten Dateninstitut haben wir in einer ausführlichen Stellungnahme zusammengefasst und den zuständigen Bundesministerien zukommen lassen. Jetzt nachlesen:

Drei Impulse für das Dateninstitut

1. Das größte Potenzial für das Dateninstitut besteht in der Aufbereitung von Informationen und Handlungsempfehlungen rund um Linked Data. Dazu muss es Aufklärungsarbeit über die notwendigen IT- und Datenarchitekturentscheidungen leisten – sowohl für die öffentliche Hand als auch für viele andere Bereiche, einschließlich der Wirtschaft.

2. In den vorgestellten Use Cases klingen immer wieder Bestrebungen zur Vermarktung von Fakteninformationen an. Das ist grundfalsch, denn Fakteninformationen gehören niemandem und dürfen auch nicht vermarktet werden. Eine künstliche Erzeugung von Exklusivität von Daten durch technische Mittel muss ausgeschlossen sein.

3. Der Austausch mit Ehrenamtlichen, die sich häufig seit vielen Jahren auf hohem Niveau mit dem Thema Open Data beschäftigen, muss verstärkt werden. Digitales Ehrenamt ist meist nicht formal organisiert und wird deshalb bislang nicht ausreichend dokumentiert. Wie wir bereits in unserem Politikbrief dargestellt haben, ist es deshalb so wichtig, die Erfahrungen der Ehrenamtlichen systematisch zu dokumentieren und für Digitalisierungsvorhaben nutzbar zu machen.

The post Dateninstitut: Ehrenamtliche Expertise nutzen! appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Jede Quelle zählt!

13:09, Tuesday, 17 2023 January UTC

Millionen Menschen auf der Welt nutzen Wikipedia – um sich weiterzubilden, etwas nachzuschlagen, Fakten zu recherchieren oder an weiterführende Informationen zu gelangen. Die freie Online-Enzyklopädie ist eine der ersten Anlaufstellen für Leser*innen und Forscher*innen. Entsprechend müssen sie sich darauf verlassen können, dass die Angaben, die sie dort finden, aktuell, neutral und korrekt sind. Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie oder der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben zuletzt einmal mehr vor Augen geführt, welche wichtige Rolle der Wikipedia als Plattform und Quelle für vertrauenswürdige Informationen zukommt.

Um die Qualität der Inhalte in den mehr als 300 Sprachversionen des Projekts stetig weiter zu verbessern, findet zweimal jährlich die Kampagne #1Lib1Ref statt (one librarian, one reference – ein*e Bibliothekar*in, eine Referenz). Frei nach dem Motto des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales („Stell dir eine Welt vor, in der jeder Mensch auf dem Planeten freien Zugang zur Summe des Wissens hat“) regt die Initiative an: „Stell dir eine Welt vor, in der jede Bibliothekarin und jeder Bibliothekar der Wikipedia eine Literaturangabe mehr hinzufügt“.

Jedes Zitat aus einer zuverlässigen Quelle ist ein Vorteil für Wikipedia-Leser*innen weltweit. Jeder einzelne Beitrag zählt dabei.

Einfach Mitmachen!

Bibliothekar*innen, die eine Leidenschaft für Freies Wissen mitbringen, können sich in wenigen Schritten ohne großen Aufwand an der Aktion beteiligen. Zunächst gilt es, einen Artikel zu finden, der eine Quellenangabe benötigt. Dafür gibt es viele Möglichkeiten:

Ein fehlendes Zitat kann mithilfe des Zitate-Jäger-Tools („Citation Hunt“) identifiziert werden (https://citationhunt.toolforge.org/de?id=2f11681a).

Dieses spieleähnliche Tool schlägt zufällig ausgewählte „Beleg fehlt“-Aussagen in Wikipedia-Artikeln vor. Entspricht der Vorschlag nicht dem Wunsch, genügt ein Klick auf „Weiter“, um zu einem nächsten zu gelangen. Zusätzlich existiert ein Suchmenü, in dem Interessierte Kategorien von Artikeln auswählen können, in dem sie besonderes Fachwissen besitzen (z. B. „Romane von Agatha Christie“).

Wikipedia-Artikel werden zudem häufig markiert, weil sie keine Angaben zum Nachweis der Informationen im Artikel selbst enthalten. Diese Artikel finden sich in automatisch erstellten Listen in der deutschsprachigen Wikipedia und in mehr als 55 anderen Sprachen. Auch hier kann nach spezifischen Themengebieten geforscht werden – dann einfach den zu bearbeitenden Artikel anklicken.

Im nächsten Schritt gilt es, eine zuverlässige Quelle hinzuzufügen, die den Artikel unterstützen kann. Als solche werden in der Wikipedia alle publizierten Quellen betrachtet (Zeitungen, Bücher, Suchhilfen, wissenschaftliche Zeitschriftenartikel, Webseiten mit redaktionell betreutem Inhalt). Je besser die Reputation oder je ausgeprägter die Autorität der Autor*innen zu dem Thema, desto besser wird der Beleg angenommen werden. 

Weitere Infos zum Mitmachen und wie Literaturangaben gemäß den Wikipedia-Richtlinien eingefügt werden, ist hier zu erfahren.

Schließlich sollte nicht vergessen werden, den Projekt-Hashtag #1Lib1Ref in der Zusammenfassung der Wikipedia-Bearbeitung hinzuzufügen.

Hauptinformationsquelle und Ort für Vielfalt

Für Interessierte, die bislang noch nicht zur Wikipedia beigetragen haben, existiert eine leicht verständliche Anleitung. Hier erfahren Sie mehr darüber, wie Sie ein Benutzerkonto angelegt wird und welche Online-Kurse den Einstieg erleichtern. Außerdem erwarten Sie viele aufschlussreiche Erklärvideos zu grundlegenden Aspekten der Wikipedia, sowie Tutorials, in denen aktive Autor*innen konkret erläutern, wie sich etwa Artikel verbessern, Bilder einbinden oder Diskussionen mit anderen Freiwilligen aus der Community führen lassen.

Die Kampagne #1Lib1Ref hat in der Vergangenheit stets begeisterte Resonanz gefunden – auch über das eigentliche Projekt hinaus. Die Wikipedianerin Nikolina Šepić, die 2021 zur Initiative mit beeindruckenden 5.620 Edits beigetragen hat, beschreibt: „Für mich ist Wikipedia nicht nur ein enzyklopädisches Projekt mit freien Inhalten und die Hauptinformationsquelle, sondern auch ein Ort der Beteiligung, der produktiven Zeitnutzung, des Anstoßes, sich mit unterschiedlichen Themen auseinanderzusetzen. Ein Ort für neue Bekanntschaften und Begegnungen mit wunderbaren Menschen (-), für Achtung der Vielfalt und Gleichberechtigung“.

Webinar mit dem Deutschen Bibliotheksverband

In Vorbereitung auf die Kampagne #1Lib1Ref haben der Deutsche Bibliotheksverband und Wikimedia Deutschland eine Online-Infoveranstaltung angeboten, die in das Editieren des Online-Lexikons Wikipedia einführt. Hier geht es direkt zum Webinar.

Für Rückfragen zur Kampagne und zum Mitmachen können Sie sich jederzeit bei Claudia Bergmann von Wikimedia Deutschland melden: claudia.bergmann@wikimedia.de  

The post Jede Quelle zählt! appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Bislang hat die tagesschau 55 Videos unter einer freien Lizenz veröffentlicht, etwa zur Zeitumstellung, dem Wahlsystem in Deutschland oder der Corona-Pandemie. Acht dieser Videos haben in einem Pilotprojekt bereits den Weg in die Wikipedia gefunden. Diese wurden in den letzten zweieinhalb Monaten bereits über 150.000 Mal aufgerufen.

Die beeindruckenden Abrufzahlen der tagesschau-Clips in der Wikipedia unterstreichen: Wissensinhalte erreichen ein breites Publikum, wenn sie frei lizenziert sind. Dass die ARD jetzt mehr hochwertig produzierte Inhalte für alle zugänglich und nutzbar macht, ist ein enormer Gewinn für den freien Zugang zu Wissen.

Möglich machen das auch die Ehrenamtlichen des Projekts Wiki Loves Broadcast. Sie sichten die Videoclips und prüfen, ob diese den Anforderungen der Wikipedia entsprechen. Wenn sie einen passenden Artikel identifiziert haben, für den ein Erklärvideo einen inhaltlichen Mehrwert darstellt, kümmern sie sich um die technische Einbindung. Bisher sind tagesschau-Videos in den folgenden deutschsprachigen Wikipedia-Artikeln verfügbar:

Endlich wikipedia-kompatibel durch freie Creative-Commons-Lizenzen

Freie Lizenzen ermöglichen die Nutzung, Weiterverbreitung und Änderung urheberrechtlich geschützter Werke. Wohl am bekanntesten sind die Creative-Commons-Lizenzen. Wirklich frei und wikipedia-kompatibel sind solche Lizenzen dann, wenn sie auch eine Bearbeitung des jeweiligen Werks erlauben – und zwar selbst für kommerzielle Zwecke.

Bislang waren die Videoclips der tagesschau nur unter der vergleichsweise restriktiven Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0 verfügbar, die Bearbeitungen und kommerzielle Nutzung explizit ausschließt. Eine Einbindung in die Wikipedia war dadurch nicht möglich. Nach eingehender Beratung durch Wikimedia Deutschland und die Ehrenamtlichen von Wiki Loves Broadcast hat die ARD sich jetzt dazu entschlossen, die Videos unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 zu veröffentlichen – ein wichtiger Schritt für den freien Zugang zu Wissens- und Bildungsinhalten.

Erklärvideo der tagesschau zur Verwendung der Videos mit CC-Lizenz

Mehr frei lizenzierte Inhalte im Jahr 2023

Nach eigenen Angaben plant die tagesschau, die Bereitstellung von Inhalten unter freier Lizenz in diesem Jahr auszuweiten. Jetzt kommt es darauf an, dass die ARD ihre Bemühungen verstetigt und regelmäßig frei lizenzierte tagesschau-Videos bereitstellt.

Gleichzeitig kann die tagesschau als mit Abstand meistgesehene Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen Vorbild für andere Formate im öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden. Denn Bildungs- und Wissensinhalte der Sender, die in Eigenproduktion hergestellt und ausschließlich mit Geldern aus dem Rundfunkbeitrag finanziert werden, müssen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen.

Das Beispiel tagesschau zeigt: Es müssen nicht komplette Sendungen sein, die frei lizenziert werden – hier könnte die Rechteklärung aufgrund von eingekauftem Audio- oder Videomaterial auch durchaus kompliziert werden. Einzelne Videoclips, die ein Thema kurz und prägnant erklären, eignen sich bestens für die Bereitstellung unter freien Lizenzen. Die ZDF-Wissenssendung Terra X macht das bereits seit Jahren vor. Auch der Bayerische Rundfunk hat bereits angekündigt, dieses Jahr mit dem digitalen Lernangebot kolleg24 mitzuziehen.

Frei lizenzierte Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender können nicht nur Wikipedia-Artikel verbessern, sondern auch rechtssicher im Schulunterricht genutzt werden. ARD, ZDF und Deutschlandfunk sollten die Chance nutzen und sich 2023 noch stärker zum Grundsatz „Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!“ bekennen.

Mehr erfahren?

Weitere Blogbeiträge zu freien Lizenzen

Wie frei lizenzierte Rundfunkinhalte die Wikipedia bereichern

Rundfunkinhalte im Unterricht – ist das erlaubt?

Ehrenamtliche der Wikipedia zu Gast beim ZDF

Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, neu gedacht

Presseberichte

Zahlreiche Medien berichteten über die Entscheidung der tagesschau, ausgewählte Erklärvideos unter freien Creative-Commons-Lizenzen anzubieten. Eine Auswahl:

netzpolitik.org: Durchbruch für freie Lizenzen in der ARD

DWDL.de: “Tagesschau” stellt einige Inhalte unter freie Lizenz

Golem: Tagesschau stellt manche Inhalte unter Creative Commons

Heise: Lizenzen: Tagesschau-Videos leichter von allen weiterverwendbar

Focus Online: “Stärkt unseren Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs”: “tagesschau” stellt Inhalte unter freie Lizenz

Meedia: “Tagesschau” stellt Inhalte unter freie Lizenz

The post Dank freier Lizenzen: Erklärvideos der tagesschau jetzt bei Wikipedia appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Die meistgelesenen Wikipedia-Artikel 2022

13:04, Thursday, 05 2023 January UTC

Das Jahr 2022 war wieder ein Jahr mit vielen Schlagzeilen: Russlands Einmarsch in die Ukraine, der Tod von Königin Elisabeth II. oder auch die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar – diese Ereignisse prägten auch die Suchanfragen in der Wikipedia. Außerdem hat ein Mann die Wikipedia-Leser*innen in den Bann gezogen: Nachdem Netflix eine Anthologie über den amerikanischen Serienmörder Jeffrey Dahmer veröffentlicht hat, schnallten die Aufrufzahlen des Wikipedia-Artikels sowohl im englischsprachigen Raum als auch bei uns in Deutschland in die Höhe.

Top 10 in der deutschsprachigen Wikipedia

Diese Seiten und Artikel wurden 2022 am häufigsten in der deutschen Wikipedia aufgerufen. Die Liste der Todesfälle (Nekrolog) ist wie jedes Jahr auch 2022 unter den Top 3.

  1. Ukraine (7.606.689)
  2. Nekrolog 2022 (5.871.660)
  3. Deutschland (5.505.993)
  4. Jeffrey Dahmer (5.420.267)
  5. Wladimir Wladimirowitsch Putin (5.116.646)
  6. NATO (5.069.967)
  7. Russischer Überfall auf die Ukraine 2022 (4.807.630)
  8. Elisabeth II. (4.559.797)
  9. Fußball-Weltmeisterschaft 2022 (3.533.918)
  10. Russland (3.384.284)

Top 10 in der englischsprachigen Wikipedia

Hier die Liste der meistgelesenen Artikel 2022 in der englischen Wikipedia. Einen ausführlichen Bericht dazu gibt es im Blog der Wikimedia Foundation.

  1. Jeffrey Dahmer (53.113.821)
  2. 2022 Russian invasion of Ukraine (48.019.334)
  3. Elizabeth II (43.169.454)
  4. Deaths in 2022 (42.642.418)
  5. 2022 FIFA World Cup (40.558.525)
  6. Elon Musk (26.215.947)
  7. Vladimir Putin (24.837.180)
  8. Charles III (23.391.191)
  9. Ukraine (22.552.793)
  10. Amber Heard (19.629.645)

Lizenzhinweis: Collage erstellt von MOR für Wikimedia Deutschland: Jeffrey Dahmer HS Yearbook, World Cup Opening Ceremony in DohaQueen Elizabeth II jeweils als gemeinfrei gekennzeichnet; Mark Jones, Charles Prince of Wales, CC BY 2.0 

Auch interessant:

Die Top-Wikipedia-Artikel 2021

Was haben Annalena Baerbock, Elon Musk und Queen Elizabeth II. gemeinsam? Ihre Wikipedia-Artikel gehören zu den meistgelesenen im Jahr 2021. Hier geht es zu den Top 10 der englischen und deutschen Wikipedia. 

The post Die meistgelesenen Wikipedia-Artikel 2022 appeared first on Wikimedia Deutschland Blog.

Bezahltes Wikipedia-Schreiben in der Belletristik

20:02, Monday, 12 2022 September UTC

Bezahltes Schreiben im PR-Auftrag in der Wikipedia, ist ein Thema, das mich und die Wikipedia-Community seit einigen Jahren umtreibt. Das Thema wabert seit etwa 2010 durch die Wikipedia, mal intensiver und mal weniger intensiv diskutiert; mal mit Skandal und mal ohne. Aber wenn man sich, ganz ohne Insiderkenntnisse, einfach mal durch Wikipedia-Artikel lebender Personen clickt (sei es in der deutschen Ausgabe oder der englischen): normalerweise riecht man die gekauften und geschönten Artikel 500 Kilobyte gegen den Wind. Die peinlichen PR-Artikel: weil auch die siebte Teilnahme am Rettet-die-Bergdackel-Benefiz-Gala-Dinner getreulich unter dem Punkt „gesellschaftliches Engagement“ gelistet wird. Die weniger peinlichen PR-Artikel: weil sie so nichtssagend sind.

Wie lange das Problem existiert und wie sehr es schon vor vielen Jahren auffiel, wurde mir letztens beim lesen gewahr. Es war ein Fantasy-Crime Roman – komplett fiktiv, mit vagen Bezugspunkten zu unserer Welt. Und selbst dort kommt Wikipedia-PR-Schreiben vor. Es geht um „Moon over Soho“ von Ben Aaronovitch. Erstmal erschienen 2012 bringt es der Roman auf den Punkt:

Auf deutsch etwa:

„Die Reichen, vorausgesetzt sie vermeiden Prominenz, können etwas Unternehmen um ihre Anonymität zu bewahren. Lady Tys Wikipedia-Artikel las sich als wäre sie von einem PR-Schreiber verfasst worden, denn zweifellos hatte Lady Ty einen PR-Schreiber beschäftigt, um sicherzustellen, dass die Seite ihren Vorstellungen entsprach. Oder wahrscheinlicher: Einer ihrer „Leute“ hatte eine PR-Agentur beauftragt, die einen Freelancer beschäftigt hatte, der das in einer halben Stunde runtergeschrieben hatte, damit er sich schneller wieder auf den Roman konzentrieren konnte, den er grade schrieb. Der Artikel gab preis, dass Lady Ty verheiratet war, zu nicht weniger als einem Bauingenieur, dass sie zwei schöne Kinder hatten von denen der Junge 18 Jahre alt war. Alt genug um Auto zu fahren aber jung genug um noch zu Hause zu wohnen.“

Diese Beschreibung trifft auch zehn Jahre später auf einen Großteil aller PR-Artikel zu. Schnell und lieblos, aber professionell gemacht. Oft genug mit Versatzstücken aus anderen Werbematerialien; zu unauffällig, um jemand ernstlich zu stören. Aber auch zu nichtssagend, um der Leser*in auch nur den geringsten Mehrwert zu bieten.

Damit hat ein Roman-Autor, der selber kein aktives Mitglied der Wikipedia-Community ist, die PR-Problematik schon im Jahr 2012 richtiger eingeschätzt als ein relevanter Teil der diskutierenden Community im Jahr 2022.

(Und Randbemerkung: die Community rächte sich, indem sie Aaronovitchs Autoren-Artikel mit einem unvorteilhaften Autorenfoto versah – no PR-flack weit und breit war hier unterwegs.)

Von einer anderen Form des beeinflussten Schreibens erfuhr ich heute beim Mittagsessen. In immer mehr autoritären Regimes scheint es vorzukommen, dass einzelne Wikipedia-Autor*innen, die in dem jeweiligen Land leben, einen Anruf oder einen Besuch bekommen. Mit dem freundlichen Tipp, doch den ein oder anderen Artikel zu „verbessern“ sonst.. Das ist natürlich noch raffinierter: Einfach einen etablierten Nutzer und dessen Vertrauensvorschuss nehmen und in dieser Tarnung PR-Edits durchführen.

Die Lyrik der Wikipedia-Auskunft

17:15, Monday, 18 2022 July UTC

Menschen können auf der Wikipedia:Auskunft Fragen an die Wikipedia richten. Die Fragen sind mal banal, mal lehrreich, und manchmal hohe Poesie. Daran solltet ihr teilhaben.

Ich stelle mich auf, Brust nach vorne, Kinn nach oben, räuspere mich noch einmal und deklamiere:

Honda Motorrad,
6-Zylinder,
6 Vergaser,
Blockmotor quer,
luftgekühlt.

Alle Daten fehlen!
Keine Daten vorhanden.
Warum?

Die Frage stammte von einer nicht angemeldeten Person, die am 17. Juli um 16:19h mit der IP 2003:D4:2713:1F50:F120:9BAE:47CF:6C2A unterwegs war.

Beitragsbild: 2016-08-05 Tokaido Seki Juku Kameyama City Mie,東海道五十三次 関宿 DSCF6949☆ von: 松岡明芳 Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. Letztes Jahr waren wir schon in Wien dabei und dieses Jahr gings ins herbstlich-sonnige Barcelona. In freundlicher, persönlicher Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir möchten Sie an den wichtigsten Neuerungen teilhaben lassen.

Neuigkeiten aus der Semantic MediaWiki-Welt

Semantic Forms (Version 3.4 September 2015) hat sich mittlerweile als eigenständige Erweiterung etabliert und ist nun technisch nicht mehr von der Grunderweiterung Semantic MediaWiki abhängig. Weitere wichtige Änderungen:

  • Statt den Spezialattributen werden nun ParserFunctions eingesetzt.
  • Kartenbasierte Eingabeformate (Google Maps, Open Layers) sind nun möglich – diese werden nur eingesetzt, wenn Semantic Maps nicht vorhanden ist.
  • Weiters wird nun Cargo unterstützt, es lassen sich in Formularen auch Eingabeformate und die Autovervollständigungsfunktion aus Cargo nutzen.
  • Dazu kann man nun auch „mapping“-Werte hinterlegen, das sind andere Werte, als auf der Seite angezeigt werden.
  • Ein neuer Parameter erlaubt es, nur einzigartige Werte speichern zu lassen.
  • Alle roten Links können nun mit einer einzelnen Einstellung auf eine Formularauswahlliste weitergeleitet werden.

Die MediaWiki Stakeholder’s Group nahm die Konferenz zum Anlass, um weitere Schritte zu besprechen: Ziel der Gruppe ist die Koordination und die Kommunikation mit Wiki-Nutzern in Unternehmen, die Unterstützung von Entwicklern und Administratoren und die offizielle Kommunikation mit der Wikimedia Foundation. Wikipedia hat etwas andere Ziele als einzelne Drittnutzer der Software MediaWiki. Es geht also stark darum, die Interessen der Nutzer von Wiki in Unternehmen zu vertreten und in der Weiterentwicklung der Software voranzutreiben.

Interessante neue semantische Erweiterungen gibt es zu Breadcrumbs, Zitaten, Sprachenlinks und Metatags:

Und warum „eine Konferenz mit Folgen“? Diese Konferenz hat Folgen auf mehreren Ebenen: Wir haben persönliche Kontakte für Zusammenarbeit und Austausch geknüpft, es wurden Ideen beflügelt und Inspirationen für neue Projekte ausgetauscht, die Motivation wieder gestärkt, das Projekt MediaWiki als Ganzes voranzubringen und nicht zuletzt viele Features und Software-Änderungen besprochen, die in der Regel meist recht schnell umgesetzt werden. Die Konferenz war somit ein voller Erfolg.

Die Konferenz fand von 28.–30.10.2015 in Barcelona statt, in der schönen Fabra i Coats Kunstfabrik im Stadtteil Sant Andreu. Knappe 40 Teilnehmer nahmen an einem Tutorial- und zwei Konferenztagen teil.

WikiPRedia

17:31, Tuesday, 23 2021 November UTC

Die deutschsprachige Wikipedia-Community versucht wieder einmal, die Regeln zum bezahlten Schreiben zu verschärfen. Das Thema wabert ungelöst seit Jahren durch das Wikiversum. Und auch dieses Meinungsbild ist ein notwendiger Schritt voran. Aber der Weg ist noch weit. Der beste Kommentar meinerseits wäre die Komposition eines Quartetts für Singende Säge, Bassdrum, Cembalo und Spottdrossel.

Aber ich kann nicht komponieren. Deshalb kommt das Nächstbeste: ein Gedicht.

Wikipredia

Die Regeln
existieren und doch nicht
nach Mondstand

Die Ethik
absolut seit Anbeginn
nein denn ja

Die Praxis
gesperrt verworfen gelöscht
freigeschaltet

Wikipredia
Darwinismus der Agenturen
Überleben des Dreistesten

Allein mit der Madonna zum Hasen

19:49, Thursday, 30 2021 September UTC

Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)

Wikipedia-KNORKE erwähnte ich ja an dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas besonderes: Auf ins Museum!

In Berlin gastiert gerade die Darmstädter Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des 16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren. Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.

Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur Sonderausstellung "Holbein in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen, sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der besseren Kunstausstellungen.



Und dann ging es los: Es begann mit Schilderungen von der bewegten Entstehungszeit zur Zeit des Basler Bildersturms im Auftrag des Basler Ex-Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen. Die Aussage des Bildes traditioneller Marienfrömmigkeit in Zeiten der Reformation war Thema, ebenso natürlich wie der Teppich und seine Falte. Wir staunten über die Eigentümlichkeit, dass sich niemand auf dem Gemälde eigentlich anschaut und wurden über dden Unterschied zwischen Schutzmantelmadonnen und Stifterbildern aufgeklärt. Vermutungen tauchten auf, wo das Bild wohl im Original hing - vermutlich in der Martinskirche als Epitaph - und wir verfolgten gedanklich seine Wanderung aus Basel über den Grünen Salon im Berliner Stadtschloss bis hin zum Hause Hessen und das Frankfurter Städelmuseum bis hin zum spektakulären Verkauf an die Privatsammlung Würth. Die Meinungen über die Sammlung Würth in der Gruppe waren durchaus geteilt, ebenso wie die richtige Benennung des Bildes: ist es nun eher die Darmstädter Madonna oder eher die Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen?

Über die Darmstädter Madonna ging es dann zur Dresdner Madonna und einem der prägenden Momente deutscher Kunstgeschichte: dem Dresdner Holbeinstreit. Im 19. Jahrhundert wurde es den Menschen bewusst, dass es zwei fast identische Holbein-Madonnas gab und nur eine die echte sein konnte. In einer großen Ausstellung, unter lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit und erregten Debatten der Experten entschieden sich die Kunsthistoriker schließlich für das Darmstädter Gemälde. Eine Sensation,  da die Kunstkennerschaft vorher felsenhaft von der Originalität des Dresdner Gemäldes ausging. Hier zeigte sich erstmals das Bemühen, um eine rein sachlich, objektive Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte - der Dresdner Holbeinstreit ist einer der Ausgangspunkte um die Kunstwissenschaft als Wissenschaft zu etablieren. Und - wie sich später herausstellte - lag die Kunstwissenschaft auch in diesem ihren Anfangsurteil richtig; sämtliche mittlerweile vorhandenen naturwissenschaften Verfahren die Darmstädter Madonna als die originale der beiden bestätigten.

Erkenntnisse am Rande: eine weitere Kopie des Gemäldes (beziehungsweise eine Kopie der Kopie - es stellt aus unerfindlichen Gründen das Dresdner Exemplar dar) hat sich in das Set des James-Bond-Filmes "Man lebt nur zweimal verirrt".

Hans Holbein der Jüngere: Bildnis des Danziger Hansekaufmanns Georg Gisze in London, 1532. Eichenholz, 96,3 × 85,7 cm. Gemäldegalerie Dahlem der Staatlichen Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz

Und nachdem wir dann auch noch gerätselt hatten, wer die beiden Knaben unterhalb der Madonna sind, den verschwundenen Haaren der Tochter nachspürten und weiter über den Teppich in der Renaissancemalerei sinniert hatten, kamen wir dann nach knapp einer Stunde noch zu Georg Giesze. Giesze (auch Georg Giese) ist Titelheld in einem anderen Holein-Hauptwerk, das praktischerweise fünf Meter weiter links hing. Wieder mit Teppich und nun auch noch mit Glas, Metall, Bücherregalen und Briefen. Gedanklich begleitete wir Holbein dann weiter von Basel nach Antwerpen und London. Mittlerweile hatte sich der Raum etwas gefüllt. Nachdem wir dann noch den Weg aus dem Museum gefunden hatte (wie immer im Bodemuseum nicht ganz einfach und jedes mal findet man zwischendurch neue Säle) folgte noch ein erschöpfter Abschlusskaffee.

Eine Stunde fast allein mit der Madonna. Und immer noch Neues zu entdecken.

Wen wählen in das Board der Wikimedia Foundation?

21:03, Friday, 20 2021 August UTC

Vorweg, für die Eiligen

Meine Wahlvorschläge

  • Top 4: Douglas Ian Scott, Iván Martínez, Adam Wight, Dariusz Jemielniak
  • Top 8: Rosie Stephenson-Goodknight, Lorenzo Losa, Farah Jack Mustaklem, Gerard Meijssen
  • Wählbar: Reda Kerbouche, Pavan Santhosh Surampudi, Ravishankar Ayyakkannu

Wichtige Links

Vote now für das Wikimedia-Board

Für die nicht so Eiligen

Über den Dächern, Türmen und Gasometern Westberlins senkte sich die Abendsonne. Ich stand auf den Zinnen des Ullstein Castles und sinnierte. Direkt unter mir Straßentreiben, Sirenen, betrunkene Jugendliche, ein Ausflugsboot auf dem Teltowkanal, radelnde Ausflügler überquerten die Stubenrauchbrücke.

In der Ferne betrachtete ich die Türme des Spitzenlastheizkraftwerks Lichterfelde, der Sendeturm auf der Marienhöhe, den BfA-Büroturm und den ehemaligen Wasserturm im Naturpark Schöneberger Südgelände. Heute Nacht auf dem Heinweg: Welchen Weg sollte ich wählen? Unten, im Süden, über den Prellerweg vorbei am Sommerbad am Insulaner? Die Nordvariante über den Tempelhofer Damm und durch die Kopfsteinpflaster Tempelhofs? Oder die Mittelweg, mit Erklimmen der Höhe am Attilaplatz und später über den Ikea-Parkplatz? So viel zu wählen.

Wahlen spukten in meinem Kopf herum. Da war die Mitgliedsversammlung unseres Dauergartenvereins. Die Vorstandswahlen dort sollten wahrscheinlich, hoffentlich, unspektakulär verloren. Aber die Anträge. Wenn ein einzelnes Mitglied auf einem A4-Blatt 40 verschiedene Anträge stellt, richtig ernsthaft, dann verspricht das Unterhaltung.

Die Bundestagswahl: Auf dem Weg zum Ullstein Castle passierte ich zahlreiche Bundestagstagswahlplakate: den unlesbaren Blob der Grünen in Tarnfarbenoliv, die bildhaft dargestellte Biederkeit der Berliner SPD, zahlreiche Kleinparteien von Team Tödenhöfer über Volt bis zur Tierschutzpartei. Und so sehr es mich schmerzte das zu sagen: Das Plakatgame gewannen bisher die CDU und ihr Wahlkreiskandidat Jan-Marco Luczak. Sowohl optisch – als auch damit, überhaupt inhaltliche Aussagen fern von Plattitüden zu machen.

Vor allem aber war ich innerlich bei einer ganz anderen Wahl. Die Wikimedia Foundation wählte und wählt ihr Board, auf Deutsch das ehrenamtliche Präsidium der Wikimedia Stiftung. Die Wikipedia steht meinem Herzen näher als der Bundestag und selbst als der Dauergartenverein. Aber die Board-Wahlen erfordern merh Gedanken. Diese Gedanken bedurften des Kontextes.

Was ist die Wikimedia Foundation?

Die Wikimedia Foundation (WMF) ist die Betreiberin der Wikimedia-Projekte wie zum Beispiel der Wikipedia aber auch Wikimedia Commons und Wikidata. Die Foundation hostet die Server, stellt die Technik, ist am Ende rechtlich dafür verantwortlich was in den Wikipedien passiert. Dafür hat die Foundation derzeit etwa 450 Angestellte, ein Endowment von 90 Millionen Dollar und hatte 2020 Jahreseinnahmen von 127 Millionen US-Dollar.

Wo genau die Grenzen zwischen dem Einfluss der Wikimedia Foundation und den Communities liegen, ist umstritten. Letztlich kann die Foundation alles ändern und machen in den Projekten. Sie ist meistens weise genug, es nicht zu tun. Insbesondere schreiben keine Foundation-Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeitszeit Artikel oder legen Inhalte in den Projekten an.

Die Foundation ist eine Organisation eigener selbstgenügsamer Vollkommenheit. Sie hat keine Mitglieder und ist – rechtlich – niemand rechenschaftspflichtig. Das Board besetzt sich prinzipiell aus sich selbst heraus. Es hat entschieden die Hälfte der Sitze Wahlen der weltweiten Wikip/media-Communities besetzen zu lassen zu lassen.

Was ist das Board of Trustees?

Das Board of Trustees ist das ehrenamtliche Aufsichtsgremium der Foundation. Es hat derzeit 16 Sitze. Davon steht einer Jimmy Wales als Gründer zu, sieben Sitze besetzt das Board selber, acht Sitze werden durch eine weltweite Communitywahl bestimmt.

Nun ist allein aus den Worten „ehrenamtlich“ und „weltweit / 450 Mitarbeiter / 127 Millionen Dollar Einnahmen“ klar, dass das Board eine abstrakte Leitungsposition einnimmt. Alleine, einen Überblick über so eine Organisation zu behalten, ist eine Mammutaufgabe. Dieser Organisation noch Vorgaben zu machen und sie in eine bestimmte Richtung zu lenken, eine Herausforderung.

Die Gefahr, in Detailinformationen zu ertrinken oder sich hoffnungslos im Alltagsgeschäft zu verfangen, ist groß. Seiner Aufgabe nach, beaufsichtigt das Board, was die Vollzeitkräfte machen und besetzt die Geschäftsführung.

Was zur Zeit ein besonderer Job ist: Die Geschäftsführerin der Foundation Catherine Maher verschwand im April 2021 überraschend. Der Posten ist seitdem unbesetzt. Ebenso wie sich die Chief Operations Officer im Jahr 2021 verabschiedete, die Abteilungen Communication und Technology auch niemand im Vorstand haben. Auf dem Schiff besetzt nur eine Notbesatzung an Offizier*innen die Brücke. Dem Board obliegt es derzeit, dieses Führungsvakuum schnell und kompetent zu beenden.

Welche Kriterien habe ich?

Grundsätzlich sollte jede*r Kandidat*in zwei Kriterien erfüllen. Sie sollte meine inhaltlichen Ziele teilen. Und sie sollte in der Lage sein, sich in einem ehrenamtlichen Job gegen eine komplette Organisation aus Vollzeitangestellten zu behaupten. Oft genug stehen bei solch ehrenamtlichen Gremien Kandidat*nnen zur Wahl, bei denen ich denke „Will Schlechtes, aber wird das erreichen“ und „Will Gutes, ist aber planlos. Am Ende werden die Hauptberuflichen machen was sie wollen. Oder es gibt Chaos.“

Angesichts der bewegten Zeiten, in denen wir leben; angesichts der latenten Führungslosigkeit der Foundation derzeit, möchte ich Kandidat*innen, die sich durchsetzen können. Kandidat*innen, die nach Möglichkeit die US-Zentrik der Foundation aufbrechen können. Ich möchte Kandidat*innen, die verstehen, dass Wikip/media keine allgemeine Weltbeglückungsorganisation ist, sondern sehr spezifische Sachen sehr gut durchführt – und andere überhaupt nicht kann. Es bringt nichts, sich auf allgemeine Weltbeglückungsziele zu stürzen, die weder die Foundation noch die Communities umsetzen können.

Wählenswert: Adam Wight. Bild: Recent selfie. Von: Adamw Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Welche Kandidaten?

Insgesamt stehen 19 Kandidat*innen zur Auswahl, die um vier Plätze streiten. Dabei sind Wikimedia-Urgesteine ebenso wie Newbies, viele Männer, mir auffallend viele Inder, viele Kandidat*innen mit NGO-Hintergrund, kaum eine*r, der/die fortgeschrittene IT-Kenntnisse hat.

Die Urgesteine

Dariusz Jemielniak – Professor of Management, daueraktiv auf allen Ebenen und vielleicht der einzige Mensch, der intellektuell versteht wie Wikipedia funktioniert.

Rosie Stephenson-Goodknight – WikiWomensGroup, Women in red, you name it. Bei überraschend vielen der Wikipmedia-Genderaktivitäten, die funktionieren, ist Rosie Stephenson-Goodknight beteiligt.

Gerard Meijssen – gefühlt war Gerard schon Wikipedianer bevor es Wikipedia gab. Vielleicht der spannendste Autor des Meta-Wikiversums und ein Chaot.

Mike Peel – langjähriges Mitglied des Funds Dissemantion Committees. (FDC) Hat bei mir in der Rolle durchgehend einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Ravishankar Ayyakkannu – Mr. Tamil Wikipedia, der seinem Resumee zufolge seit 2005 in der Community und mit externen Partnern (wie Wikipedia Zero, Google) zusammenarbeitete. Gewinnt bei mir Diversitätspunkte, weil er nicht nur aus dem Global South stammt, sondern auch Ausbildung und Berufstätigkeit dort durchführte.

Wählenswert: Dariusz Jemielniak Bild: Dr. Dariusz Jemielniak – Wikimedia Foundation Board von: VGrigas (WMF) Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Im Wikiversum aktiv


Reda Kerbouche – Aktiv bei Wikimedia Algeria, Founding member der Wikimedia of Tamazight User Group. Lebt in Europa.


Lorenzo Losa – Ex-Vorsitzender von Wikimedia Italia.


Farah Jack Mustaklem
– Software Engineer, einer der wenigen Kandidaten mit Ahnung von Software. Aktiv bei den Wikimedians of the Levant und der Arabic language User Group. Mir persönlich zu sehr USA-sozialisiert für eine Board-Mitgliedschaft, andererseits sicher in jeder Hinsicht kompetent.

Douglas Ian Scott – Präsident von Wikimedia South Africa, Organisator der Wikimania 2018 und einziger Kandidat, den ich dank eines langen Wartepause am Kofferband irgendeines Wikimania-Flughafens persönlich besser kennenlernte – und begeistert war.

Iván Martínez – langjährig engagiert bei Wikimedia Mexiko, LGBTQ+-Aktivist und soweit ich hörte, das Wikiversum Lateinamerika ist begeistert von ihm.

Pavan Santhosh Surampudi – Community Manager at Quora. Versteht also vermutlich professionell etwas von Communities.

Adam Wight – Programmierer, Ex-Angestellter und WMF und WMDE und neben Gerard der Vertreter des Ur-basisdemokratischen, selbstorganisierten und Gegen-Informationsmonopole-Geistes des frühen Movements.

Vinicius Siqueira – in Wiki Movimento Brasil

Newbies

Es kann sich hierbei um langjährige und erfahrene Wikipedianer*innen handeln, die im kleinen Rahmen auch Projekte oder Gruppen organisiert haben. Erfahrungen in oder mit größeren Organisationen im Wikiversum fehlt vollkommen.

Lionel Scheepmans
Pascale Camus-Walter
Raavi Mohanty
Victoria Doronina
Eliane Dominique Yao
Ashwin Baindur

Wen werde ich wählen?

Leute, die sich durchsetzen können, und die auch die Grenzen des Wikiversums sinnvoll einschätzen können. Perspektiven auf das Leben, anders aussehen als „in US-NGOs sozialisiert“ werden bevorzugt.

Die Top 4

  • Douglas Ian Scott
  • Iván Martínez
  • Adam Wight
  • Dariusz Jemielniak

Top 8

  • Rosie Stephenson-Goodknight
  • Lorenzo Losa
  • Farah Jack Mustaklem
  • Gerard Meijssen

Wählbar

  • Reda Kerbouche
  • Pavan Santhosh Surampudi
  • Ravishankar Ayyakkannu

Wer wird wählen

Es wählen alle Menschen, die vage aktive Accounts in einem Wikimedia-Projekt haben. Die Bedingungen dafür sind niedrig angesetzt. Für Autor*innen ist es nötig 300 Bearbeitungen zu haben, kein Bot zu sein und höchstens in einem Projekt gesperrt zu sein. Die Bedingungen für die Board-Wahlen sind somit einfacher zu erfüllen als die Bedingungen zum Sichten in der deutschen Wikipedia. Die Kriterien mussten am 5. Juli 2021 erfüllt sein. Es hilft nicht, jetzt noch schnell zu editieren.

Das Wahlsystem

Es gilt das Präferenzwahlsystem. Dieses wird weltweit von einschlägigen Fachleuten als besonders fair bezeichnet. Es verzerrt den Wählerwillen weniger als viele andere Wahlsysteme. Praktisch wird es allerdings nur selten eingesetzt. Die bekannteste Wahl mit Präferenzwahl in letzter Zeit war die Bürgermeister*in-Wahl in New York, New York.

Bei Wahlsystem nummeriert man „seine“ Kandidat*nnen nach Präferenzen. Die beste Kandidatin bekommt eine Eins, der Kandidat danach eine zwei und so weiter. Hält man keine Kandidatin mehr für geeignet, hört man auf zu nummerieren.

Bei der Wahl werden in der ersten Runde alle Präferenzen mit „1“ gezählt. Ein Kandidat hat am wenigsten davon. Dieser scheidet aus. Von allen „1“-Wählerinnen des Kandidaten werden nun die „2“-Präferenzen seiner Wählerinnen auf die entsprechenden weiteren Kandidaten verteilt. Und so weiter, bis nur noch so viele Kandidatinnen übrig sind, wie es Plätze zu besetzen gilt.

Zur Wahl

Geht es hier.

Beitragsbild: Die Apostel wählen einen zwölften Zeugen als Ersatz für Judas. Aus dem Rabbula-Evangeliar.

Wiki Loves Jules Verne. Mit Wikipedia in Braunschweig.

08:28, Tuesday, 17 2021 August UTC


Mensch-Maschine Braunschweig


Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert. Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am Bahnsteig. 

Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren.  Eine Frau entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der angezeigten 32.“

Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium, die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?

Illustration aus dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de Neuville & Léon Benett


Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt. Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen Kindheit:


„Meine Mutter nannte dann immer eine Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […] Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir, zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden, Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker. […] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“

Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist, sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?




Forschung Maschinenbau Braunschweig


Minkmar war noch nicht in Braunschweig. Oder Braunschweig ist nicht normal. Da steige ich harmlos aus dem Zug und die Stadt schlägt mir „Deutscher Ingenieur“ rechts und links um die Ohren. Braunschweig hebt das Thema "autogerechte Stadt" in Höhen, die selbst mir als gebürtigem Hannoveraner unerreichbar schienen.

Braunschweig. Bahnhofsvorplatz.


VW ist daran beteiligt, ist klar in der Gegend. Aber nicht nur. Ich wandelte also Freitagabend gegen 21 Uhr auf der Suche nach einem Wegbier durch das verlassene Braunschweig, passierte die Stadthalle und wurde prompt begrüßt mit „Tag des Maschinenbaus. Herzlich Willkommen.“



Vor allem aber  fiel mir bei diesem Wandeln auf, wie unglaublich gepflegt diese Stadt aussieht. Ich erblickte  keine einzige Kippe auf dem Weg. Selbst die Großbaustelle, über die irrte, wirkte irgendwie aufgeräumt. Viel verwunderlicher war, dass selbst die in Braunschweig reichlich vorhandenen 1970er-Großbauten gepflegt und sorgsam hergerichtet wirkten. Die Stadthalle selber, offensichtlicher spät 1960er/früh 1970er-Stil wirkte besser gepflegt als Berliner Gebäude nach zwei Jahren. Die Wege und Lampen darum herum: offensichtlich keine zehn Jahre alt. Sie wirkten wie frisch aus der Packung genommen.

Wegbier. In Braunschweig nur schwerlich aufzutreiben, dann aber stilgerecht,


Selbst die Schwimmbäder sind alle gepflegt(*), alle haben gleichzeitig geöffnet und keines ist aus obskuren Gründen gesperrt. Da spielt nicht nur bürgerschaftliches Engagement eine Rolle, sondern offensichtlich ist auch Geld vorhanden.

Auf dem Hotelzimmer, noch so ein sehr gut gepflegter und hergerichteter Bau, der einem „1970er!“ ästhetisch schon ins Gesicht schreit, mit dem Hotel-Wlan (7 Tage, 7 Geräte) nachlesend, wie das nun ist mit Braunschweig. Bekanntes taucht beim Nachlesen auf: Die physikalische-technische Bundesanstalt mit der Atomuhr; geahntes lese ich (Volkswagen – hey, das ist Niedersachsen und die Technische Universität existiert ja auch) und nicht bekanntes:

„Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verfügt die Region Braunschweig über die höchste Wissenschaftlerdichte,[103] im bundesweiten Vergleich über eine hohe Ingenieurquote[104] sowie über die höchste Intensität auf dem Gebiet der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In der Region Braunschweig arbeiten und forschen mehr als 16.000 Menschen aus über 80 Ländern[105] in 27 Forschungseinrichtungen sowie 20.000 Beschäftigte in 250 Unternehmen der Hochtechnologie[106]“

Dazu noch „Braunschweig ist die Stadt mit der niedrigsten Verschuldung Deutschlands.“ Und nach einer obskuren EU-Rangliste ist Braunschweig  die innovationsfreudigste Region der EU vor Westschweden und Stuttgart. Hier lebt der deutsche Ingenieur. Hier lebt die deutsche Technik. Was für ein passender Ort für Jules Verne.


Jules Verne


Jules Verne; französischer Erfolgsautor des 19. Jahrhunderts und vor allem bekannt als "Vater der Science Fiction." Von seinem vielfältigen Werk sind vor allem die Abenteuer-Techno-Knaller wie Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, die Reise Von der Erde zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde bekannt. Wikipedia und die Deutsche Jules-Verne-Gesellschaft hatten ein gemeinsames Wochenende organisiert mit einer Tagung zu Jules Verne und Gesprächen zu Wikipedia.

Volker Dehs bestreitet das halbe Programm


Jules Verne, mir vor allem bekannt durch vage Erinnerungen an den 1954er Nemo-Film, Weiß-orange Taschenbücher und einen blau eingebunden Robur-Roman, der mich verstörte, weil er so anders war als die großen mir bekannten Abenteuerromane von Jules Verne. Warum ich überhaupt fuhr: Intuition. Ich hätte nur schwerlich begründen können, was genau mich reizte, aber die Mischung aus Vertrauen in die Veranstalter, Science Fiction und Neugier auf diese andere niedersächsische Stadt nach Hannover, trieben mich dorthin.

Verne selber gilt als Begründer Science Fiction. Und so bringt er als Autor frankophile Literaten und Groschenromanfans, Ingenieure und Naturwissenschaftler zusammen. Besessene Bibliographen waren Thema und Anwesend, ebenso wie die phantastische Bibliothek in Wetzlar – die Mischung der Jules-Verne-Aktiven unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Mischung der Wikipedia-Aktiven. Die Perspektiven, aus denen Verne hier unter die Lupe genommen wurden, waren vielgestaltiger als sie es in der Literatur sonst sind. Faszinierend hier war die Neigung unterschiedlicher und leicht besessener Menschen sich zu einem Thema auseinanderzusetzen.

Haus der Braunschweigischen Stiftungen - Veranstaltungsort.



Dementsprechend hatte der Veranstalter, der Wikipedia-Autor Brunswyk das Programm gestaltet: ist Verne eher katholisch oder eher laizistisch? Kam der Wille zur Aufklärung in seinen Büchern durch seinen Verleger Pierre-Jules Hetzel hinein, während auf Verne eher zurückgeht, dass alles menschliche Streben gegenüber der göttlichen Macht sinnlos bleibt? Wen inspirierte er? Ist es eine sinnvolle Frage, dem nachzugehen, welche seiner Voraussagen, sich bewahrheiten? Dazu kamen dann noch Exkursionen zu Friedrich Gerstäcker, Fenimore Cooper, die Ingenieure, die ihre U-Boote dann nach Jules Verne „Nautilus“ nannten – und stark von diesem beeinflusst waren

Für mich brachte das Treffen interessante Erkenntnisse, wie die Tatsache, dass Verne immer Theaterautor oder – produzent werden wollte und wie sehr der Katholizismus sein Denken beeinflusste. Romancier war er eher gezwungenermaßen – und verdiente mit seinen zwei erfolgreichen Theaterstücken in seinem Leben ein Viertel so viel Geld wie mit etwa 80 bis 100 Romanen.

Interessant das Rätseln aller Anwesenden, warum Vernes Roman "der Grüne Strahl" so ein kommerzieller Erfolg war, was niemand der Anwesenden nachvollziehen konnte. Und dann eine Dreiviertelstunde später kam die Bemerkung in einem anderen Zusammenhang, dass "der Grüne Strahl" quasi Vernes einziges Buch mit einer weiblichen Hauptfigur war. Ich ahne einen Zusammenhang, Update: Es kam wie es kommen musst. Da denke ich mal, ich habe etwas entdeckt, dabei habe ich nur etwas falsch verstanden. Tatsächlich ist Der Grüne Strahl nicht das einzige Werk mit einer Protagonistin. Das prägnanteste Buch ist dabei Mistress Branican*, da hier die Titelfigur die komplette Handlung quasi im Alleingang bestreitet. Aber auch in anderen Büchern spielen Frauen eine wichtige Rolle (und dieser Umstand war Jules Verne sogar so wichtig, dass er in Interviews darauf hinwies): Die Kinder des Kapitän Grant*, Nord gegen Süd*, Reise um die Erde in 80 Tagen*, Ein Lotterielos* ... und einige mehr. (*Affiliate Links)

Für mich neu war die Erkenntnis, dass ein Großteil von Vernes Werk gar nicht in den Bereich Science Fiction gehört, sondern es (fiktive) Reisebeschreibungen sind. Und selbst dort wo Verne Maschinen und phantastische Gerätschaften erfindet, dienen diese vor allem dem Zweck zu reisen.

Und jetzt recherchiere ich, natürlich, zum Grünen Strahl.

Die Phantastische Bibliothek


Meine beiden Programmhighlights beschäftigten sich nur mittelbar mit Jules Verne. Sie kamen von der Phantastischen Bibliothek Wetzlar: zum einen der Rückblick von Thomas Le Blanc auf Wolfgang Thadewald. Den großen Phantastik- und Jules-Verne-Sammler. Thadewald verstarb 2014. Er lebte in Langenhagen. Mehrere der Anwesenden hatten ihn noch persönlich gekannt. Und die Schilderung seiner Sammlertätigkeit, seiner Liebe zu Büchern und zu Menschen, aber auch die Besessenheit mit der Thadewald an ein Thema heranging und auch von Krankheit schon schwer gekennzeichnet das Arbeiten an Bibliographien nicht lassen konnte – es ließ sich nicht anders beschreiben als bewegend. Sicher war dieser Vortrag mein emotionaler Vortrag des Programms.

Wer auch immer aber auf die Idee kam, den Vortrag von Klaudia Seibel zu Future Life: Wie (nicht nur) Jules Verne dabei hilft, die Zukunft zu gestalten an Ende der Konferenz zu legen: Chapeau! Das Projekt ist, kurz gesagt, ein Projekt der Phantastischen Bibliothek. Die stellt zu bestimmten Themen Dossiers zusammen, wie Science-Fiction-Autoren sie sich vorstellen. Die Berichte  werden manchmal von öffentlichen Stellen, öfter von Großunternehmen bestellt, die damit selber zukunftsfähig werden wollen und in die Zukunft denken.

So als Beispiel: Nanotechnische Ideen in der Science Fiction



Wobei Auftraggeber von Staats wegen selten sind. Die meisten Aufträge kommen aus der Privatwirtschaft. Die allerdings meist gleich umfangreiche Verschwiegenheitsklauseln verlangt, weshalb die Phantastische Bibliothek da wenig zu sagen kann.

Da haben also Autoren und Mitarbeiter der Bibliothek ein profundes Wissen über die Science-Fiction-Literatur und die größte Bibliothek ihrer Art im Hintergrund und seit mittlerweile einigen Jahren eine große Datenbank aufgebaut, was Autoren zu verschiedenen Themen schreiben.

Als jemand, der ich selbst weiß, wie viele Situationen ich durch gelesene Bücher interpretiere – Bilder aus diesen Büchern im Hinterkopf habe und mir immer wieder mal sagen muss, dass ein Roman nur bedingt real ist, glaube ich sofort, dass es nichts gibt, was so sehr Denkprozesse auslösen und Kreativität triggern kann, wie Romane. Der befreit das Hirn gerade vom strikt logisch-folgerichtigen Denken, verrückt die Perspektive etwas nach links oder oben, und schon öffnen sich vollkommen neue Gedankenwege. Die Idee ist so brillant, dass es überraschend ist, dass sie wirklich angenommen wird. Anscheinend wird sie das.


Mensch Maschine Normal


Und nachdem ich dann wieder im Zug saß und das erste Handy-Ticket meines Lebens gekauft hatte, fragte ich mich wieder. Ist diese Stadt – die mir in vieler Hinsicht – so unfassbar „normal“ vorkommt, vielleicht die große Ausnahme? Sind die Musicaldarsteller, die mit „dem Alex“ [Alexander Klaws] telefonieren, normal? Die Menschen im Ministerium? Die größten Jules-Verne-Experten des Landes, die alle noch einen anderen Brotjob haben? Oder eher die Normalität vieler Menschen, die darin besteht, am Ende des Monats zu überlegen, wie denn die letzten 10 Tage mit dem leeren Konto noch überbrückt werden können?





Brauschweig ist die verstädterte Mensch-Maschine-Kopplung. In seiner Normalität sicher schon wieder ein Ausnahmefall in Deutschland. Aber ich sah die Zukunft: sie sitzt in einer Bibliothek in Wetzlar und liest Science-Fiction-Romane.

Weiterlesen


Mit Wikipedianern kann man nicht nur Verne lesen, sondern auch Cocktails mischen: Ramos Gin Fizz für die Enzyklopädie.

Oder man läuft mit Wikipedianern durch den Wedding:Tanz auf dem Guglhupf, Automatenmaden und die „brutalism appreciation society“ im #wedding

Mehr zu Future Life bei der phantastischen Bibliothek: Future Life. 

Zum Jules-Verne-Club

Die Wikipedia-Seiten zur Veranstaltung: Wikipedia:Wiki Loves Jules Verne

Beiträge zur Veranstaltung im Wikipedia-Kurier und im Blog von Wikimedia Deutschland.

Der grüne Strahl im Gesamttext bei zeno.org: Der grüne Strahl

Alle Iberty-Posts zur Kultur stehen unter: Kultur in Iberty!

Anmerkungen


Auch zu Schwimmbädern ein schönes Minkmar-Zitat aus dem Mit-dem-Kopf-durch-die-Welt.Buch:

„Nichts gegen das große Geld und die wenigen, die es genießen können, aber die Stärke mitteleuropäischer Gesellschaften liegt gerade in der Mischung. Für Reiche ist es in Singapur, Russland und Malaysia ideal. […]Glaspaläste und Shopping Malls gibt es auf der ganzen Welt, bald vermutlich auch unter Wasser und auf dem Mond. Öffentliche Freibäder, Stadtteilfeste oder Fußgängerzonen, in denen sich Reiche und Arme, Helle und Dunkle, Christen und Muslime mit ihren Kindern vergnügen und drängeln, gibt es nur hier. Ich fand es immer erstaunlich, dass es in Algerien beispielsweise keine öffentlichen Schwimmbäder gibt oder dass man in den USA oder in Brasilien Mitglied in einem Club werden muss. Das ist eine teure und in vieler Hinsicht sozial sehr voraussetzungsreiche Angelegenheit, nur um mit den Kindern mal schwimmen zu gehen, es sei denn natürlich, jeder hat seinen eigenen Pool im Garten, was, für mich zumindest, wie eine Definition von struktureller Langeweile klingt.“ (s. 104)


 

*Dieser Post enthält Affiliate Links zu geniallokal. Es handelt sich dabei um Werbung. Ich bekomme eine kleine Provision, wenn ihr dort bestellt, und ihr habt bei den Guten bestellt.


Berlin celebrates old school #wikipedia15

08:13, Tuesday, 17 2021 August UTC

I still remember the time when real life meetings for Wikipedians were new and adventurous and a bit scary. Did one really want to meet these strange other people from the Internet? How would they be? Could they even talk in real life or would they just sit behind a laptop screen staring on it for hours?

My first meeting in Hamburg – THE first Wikipedia meeting in Hamburg - would consist of three people (Hi Anneke, Hi Baldhur!) sitting in a pub, and just waiting and seeing what would happen. These meetings were kind of improvised, in a pub, quite private and personal in nature and no talk about projects, collaborations, “the movement” whatever. Just Wikipedia and Wikipedians having a nice evening.

WP15 Germany Berlin 01
Bild: By Sargoth, CC BY-SA 3.0

So what a fitting setting to celebrate this day in Berlin just the old school way. Half improvised, organized by our dearest local troll user:Schlesinger on a talk page, we met in a pub, it was not clear who would come and what would happen except some people having a good time.

And so It was. In the “Matzbach” in the heart of Berlin-Kreuzberg seven people promised to come, in the end we were almost twenty. Long time Wikipedians, long-time-no-see-Wikipedians, a Wikipedian active mostly in Polish and Afrikaans, some newbies and two and a half people from Wikimedia Deutschland. Veronica from Wikimedia Deutschland brought a tiny but wonderful home-baked cake, and we just talked and laughed, talked about history and future.  Actually, mostly we talked about future.

WP15 Germany Berlin 03
Bild: By Sargoth, CC BY-SA 3.0

About the Wikipedian above 30, who has just started a new a university degree in archaeology, the question whether the Berlin community should have its own independent space, industrial beer, craft beer and the differences, the district of Berlin-Wedding, the temporary David-Bowie-memorial in Berlin-Schöneberg, the vending machine for fishing bait in Wedding, new pub meet-ups in the future, who should come to the open editing events, how to work better with libraries, colorful Wikipedians who weren’t there, looking for a new flat, whether perfectionism is helpful or rather not when planning something for Wikipedians, explaining Wikipedia to the newbie, the difficulties of cake-cutting and whatsoever.

No frustration, almost no talk about meta and politics, just Wikipedians interested in the world, Wikipedia and eager to be active in and for Wikipedia and with big plans for the future. Old school. So good.

WP15 Berlin Torte angeschnitten

Die Verschwundenen

08:13, Tuesday, 17 2021 August UTC

Crossposting eines Posts von mir aus dem Wikipedia Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere Menschen.

Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind und gearbeitet haben.

Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten - fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden. Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr fleißige Autorin? Wer weiß?


 Viele Wikipedianerinnen und Wikipedianer sind derzeit inaktiv.

Anlässlich des Projektes WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat, musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.



Da ist zum Beispiel der Artikel zur Chausseestraße. Ein Mammutwerk von Gtelloke, dessen Wikipedia-Edits sich von Juni bis Dezember 2012 fast ausschließlich auf diesen Artikel beschränkten.


Bild: Die Chausseestraße 114-118 in Richtung Invalidenstraße von Gtelloke
Lizenz: CC-BY-SA 3.0



Da ist der Artikel zum Wedding selber. Angelegt 2002 von Otto, dessen letzter Edit aus dem Dezember 2004 stammt. Im November 2004 dann maßgeblich ausgebaut von Nauck, der sich auch sonst dem Ortsteil und seinen Themen widmete. Artikel zu Moabit, den Meyerschen Höfen, Mietskasernen und Schlafgängern waren Teil seines kurzen Werks, das im Wesentlichen nur zwei Wochen im November 2004 dauerte, aber die Grundlagen wichtiger Artikel zur Berliner Sozialgeschichte legte. Ein Blick auf seine Benutzerseite zeigt auch den Geist der Wikipedia-Frühzeit: ''GNU rockt! Der König ist tod, lang lebe das Volk! Lang lebe die Anarchie des Netzes! Licht und Liebe''

Weiterer Ausbau erfolgte durch 87.123.84.64, auch zu wikipedianischen Urzeiten. Dann passierte 500 Edits und acht Jahre im Wesentlichen nichts – mal ein Halbsatz hier, mal die Hinzufügung von drei Bahnstrecken dort, Hinzufügen und Löschen von berühmten Persönlichkeiten bis im Dezember 2014 der erste heute noch aktive Wikipedianer hinzukommt: Fridolin freudenfett verpasst dem Artikel mit „Katastrophalen Artikel etwas verbessert)“ eine Generalüberholung.

Der Leopoldplatz; angelegt von Frerix, der in den immerhin fünf Jahren seiner Wikipedia-Aktivität nie auch nur eine Benutzerseite für nötig hielt und anscheinend auch in keine Diskussion verwickelt wurde.  Zu seinen wenigen Beiträgen gehören neben der Anlage des Leopoldplatzes auch noch die Anlage der englischen Stadt Sandhurst, die Anlage des Kreuzviertels in Münster und des Three Horses Biers. Dann war er/sie wieder weg. Mutter des Artikels ist hier aber 44Pinguine, die den heutigen Inhalt maßgeblich prägt und auch heute noch aktiv ist.

Da wäre das Wahrzeichen des Weddings. Die Alte Nazarethkirche. Der Artikel stammt vor allem von 62.246.210.30.


Bild: Leopoldplatz, Ev. Alte Nazarethkirche, 1832–35 von Karl Friedrich Schinkel von Schliwiju

Nichts war für die Entwicklung des Weddings wohl so entscheidend wie die Geschichte der AEG. Dieser Artikel stammte in seiner Frühzeit von WHell, engagiertem Wikifanten, mit ausführlicher Artikelliste und Diskussionsseite, der uns 2007 verließ. Der letzte Eintrag auf seiner Diskussionsseite war „Hallo WHell, ich möchte Dich als den Hauptautor darüber informieren, dass ich den Artikel John Bull (Lokomotive) in die Wiederwahl zum Exzellenten Artikel gestellt habe,“ Größere Beiträge zur WEG folgten in den späteren Jahren durch Peterobst – aktiv von Februar bis April 2006 vor allem mit Beiträgen zur Berliner Industriegeschichte, nach seiner Benutzerseite AEG-Kenner und in Arbeit an einem Buch über den Konzern. Es folgten 80.226.238.197, von Georg Slickers 2006 (auch heute noch aktiv, wenn auch recht unregelmäßig), Flibbertigibbet 2006 , 79.201.110.89 im Jahr 2008 und der unermüdlichen 44Pinguine. Weiter ausgebaut von Onkel Dittmeyer, aktiv von 2009 bis Juli 2015 in Technikthemen und vielleicht immer noch unter neuem Account? Begann seine Karrier mit der Nutzerseite „Hier ist Nichts und das soll so bleiben !“ und hielt sich im Wesentlichen daran.

Da ist der Volkspark Rehberge. Angelegt von Ramiro 2005, aktiv 2005/2006, vor allem zum Thema Fußball. Maßgeblich ausgebaut, umfassend überarbeitet 2007 von 84.190.89.208 und noch einmal 2010 stark erweitert von Katonka. Landschaftsplaner mit unregelmäßigen Edits zwischen 2009 und 2014, die Edits waren wenige, aber die Qualität war hoch.


Bild: LSG-6 Volkspark Rehberge Berlin Mitte - Panoramabild auf die Wiesen des Volkspark Rehberge in Berlin, Wedding (Mitte). Von: Patrick Franke Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Neben diesen Verschwundenen tauchen glücklicherweise aber auch heute noch aktive Wikifanten auf. Immer wieder 44Pinguine und Fridolin freudenfett. Darüber hinaus Definitiv, Magadan, Flibbertigibbet und Jo.Fruechtnicht.

Die Artikel entstanden durch Wikifanten und IPs. Accounts mit nur einem Thema oder anderen, die über Jahre thematisch sprangen. Während in der Frühzeit aber viele verschiedene Accounts und IPs an den Artikel beteiligt waren, waren in den letzten Jahren deutlich weniger Menschen aktiv. Fast alle inhaltlichen Edits in den von mir angesehenen Artikeln verteilen sich auf 44Pinguine,  Fridolin freudenfett und Definitiv. Wikipedia wird kleiner und noch lebt sie. Aber wir können all‘ den Verschwundenen danken, die vor uns kamen.

Seit nun schon ein paar Jahren hört man immer wieder über Probleme in der kroatischen (und zu einem gewissen Grad auch der serbischen) Wikipedia. Rechte Gruppen sollen das Projekt übernommen haben und alle Wikipedianer, die nicht ihrer Meinung sind, rausgeekelt oder einfach gesperrt haben.

Lange war nichts passiert, aber seit Ende letzten Jahres sah sich die WMF dann doch mal die Situation an und es wurde schon zumindest ein Admin gebannt.

Nun hat die WMF ein Abschlußdokument veröffentlicht; oder genauer schon Mitte Juni und ich habe es erst heute bei reddit gesehen. In dem Dokument finden sich solche Perlen, als das in hrwp behauptet wurde, Nazi-Deutschland habe Polen überfallen weil Polen einen Genozid an Deutschen verübt hätten.

Der ganze Bericht kann hier gefunden werden. Mich macht die ganze Geschichte sowohl traurig als auch wütend. Wikipedia soll die Leute so gut es geht aufklären und nicht Propaganda verbreiten!

IeS: Blog ist zurück

21:38, Friday, 16 2021 April UTC

Ich habe heute dieses Blog auf einen neuen Server umgezogen, sein DNS aktualisiert und sein SSL repariert. Werde versuchen, es nun wieder öfters zu befüllen. Wünscht mir Glück 🙂.

Wahl: Oversighter-Wahlen

21:11, Friday, 16 2021 April UTC

Bereits seit gestern und noch bis zum 28. April laufen die Oversighter-Wahlen. Doc Taxon, User:He3nry und Nolispanmo treten zur Wiederwahl an. Ich wünsche: Viel Erfolg!

Gab es in der DDR Spaghetti?

09:39, Friday, 26 2021 March UTC

Eine der schöneren unbekannten Ecken der Wikipedia ist die Seite zur Auskunft. Dort können Menschen mögliche und unmögliche Fragen stellen, die dann mal launisch, mal larmoyant, mal ernsthaft oder auch gar nicht beantwortet werden. Wie im wahren Leben und eine ewige Fundgrube obskuren Wissens, seltsamer Fragestellungen und logischen Extremsports.

Nicht die DDR. Bild: Giorgio Conrad (1827-1889) - Mangiatori di maccheroni. Numero di catalogo: 102.



Dort nun fragte vor ein paar Tagen ein unangemeldeter Nutzer:

 "Warum gab es in der DDR eigentlich nur Makkaroni (die in Wirklichkeit Maccheroncini waren), aber keine Spaghetti? Das erscheint mir nach Lektüre einiger Bücher aus der DDR so gewesen zu sein und ist mir auch so von meiner aus Ex-DDR-Bürgern bestehenden Verwandtschaft bestätigt worden. Warum?"

Es folgte eine längere und mäandernde ausgiebige Diskussion, die immerhin folgendes ergab:

* Anscheinend gab es in der DDR Spaghetti, zumindest erinnerten sich einige der Diskutanten an derartige Kindheitserlebnisse.
* Ob Spaghetti so verbreitet waren wie Makkaroni oder Spirelli, darüber bestand Uneinigkeit.
* Die Nudelsaucensituation war in Berlin besser als im Rest der DDR.
* Die DDR allgemein pflegte in vielerlei Hinsicht traditionellere Essgewohnheiten als Westdeutschland, die Küche der DDR ähnelte in vielem mehr der deutschen Vorkriegsküche als dies für die westdeutsche Küche gilt.
* In Vorkriegszeiten waren Makkaroni verbreiteter als Spaghetti.
* Schon bei Erich Kästner wurden Makkaroni gegessen
* Der Makkaroni-Spaghetti turn im (west-)deutschen Sprachraum war Mitte der 1960er
* Schuld könnten wahlweise das mangelnde Basilikum, die mangelnde Tomatensauce, überhaupt mangelnde Kräuter, Italienreisen, Gastarbeiter, Miracoli oder auch was ganz anderes sein.
* Klarer Konsens im Rahme: Sahne gehört keineswegs in Sauce Carbonara!


Gab es in der DDR nicht: Miracoli. Bild: Miracoli-Nudeln mit Mirácoli-Soße von Kraft. Von: Brian Ammon, Lizenz: CC-BY-SA 3.0
 
Daneben tauchten eine ganze Menge Kindheitserinnerungen auf an exotische Spaghettimahlzeiten mit kleingeschnittenen Spaghetti, Ketchup-basierter Tomatensauce und anderen kulinarischen Exotika des geteilten Deutschlands.

Einige Antworten, viel mehr Fragen:
* seit wann wird in Deutschland überhaupt Pasta gegessen?
* wie lange schon ist Tomatensauce verbreitet?
* seit wann essen westdeutsche Spaghetti?
* Und wer ist Schuld? Die Gastarbeiter? Die Italienurlauber? Miracoli?
* Und wie kommen eigentlich die Löcher in die Makkaroni?

Also verließen wir dann erst einmal die Auskunft und die dortige Diskussion und betrieben etwas weitere Recherche. Das heimische "Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Badischen Frauenvereins", veröffentlicht 1913 in Karlsruhe, kennt sowohl Makkaroni wie auch Spaghetti. Ungewohnt für heute: die Makkaroni werden in "halbfingerlange Stückchen gebrochen" und dann 25 bis 30 Minuten gekocht.

Neben den diversen Makkaroni-Gerichten gibt es auch einmal Spaghetti. Die Priorität ist klar. Spaghetti werden erklärt als "Spaghetti ist eine Art feine Makkaronisorte. Beim Einkauf achte man darauf, daß sie nicht hohl sind"

Die "Basler Kochschule. Eine leichtfaßliche Anleitung zur bürgerlichen und feineren Kochkunst" von 1908 kennt keine Spaghetti aber diverse Gericht mit "Maccaronis". Darunter sogar schon die Variante "a la napolitaine" mit Tomatensauce.

Weitere Recherche. Weitere Erkenntnisse bringt das Buch "Meine Suche nach der besten Pasta der Welt: Eine Abenteuerreise durch Italien", das die Ankunft der Makkaroni in Deutschland auf das frühe 18. Jahrhundert verlegt. Die 1701 nachweisbaren "Macronen" waren wohl eher Lasagne, aber Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden in Prag und Wien echte Makkaroni-Fabriken.

Die Pasta folgte anscheinend den jungen Männern der Grand Tour aus Italien in das restliche Europa. Bestimmt waren die Grand Tours für junge Männer, die mal etwas von der Welt sehen und klassische europäische Bildung mitbekommen sollten, die auf der Tour aber anscheinend nicht nur Statuen und Kirchen kennenlernten, sondern auch Pasta.

Philip Dawe, The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade (1773) - 02
Der Macaroni. Der Hipster seiner Zeit. Bild: Philip Dawe: The Macaroni. A Real Character at the Late Masquerade, 1773.

In England gab es sogar einen eigenen Modestil Macaroni für exaltierte junge Männer - "a fashionable fellow who dressed and even spoke in an outlandishly affected and epicene manner". Die englische Wikipedia schreibt dazu lakonisch: "Siehe auch: Hipster. Metrosexuell." Komplett falsch wäre wohl auch die Assoziation zur Toskana-Fraktion nicht.

Nach diesen extravagant und auffallend auftretenden jungen Männern ist nun wiederum im Englischen der Macaroni penguin - auf deutsch der Goldschopfpinguin - benannt.


Makkaroni-Penguin. Benannt nach dem Stil, nicht nach den Nudeln. Bild: Macaroni Penguin at Cooper Bay, South Georgia von Liam Quinn, Lizenz: CC-BY-SA 2.0

Wie aber kommen nun die Löcher in die Makkaroni? Und seit wann? Licht in dieses Dunkel bringt die "Encyclopedia of Pasta." Diese lokalisiert die Entstehung der maschinellen Pastafertigung - die für Makkaroni in zumutbarer Menge unvermeidlich ist - in die Bucht von Neapel in das 16. Jahrhundert. Dort existerte eine Heimindustrie mit Mühlen, an die sich relativ problemlos eine im 16. Jahrhundert aufkommende ’ngegno da maccarun anschließen lies, die es den Neapolitanern ersparte stundenlang im Teig herumzulaufen, um ihn zu kneten: im Wesentlichen Holzpressen mit einem Einsatz aus Kupfer, je nach Form des Einsatzes entstehen verschiedene Nudelsorten und damit unter anderem Makkaroni. Die Makkaroni wurden dann in langen Fäden zum trocknen in die süditalienische Sonne gehängt.


Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 6204 - Napoli - Fabbrica di maccheroni
Neapel, 19. Jahrhundert. Bild: Giorgio Sommer (1834-1914), "Torre Annunziata-Napoli - Fabbrica di maccheroni". Fotografia colorita a mano. Numero di catalogo: 6204. 


Das hat alles nicht mehr wirklich etwas mit Spaghetti und der DDR zu tun, beantwortet nicht, warum die Deutschen in den 1960ern plötzlich lieber Spaghetti als Makkaroni mochten, oder warum die Makkaroni bei ihrem ersten Zug über die Alpen die Tomatensauce in der Schweiz ließen? Warum gibt es in Deutschland kein Äquivalent zu "Macaroni and cheese" (mehr)? Gab es ein Miracoli-Äquivalent in der DDR, bei dem es Pasta, Sauce und Käse schon in einer Packung gab? Warum sind Makkaroni in Deutschland tendenziell lang und dünn in vielen anderen Ländern aber dicker und hörnchenförmig-gebogen? Es ist hochspannend. Und ein Grund, noch viel mehr zu recherchieren.

Weiterlesen

Eine Investigation: Es gibt kein Mirácoli Carbonara mehr.

Coolest Wikipedia Tool 2020: Pywikibot

17:31, Thursday, 07 2021 January UTC

Seit 2019 wählt das Wikiversum die coolsten Tools, die besten Hilfsmittel, um in Wikipedia und anderen Wikis zu werken. Eines davon ist der Pywikibot, der Bot aller Bots.

Schneeregen fegte waagerecht über Vorplatz des Tempelhofer Hafens. Mein Pullover war gar nicht so kuschlig und dicht wie ich ihn in Erinnerung hatte. Die Handschuhe waren im Laufe der Jahre so fadenscheinig geworden, dass eine einzelne kurze Radtour die Finger vereisen ließ.

Ein einsamer, von Weihnachten übrig gebliebener, Quarkkeulchen-Stand vor dem Tempelhofer Hafen. Seine Lichter verhießen Wärme. Der Weg dorthin: Von Entbehrungen gezeichnet. Der Wind, der einem aus allen Richtungen ins Gesicht blies, trieb die Leute davon. Sie wussten nicht wohin, denn alles war geschlossen und zu Hause wollten sie ihre Mitbewohner nicht mehr sehen. Über der Szene kreiste ein hungriger Taubenschwarm.

„Ist es nicht herrlich“, fragte ich DJ Hüpfburg. „So viel Platz! Fast das ganze Hafengelände gehört uns. Und wir können uns problemlos aus drei Meter Sicherheitsabstand anschreien.“ – Sie antwortete „Du spinnst. Es ist scheißkalt. Ich bibbere. Das letzte Mal, als ich so gefroren habe, bin ich im Rozbrat mit meiner ehemaligen Band aufgetreten: „Pierdzące Zakonnice“.

Wir spielten Prog-Punk. Kein Wasser, keine Heizung und ein sibirischer Windhauch kam aus Richtung Minsk. Wer auf Toilette wollte, hat einen Eispickel in die Hand bekommen, falls das Plumpsklo wieder zugefroren war. Und am Ende des Abends haben wir Wahlplakate im Konzertsaal verbrannt, um nicht ganz zu erfrieren.

Aber wir haben gerockt: Kasia an der Geige, die andere Kasia am Theremin, ich an der KitchenAid und Anna am Gong und an der Rezitation. So viel Kunst war nie wieder davor oder danach im Rozbrat. Leider war es den Pferden zu kalt, so dass die weiße Kutsche ausgefallen ist. Hier am Hafen ist keine Kunst. Hier ist es nur scheißkalt. Ich gehe.“

Später, im Chat. Hüpfburgs Schilderung hatte mich an ein Video erinnert, das ich kurz vorher gesehen hatte: „Wikimedia Coolest Tool Award 2020.“ in meinen Versuchen, DJ Hüpfburg für die Wikipedia und ihr Umfeld zu begeistern, postete ich ihr den Link.

Southgeist: https://www.youtube.com/watch?v=zYM4k_LD_9w – Tools sind doch was für Dich

Hüpfburg: click

Hüpfburg: Das ist Wikipedia. Was soll ich damit?

Southgeist: Aber Tools. Nur mit ausgewählten Menschen. Fast nur Technik und kreative Sachen.


Hüpfburg: Wikipedia spießerfrei? Du meinst, das soll gehen?

Southgeist: Schau doch mal.

Hüpfburg: Ich sehe jetzt schon drei Minuten lang Berliner Straßen ohne Ton. Ich dachte schon, meine Lautsprecher wären kaputt.

Hüpfburg: I like the music.

Southgeist: Eben. Warte erst auf die Tools.

Hüpfburg: 52 Minuten! So lange soll ich Wikipedia schauen? In der Zeit zerstöre ich zwei Ehen, bringe einen Priester vom Glauben ab und bringe drei Paare neu zueinander. Sage mir lieber, was für Tools vorkommen.

Die coolest Tools

Ich erzählte.

Im Video werden vorgestellt: Der AutoWikiBrowser (Hüpfburg: „Da klingt der Name schon langweilig“), SDZeroBot generiert Benutzerseitenreports („Mich interessieren weder Benutzer noch ihre Seiten“), Proofread Page Extension („Korrekturlesen, geht es noch spießiger?“), Listen to Wikipedia („Schön, aber reichlich Kitsch. Wenn eines Tages zwei Wikipedianer kommen und einander heiraten wollen, werde ich das Tool in den Event integrieren“), AbuseFilter („Zu sehr Polizei“), LinguaLibre („I like“), und Pywikibot – ein Tool zum Erstellen weiterer Tools. („Das klingt spannend – erzähle mir mehr.“)

Pywikibot

Pywikibot ist ein Framework zum Erstellen von Bots. Oder anders gesagt: wer sich den Pywikibot installiert, kann mit überschaubarem Aufwand eigene Bots schaffen. Oder sich an einem der bereits auf dieser Basis geschaffenen Skripte bedienen. Die Bots können prinzipiell alles, was menschliche Nutzer von MediaWiki-Wikis auch können – nur schneller.

Wobei können in diesem Zusammenhang natürlich bedeutet: jemensch muss dem Bot vorher sagen, was er tun soll. Das dauert länger als ein Edit. Der Bot kommt sinnvoll ins Spiel, wo es eine hohe Zahl gleichartiger Edits gibt. Zum Artikelschreiben ist das wenig – zum Anpassen von Formalien ist es super. Und dazwischen liegt ein Graubereich. Nicht alles ist sinnvoll, nicht alles ist erlaubt – und um die Kontrolle zu wahren, hat der Pywikibot einen automatischen Slow-Down-Mechanismus, der den Bot absichtlich ausbremst.

Pywikibot geht zurück auf verschiedene Bots und Skripte aus dem Jahr 2003, existiert in dieser Form seit etwa 2008. Die aktuelle Variante ist in und für Python 3 geschrieben. Die Community, die sich um das Framework kümmert, hat eine dreistellige Zahl von Mitgliedern und ist so international, wie es die frühe Wikipedia war. Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich auch sagen, was Charaktertypen und Soziodemographie angeht, ist die Pywikibot-Gruppe sehr viel näher an der Ur-Wikipedia als die heutigen Wikipedistas.

DJ Hüpfburg: „Du sagst es. Alt-Wikipedia. Diese Tool-Awards sind solche Lebenswerkauszeichungen? Das Bot-Framework gibt es seit fast 20 Jahren, das Proofread-Tool existiert seit fast 15 Jahren. Ist der Award so langsam oder gibt es so wenig Neues?“

Ich glaube, der Award ist langsam. Beziehungsweise er existiert erst seit letztem Jahr. Jetzt muss er die ganzen Tools der letzten Jahrzehnte durchprämieren, damit die nicht vergessen werden. Wie bei der Wikipedia auch: Die Grundlagen wurden vor langer Zeit gelegt. Alles, was jetzt kommt, baut darauf an, verbessert, schafft aber nur selten fundamental Neues.

Change Musiker to Musiker*innen

„Außer dem Tool-Award. Der ist neu? Und dem Video nach zu urteilen reichlich großartig.“
Yup. Und er hat mir und dir den Pywikibot gelehrt und damit eine wichtige Aufgabe erfüllt.

DJ Hüpfburg: „Ich kann also auf Basis von Pywikibot alle ‚Musiker‘ in Wikipedia durch ‚Musiker*innen‘ ersetzen?“
Ich: „Theoretisch ja. Praktisch gibt es verschiedene Hindernisse. Und du wirst auf ewig gesperrt werden.“

DJ Hüpfburg: „Dachte ich. Noch so jung und schon so strukturkonservativ diese Website. Wäre sie ein Mensch, würde sie einen beigen Pullunder über weißem Hemd tragen und Leserbriefe an die Fernsehzeitschrift schreiben. Aber ich kann mein eigenes Wiki aufsetzen und da noch Herzenslust alles bot-mäßig umbauen?“

Ich: „Yup. Wikidata freut sich auch. Da gibt es noch viel zu tun und die sind superfreundlich dort.“

DJ Hüpfburg: „Ich auf meinem Pybot einreitend in Wikidata! Das wäre fast so gut wie im Rozbrat. Mit der Kutsche, die dann doch nicht kam. Irgendwann im Laufe des Abends spielten wir Mozart. Da haben die Squatter angefangen mit Äpfeln zu werfen. Wir uns hinter dem Gong geduckt und ich ein Kitchen-Aid-Solo. Ich erinnere mich noch an den einen Tänzer, der allein Stand und Luft-Küchenmaschine gespielt hat. Ein Arm angwickelt am Körper als würde er die Maschine an sich drücken, mit dem anderen weit ausholende Bewegungen, um dann auf dem Einschaltknopf zu laden.“

„Leider hatten wir dem Publikum einen Mozart-Schock versetzt und die wollten uns nicht mehr gehen. Dadurch hatten wir alle Auftrittsorte in Posen durch. Kasia ging nach Prag und Paris, Jazz-Theremin studieren. „Ein Juwel unter unserer Studentinnen“ sagte mal eine Professorin. Kasia wäre fast dieses Jahr in der Philharmonie aufgetreten. Aber Deine komische Wikipedia hat immer noch keinen Artikel von ihr.“

Ich: „Es ist nicht meine Wikipedia.“

Ruhe. Hüpfburg dachte.

„Dieser Bot. Der kann doch sicher in Wikidata alle Personen auslesen, die Theremin spielen. Und dann eine Liste in Wikipedia anlegen. Die regelmäßig erneuert wird. Das müsste doch gehen. Vielleicht ist es einen Versuch wert.“

(Beitragsbild: Brødmaskin med striper i mange farger von: Øyvind Holmstad Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

SPARQL für Anfänger. Ein Versuch.

13:49, Wednesday, 18 2020 November UTC

SPARQL ist wie SQL, nur mit mehr Kontext. SPARQL ist eine Datenbanksprache, die es erlaubt, das Semantic Web zu befragen. Eine Sprache, die nicht nur Daten liefert. Sie ergründet auch das logische Verhältnis zwischen diesen Daten. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ist es schwieriger. Ein Selbstversuch mit SPARQL, Wikidata und Schwimmbädern.

Es nieselregnet. Auf dem „Street Food Market“ am Tempelhofer Hafen versucht Schlagermusik die Trostlosigkeit zu vertreiben. Hinter DJ Hüpfburg und mir steht der „Irish Pub“-Wagen, ein Fleischer-Wagen und Curry Paule. Streetfood is coming home.

Street Food kam zurück von den Hipstern, die nach dem Thailandurlaub ihre Liebe zu Street Food entdeckt haben, zu den Leuten, die schon seit Jahrzehnten Essen an Deutschlands Straßen zubereiten. Die einzigen Gäste bei Curry Paule sind die Mitarbeiter vom Irish Pub. Am Irish Pub Wagen steht niemand. Ein eisiger Herbstwind verleidet den Aufenthalt draußen. Curry Paule bietet als große Attraktion vegane Wurst. Das hätte es 1985 nicht gegeben.

DJ Hüpfburg heuchelt Interesse gegenüber meinen Rede. Wir sitzen auf den Stufen am Hafen, betrachten die wöchentlich kleiner werdende Gruppe der Freizeitboote dort. Ich erzähle die letzten Züge einer Anekdote. Es geht um Mund-Nasen-Masken und Kommunikation:

„Ich stehe also mit Madame im IKEA. Wir hoffen auf die letzten Karlhugo-Stühle. Die sind quasi immer ausverkauft. Schaust du auf die Website bei unserem Laden, siehst Du einen oder zwei. Dann wieder null. Dann einen halben Tag lang acht Stühle, dann wieder null. Wir fürchten, bald gibt es sie gar nicht mehr. Wir fürchten, IKEA nimmt sie aus dem Programm. Also online geschaut, ob sie im IKEA Schöneberg vorhanden sind. Schnell die Gelegenheit ergriffen. Wir fuhren zum Bestellschalter, natürlich brav mit Maske, wie die Dame hinter der Plexiglasscheibe auch. Die Sprache wird durch die Masken vernuschelt.

Madame: Wir würden gerne einen Karlhugo abholen.

Verkäuferin schaut skeptisch: Karlhugo? Nie gehört. Sicher, dass es Karlhugo ist?

Madame: Doch, sicher: Karlhugo.

Verkäuferin tippt zweifelnd in ihren Rechner: „Ne, nichts.“

Madame: „Sicher, im Internet stand hier sind noch wir.“

Verkäuferin tippt weiter, kopfschüttelnd: „Kein. Karlhugo. Gar nicht.“

Madame hat mittlerweile die Website aufgerufen, zeigt sie der Dame in Blau-Gelb: „Hier. Acht Exemplare Karlhugo im IKEA Schöneberg.“

Verkäuferin: „Ach, Karlhugo! Gar nicht Karlhugo!“ Sie tippt energisch.

„Hätten sie doch gleich Karlhugo gesagt!“

Sie druckt den Zettel für die Kasse aus. Madame fragt mich: Hast du verstanden, was sie gesagt hat? Ich: „Karlhugo“.

DJ Hüpfburg ist beeindruckt. Ich bilde mir ein, einen Mundwinkel zucken zu sehen. „Du solltest Stand-Up-Comedy machen. Am besten mit Maske. Dann verstehen die Leute Dich schlechter.“

Ihre Gedanken werden düsterer: Weißt Du, wo man schnell einen Corona-Test herbekommt? Eine Freundin, Schneiderin, hatte einen Kunden, der jetzt positiv getestet ist. Das war ein schöner Auftrag: Dark Academia meets Southern Gothic, dunkle Mäntel, Cardigans, Wollpullover und künstliche Spinnenweben. Sie hatten vier Treffen in der letzten Woche zur Absprache. Mich hat sie gefragt, ob ich eine Quelle für schicke Brillen dazu habe. Hat Spaß gemacht. Also schön, bis der Kunde anrief mit dem Testergebnis. Nun ist alles Grütze.

Sie will gar nicht den Laden zumachen und schnell einen negativen Test. Aber dafür muss sie überhaupt an einen Test kommen. Und jeder geschlossene Tag schmerzt. Ich überlege: „Ich glaube, ich kenne eine Ärztin mit Corona-Sprechstunde. Müsste ich zu Hause suchen.“

Wir schweigen. Nieselregen und Herbststurm werden durch Gedanken an überfüllte Intensivstationen ergänzt. Eine Lachmöwe mit einem Pommes im Schnabel fliegt vorbei. Dj Hüpfburg steht wortlos auf, vegane Currywurst kaufen.

Sie kommt mit einer Wurst und einem Prospekt zurück. Große gelbe Buchstaben fordern mich auf: „Curryspargel! Freu Dich auf den Sommer!“

„Dirk, du hast mir Unsinn erzählt. Sparkel spricht sich gar nicht Spargel aus.“ Ich: „???“ Diese Datenbanksprache: SPARQL. Die wird „Sparkel“ ausgesprochen, wie im Englischen to sparcle leuchtend/blinkend. Sterne sparclen. Nicht wie im deutschen „Spargel.“

„Okay. Aber wie kommst du darauf?“

Ich spielte im Internet herum. Mir war langweilig. Hochzeiten im Oktober bei Corona ist kein Business. Also dachte ich, ich nutze die Zeit und beschreite innovative Recherchewege nach Eventlocations. Schlösser, Burgen, Industrieruinen. Als du mir wieder mit Wikipedia auf die Nerven gegangen bist, hast du von Wikidata erzählt. Ich dachte, Zahlen kann ich. Ich schaue wie das geht. Jetzt schaue ich Videos und ich teste.

Wikidata

Wikidata ist eine offene Datenbank. Das heißt: eine große Datenbank, in der Daten über alles stehen. Von der vagen Grundidee her so wie Wikipedia, aber mit weniger Gelaber. Wobei die Inhalte nicht einfach in der Datenbank stehen. Sie sind logisch verknüpft.

Es stehen nicht nur A, B und C in der Datenbank, sondern ihre Beziehung. Wenn dort steht „A ist Kind von B“. Und dort steht: „B ist Kind von C“. Dann kann man Abfragen, dass A das Enkelkind von C ist, ohne dass dies so explizit vorher eingegeben werden muss. Steht dort auch noch „D ist Kind von B“, kann man Abfragen, dass A und D Geschwister sind, ohne dass dies explizit in der Datenbank steht.

Bei Wikidata kann jede auf die Daten zugreifen, und etwas mit ihnen machen. So als einfache Idee: in Wikidata stehen immer die aktuellen Einwohnerzahlen jeder Stadt. Dann muss Wikipedia diese nicht mehr in jeder Sprachversion nachtragen, sondern kann diese aus Wikidata ziehen. Aber auch externe Anbieter.

Es ist möglich, Wikidata, direkt als Mensch aus quasi ocioell per Auge zu lesen. Hier zum Beispiel der Eintrag für das Stadtbad Mitte in Berlin:  Aber das ist ehrlich gesagt, hässlich, unübersichtlich und keinerlei Gewinn gegenüber Wikipedia. Da gefällt mir die Quartettkarte besser:

Quartettkarte "Stadtbad Mitte" im Quartett Schwimmbäder in Berlin / Zitronenpresse
Quartettkarte Stadtbad Mitte / Schwimmbäder in Berlin / Zitronenpresse

Besser für Wikidata ist eine Abfrage, die die gesuchten Daten hübsch arrangiert. Man befrage die Datenbank. Da man mit einem Computer Computersprech reden muss, gibt es SPARQL.

SPARQL

SPARQL ist eine Sprache zum Abfragen solcher semantischer Datenbanken. Sie existiert als offizielle Empfehlung des W3C-Konsortiums seit 2008. Inspiriert wurde sie durch SQL, hat aber Features, die ihr das logische Denken ermöglichen.

Wikidata hat eine Schnittstelle, in der man SPARQL-Abfragen einstellen kann: https://query.wikidata.org/

Alle Schwimmbäder

Schau mal, Du kannst Dir alle Schwimmbäder anzeigen lassen.

Das ist die Abfrage:

SELECT ?item ?itemLabel
WHERE
{
?item wdt:P31 wd:Q357380.

SERVICE wikibase:label { bd:serviceParam wikibase:language „[AUTO_LANGUAGE],de“. }
}

Ich: Aha?

Hüpfburg: Also von Anfang an.
SELECT – sagt, zeige mir Folgendes an: ?item und ?itemlabel

?item – ist jeder Gegenstand mit seiner Nummer in der Datenbank. SELECT ?item sagt „Zeige mir Gegenstände an, wie sie in der Datenbank stehen.“ Also zum Beispiel Q1292740.

SELECT ?itemlabel sagt „Zeige mir Gegenstände an, mit dem Namen, mit dem Menschen sie benennen.“ Also zum Beispiel „Stadtbad Mitte“.

Okay. Aber noch zeigt SELECT ?item ?itemLabel ja ALLE Gegenstände an. Nicht nur die Schwimmbäder.

Genau. Deshalb kommt ein Filter. Der wird gesetzt mit WHERE { }. Also zeige mir alle Gegenstände und ihre Bezeichnung, die folgende Bedingung erfüllen:

?item wdt:P31 wd:Q357380.

Total klar.

Okay: ?item – heißt für jeden Gegenstand muss eine Bedingung gelten.
wdt:P31 – jeder der Gegenstand muss zu einer bestimmten Klasse gehören, die im nächsten Wert steht.
wd:Q357380 – Das ist die Klasse, zu der der Gegenstand gehören muss. Hier: Hallenbad.

In Worten steht dort: Zeige mir alle Gegenstände, wenn diese Gegenstände zur Klasse Hallenbad gehören.

Die letzte Zeile – SERVICE wikibase:label… – sagt nur, dass wir nur die deutsche Bezeichnung haben wollen, nicht auch die englische, finnische und japanische

Hier we go!

Ich „109 Bäder. Weltweit. Ich bin nicht beeindruckt. Das sind weniger Bäder als Berlin und Brandenburg haben.“

Alle Schwimmbäder mit Bild

Hüpfburg: Aber es geht noch mehr. Die kannst dir jedes Bad mit einem Bild anzeigen lassen.

Hier die Abfrage:

SELECT ?item ?itemLabel ?pic
WHERE
{
?item wdt:P31 wd:Q357380.
?item wdt:P18 ?pic

SERVICE wikibase:label { bd:serviceParam wikibase:language „[AUTO_LANGUAGE],de“. }
}

SELECT kennst du ja schon. Diesmal soll ein Bild angezeigt werden. Also „?pic“ – zeige neben dem Gegenstand und dessen Namen auch das Bild.

Im Filter, also WHERE steht auch, dass ein Bild vorhanden sein muss.

Ich: „Okay, nur 79 Bäder. Und immer noch keine Bilder zu sehen. Nur ein Link“

Dann setzt Du #defaultview:imagegrid davor, dann hast du eine schöne Ansicht.

Okay, nun 79 mehr oder weniger schöne Bilder von 79, Bädern, die random sind. Die Idee überzeugt mich mehr als das Ergebnis.

Alle Schwimmbäder auf Karte

Die Abfrage mit Karte.

#defaultView:Map
SELECT *
WHERE {
?item wdt:P31/wdt:P279* wd:Q357380;
wdt:P625 ?geo .
}

SELECT: Wie vorher auch, nur dass du dieses Mal nichts angeben musst oder kannst, was gezeigt wird. Das macht #defaultView:Map

Der Filter, also WHERE hat nun noch wdt:P625 ?geo – es zeigt die nur Gegenstände an, die auch einen Platz auf der Karte haben.

Screenshot Schwimmbäder in Wikidata
Karte als Ergebnis der Abfrage „Schwimmbäder mit Karte“

Okay. Und wenn ich darauf gehe, sehe ich, dass es in den USA wd:Q15263936 gibt. Erstaunlich! Ich weise Hüpfburg darauf hin: Aber du kennst schon den Bäderatlas? Da gibt es alle deutschen Bäder – mehrere tausend, nicht einige Dutzend. Auf einer Karte. Mit allen wichtigen Infos. Und ich muss vorher nicht rumspargeln, um an die Infos zu kommen. Da reicht es, auf die Seite zu gehen.

So viele Möglichkeiten

Und wo sind die logischen Verknüpfungen in diesen Wikidata-Abfragen? – Die müssen erst in der Datenbank stehen. Wenn bei den Bädern der Architekt stünde, könntest du eine Abfrage bauen: „Zeige mir alle Gebäude von Schwimmbadarchitekten, die vor 1900 geboren wurden.“

Oder zeige mir alle verschollenen Filme, die als Handlungsort ein Schwimmbad haben. Oder zeige mir Schwimmbäder in Deutschland, die nach 1970 eröffneten und schon wieder außer Funktion genommen wurden. Nur fehlen dafür die Daten in der Datenbank. Daten, die nicht vorhanden sind, kannst Du nicht abfragen.

Ich stelle fest: „Als Schwimmbadsuchmaschine bin ich enttäuscht.“

„Ja“, wendet DJ Hüpfburg ein. „Aber ich suche keine Bäder. Ich suche Schlösser, Burgen und Industrieruinen. Für die gibt es keinen Atlas. Und Dirk, wie immer. Du denkst zu kurzfristig. Irgendwann stehen in Wikidata die Bahnlängen und die Gastro und die Beckentiefe und der Architekt und alles in der Nähe. Dann kannst du alle Bäder in der Nähe eines Bahnhofs suchen. Oder Hallenbäder mit 50-Meter-Bahnen. Oder alle historischen Bäder Italiens.“

„Okay, und wann? Bei dem Tempo dauert das bis 2050 oder so.“

Kann es sein, dass eine Datenbank da wirklich anders funktioniert als ein Lexikon? Wikidate andere Bedingungen erfüllen muss, um zu funktionieren als Wikipedia? Wenn das Lexikon große Lücken hat, freut man sich halt, über die Teile, die da sind. Da hat jeder Eintrag für den Leser einen Wert an sich. Wenn eine Datenbank große Lücken hat, ist sie nicht nutzbar, weil die Ergebnisse zufällig wirken. Dort bekommen die Einträge ihren Wert erst durch ihre Menge.

Sie gibt sie nicht geschlagen: „Denke an die Möglichkeiten. Du kannst es in deine Website integrieren. Stell dir vor du hast exklusive Schwimmbadvideos. Oder machst eine Seite über den Architekten Ludwig Hoffmann. Oder über Bahnhöfe in der Nähe von Sportstätten. Dann musst du dafür keine eigene Datenbank pflegen, sondern kannst ganz einfach die Daten aus Wikidata importieren.“

„Ganz einfach“, klar, lästere ich.„Einfacher als selber pflegen. Wenn ihr drei Leute findet, die das für ihre eigene Website machen, ist das Ergebnis besser, als wenn jeder seine eigene Datenbank hat.“

Da sage ich „das kenne ich“. Am Ende greifen Google und Facebook die ganzen Daten ab, bauen die in ihre Oberfläche ein – und das war es dann mit meinem Schwimmbadblog. Aber ich bin versucht. Mag die Hoffnung nicht fahren lassen.

„Okay. Ich trage jetzt ein, dass das Stadtbad Mitte eine 50-Meter-Bahn hat!“ Aber wie mache ich das? „Bahnlänge“ finde ich nicht als Kategorie. Muss ich die jetzt erfinden. Sinnvollerweise ja beim Oberbegriff „Hallenbad“? Aber wie lege ich das da an? Und was passiert mit Bädern, die mehrere Becken mit verschiedenen Bahnlängen haben? Es gibt auf jeden Fall noch viel zu tun.

Oder ich stelle Wohnzimmerstühle ein. Vielleicht sind die weniger komplex. Aber gibt es Kriterien für Relevanz in Wikidata? Fragen über Fragen.

Weiterlesen

Wo Wikidata sinnvoll wäre: Biographien von Sportlern

Die schönen Schwimmbadvideos gibt es bereits. Zum Beispiel vom Stadtbad Charlottenburg.

Wikipedia von A bis Z. Ein Versuch

19:16, Monday, 20 2020 July UTC

Brockhaus


Die Brockhaus Enzyklopädie ist ein mehrbändiges Nachschlagewerk in deutscher Sprache, das zuletzt von dem zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Wissen Media Verlag herausgegeben wurde. Ist es ein Nachschlagewerk? War es ein Nachschlagewerk? Seit einigen Jahren befindet sich der Brockhaus in einer Art Limbo des Untotseins. Irgendwie existiert er noch. So richtig aber auch nicht mehr. Ohne jetzt die Irrungen und Wirrungen des ehemaligen Goldstandards der deutschen Nachschlagewerke nachzuerzählen, reicht es mir zu erwähnen, dass noch vor 10 Jahren der Brockhaus quasi das unerreichbare Ziel, die große Messlatte und die ferne Vision dessen war, was Wikipedia werden sollte. Genau wie Wikipedia den Brockhaus anscheinend maßlos überschätzte, so war und ist der Brockhaus selbst ratlos wie er mit der Wikipedia umgehen sollte. Man weiß nicht, ob man von vertanen Chancen reden soll. Denn hatte der Brockhaus je Chancen?

Chiara Ohoven



Chiara Ohoven ist ein deutsches It-Girl. Viel mehr wissen wir nicht, da Wikipedia den zu Chiara gehörigen Artikel permanent löscht. Vor einigen Jahren erlangte sie kurzzeitig deutschlandweite Berühmtheit durch eine Do-it-Yourself Schönheits-OPs mit Schlauchbootlippen als Ergebnis, fand aber vor den Do-it-Yourself-Enzyklopädisten damit keine Gnade. Ansonsten folgt Chiara ihrer Mutter und ihrem Vater auf das Parkett der High Society und des Glamours. Und da kein Wikipedianer je zur High Society gehörte oder gehören wird, gilt sie in Wikipedia weiterhin als nicht-relevant.

Donauturm




Der Donauturm ist ein Aussichtsturm[4] inmitten des Donauparks im 22. Wiener Gemeindebezirk Donaustadt. Darüberhinaus sieht der Donauturm aus wie ein Fernsehturm, was zu einem der erbittertsten Editwars in der Wikipedia-Geschichte führte. Dort der Fachmensch für Fernsehtürme, der sich sehr sicher war, dass Fernsehturm die Bezeichnung eines bestimmten architektonischen Typs ist, dort eine Gruppe Wiener und Österreicher, die darauf verwiesen, dass von diesem Turm kein Fernsehsignal übertragen wird, noch nie ein Fernsehsignal übertragen wurde und niemand je plante von diesem Turm aus ein Fernsehsignal zu übertragen. Beide Seiten standen fester zu ihrem Standpunkt als der Donauturm im Wiener Boden. Schlußendlich führte der Editwar zu einem mehrseitigem Artikel im Spiegel, gebrochenen Herzen, frustrierten Wikipedianern und der Tatsache, dass jeder Wikipedianer weiß wie der Donauturm aussieht.


Elian


Elian ist ein in den 1980er Jahren aus dem Französischen entlehnter männlicher Vorname. Er geht auf den Beinamen Aelianus, eine Ableitung des römischen Geschlechternamens Aelius, zurück. elian (klein geschrieben und gesprochen eher wie Alien) kann auch als weiblicher Internetnickname genutzt werden. Ohne elian keine Wikipedia so wie wir sie kennen.

Gdansk



Danzig (polnisch Gdańsk Zum Anhören bitte klicken! [ɡdaɲsk],[3] kaschubisch Gduńsk), die Hauptstadt der Woiwodschaft Pommern im Norden von Polen, liegt an der Ostsee rund 350 km nordwestlich von Warschau und steht mit über 460.000 Einwohnern auf der Liste der bevölkerungsreichsten Städte Polens auf Platz sechs. Außerdem ist Gdansk Anlass des ersten Edit Wars, den ich persönlich mitbekommen habe. Es war 2003. Es war in der englischen Wikipedia. Deutsche und polnische Nationalisten ähnlicher Angestrengtheit konnten sich nicht einigen, ob die Stadt nun Danzig oder Gdansk heißt. Hilflos naive und offensichtlich überforderte Amerikaner versuchten zu vermitteln. Der interessante Moment kam, als der Edit-War zur Frage überging, ob die Band Danzig nun "benannt ist nach der Stadt Gdansk, ehemals Danzig" oder "benannt ist nach der Stadt Danzig, heute Gdansk".


Hubertus


Hubertus ist ein männlicher Vorname. Er wird NICHT Atze abgekürzt.

Kreuz


Curious Myths p 81
Bild: Page of symbols referenced in s:Curious Myths of the Middle Ages. 1868 von Sabine Baring-Gould. Public Domain.

Das Kreuz ist ein weltweit verbreitetes Symbol, das insbesondere religiöse und kulturelle Bedeutung hat. In diesen Bedeutungen hat sich Wikipedia unentrinnbar verheddert. Einerseits ist das Kreuz-Symbol ein wunderbares Beispiel dafür, welche Probleme das Internetprojekt mit Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten jeder Art hat. Andererseits ist der Streit darum ein tragischer Fall epischen Ausmaßes, der die Wikipedia-Community über Jahre in Aufregung hielt, die Nerven dutzender Wikipedianer verschliss und für Verzweiflung und Frustration allüberall sorgte. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: das Kreuz ist natürlich DAS Symbol des Christentums und symbolisiert Jesu Tod. Daraus folgend wurde † zum Symbol für den Tod. Das † kommt in der Wikipedia in Lebensdaten vor. (Beispiel: * 1600 †1666). Nun waren und sind sich die Wikipedianer nicht einig, ob †ein Symbol ohne jede Bedeutung ist, die einfach Standard ist, oder ob es immer noch christlich konnotiert ist. Bei Artikeln zu Menschen nicht-christlichen Glaubens kam und kommt es zum Streit. Ist das Kreuz nun eine christliche Usurpation von Nicht-Christen oder ist der Versuch deren Tod anders darzustellen - beispielsweise durch "gestorben 1666" ein Verbrechen an enzyklopädischer Neutralität und verstößt gegen die Einheitlichkeit der Form, die anzustreben ist? 

Lutz Heilmann


Siehe → Streisand-Effekt

Narrenschiff 


Das Narrenschiff (alternativ: Daß Narrenschyff ad Narragoniam) des Sebastian Brant (1457–1521), 1494 gedruckt von Johann Bergmann von Olpe in Basel, wurde das erfolgreichste deutschsprachige Buch vor der Reformation. Es handelt sich um eine spätmittelalterliche Moralsatire, die eine Typologie von über 100 Narren bei einer Schifffahrt mit Kurs auf das fiktive Land Narragonien entwirft und so der Welt durch eine unterhaltsame Schilderung ihrer Laster und Eigenheiten kritisch und satirisch den Spiegel vorhält. Im Wikipedianischen Zusammenhang war das Narrenschiff eine Art Mitteilungsblatt des Hans Bug, in dem er die Wikipedianer und ihre Laster und Untaten kritisierte. Bugs Narrenschiff war inhaltlich und qualitativ von Sebastian Brants Narrenschiff entfernt, wie es heutige Nachwuchswikipediakritiker von Bugs Narrenschiff sind. Wenn etwas in den letzten Jahren extrem gelitten hat, dann das Niveau der internen Wikipedia-Kritik.

Manipulation

Zur Manipuation in der Wikipedia und vor allem zu den Maßnahmen dagegen siehe Wikipedias Kontrollmechanismen gegen Manipulation

München


Bild: Wikipediastammtisch München 2005. Von: Hella Breitkopf Linzenz: CC-Attribution-Share Alike 3.0 Unported

München?/i [ˈmʏnçn̩] ( bairisch  Minga?/i) ist die Landeshauptstadt des Freistaates Bayern. Sie ist mit ca. 1,45 Millionen Einwohnern die einwohnerstärkste und flächengrößte Stadt Bayerns und, nach Berlin und Hamburg, die nach Einwohnern drittgrößte Kommune Deutschlands und die zwölftgrößte der Europäischen Union. Wikipedia-historisch ist München wichtig, da hier am 28. Oktober 2003, organisiert von → elian, das allerallererste Wikipedia-Treffen überhaupt stattfand. Und nachdem sich die Münchner einmal getroffen hatten und feststellen, dass es gar nicht so schlimm ist, folgten Treffen in Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, Boston, Taipeh, Alexandria bis es dann 2014 zum bisher größten Treffen in London mit knapp 2.000 Teilnehmern kam. Siehe auch → Wikimania, Stammtisch.


Nordsee


Die Nordsee ist ein Mehr, ein teil der Atlant, zwischen Grossbritannien, Skandinavien, und Friesland. Siehe auch Kattegatt, die Niederlanden, Deutschland.


Polymerase-Kettenreaktion

Der Artikel zur Polymerase-Kettenreaktion war im Mai 2001 der erste Artikel der deutschsprachigen Wikipedia. Vielleicht war es aber auch der Artikel zu Vergil. Oder der zur -> Nordsee. Die frühen Anfänge der Wikipedia liegen im Nebel. Mehr dazu: Wikipedia Manske Polymerase-Kettenreaktion.

Relevanz 


Relevanz (lat./ital.: re-levare „[den Waagebalken, eine Sache] wieder bzw. erneut in die Höhe heben“) ist eine Bezeichnung für die Bedeutsamkeit und damit sekundär auch eine situationsbezogene Wichtigkeit, die jemand etwas in einem bestimmten Zusammenhang beimisst. Das Wort ist der Bildungssprache zugeordnet[1] und bezieht sich auf Einschätzungen und Vergleiche innerhalb eines Sach- oder Fachgebietes. Das Antonym Irrelevanz (Adjektiv: irrelevant) ist entsprechend eine Bezeichnung für Bedeutungslosigkeit im gegebenen Zusammenhang, umgangssprachlich vereinfacht auch für allgemeine Sinnlosigkeit oder Unwichtigkeit. Das Fremdwort für eine allgemeine, qualitativ messbare Wichtigkeit ist Importanz. Siehe auch → Löschkandidaten, Relevanzkriterien, Inklusionismus, Exklusionismus, Tschunk.

Seitenleiste

Die Seitenleiste lässt sich vielleicht ab 2020 oder 2021 wegklappen. Siehe Seitenleiste Wikipedia nötig?

Strecke


Eisenbahnstrecke wird die Verbindung von Orten mit einem Schienenweg genannt. Im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff (Eisen-)Bahnlinie den auf diesen Strecken regelmäßig stattfindenden Verkehr. So können auf einer Strecke mehrere Bahnlinien oder eine Bahnlinie auf mehreren Strecken verkehren. Nach herrschender Meinung in der Wikipedia sind Strecken relevant und Linien irrelevant. Oder umgekehrt. Ich kann es mir nicht wirklich merken. Wobei die Regel zwar grundsätzlich gilt, bei Wiener Straßenbahnlinien gelten allerdings Sonderregeln und es ist andersrum. Und da wundert man sich, warum sich niemand mehr an Artikel zu Eisenbahnen herantraut.

Volker Grassmuck


Volker Grassmuck (* 1961 in Hannover) ist ein deutscher Publizist und Soziologe. Er ist assoziierter Professor für Mediensoziologie an der Leuphana Universität Lüneburg. Wikipediahistorisch ist Grassmuck gleich zweimal wichtig. Zum einen war er auf der Gründungsversammlung von → Wikimedia Deutschland anwesend, was uns ein wunderbares Video bescherte.

Zum anderen veröffentlichte er 2002 ein Buch über Freie Software. Dieses Buch enthielt eine Fußnote, in der Wikipedia erwähnt wurde. Diese Fußnote brachte nicht nur den Verfasser dieser Zeilen zur Wikipedia, sondern auch → elian zur Wikipedia brachte.

Weiterlesen


Längerer Text zu Pokémon in der Wikipedia.

Weitere Texte zu online: Kultur in Iberty!




Seitenleiste Wikipedia nötig?

16:25, Thursday, 02 2020 July UTC

Wikipedia soll schöner werden.

Ich sitze am Teltowkanal. An mir ziehen die Mittagspausenspaziergänger aus Finanzamt, Arbeitsamt, Ufa-Fabrik und Ullstein Castle vorbei. Ich schaue sie nur aus den Augenwinkeln heraus an. Ich lerne italienisch. Dazu wähle ich Kacheln in der Sprachlern-App „Duolingo“ aus. Duolingo gibt Sätze vor, ich klicke auf dem Handy die entsprechenden Wörter aus einer kleinen Auswahl an.

„Ich trinke den Tee“ – Ich wähle die Kacheln „Io“ und „bevo“, „il“ und „té“. „Io bevo il té.“

„Das schwarze Pferd kauft rosa Hosen“ – Il cavallo nero compra i pantaloni rosa.

„Die Vögel spielen Flöte“ – Gli uccelli sounano il flauto.

„Mario und Luigi sind Klempner“ – Mario e Luigi sono idraulici.

Ich erreiche den fortgeschrittenen Teil oder Übung. Ich darf keine Kästchen mehr anklicken. Die Wörter sind nicht vorgegeben. Ich muss selber den Text schreiben, die entsprechende grammatikalische Form kennen. In die nächste Runde komme ich erst, wenn ich den ganzen Satz fehlerfrei auf der Handytastatur tippe. Duolingo gibt vor:

„Du hast mir gesagt, dass er jeden Montag im Sommer zu ihr kommen würde, damit sie nachmittags die Kaninchen auf dem Hügel in der Stadt mit dem rohen Gemüse füttern können.“ – WHAT?

Zum Glück erlösen mich Schritte. Ich höre DJ Hüpfburg den Kiesweg am Kanal entlang laufen. Hüpfburg war kurz beim Asia-Streetfood-Wagen und hat sich die Nummer 9 gekauft (Reis mit Huhn). Sie läuft den Weg hinunter, grinsend. „Ich hoffe wir werden die PiS endlich los.“ Sie freut sich über die polnischen Präsidentschaftswahlen.

„Ist Dir aufgefallen, dass ich tiefer deutsch rede als polnisch. Hat meine Freundin letztens bemerkt. Mit der Freundin rede ich in beiden Sprachen. Habe ich nie gemerkt. Aber sie hat recht. Wenn ich deutsch rede, rutsche ich nach unten. Oder nach oben wenn ich polnisch rede.“

Ich: „Nein“.

Sie: „Du hast doch letztens von den Wildbienen und dem Befruchten erzählt. Ich hab‘ jetzt von Z gehört, dass in Japan Befruchtung per Seifenblasen getestet wird. Nicht so effektiv wie Bienen aber besser als Befruchtung von Hand. Die Seifenblasen werden mit Pollen bestäubt und dann über die Pflanzen geblasen. Stand wohl in der New York Times. Fiel mir wieder ein, als ich letztens vor dem Rathaus Schöneberg eine Hochzeit mit vielen Seifenblasen gesehen hab. Vielleicht steht ja in Deiner Wikipedia was dazu.“

„Es ist nicht meine Wikipedia!“

„Seifenblasenpflanzenbefruchtung finde ich ich nicht. Aber sag: Warum ist Deine Wikipedia so hässlich. Und sie sieht so aus als wäre sie 2004 stehen geblieben.“ Ich ringe um Worte.

„Es ist nicht meine Wikipedia. Und sie ist nicht..“ Oder doch? Ob Wikipedia schön ist? Ich wohne seit 2004 gedanklich in der Wikipedia und im Wikipedia-Layout. Jegliche Fähigkeit, die „Schönheit“ des Layouts von Außen zu erkennen, ist mir vor Jahren abhandengekommen.

Aber die Wikipedia sieht altbacken aus. Dem stimme ich zu. Sie erscheint, wie das Internet 2005 aussah, nicht wie das Internet von 2020 wirkt. Gerade will ich zu längeren Erklärungen und Entschuldigungen ansetzen.

Wieder rettet mich ein Geräusch. Hufgetrappel. Auf einem Schimmel reitet Lukas von Gnom den Kiesweg hinab. Das Hemd geöffnet, das wallende blonde Haar wehend im Wind. Er spielt die Klarinette der Erkenntnis.

Reading/Web/Desktop Improvements

Die Töne dringen in mein Hirn hinein. Aus dem Nebel heraus formt sich in meinem Kopf die Erkenntnis: Reading/Web/Desktop Improvements (Lesen / Web / Computer) Es gibt ein Projekt Wikipedia schöner zu gestalten. Und es hat Chancen auf Umsetzung!

Ich versuche, den Vorwurf der Wikipedia-Altbackenheit zu kontern. „Aber es gibt das Projekt Reading/Web/Desktop Improvements zum Zusammenklappen der Seitenleiste in der Wikipedia.“

Hüpfburg wirkt nicht beeindruckt.

Ich versuche das Projekt zu erklären. Leider hat es keinen Namen, was das Sprechen und Schreiben über das Projekt verkompliziert. Deshalb werde ich es Projekt Desktop Improvements oder kurz Projekt DImp nennen.

DImp möchte Wikipedia leserfreundlicher machen. Dies soll geschehen, indem die linke Seitenleiste versteckt wird. Diese wird ausklappbar. Im Normalfall sieht man dort nur einen kleinen Pfeil. Erst man auf den Pfeil klickt, kommen alle Menüs zum Vorschein.

Dem fragenden Blick von Hüpfburg sehe ich an, dass sie denkt „Welche Seitenleiste?“ Sie bestätigt damit, dass man gedanklich verdrängt, was man nicht braucht.

Welche Seitenleiste?

In der Seitenleiste stehen links auf verschiedene Wikipedia-Funktionen. Sie sind inhaltlich wild gemischt. Warum sie dort in dieser Anordnung auftauchen: „Das ist in 15 Jahren historisch gewachsen und logisch kaum erklärbar.“

Screenshot des Wikipedia-Artikels Benutzerschnittstelle mit Heraushebung der linken Seitenleiste.
Seitenleiste in einem Wikipedia-Artikel

Links finden sich dort für die Leser. Die Links in der Leiste lenken zu Hinweisen für Neulinge oder Gelegenheitsautoren. Langjährige Hardcore-Autoren können in der Leiste Spezial-Werkzeuge finden. Alle sind bunt gemischt. Die Links haben sich über die Jahre angesammelt. Sie wurden umgetauft und inhaltlich umgewandelt. In seltenen Ausnahmefällen ist sogar ein Link verschwunden.

Die ganze Leiste zu erklären wäre müßig. Zu verschieden sind die Zielgruppen, so dass es niemand gibt, der alle Funktionen benötigt.

Für Leser am spannendsten sind die Links unten: die Sprachversionen. Dort können sich die Leser Wikipedia-Artikel zum selben Thema in anderen Sprachen finden. Es handelt sich bei den Artikeln in anderen Sprachen um eigenständige Artikel. Es sind keine Übersetzungen. Sie unterscheiden sich oft inhaltlich. Auf jeden Fall bieten sie eine andere Sichtweise auf dasselbe Thema.

Screenshot der Wikipedia-Seite "Benutzerschnittstelle" mit Fokus auf die Sprachlinks von Arabisch bis Russisch.
Ein Teil der Sprachlinks zur „Benutzerschnittstelle“

Ein Hinweis auf die Sprachlinks soll in den Kopfbereich der Seite wandern, sichtbarer werden. Alles andere soll unsichtbarer werden. So will es das DImp-Team.

Das, dessen Namen nicht genannt werden kann

Der Prozess ist schwierig zu finden. Denn er hat keinen Namen. Selbst der Behelfsbezeichnung Reading/Web/Desktop Improvements ist kaum zu entnehmen: Ist es die Bezeichnung für den Prozess? Ist es die Bezeichnung für das Team in der Wikimedia Foundation?

Kann man über etwas reden, dass keinen Namen hat? Ist jemand das Problem aufgefallen? Ist es Absicht? In den Tiefen der Wikimedia-Diskussion lassen sich Vorschläge finden, dem Kind einen Namen zu geben. Da bleibt es bei der ausufernden Umständlichkeit. Oder halt bei Projekt DImp.

Das Team

Das Team hinter DImp ist das „Readers Web Team“ aus Angestellten der Wikimedia Foundation. Das wiederum gehört zur „Abteilung“(?) Readers oder Reading. Die Wikimedia Foundation ist sich nicht sicher, wie die Abteilung heißt. Diese Reading-Abteilung wiederum gehört zur Gruppe „Product“. Product ist eine der zwei technischen Gruppen in der Wikimedia Foundation. Die wiederum..

DJ Hüpfburg ignoriert mich und schaut dem Mann mit der Bierflasche in der rechten Hand zu, der vollkommen in sich gekehrt mit links sein T-Shirt bis zur Schulter hochzieht. Ich bin so in Wikipedia-Inside-Detailtum verfallen, dass ich mir selbst nicht mehr zuhöre.

..Auf jeden Fall: Es geht nicht um die App oder die Mobilansicht, sondern die Ansicht am PC. Das Desktop-Ansichts-Team will am PC die linke Seitenleiste einklappbar machen.

Ausgangslage

Es begann im Mai 2019 ausgehend von der Prämisse: Wikipedia ist unübersichtlich.

Das DImp-Team brach die Prämisse herunter in drei Leitsätze: Kein Leser versteht, wie das Wiki funktioniert. Die Bedienung ist unnötig umständlich. Es sieht nicht einladend aus.

Daraus folgten die Ziele des Teams: 1) Die Oberfläche der Wikipedia soll übersichtlicher werden. 2) Die Oberfläche soll die Blicke auf den Inhalt der Artikel lenken. 3) Die wichtigen Bedienelemente sollen schneller zu finden sein.

Um die Verwerfungen mit der Community klein zu halten, gab es von Beginn an Bedingungen. Die Verbesserung sollte nicht in Chaos und Streit enden. Deshalb gab es Einschränkungen an der Reichweite von Projekt DImp: 1) Keine drastischen Änderungen am Layout. 2) Der eigentliche Inhalt aller Bedienelemente bleibt bestehen.

Anders gesagt: Alles sollte besser werden, aber nichts sollte sich ändern.

Der Prozess

Es begann mit Mai 2019 mit ersten Gedanken. Es dauerte bis September des Jahres mit Vorüberlegungen. Bereits im Juli 2019 entstanden programmierte Gedankenspiele. Auf der Wikimania im August 2019 gab es längere Diskussionen und Tests mit anwesenden Teilnehmern.

Nach weiteren Tests wurde es im Mai 2020 ernst: Die ersten beiden Prototypen für echte Features entstanden: zum Beispiel die zusammenklappbare Seitenleiste. Die wurden zuerst in internen, semiöffentlichen Wikis eingesetzt.

Es gibt das Feature im Officewiki, das die Wikimedia intern nutzt. Und es gibt das Feature im Testwiki. Ursprünglich sollte das Feature bis jetzt schon in „echten“ Wikipedias wie der hebräischen oder französischen getestet werden. Aber Corona.

Normalnutzer können dennoch etwas sehen: Das Feature lässt sich in jeder Wikipedia anzeigen. Einfach ?useskinversion=2 an den URL hängen. Also wenn der Link zum Artikel UI (User Interface) in Wikipedia lautet:

https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzerschnittstelle

müsst ihr nur

https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzerschnittstelle?useskinversion=2

in die Adresszeile schreiben und ihr könnt das Feature selber sehen.

Gif, das Auseinander- und Zusammenklappen der Seitenleiste demonstriert.
Die Einklappbare Seitenleiste in der Praxis.

Desktop ist wichtig

Auch wenn man denken sollte, dass die Desktop-Version inzwischen nur noch Autoren angeht, die Leser nutzen den Desktop. Etwa die Hälfte der Zugriffe verteilt sich auf Desktop und Mobilansicht. Die App spielt nur eine unbedeutende Rolle.

Screenshot der Zugriffsstatistik auf die Wikipedia aufgeteilt nach Desktop / App und Mobilansicht. Im Monat erfolgen je etwa 10 Milliarden Zugriffe per Desktop oder Mobile und knapp 300 Millionen via App.
Zugriffstatistik auf alle Wikimedia-Projekte nach Zugriffsmethode.

Hüpfburg staunt: „Ich dachte, Wikipedia ändert sich nie. Aber es ist ja noch schlimmer! 30 Angestellte, ein Jahr mit Gerede und Fragen und wieder Gerede und wieder machen und am Ende kommt ein elender Balken zum Zusammenklappen raus?“ Da war ja der Kommunismus effizienter.

Jein, wende ich ein. Es mag ein kleiner Schritt für den Sidebar sein. Aber es geht um Millionen Menschen. Bei 12 Milliarden Schritten im Monat führen auch kleine Schritte sehr weit. Bei den Autoren, die jeden Tag mit dem Anblick umgehen müssen, für die die Wikipedia-Oberfläche oft ein wichtiger Teil ihres Lebens ist, geht es um zehntausende Menschen. Angesichts der Auswirkungen, die selbst eine kleine Änderung der Wikipedia-Oberfläche in der Welt hat, ist der Aufwand klein.

„Wenn du meinst? Ich bleib lieber bei meinen Hochzeitswebsites. Dort muss ich nur den Geschmack der Braut treffen. Das geht einfacher.“

Weiterlesen

Die Website zum Projekt DImp. Reading/Web/Desktop Improvements.

Wer Insider-Baseball zur Wikipedia-Gestaltung nachlesen möchte: ein Wikipedia-Mobil-Ansichts-Entwickler schreibt warum es eine Desktop-Version gibt.

Wikipedia im Jahr 2001. Noch ohne Seitenleiste.

10 Regeln für den eigenen Wikipedia-Artikel

17:51, Thursday, 11 2020 June UTC

Wikipedia ist nicht nur eine Enzyklopädie mit dem Anspruch auf Ewigkeit, sondern auch ein Nachschlagewerk für Ephemeres und zeitgemäß Aktuelles. In der Wikipedia stehen nicht nur Artikel über Themen von Bach und Barock bis zu Bismarck oder zur Binomialverteilung. Im Bastelbrockhaus stehen auch Einträge über lebende Künstler, Sänger, Sportler, Unternehmen, Vereine und Stiftungen.

Nun können diese Künstler, Sänger und andere diese Einträge auch lesen und sind – mal zu Recht mal zu Unrecht – nicht glücklich mit diesen Artikeln. Mal sind die Artikel eigenwillig gewichtet, mal lassen sie das Wesentliche aus, mal sind Daten veraltet und ab und an enthalten die Artikel auch echte inhaltliche Fehler.

Artikel über sich selbst oder seine Organisation zu ändern, ist nicht einfach. Manchmal ist es aber für Wikipedia und die Betroffenen hilfreich. Deshalb hier einige Regeln zum Umgang mit dem eigenen Wikipedia-Artikel.

Maze 01
Auf den ersten Blick wirkt Wikipedia unübersichtlich. Bild: Maze01. Von Nevit Dilmen Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

(0) Vorweg: Wikipedia-Artikel sind böse

Die Grundregeln für den Umgang mit der eigenen Person oder Organisation in Wikipedia ist einfach: existiert noch kein Artikel, so ist das gut. Wikipedianer schätzen es gar nicht, wenn Betroffene über sich selbst Artikel anlegen. Die geschriebenen Regeln verbieten die Artikelanlage in eigener Sache nicht explizit. Die - wichtigeren - ungeschriebenen Regeln sprechen sich stark dagegen aus. Umso kritischer werden Wikipedianer die neuen Artikel begutachten, nach Schwächen und Fehlern suchen. Umso schlimmer wird das Spießrutenlaufen für denjenigen, der diesen Artikel anlegt.

Selbst wenn der Artikel durchrutscht, zumindest am Anfang keine Kritik erfährt: Viele der Ersteller und Objekte von Artikeln rechnen nicht damit, was für eine eindrückliche Erfahrung es sein kann, die Kontrolle aus der Hand zu geben, einer anonymen Gruppe von Menschen eine große Bühne zu geben, das eigene Leben oder die eigene Organisation darzustellen. Eine eigene Website oder ein Facebookauftritt kann dasselbe wie ein Wikipedia-Artikel. Aber man behält die Kontrolle.

Wenn eine Person oder Organisation keinen Wikipedia-Artikel hat, dann sollte sie eine Flasche Sekt öffnen, dankbar sein und sich auf andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit verlegen. In vielen Fällen allerdings existiert der Artikel schon, oftmals nicht zur Zufriedenheit der betroffenen Person. Manchmal muss die Person oder Organisation halt damit leben, dass die eigene Existenz nicht nur Feiernswertes enthält. Manchmal hat sie aber auch legitime Gründe zur Kritik: Veraltetes, Unvollständiges, Fehlerhaftes oder eigentümlich Gewichtetes findet sich in vielen Wikipedia-Artikel. Es gibt die Möglichkeit, etwas daran zu ändern.


(1) Transparenz 


Wikipedia ist überaus kritisch gegenüber Bearbeitungen in eigener Sache. Jeder, der Artikel über sich selbst bearbeitet, muss Grundmisstrauen überwinden und Vertrauen gewinnen. Vertrauen gewinnt man durch Offenheit.

(2) Verifizierung 


Speziell für Bearbeiter in eigener Sache und ganz speziell für Menschen, die professionell unterwegs sind, existiert in der deutschen Wikipedia das Mittel der Verifizierung. Bearbeiter melden sich unter dem Namen ihrer Organisation/ ihrer Person an und stellen damit eine Grundtransparenz her. Danach schicken Sie eine Mail an  info-de-v@wikimedia.org und werden dann von Freiwilligen verifiziert. Weitere Details finden sich unter: Wikipedia:Benutzerverifizierung

(3) Diskussionsseiten 

Zu jedem Eintrag in der Wikipedia gehört eine Diskussionsseite, auf der dieser Eintrag diskutiert wird. Um Konflikte und Konfrontationen zu vermeiden, empfiehlt es sich, jede größere Änderung erst auf der Diskussionsseite mit einigen Tagen Vorlaufzeit anzusprechen. Erst wenn dort kein Widerspruch, oder gar Zustimmung, gekommen ist, sollte der Artikel selbst geändert werden. Taucht auf der Diskussionsseite Widerstand auf, so ist die Diskussionsseite zur Diskussion zu nutzen.


(4) Belegen 


Wikipedia ist eine Enzyklopädie, die verlässlich sein will, die aber jeder anonym bearbeiten kann. Zum Ausgleich legt die Community starken Wert darauf, dass jeder inhaltliche Beitrag belegt wird. Als Belege gelten nur Fakten, die anderswo veröffentlicht sind. Sei es in Büchern, Zeitschriften oder Websites. Diese Pflicht geht so weit, dass selbst Aussagen der Person selbst oder amtliche Dokumente nicht akzeptiert werden – sofern diese nicht an einer externen Stelle veröffentlicht wurden.

Belege im Artikel zur Wikipedia (kleiner Ausschnitt)
Dies klingt auf den ersten Blick aufwendiger als es ist. Zumindest in heutiger Zeit. So gut wie jede Wikipedia-relevante Person oder Organisation wird Zugriff auf eine Website haben, auf der sie etwas veröffentlichen kann. Im Zweifel besitzt zwar eine externe Veröffentlichung eine höhere Reputation.

Aber gültig sind auch Inhalte auf eigenen Websites. Wenn also Wikipedia ihren zweiten Vornamen falsch schreibt: beginnen Sie keine Diskussion mit der Community, sondern schreiben Sie ihn richtig auf der eigenen Website. Wenn die Community nicht glaubt, dass die Rolling Stones ihr größter literarischer Einfluss sind - schreiben Sie es auf der eigenen Website.

(5) Klare, harte Fakten. Keine Adjektive 


Artikel über sich selbst zu ändern, ist selbst unter den besten Umständen ein Drahtseilakt. Die Gefahr besteht, auf andere Autoren zu treffen, die dies aus Prinzip ablehnen und versuchen gegen die Edits zu arbeiten. Aber auch diese Autoren sind an Regeln gebunden. Je besser eine Bearbeitung nachgeprüft werden kann und je eindeutiger diese ist, desto höher sind die Chancen, dass sie bestehen bleibt.

Am besten hierfür eigenen sich unstreitige Zahlen und Fakten. Während Fakten einfach und erwünscht sind, ist dies mit Interpretationen schwierig. Diese sind generell in der Wikipedia verpönt. Je niedriger das Vertrauen ist, das ein Autor genießt, desto schwieriger wird es, Text einzubauen, der auch nur entfernt nach Interpretation aussieht. Adjektive sehen immer nach Interpretation und Wertung aus. Sie haben in einem Artikel über einen selbst nichts verloren.

(6) Verständlich bleiben 


Nun gibt es nicht nur die Community, für die ein Text geschrieben wird, sondern auch die Leser. Leser lieben Wikipedia, weil er hier klare, verständliche Informationen gibt, die sich beim ersten Lesen erschließen. Buzzwords, unverständliches, aber auch Fachsprache und Insiderlingo sind verpönt. Die Community achtet darauf dies durchzusetzen. „Geschwurbel“ ist einer der liebsten Begründungen innerhalb der Community um Text zu streichen.

Gerade professionelle PR-Personen stellt dies oft vor besondere Herausforderungen. So ist nicht ratsam zu schreiben, dass ein Unternehmen "Verbindungen herstellt zwischen den Grundbestandteilen der Industrieproduktion", sondern es stellt Schrauben her. Jemand "entführt nicht in Welten der zwei Sonnen", sondern schreibt Fantasy-Romane. Am besten haben Leserin oder Leser bereits beim ersten Lesen eine klare Vorstellung davon, um was es geht. 

(7) Mit der Community zusammen 


Wikipedia ist ein grundsätzlich offenes System, das von zahlreichen Vandalen, Trollen und Manipulatoren heimgesucht wird. Dementsprechend ausgebildet und etabliert sind mittlerweile die Mechanismen, unerwünschte Bearbeitungen fernzuhalten. Die etablierte Community hat die informellen, formalen und technischen Mittel Text zu verhindern, kann aber auch unglaublich Großartiges vollbringen. Jede Mitarbeit in Wikipedia, die von Erfolg gekrönt sein soll, funktioniert nur im gegenseitigen Vertrauen mit der Community.

Leider hat die Community die Eigenschaft die unkooperativsten und unfreundlichsten Mitarbeiter vorzuschicken, wenn es um das Sichten neuer Artikel geht. Oder anders gesagt: Die unfreundlichsten Mitarbeiter sind besonders motiviert darin, sich auf Neulinge zu werfen. Warum das so ist, darüber kann ich spekulieren, möchte es aber nicht. Aber nicht aufgeben: es gibt nette und freundliche Wikipedianerinnen und Wikipedianer. Mit etwas Ausdauer lassen sie sich finden. 

(8) Zu vermeiden: Freunde holen 


Manche Autoren fühlen sich von der Wikipedia-Community übermannt oder ungerecht behandelt und versuchen, Freunde zu motivieren, ihnen beizustehen. Kaum etwas ist schlimmer. Die reine Anzahl von Teilnehmenden in der Diskussion hat kaum ein Gewicht. Wesentlich bedeutender ist das Vertrauen, dass den einzelnen Beteiligten in der Community beigebracht wird.

Die Community hat ein eingebautes internes Vertrauenssystem, das maßgeblich auf bisherigen Beiträgen beruht. Wenn aus heiterem Himmel plötzlich eine größere Anzahl neuer Nutzer bei einem Thema auftaucht, lässt das bei vielen erfahrenen Wikipedianern Alarmglocken schrillen. Sie reagieren skeptischer und aggressiver. Dabei gilt: gegen eine skeptisch und aggressive Community zu agieren, hat nie Erfolg. Der Versuch, Freunde zu mobilisieren ist bisher immer nach hinten losgegangen.

(9) Das Sichtungsproblem 


Speziell die deutsche Wikipedia hat das Instrument der Sichtungen eingeführt. Das bedeutet: Änderungen an Artikeln werden sofort gespeichert. Wenn diese Änderungen von einem neuen Autor stammen, sind sie aber nicht sofort für die Öffentlichkeit sichtbar. Dafür muss erst ein erfahrener Wikipedianer sein OK geben. Je einfacher die Edits sind und je einfacher sich ihr Inhalt extern überprüfen lässt, desto schneller wird die Freigabe erfolgen.

Übersicht über die Seiten, die am längsten nicht gesichtet wurden.

(10) Fotos unter freier Lizenz 


Ein einfacher Weg, das Vertrauen der Community zu gewinnen, Inhalte beizutragen und es Wikipedia zu ermöglichen eigene Inhalte zu nutzen, ist das Bereitstellen von Fotos unter freier Lizenz. Das bedeutet, dass diese Fotos im Nachhinein genutzt, verändert und eingebaut werden können. Allerdings muss dabei der Autor genannt werden ebenso wie der Titel des Fotos. So in Wikipedia und von dort aus dann viral durch das halbe Netz.

Rose Stanwell Perpetual バラ スタンウェル パーペチュアル (7887553466)
Ist ein Foto unter freier Lizenz hochgeladen, kann es unter Autoren-Nennung quer durch das Internet gesehen werden. Bild: Rose Stanwell Perpetual バラ スタンウェル パーペチュアル von: T.Kiya Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic

Weiterlesen


Der Wikipedia mangelt es nicht an Seiten mit Regeln, Vorschriften und Anleitungen. Auch zu diesem Themenkomplex gibt es eher zuviel als zu wenig zu lesen. Als Einstieg empfiehlt sich: Wikipedia:Interessenkonflikt  und die dortigen Links.

Bei Rückfragen zu bestimmten Einzelfällen, gerne auch eine Mail an mich, dirkingofranke@gmail.com

Alle Iberty-Posts zu Netz- und Kulturthemen finden sich unter. Kultur in Iberty! Eine Übersicht.